s'Positive Magazin 01.2017
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WISSEN<br />
dienstmitarbeiter bei einem grossen Hersteller<br />
für Büromaschinen angestellt war. Zu<br />
Beginn meiner Anstellung wurde ich während<br />
mehrerer Wochen ausgiebig geschult.<br />
Dabei ging es auch um Gesprächstechnik. Wir<br />
lernten, wie Kunden durch gezielte, manipulative<br />
Fragetechnik dazu gebracht werden<br />
können, das zu wollen, was man ihnen anzubieten<br />
hat.<br />
Diese Technik lässt sich ebenfalls leicht<br />
auf das Privatleben ausdehnen. Zum Glück<br />
war meine damalige Frau intelligent genug,<br />
die Technik und ihre manipulative Kraft rasch<br />
zu erkennen. Nachdem sie einige Male in die<br />
Falle getappt war, gab sie mir unmissverständlich<br />
zu verstehen, dass dies für sie nicht<br />
gehe, und dass sie unter einer privaten Auseinandersetzung<br />
etwas anderes verstehe als<br />
die Anwendung von erlernten, manipulativen<br />
Gesprächstechniken.<br />
Mein ehemaliger Nachbar ist ebenfalls<br />
Sozialpädagoge. Doch er und ich (und meine<br />
damalige Partnerin) haben etwas gemeinsam:<br />
Wir alle erlernten eine Gesprächstechnik<br />
und übernahmen diese auch in unser<br />
Privatleben. Doch ob Privatleben oder nicht:<br />
Die Frage ist, ob denn ein Kunde so erfreut<br />
darüber ist, zu wissen, zu erfahren oder zu<br />
erkennen, dass er manipuliert worden ist.<br />
Dass also die Art und Weise, wie er überzeugt<br />
wurde, manipulativ war und nicht die Fakten<br />
entscheidend waren.<br />
Zum Glück ist es so, dass Verkaufstechniken<br />
meist erst dann richtig wirksam werden,<br />
wenn sie nur einen Teil des Gesprächs<br />
ausmachen. Wichtig ist immer auch die Persönlichkeit<br />
des Verkäufers und – vor allem<br />
bei professionellen Einkäufern – die Fakten.<br />
Dagegen ist es gut vorstellbar, dass ein Sozialpädagoge<br />
in seinem Beruf auch dann sehr<br />
erfolgreich sein kann, wenn er sich eng an<br />
seine erlernte Gesprächstechnik anlehnt. Ein<br />
professioneller Einkäufer ist nicht selten<br />
ebenfalls geschult, in speziellen Gesprächstechniken<br />
und auch, wie er solche erkennen<br />
und sich dagegen wehren kann. Ganz im<br />
Gegensatz zu anderen Berufsgruppen, die<br />
sowohl im Beruf wie auch im Privatleben den<br />
Profis ausgesetzt sind.<br />
viele mehr sind geschult in Gesprächstechniken<br />
und haben deshalb gegenüber Menschen,<br />
die nie eine solche Ausbildung genossen<br />
haben, enorme Vorteile. Nachfolgend<br />
einige Beispiele von Techniken, mit denen<br />
wir auch im Privatleben von unseren Partnern<br />
und Partnerinnen, von Freunden, Kolleginnen,<br />
Bekannten und sogar Unbekannten<br />
täglich manipuliert werden.<br />
Gefühlsausbrüche können<br />
hochmanipulativ sein. Mit dem<br />
Gesprächsabbruch werde ich<br />
der Chance beraubt, meinen<br />
Standpunkt darzulegen.<br />
DAS ENTWEDER-ODER-ARGUMENT<br />
Beginnen wir mit etwas Leichtem: «Kaufen<br />
wir den Mercedes oder den Toyota? Ich glaube,<br />
der Mercedes ist zu teuer, also nehmen<br />
wir den Toyota.» Hier hat jemand vorsondiert<br />
und bereits gewählt. Obwohl die Argumentation<br />
logisch erscheint, lauert darin ein fataler<br />
Fehler. Die Argumentation setzt voraus,<br />
dass nur diese beiden Alternativen existieren.<br />
Natürlich kann es sein, dass alle Beteiligten<br />
mit der Wahl zufrieden sind. Aber falls Zweifel<br />
bestehen, unbedingt nachfragen: Sind<br />
noch weitere Möglichkeiten denkbar?<br />
DAS GESPRÄCH WIRD SABOTIERT<br />
Kommen Ihnen solche Sätze bekannt vor?<br />
«Ich habe dir schon oft gesagt, dass ...» oder<br />
«Mit dir hat es keinen Sinn, darüber zu reden»<br />
oder «Es ist frustrierend, dass du einfach nicht<br />
begreifst ...». Danach wird das Gespräch verweigert,<br />
eventuell die Türe geknallt. Das war’s<br />
dann. Die Analyse: Die eine Seite hat einen<br />
Gefühlsausbruch (eventuell sogar gespielt),<br />
und erzeugt damit in der anderen Person ein<br />
schlechtes Gewissen. Dabei wurde der Standpunkt<br />
nochmals klargemacht,<br />
ohne eine weitere Erklärung abzugeben.<br />
Mit dem Gesprächsabbruch<br />
werde ich der Chance beraubt,<br />
meinen Standpunkt darzulegen.<br />
Ob der Gefühlsausbruch<br />
echt oder nur gespielt, und ob er<br />
überhaupt berechtigt war, lassen<br />
wir offen. Aber zumindest war er<br />
hochmanipulativ. Um dem auf<br />
den Grund zu gehen, müssen beide<br />
Seiten zuerst von ihren Emotionen herunterkommen.<br />
Auch das schlechte Gewissen ist<br />
kein guter Ratgeber beim Herausfinden, wer<br />
Fotos: Shutterstock, g-stockstudio/Chinnapong<br />
NICHTSSAGENDE SPORTLER<br />
Auch Journalisten wenden Gesprächstechniken<br />
an. Wie wollen sie sonst aus den häufig<br />
mediengeschulten Gesprächspartnern wie<br />
etwa Politikern oder Sportlern irgendetwas<br />
herauskitzeln? Haben Sie die Aussagen dieser<br />
beiden Berufsgruppen schon mal analysiert?<br />
Sportler verstehen es heute fast schon<br />
wie Politiker, in mehreren wohlgeformten<br />
Sätzen entweder rein gar nichts zu sagen,<br />
oder dann nur etwas, was sowieso schon jeder<br />
weiss. Auch Politiker, Chefs, Polizisten,<br />
Behörden, Lehrer, Berater jeder Art und noch<br />
Manipulation von<br />
allen Seiten: Im Alltag<br />
sind wir ständig der<br />
Beeinflussung von<br />
anderen Menschen<br />
ausgesetzt.<br />
18 s’Positive 1 / 2017