Wirtschaftszeitung_20022017
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Blüten zählen<br />
am Obstbaum<br />
CLK arbeitet an faszinierenden Lösungen<br />
MACHER &MÄRKTE 7<br />
„Der Künstlichen Intelligenz gehen<br />
ein besonders intelligentes Programmieren<br />
und die spezielle<br />
Kombination von Bildverarbeitung<br />
und Robotertechnik voraus“<br />
Evelyn Decker<br />
Und die drei Protagonisten<br />
hat die Wirtschaftsfördererin<br />
nicht nur ermutigt,<br />
sondern tatkräftig bei<br />
einem Projektantrag an<br />
das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand<br />
(ZIM) des Bundeswirtschaftsministeriums<br />
unterstützt, der heute beschieden<br />
wird: Die Schweißroboter der<br />
Zukunft verrichten ihren Dienst nämlich<br />
nicht nur vollautomatisch und kameragesteuert,<br />
sondern individuell von Objekt<br />
zu Objekt variabel und liefern deshalb<br />
eine Automatisierungschance<br />
für<br />
KMU und kleine<br />
Losgrößen.<br />
Sprich, der Roboterwirdnicht<br />
programmiert<br />
und<br />
fest installiert,<br />
um die nächsten<br />
drei Jahre immer<br />
die gleichen Teile<br />
in der gleichen<br />
Größe zusammenzuschweißen,<br />
wie dies beispielsweise<br />
in der Autoindustrie der Fall ist. „Die<br />
Bildverarbeitung macht den Roboter zu<br />
einem sehenden Produktionsmittel. Damit<br />
ist es möglich, Roboterprozesse zu<br />
automatisieren, ohne die Bauteile exakt<br />
positionieren oder fixieren zu müssen“,<br />
beschreibt Cruse.<br />
Darüber hinaus meistert das CLK-Team<br />
besondereHerausforderungen in Sachen<br />
Bionik: Monatelang haben die AltenbergerIngenieureMetzgern<br />
–wennauch per<br />
Video –beim Fleischschneiden über die<br />
Schulter geschaut, bis ein kameragesteuerter<br />
RoboteramFließband die Klingeso<br />
führen konnte, dass das Bildverarbeitungssystem<br />
für jedes Fleischstück anhand<br />
der 3D-Scannung und Farberkennung<br />
individuell die Schnittlinienführung<br />
berechnet und exakt das Fett vom<br />
mageren Fleisch trennt.<br />
Auch wenn die Qualitätskontrollsysteme<br />
vonCLK in sämtlichen –außer einem einzigen<br />
–deutschen Gefl<br />
ügelschlachthöfen<br />
installiert sind und durch die Netzwerk-<br />
Projektleiterin erste Kontakte in die<br />
Fischindustrie geknüpft werden konnten<br />
–nicht alle Projekte des„hidden champion“<br />
erweisen sich als derart blutig: Kurz<br />
vor der Markteinführung steht beispielsweise<br />
eine auf dem kleinen Obstplantagenschlepper<br />
installierte Kameratechnik<br />
zum blitzschnellen Zählen der Apfelblüten.<br />
Von Baum zu Baum stellt sich das<br />
System spezifischein, erhöht oder verringert<br />
die Geschwindigkeit des Schlegels<br />
Sehende Maschine: Im CLK-Entwicklungslabor erläutert Geschäftsführer Dr. Carsten Cruse die Kombinationsmöglichkeiten<br />
von Bildverarbeitung und Robotik.<br />
Foto: Maike Harhues<br />
und dünnt automatisch nur so viele Blütenaus<br />
wie nötig –mal 200 und mal 400.<br />
100 Blüten pro Plantagenbäumchen gelten<br />
optimal für normgroß gewachsene<br />
Äpfel bei der Ernte.<br />
Mit etwa zwei Dritteln seiner unternehmerischen<br />
Kraft und seinem 15-köpfigen<br />
Team stellt sich der 52-Jährige den Herausforderungen<br />
der zunehmenden<br />
Automatisierunginder Kernbranche des<br />
Münsterlandes – der Lebensmittelproduktion:<br />
Bei der Spinat-Ernte fährt das<br />
CLK-System auf der Erntemaschine mit,<br />
misst in Sekundenbruchteilen die Stiellängewährend<br />
des Schnitts und gibt dem<br />
Fahrer die Möglichkeit, die Schneidegeräte<br />
wirtschaftlich optimal anzupassen.<br />
All sein Wissen um die individuelle Automatisierung<br />
gibt Cruse nicht nur weiter,<br />
indem er Bachelor- und Masterarbeiten<br />
seiner Mitarbeiter betreut. Seit drei Jahren<br />
ist der Firmenchef zugleich als Dozent<br />
an der Westfälischen Hochschule in<br />
Bocholt tätig. Dadurch profitieren Studierende<br />
vonseinem reichentechnologischen<br />
Fundus. Und bei der Praxisarbeit<br />
dürfendie Studenten regelmäßig die Luft<br />
des realen Wirtschaftslebens in den Firmenräumlichkeiten<br />
in Altenberge<br />
schnuppern. Maike Harhues<br />
OFFEN GESAGT<br />
Wunderwerke<br />
Das Silicon Valley liegt im Westen der<br />
USA –weiterhin Ziel eines globalen<br />
Trecks der Technik-Nerds. Doch auch der<br />
Westen des Münsterlandes sendet seinen<br />
Lockruf aus. Denn dort finden sich einzelne<br />
Unternehmen, die bereits Schlüsselkompetenzen<br />
in einer Schlüsseltechnologie erlangt<br />
haben. Damit besetzen kleine Firmen in<br />
ihrer Nische einen großen Marktanteil –und<br />
verschaffen ihren Kunden wiederum oftmals<br />
einen Vorteil, den diese vielleicht erst dann<br />
ermessen können, wenn sie die traditionellen<br />
Tugenden ihrer Branche mit maßgeschneiderter<br />
Innovation verknüpft haben.<br />
Die Hemmschwellen, aufeinander zuzugehen,<br />
sind offenbar noch hoch. Die Quote der<br />
Betriebe, die konsequent auf den Kollegen<br />
Roboter setzen, scheint jedenfalls ausbaufähig.<br />
Was verwundert, angesichts dessen, was<br />
die technischen Wunderwerke mit ihren Augen<br />
und Grips zu leisten in der Lage sind.<br />
Netzwerke, die eine Brücke schlagen zwischen<br />
privaten Hightech-Laboren, angewandter<br />
Wissenschaft und den Unternehmen weisen<br />
dabei den Weg zum Erfolg im Zeitalter<br />
der Industrie 4.0. Und der muss nicht über<br />
Kalifornien führen. Maike Harhues<br />
„Steigerungsfähig“<br />
Peter Kerstiens glaubt, dass auch hier bald mehr Roboter eingesetzt werden<br />
Der Forschungstransfer zwischen<br />
Wissenschaft und Wirtschaft<br />
funktioniert, aber ist<br />
noch ausbaufähig. Auch die<br />
Anwendungsdichte von Industrierobotern<br />
in den Firmen der Region<br />
fällt noch relativ gering aus, resümiert Peter<br />
Kerstiens, Prof. für Maschinenbau an der<br />
Westfälischen Hochschule, Standort Bocholt,<br />
im Gespräch mit „Die Wirtschaft“-Autorin<br />
Maike Harhues.<br />
Mit Robotern, die immer „intelligenter“<br />
werden, bewegt sich die WHauf<br />
dem Feld einer Schlüsseltechnologie<br />
für dieIndustrie 4.0. Ist die Hochschule<br />
auf diesem Gebiet Vorreiter in<br />
Deutschland und darüber hinaus?<br />
Prof. Peter Kerstiens: Die Westfälische<br />
Hochschule in Bocholt besitzt mehrere Industrieroboter,<br />
die zum einen in der Lehre<br />
eingesetzt werden, zum anderen für angewandte<br />
Forschung mit regionalen Unternehmen<br />
eingesetzt werden. Insofern ist die<br />
Hochschule in der Region schon ein Vorreiterinderen<br />
Anwendung, allerdings nicht in<br />
Deutschland oder darüber hinaus. Es befassen<br />
sich viele Hochschulinstitute mit der<br />
Automatisierung und der Industrie 4.0; ein<br />
sehr gutes Beispiel ist die Hochschule Ostwestfalen<br />
Lippe in Lemgo (Stichwort OWL).<br />
Wie(gut) funktioniert der Forschungstransfer<br />
zwischen den Wissenschaftlern<br />
und Unternehmen in der Region,<br />
die marktreife Anlagen global anbieten?<br />
Verringert die WH Hemmschwellen<br />
seitens der Unternehmen, womöglich<br />
als teuer und aufw<br />
endig in der<br />
Wartung eingeschätzte Robotertechnik<br />
in ihren Betrieben einzusetzen,<br />
sich diese passgenau für die eigenen<br />
Belange anfertigen zulassen?<br />
Kerstiens: DerTransfer vonForschung aus<br />
der Hochschule in die Unternehmen funktioniert<br />
ganz gut, wie die Vergangenheit am<br />
Beispiel der Mechatronik gezeigt hat; teilweise<br />
wird sie durch öffentliche Förderung<br />
ja auch unterstützt. Allerdings ist die Anzahl<br />
an Projekten für die Anwendung von Robotern<br />
in der Industrie der Region noch steigerungsfähig,<br />
weil die Anwendungsdichtevon<br />
Industrierobotern in den Firmen der Region<br />
in dem Vergleich zu Deutschland noch relativ<br />
gering ist, erst rechtimVergleich zu Süddeutschland.<br />
Stehen der Wirtschaft Roboter ins<br />
Haus, die auch komplizierte Aufgaben<br />
selbstständig und nach eigenem Ermessenentscheiden<br />
können? Wo liegen<br />
Grenzen der künstlichen Intelligenz,<br />
und mit welchen Folgen für die<br />
Arbeitswelt geht diese Entwicklung<br />
einher?<br />
Kerstiens: Der Einsatz von Robotern wird<br />
durch bessere Sensoren und intelligentere<br />
Software weltweit drastisch zunehmen, zu<br />
gleichen oder geringeren Kosten. Dadurch<br />
werden nicht nur einfache Aufgaben für ungelernte<br />
Arbeiter automatisiert, wie zum<br />
Beispiel die Bedienung von Werkzeugmaschinen,<br />
sondern auch Arbeiten von spezialisierten<br />
Fachkräften, zum Beispiel von<br />
Schweißern. Somit werden zum einen die<br />
Roboter zur Konkurrenz im Niedriglohnsektor,<br />
zum anderen kann man mit ihnen dem<br />
Facharbeitermangel entgegenwirken.<br />
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