s'Positive Magazin 01.2017
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
INTERVIEW<br />
ZUR PERSON<br />
Erich Ritter<br />
Erich Ritter (* 30. Dezember 1958 in<br />
Zürich) ist Biologe und der weltweit<br />
führende Verhaltensforscher für<br />
Haie. Er studierte Zoologie und Paläontologie<br />
an der Universität Zürich<br />
und an der Rosenstiel School der University<br />
of Miami. Danach promovierte<br />
er auf dem Gebiet der Verhaltensökologie<br />
bei Fischen.<br />
Erich Ritter ist Gründungsmitglied<br />
und war bis 2005 wissenschaftlicher<br />
Leiter von Sharkproject e.V., arbeitet<br />
in der Verhaltensforschung von Haien<br />
und beschäftigt sich insbesondere<br />
mit der Hai-Mensch-Beziehung. Er<br />
analysiert und rekonstruiert Haiunfälle<br />
und stellt die Ergebnisse den<br />
Opfern und deren Angehörigen zur<br />
Verfügung. Die Unfall-Analysen werden<br />
im Global Shark Attack File am<br />
Shark Research Institute in Princeton<br />
USA publiziert.<br />
Alle Experimente werden mit und<br />
meist in Interaktion mit den Tieren<br />
in freier Wildbahn primär auf den<br />
Bahamas und in Südafrika durchgeführt.<br />
Durch seine Forschung entwickelte<br />
Ritter das Interaktionskonzept<br />
ADORE-SANE. Als renommierter Hai-<br />
Forscher berät er unter anderem die<br />
Deutsche Marine, die US Navy und die<br />
US Air-Force im Umgang mit Haien.<br />
Nach diesem Konzept gibt es keine<br />
gefährlichen, willentlich aggressiven<br />
Haie, sondern nur gefährliche Situationen<br />
mit Haien. Aus seinen Forschungsergebnissen<br />
leitete Erich<br />
Ritter eine Reihe von Massnahmen<br />
und Verhaltensregeln ab, mit denen<br />
gefährliche Situationen mit Haien<br />
vermieden werden können.<br />
Seine Forschungsergebnisse zeigen<br />
Haie als intelligente Tiere und widersprechen<br />
den gängigen Vorstellungen,<br />
wie sie durch die Medien und die<br />
Filmindustrie verbreitet werden.<br />
Erich Ritter setzt sich für den Erhalt<br />
und Schutz der Haie ein.<br />
Auf den Bahamas betreibt er eine<br />
wissenschaftliche Station, das Shark<br />
Education and Research Center<br />
(SERC). Er lebt in Florida (USA) und<br />
kommt für Aufträge im Zusammenhang<br />
mit seinen Forschungen hin und<br />
wieder in die Schweiz. Bei dieser<br />
Gelegenheit haben wir ihn getroffen.<br />
Ein Leben für die Haie: Erich Ritter<br />
mit einem seiner Bücher.<br />
Weil ich irgendetwas angestellt hatte, erhielt<br />
ich Stubenarrest. Damals war ich etwa sieben<br />
Jahre alt. Aber wir hatten seit kurzem einen<br />
Fernseher in der Stube und als ich alleine<br />
war, schaltete ich das Gerät ein. Ein Fernseher<br />
war Ende der 50er Jahre noch etwas ganz<br />
Besonderes. Es wurde eine Sendung über<br />
Haie gezeigt und gesagt, dies seien sehr gefährliche<br />
Tiere. Ich war von den Bildern fasziniert<br />
und konnte nichts Gefährliches erkennen.<br />
Dies ging mir nicht mehr aus dem Kopf<br />
und ich verschlang fortan alles, was ich über<br />
Haie erfahren konnte. Als ich ungefähr zehn<br />
Jahre alt war, las ich auch die Geschichte von<br />
Dr. Dolittle, der mit den Tieren sprechen<br />
konnte. Von da an war ich ebenfalls überzeugt,<br />
mit Tieren sprechen zu können. Als<br />
ich dann zwölf war, sagte ich meiner Mutter:<br />
Ich will Haidoktor werden.<br />
Haidoktor? Wie stellten Sie sich dies vor?<br />
Das konnte ich mir noch nicht recht vorstellen.<br />
Ich begann dann, an der ETH in Zürich<br />
«Als ich das Spital verlassen konnte, hatte<br />
die Universität meine Kurse gestrichen,<br />
meine Sponsoren waren weg, ich sass auf<br />
einer halbe Million Dollar Schulden und<br />
war zusätzlich noch behindert.»<br />
Biologie zu studieren, merkte aber bald, dass<br />
dies nicht meine Welt ist. Ich ging dann zur<br />
Uni, die zwar auch nicht meine Welt war,<br />
hatte jedoch bei meinem Zoologiestudium<br />
das Glück, einen Professor zu finden, der es<br />
mir ermöglichte, mich auf die Verhaltensweise<br />
der Haie zu spezialisieren. Irgendwann<br />
habe ich die Hörsäle verlassen und auf den<br />
Bahamas eine Hai-Forschungsstation aufgebaut.<br />
Ich entschied mich, meine akademische<br />
Laufbahn zu beenden, um wieder vermehrt<br />
im Wasser zu sein. Seither verbringe ich neun<br />
Monate im Jahr im Wasser mit Haien.<br />
Wie lebt es sich als Haiforscher?<br />
Ein normales Leben ist es sicher nicht. Ich<br />
lebe vornehmlich aus dem Koffer. Aber mir<br />
war es immer wichtig, Feldforschung machen<br />
zu können. Jetzt bin ich zwar wieder an einer<br />
Universität, der Universität von West Florida,<br />
muss dort aber nicht unterrichten.<br />
8 s’Positive 1 / 2017