COMPACT-Magazin 09-2016
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Ausgabe 9/<strong>2016</strong> | 4,95 EUR<br />
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Terrorists<br />
welcome<br />
Merkel gibt Mördern Asyl<br />
Kein Amok<br />
Das München-Massaker<br />
Berlin kaputt<br />
Moscheen und Migranten<br />
Der Putsch<br />
USA gegen Erdogan<br />
Pokemon<br />
Monster fressen Nerds<br />
Dossier: Die neue Protestjugend<br />
Opposition<br />
Dossier: Die neue Protestjugend<br />
Querfront – nicht links, nicht rechts<br />
Hip, konservativ, Hip, rebellisch – die – die Identitären kommen!
Ehrlicher Journalismus in Zeiten der Lüge.<br />
Die schweigende Mehrheit kann die Verhältnisse zum Tanzen bringen,<br />
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Weltkrieg<br />
gegen Putin<br />
Die NATO marschiert<br />
Stasi 2.0<br />
IM Kahane und das Internet<br />
Cop-Killer<br />
Rassenkrieg in den USA<br />
Hofer exklusiv<br />
FPÖ-Kandidat vor Wahlsieg<br />
Wikinger im Glück<br />
Liebeserklärung an Island<br />
Wollt Ihr den<br />
Himmel<br />
totalen<br />
hilf!<br />
Maas?<br />
Kein Volk, kein Recht,<br />
keine Freiheit<br />
Die neue Christenverfolgung<br />
Brüssel-Terror<br />
Unwetteropfer<br />
Merkels Schande<br />
Kein Geld für Deutsche<br />
Wahlbetrug<br />
Böhmermann<br />
Je suis Arschgeige<br />
Bananenrepublik Österreich<br />
Anakonda<br />
RFID-Chip<br />
NATO an der Ostfront<br />
Spion unter der Haut<br />
Deutsches Bier<br />
Dossier: Nach Die Nach dem neue dem Brexit<br />
Opposition<br />
Brexit<br />
Dossier: Hoffen auf Trump<br />
Zurück zum Original<br />
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Querfront – nicht links, nicht rechts<br />
So So hassen hassen die die EU-Eliten das das Volk Volk<br />
US-Wahlkampf im Schatten des Islam-Terrors<br />
Dossier: Protestparteien<br />
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Von Grün bis AfD – Tops und Flopps<br />
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Kein Amok<br />
Das München-Massaker<br />
Berlin kaputt<br />
Moscheen und Migranten<br />
Der Putsch<br />
USA gegen Erdogan<br />
Pokemon<br />
Monster fressen Nerds<br />
Weltkrieg<br />
Wollt Ihr den<br />
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gegen Putin<br />
Die NATO marschiert<br />
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Maas?<br />
Kein Volk, kein Recht,<br />
keine Freiheit<br />
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Cop-Killer<br />
Rassenkrieg in den USA<br />
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Unwetteropfer<br />
Kein Geld für Deutsche<br />
Wahlbetrug<br />
FPÖ-Kandidat vor Wahlsieg<br />
Bananenrepublik Österreich<br />
Wikinger im Glück<br />
Anakonda<br />
Liebeserklärung an Island<br />
NATO an der Ostfront<br />
Dossier: Nach Die dem neue Brexit Opposition<br />
Dossier: Hoffen auf Trump<br />
Dossier: Die neue Opposition<br />
Dossier: Die neue Protestjugend<br />
So hassen die EU-Eliten das Volk<br />
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<strong>COMPACT</strong> Themen<br />
Titelthema<br />
Terrorists welcome – Merkel gibt Mördern Asyl<br />
Politik<br />
Berlin kaputt – Moscheen und Migranten<br />
Dossier<br />
Identitäre – Die neue Protestjugend<br />
Leben<br />
Pokemon – Monster fressen Nerds<br />
05 Editorial<br />
06 Zitate des Monats<br />
07 Foto des Monats<br />
08 Leserbriefe<br />
<strong>09</strong> <strong>COMPACT</strong> Intern<br />
10 Köpfe des Monats<br />
Titelthema<br />
11 Terrorists welcome<br />
von Jürgen Elsässer<br />
16 Sie kommen als Türkei-Touristen<br />
von Karel Meissner<br />
17 Requiem für Jolanta<br />
von Martin Müller-Mertens<br />
20 Alles Amok – oder was?<br />
von Marc Dassen<br />
Politik<br />
23 Moscheen und Migranten<br />
von Martin Müller-Mertens<br />
26 Feuer und Steine<br />
von Martin Müller-Mertens<br />
29 «Kaischi hat das Lebenswerk von Axel<br />
Springer verjuckelt»<br />
Interview mit Peter Bartels<br />
32 Der amerikanische Putsch<br />
von Marc Dassen<br />
35 Ritterschlag für den Prinzen<br />
von Philipp Huemer<br />
39 «Kurz ist isoliert»<br />
Interview mit<br />
Harald Vilimsky/Johannes Hübner<br />
40 ab-in-den-tod.de<br />
Interview mit Reinhard Rade<br />
Dossier<br />
44 «Wir stehen in der Tradition der Rebellion»<br />
Interview mit Martin Sellner<br />
47 Ein Ziel, viele Strömungen<br />
von Martin Sellner<br />
50 Die Glut in der Asche<br />
von Alina Wychera<br />
Leben<br />
53 Monster fressen Nerds<br />
von Alexander Markovics<br />
55 Edle Wilde<br />
von Harald Harzheim<br />
58 Jagd auf Phantome<br />
von Bernd Schumacher<br />
61 «Bedingt abwehrbereit»<br />
von Helmut Roewer<br />
65 BRD-Sprech _ Einzelfall<br />
von Manfred Kleine-Hartlage<br />
66 Harzheims Klassiker _ Caligula<br />
von Harald Harzheim<br />
<strong>COMPACT</strong> Impressum<br />
Herausgeber & Verlag<br />
<strong>COMPACT</strong>-<strong>Magazin</strong> GmbH<br />
Geschäftsführer Kai Homilius<br />
Am Zernsee 9, 14542 Werder (Havel)<br />
E-Mail verlag@compact-magazin.com<br />
Website www.compact-online.de<br />
Vertrieb, Bestellungen, Abo-Betreuung<br />
Fon 03327-5698611<br />
Fax 03327-5698617<br />
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Redaktion<br />
E-Mail redaktion@compact-magazin.com<br />
Chefredakteur Jürgen Elsässer (V.i.S.d.P.)<br />
Chef vom Dienst Martin Müller-Mertens<br />
Cover Iris Fischer<br />
Fotoquellen Cover picture alliance/abaca<br />
Tithi Luadhtong/shutterstock<br />
Layout/Bild Steffen Jordan<br />
<strong>COMPACT</strong>-Online Arne Fischer<br />
E-Mail fischer@compact-magazin.com<br />
Anzeigenakquise<br />
E-Mail anzeigen@compact-magazin.com<br />
Gedruckt in Deutschland<br />
Erscheinungsdatum der nächsten Ausgabe<br />
Samstag, den 1. Oktober <strong>2016</strong><br />
Redaktionsschluss<br />
14. August <strong>2016</strong><br />
4
<strong>COMPACT</strong> Editorial<br />
Erdogan, Putin und Merkel<br />
Wir leben in einer Bananenrepublik. Die Mutti an<br />
unserer Spitze leckt die Stiefel – oder Schlimmeres –<br />
fremder Despoten. In der Regel kommt das Herrchen<br />
von Frauchen aus Übersee, bisweilen ist es auch ein<br />
Kommissar aus Brüssel, zur Zeit vorwiegend der Sultan<br />
vom Bosporus. Erdogan kann sich in Deutschland alles<br />
erlauben: Nach eigenem Gusto schickt er uns Hunderttausende<br />
seiner Glaubensbrüder über die Balkanroute,<br />
lässt seine Landsleute in Armeestärke zum Demonstrieren<br />
aufmarschieren und andersdenkende Türken,<br />
aber auch deutsche Parlamentarier so wüst bedrohen,<br />
dass sie Polizeischutz brauchen. Seine fünfte Kolonne<br />
warnt er vor jeder Assimilation, sie sollen sich ja<br />
nicht den Deutschen angleichen – für ihn ist das nämlich<br />
«Völkermord». Majestät fühlt sich auch schnell<br />
gekränkt – dann gewährt ihm seine feiste Haremsdame<br />
das ius ultimae noctis: Er darf ein letztes Mal<br />
den Beleidigungsparagrafen in Anspruch nehmen, den<br />
sie eigentlich abschaffen will, und die deutsche Justiz<br />
gegen einen bescheuerten, aber insgesamt harmlosen<br />
Kabarettisten in Marsch setzen.<br />
Wären wir auch nur ein bisschen selbstbewusst,<br />
würden wir dem Bosporus-Gröfaz klare Kante zeigen:<br />
seine hierzulande agitierenden Imame heimschicken<br />
und dafür unsere Soldaten zurückholen; die Bundesmarine<br />
in die Ägäis entsenden und alles, was da über<br />
Schlauchboote herandümpelt, auf kleinen Inseln festsetzen<br />
(übrigens ein Vorschlag des österreichischen<br />
Außenministers); die EU-Beitrittsverhandlungen mit<br />
einem Veto aus Berlin stoppen; dem Familiennachzug<br />
anatolischer Kopftuch-Omas einen Riegel vorschieben;<br />
die hier lebenden Türken vor die Wahl stellen, entweder<br />
ihre Pässe mit dem Halbmond abzugeben oder künftig<br />
auf Hartz-IV und ähnliche Sozialleistungen zu verzichten.<br />
Die dann sicherlich randalierenden Ghetto-Rambos<br />
wären ein Fall für die Bundespolizei, die sich schon<br />
lange darauf freut, den Typen zu zeigen, wo der Hammer<br />
hängt. Wetten, dann wäre schnell Ruhe im Karton?<br />
Aber all das wird erst möglich sein, wenn wir die<br />
Türken-Mutti aus Berlin verjagt und einen guten Deutschen<br />
an die Macht gebracht haben. Ein solcher Eiserner<br />
Kanzler bräuchte gewisse Qualitäten des alten Bismarck<br />
– oder auch des aktuellen Erdogan. Damit sind<br />
wir bei der anderen Seite der Medaille. Denn so empörend<br />
es ist, wie sich der Osmane gegenüber Deutschland<br />
aufspielt – er kann das nur tun, weil unsere Politiker<br />
vor ihm katzbuckeln. Und wie er umgekehrt sein<br />
eigenes Land regiert, geht uns außerhalb des Feuilletons<br />
nichts an und nötigt mir sogar einen gewissen<br />
Respekt ab: Bei der Niederschlagung des von den<br />
USA zumindest begünstigten Putsches vom 15. August<br />
bewies er hohen persönlichen Mut. Dass sein Volk,<br />
quer über alle Parteigrenzen hinweg, seither mehr<br />
denn je hinter ihm steht, ist verständlich. Die Millionen-Kundgebung<br />
in Istanbul war ein eindrucksvoller<br />
Ausdruck nationaler Solidarität – bravo! Die 40.000<br />
Erdogan-Anhänger in Köln jedoch demonstrierten<br />
imperiale Anmaßung – das geht gar nicht!<br />
Kehren wir endlich von der One-World-Ideologie<br />
zum Prinzip der nationalen Souveränität zurück: Andere<br />
dürfen sich nicht bei uns einmischen – und wir nicht<br />
bei ihnen. Wer das ganz gut kapiert hat, ist Wladimir<br />
Putin. Die Annäherung zwischen ihm und Erdogan<br />
nach dem Putsch erinnert ein bisschen an den Hitler-<br />
Stalin-Pakt: Obwohl sich beide – die von 1939 und die<br />
von <strong>2016</strong> – eigentlich hassten wie die Pest, schlossen<br />
sie, nachdem sie von den Westmächten enttäuscht<br />
und betrogen worden waren, zum beiderseitigen Vorteil<br />
ein Zweckbündnis. Die Chancen, dass das dieses<br />
Mal länger hält als vor 75 Jahren, sind nicht schlecht:<br />
Putin scheint Erdogan schon von der Unterstützung des<br />
IS abgebracht zu haben – und versüßt ihm den neuen<br />
Kurs mit der Aussicht auf ein großes Pipeline-Geschäft.<br />
Seine MiGs demonstrieren jeden Tag am Himmel über<br />
Syrien, dass die Türken keinen falschen Schritt machen<br />
dürfen. Diese Sprache ist die einzige, die der Sultan<br />
versteht – da er sie selbst spricht. Wollen wir Deutschen<br />
sie nicht endlich auch wieder lernen?<br />
Chefredakteur Jürgen Elsässer.<br />
Foto: Jörg Gründler<br />
5
<strong>COMPACT</strong> Zitate des Monats<br />
Sie nennen sie Tante Merkel…<br />
Foto: picture alliance / dpa<br />
Terrorists welcome<br />
Ami go Home!<br />
«Die syrische Regierung warf den USA und<br />
Frankreich vor, ihre Bomben auf Zivilisten<br />
statt auf Terrorbanden abzuwerfen.» (Spiegel<br />
Online, 21.7.<strong>2016</strong>)<br />
Der Krisenmacher<br />
«George Soros ist dafür bekannt, den Finger in<br />
die Wunde zu legen. (…) So wettete er zuletzt<br />
100 Millionen Euro gegen die Deutsche Bank –<br />
kurz nachdem er vor einer neuen Bankenkrise<br />
gewarnt hatte.» (N24 Online, 21.7.<strong>2016</strong>)<br />
nick niedergelassen. Mitsamt Gefolge und mit<br />
Duldung der Behörden.» (Welt Online, 5.8.<strong>2016</strong>)<br />
Wo er Recht hat<br />
«In den meisten europäischen Ländern sind<br />
die Medien nicht frei. Vor allem in Deutschland<br />
sind sie überhaupt nicht frei. (…) Sie<br />
werden alle vollständig von einem Kontrollmechanismus<br />
geleitet.» (Der türkische Außenminister<br />
Mevlüt Cavusoglu, Süddeutsche Zeitung<br />
Online, 5.8.<strong>2016</strong>)<br />
<strong>COMPACT</strong> speaks<br />
6<br />
«Wir werden eines Tages Europa erobern.<br />
Nicht wir wollen, nein, wir werden. Darin sind<br />
wir uns sicher.» (Abu Qatada, ein deutscher IS-<br />
Krieger, im Interview mit Jürgen Todenhöfer, Dezember<br />
2014)<br />
«Deutschland ist ein starkes Land. (…) Wir<br />
haben so vieles geschafft, wir schaffen das.<br />
Wir schaffen das, und wo uns etwas im Wege<br />
steht, muss es überwunden werden.» (Angela<br />
Merkel, 31.8.2015)<br />
«Es gab und es gibt Hinweise von Nachrichtendiensten<br />
aus dem Ausland, dass sich Terroristen<br />
unter die Flüchtlinge mischen.» (Bundesinnenminister<br />
Thomas de Maizière, 9.10.2015)<br />
«Angesichts der Zustände an den Grenzen ist<br />
die Rechtsordnung von der deutschen Politik<br />
ausgesetzt. (…) Asylsuchende werden von<br />
der deutschen Bundeskanzlerin eingeladen<br />
nach Deutschland zu kommen.» (Amtsgericht<br />
Passau begründet in einem Urteil Strafmilderung<br />
für serbischen Schleuser, zitiert in Welt am Sonntag,<br />
8.11.2015)<br />
«Die Terroristen sind keine Flüchtlinge.»<br />
(Bundesjustizminister Heiko Maas, Welt Online,<br />
24.3.<strong>2016</strong>)<br />
«Ich bin heute wie damals davon überzeugt,<br />
dass wir es schaffen, unserer historischen<br />
Aufgabe (…) gerecht zu werden. Wir schaffen<br />
das.» (Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundespressekonferenz,<br />
28.7.<strong>2016</strong>)<br />
Majestätsbeleidigung<br />
«Er beschimpfte Hannelore Kraft als ”korruptes<br />
Pack” und verglich ihren IQ mit dem eines<br />
Toastbrots. Nun ist ein 53-Jähriger zu einer<br />
Geldstrafe von 2.250 Euro verurteilt worden.»<br />
(Spiegel Online über einen Kritiker der NRW-<br />
Ministerpräsidentin, 20.7.<strong>2016</strong>)<br />
Die guten Terroristen<br />
«Die Islamisten sind Aleppos letzte Hoffnung<br />
// Während die USA und Europa zusehen, wie<br />
Hunderttausende Menschen in Aleppo ausgehungert<br />
werden, kommen Islamisten den<br />
Eingeschlossenen zu Hilfe. Angeführt werden<br />
sie von einer Terrormiliz. (Spiegel Online,<br />
2.8.<strong>2016</strong>)<br />
Sprachlos integriert<br />
«Mein Vater ist ein frommer Muslim, spricht<br />
kaum Deutsch, kann weder lesen noch schreiben,<br />
ist aber integrierter als viele Funktionäre<br />
der AfD (…).» (Sawsan Chebli, Sprecherin des<br />
Auswärtigen Amtes, Frankfurter Allgemeine Zeitung,<br />
3.8.<strong>2016</strong>)<br />
Steini, der Drachentöter<br />
«Außenminister Frank-Walter Steinmeier<br />
(SPD) (…) schaue mit großer Sorge auf das<br />
”Ungeheuer des Nationalismus”, das sich weltweit<br />
ausbreite. ,”Hassprediger” wie Trump, die<br />
Verantwortlichen des Brexit und die AfD eine,<br />
dass sie mit den Ängsten der Menschen Politik<br />
machten.» (Spiegel Online, 4.8.<strong>2016</strong>)<br />
Schreibtischtäter<br />
«Auch gegen eine handfeste Abreibung für<br />
Rechtsextremisten oder Farbeierwürfe auf<br />
die protzigen Villen der schlagenden Verbindungen<br />
ist nicht allzu viel einzuwenden.» (Taz<br />
Online, 4.8.<strong>2016</strong>)<br />
Wenn der Sultan kommt<br />
«Romantisch gelegen, von Wäldern und Seen<br />
umgeben. So liegen die Krickenbecker Seen<br />
nahe der Stadt Nettetal am Niederrhein. In<br />
genau diesem Idyll (…) hat sich der Herrscher<br />
des Emirats Dubai Mitte Juli zum Pick-<br />
«Er ist der Gründer des IS.» (Donald Trump über<br />
Barack Obama, Wahlkampfauftritt, 10.8.<strong>2016</strong>)<br />
Kolbenfresser im Jobmotor<br />
«Deutsche Wirtschaft profitiert von kultureller<br />
Vielfalt // Das zeigt eine Studie der Bertelsmann<br />
Stiftung. (…) Die Stiftung spricht gar<br />
von einem Jobmotor.» (Deutschlandfunk Online,<br />
11.8.<strong>2016</strong>)<br />
Killer unter sich<br />
«Ich will Assad einschüchtern. (…) Ich will sein<br />
Büro mitten in der Nacht bombardieren.» (Mike<br />
Morell, ehemaliger CIA-Direktor, Interview bei<br />
Charlie Rose, 8.8.<strong>2016</strong>) – «Ich salutiere Mike<br />
Morell für seine Moral und politische Klarheit,<br />
wenn es darum geht, wie man mit dem Assad-<br />
Regime, Iran und Russland fertig wird.» (Bild-<br />
Redakteur Julian Reichelt, Twitter, 12.8.<strong>2016</strong>)<br />
Abschiedsgeschenk<br />
«USA wollen Atomwaffen in Deutschland modernisieren<br />
// US-Präsident Obama hat kurz vor<br />
Ende seiner Amtszeit die letzte Entwicklungsphase<br />
für eine neue Version nuklearer Bomben<br />
gebilligt.» (Deutsche Welle Online, 12.8.<strong>2016</strong>)<br />
AKP-nahe türkische Zeitung portraitiert Merkel mit Hitlergruß,<br />
nachdem das Bundesverfassungsgericht die<br />
Live-Übertragung einer Rede Erdogans bei der Türkendemonstration<br />
in Köln Ende Juli <strong>2016</strong> verboten hatte.<br />
Foto: picture alliance / dpa
<strong>COMPACT</strong> Foto des Monats<br />
Der Sultan lässt jubeln. Seit dem Scheitern des Militärputsches in der Türkei am 16. Juli verharrt das Land im Taumel. Nahezu jeden Abend strömen die Anhänger von Präsident<br />
Recep Tayyip Erdogan zu Massenkundgebungen zusammen. Den vorläufigen Höhepunkt bildete der 7. August, als eine Million Türken den Staatschef auf einer «Demokratie- und Märtyrerversammlung»<br />
in Istanbul frenetisch feierten. Auch die Oppositionsparteien CHP und MHP durften dabei ihre volle Übereinstimmung mit der Politik der Regierung unter Beweis<br />
stellen. Die Begeisterung der Demonstranten dürfte echt gewesen sein. Erdogans Beliebtheit stieg seit dem gescheiterten Coup von 47 auf 68 Prozent. Foto: picture alliance / abaca<br />
7
<strong>COMPACT</strong> Leserbriefe<br />
8<br />
Weltkrieg<br />
gegen Putin<br />
Die NATO marschiert<br />
Stasi 2.0<br />
IM Kahane und das Internet<br />
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Rassenkrieg in den USA<br />
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Liebeserklärung an Island<br />
Dossier: Nach Die Nach dem neue dem Brexit<br />
Opposition<br />
Brexit<br />
So Querfront So hassen hassen die – die EU-Eliten nicht links, das nicht das Volk<br />
rechts Volk<br />
Zu <strong>COMPACT</strong> allgemein<br />
Ausgabe 8/<strong>2016</strong> | 4,95 EUR<br />
www.compact-online.de<br />
Ich finde es erfreulich, was Sie und Ihr gesamtes<br />
Team leisten. Jeden Monat legen sie ein<br />
hochwertiges (Aufmachung und Inhalt) <strong>Magazin</strong><br />
vor, ein <strong>Magazin</strong>, das sehr zu empfehlen<br />
ist. Ich habe meinen Zeitschriftenhändler<br />
bewegen können, Ihr Monatsmagazin und die<br />
Sonderausgaben in sein Sortiment aufzunehmen,<br />
und sie verkaufen sich hervorragend. Insbesondere<br />
das Spezialheft Islam ist ein «Renner».<br />
Konservativer, per Website-Kommentar<br />
Ich bin eifriger Leser – genieße und verinnerliche<br />
jede Zeile. Ich stehe zu 100 Prozent hinter<br />
dem <strong>Magazin</strong> und den Redakteuren. Einfach<br />
gut recherchiert und auf den Punkt gebracht.<br />
Freue mich auf jede Ausgabe und will<br />
versuchen, bei einer der nächsten Veranstaltung<br />
in der Region Sachsen mit dabei zu sein.<br />
Friedrich Bravo, per Facebook-Kommentar<br />
Hallo liebes <strong>COMPACT</strong>-Team, danke, dass es<br />
Euch gibt! Ich habe große Angst vor diesen<br />
machtbesessenen und menschenverachtenden<br />
Politikern, die das eigene Land verachten<br />
und verraten! Warum gehen wir nicht Seite<br />
an Seite mit den hier lebenden Russen auf die<br />
Straße? Wir sind doch so viele! Auf was warten<br />
wir denn noch?<br />
Christine Ratsch, per YouTube<br />
Die neue Ausgabe ist hervorragend. Ein <strong>Magazin</strong>,<br />
praktisch frei von Werbung, vollgestopft<br />
mit gut recherchierten Artikeln. Ich lese jede<br />
Ausgabe von <strong>COMPACT</strong>, aber das August-Heft<br />
toppt alle bisherigen. Der Berger-Artikel und<br />
das Hofer-Interview sind erste Sahne.<br />
Florian Bendau, per Facebook-Kommentar<br />
Mal seit Langem wieder eine Ausgabe, die<br />
mir nicht gleich beim Titelthema schon auf<br />
den Sack ging. Wegen so wichtiger Themen<br />
hab’ ich mal <strong>COMPACT</strong> abonniert, nur um dann,<br />
gefühlt 100 Ausgaben, AfD-Lobhudeleien und<br />
«Hilfe, die Flüchtlinge kommen, um uns zu meucheln»<br />
zu bekommen.<br />
Benny Schniepp, per Facebook-Kommentar<br />
Das Titelbild wirkt sympathischer als im Vormonat.<br />
Hatte auch ein bisschen Angst, dass<br />
Ihr etwas mit dem Thema Türkei macht und<br />
Ärger bekommt.<br />
Heidi Heidegger, per Website-Kommentar<br />
Zum Editorial «Nizza:<br />
Wir sind im Krieg»<br />
Zum Täter von Nizza<br />
muss man sagen, dass<br />
er durchaus als Kleinkrimineller<br />
bekannt war. Außerdem hat er die<br />
Tat geplant, und er hat sich auch eine Schusswaffe<br />
besorgt. So ganz aus heiterem Himmel<br />
ist dieser Anschlag also nicht passiert. Laut<br />
Medien wurden 100.000 Euro an seine Familie<br />
überwiesen. Wie ist er an diese Summe gekommen?<br />
Etwa durch «Kleinkriminalität»?<br />
Natija08, per YouTube<br />
Die Islamisten begehen ihre Taten selbstverständlich<br />
aus dem Islamismus heraus. Daran<br />
wird auch nicht gezweifelt. Nur: Von wem bekommen<br />
sie die Befehle zur Ausführung? Die<br />
Polizei hat bereits bekanntgegeben, dass die<br />
Attentäter von Würzburg und Ansbach vorab<br />
Anweisungen per Handy bekommen haben.<br />
Von wem? Von der ISIS? Wahrscheinlich. Und<br />
wer kontrolliert die ISIS?<br />
Sebastian H., per Website-Kommentar<br />
Zu «Weltkrieg<br />
gegen Putin»<br />
Wer Kriegshetze mitbetreibt<br />
– und dies gilt<br />
für den Großteil der<br />
westlichen und insbesondere der deutschen<br />
Medien sowie für die meisten Systemparteien<br />
– ist ein Schwerstverbrecher und gehört<br />
mit aller Strenge abgeurteilt.<br />
J. Graf, per Website-Kommentar<br />
Ich glaube nicht, dass es zu einem Dritten<br />
Weltkrieg gegen Russland kommen wird. Eher<br />
sehe ich einen Krieg der Religionen auf uns zukommen.<br />
Mal abwarten, ob Trump sich vielleicht<br />
mit Putin verbündet, und sie dann gemeinsam<br />
gegen den IS vorgehen. Dann könnte<br />
es in Europa ungemütlich für die «Zugeroasten»<br />
werden. Normalo, per Website-Kommentar<br />
Zu «Die Herrenmenschin»<br />
Man sollte auch eine<br />
Stiftung ins Leben rufen,<br />
die sich um die Opfer<br />
dieser Linksterroristen kümmert und die Täter<br />
öffentlich an den Pranger stellt! Das wird<br />
dann sicher verboten.<br />
Steffen Reuter, per Facebook-Kommentar<br />
Das Horrorbild vom «rechtsextremen Deutschland»<br />
ist ein Deckmantel, unter welchem sich<br />
die wirklichen Extremisten, die Feinde der Demokratie,<br />
der Informations- und Meinungsfreiheit,<br />
die Todfeinde des aufgeklärten Bürgers<br />
verstecken, und ihr Süppchen kochen, das<br />
verdächtig nach rot-grüner (= brauner) Diktatur<br />
stinkt. Karl Fredrich, per Website-Kommentar<br />
Zu «Das Schweigen<br />
der Lämmer»<br />
Gerade, dass solche<br />
Leute wie Berger [Autor]<br />
gehört werden, ist richtig.<br />
Sie repräsentieren nämlich durchaus die<br />
Mehrheit ihrer Gruppe [der Homosexuellen].<br />
Ralf Josef, per Facebook-Kommentar<br />
Zum Dossier<br />
«Nach dem Brexit»<br />
Deutschland soll raus<br />
aus der EU und sich den<br />
freien Völkern Europas<br />
anschließen – für ein neues freies Europa ohne<br />
amerikanische Einflüsse. Kevin Interrante, per<br />
Facebook-Kommentar<br />
Jedes europäische Land ist in einer Individualität<br />
zu erhalten und weiter zu führen. Ein vereintes<br />
Europa – Ja! Aber kein vereintes Europa<br />
für die Großkonzerne. Es wird Zeit, alle Großkonzerne<br />
zu annullieren und wieder dem Volke<br />
zuzuführen. Diese Konzernführer, diese Verbrecher,<br />
müssen alle vor den Kadi.<br />
Kurt Liebisch, per Facebook-Kommentar<br />
Demokratie? Volksentscheide? Faire Wahlen?<br />
In Deutschland? Wann? Gauck hat es doch gesagt:<br />
Das Problem sind nicht die Eliten, das<br />
Problem ist momentan die Bevölkerung. Und<br />
die Rassisten der Konformistenpresse blasen<br />
ins selbe Horn. Ekelhaft!<br />
Direkter Demokrat, per Website-Kommentar
<strong>COMPACT</strong> Intern<br />
Österreich liest mit. Foto: billard-weingartner.at<br />
5. Konferenz für Souveränität | <strong>2016</strong> * <strong>COMPACT</strong> spricht Klartext. Foto: <strong>COMPACT</strong><br />
Islam<br />
Gefahr für Europa<br />
Sonder-Ausgabe Nr. 10 | 8,80 EUR (D) · spezial.compact-online.de<br />
Ab soforf im Handel!<br />
Deutschland hört zu. Foto: <strong>COMPACT</strong><br />
9,90 Euro (A), 13 sFr (CH)<br />
<strong>COMPACT</strong> in Wien<br />
<strong>COMPACT</strong> in Köln<br />
Grundwissen: Koran, Scharia und Dschihad als akute Bedrohung unserer Freiheit<br />
Geschichte: Raubzüge und Kolonisierung unter der grünen Fahne des Propheten<br />
Gegenwart: Warum der Islam mit unserem Grundgesetz nicht vereinbar ist<br />
Zukunft: Wie wir das Abendland und unsere Werte verteidigen können<br />
<strong>COMPACT</strong> in Berlin<br />
Bislang ist <strong>COMPACT</strong> nur in Deutschland<br />
am Kiosk zu kaufen. Wer in anderen Ländern<br />
lebt, muss es per Post beziehen, im Einzelversand<br />
oder im Abonnement. Nun haben wir immerhin<br />
zwei Verkaufspunkte außerhalb der<br />
Bundesrepublik etabliert.<br />
Ein ganz heißer Tipp ist das spanische Teneriffa,<br />
eine der ganzjährig sonnigen Kanareninseln.<br />
Dort betreibt Joachim Sondern – im<br />
Zweitberuf Chef der lesenswerten Plattform<br />
buergerstimme.com – ein Reformhaus, das<br />
lebhaft von deutschen Urlaubern frequentiert<br />
wird. Dort kann man sich ab September mit<br />
der neuesten Ausgabe von <strong>COMPACT</strong> versorgen<br />
und sich dann am Strand durch die Seiten<br />
fressen. Adresse: Reformhaus Botanico, Avda.<br />
Marques de Villanueva del Prado Canary Center,<br />
Local 48, 38400 Puerto de la Cruz.<br />
In Österreich wird das geschichtsträchtige<br />
Kaffeehaus Weingartner in Wien unsere<br />
erste Verkaufsstelle sein. Einen Steinwurf vom<br />
Westbahnhof in der Goldschlagstraße 6 gelegen,<br />
hält das Lokal schon seit den Zeiten der<br />
k.-u.-k.-Monarchie die Traditionen dieser Form<br />
von Gastlichkeit hoch: Man kann dort stundenlang<br />
sitzen und alle möglichen in- wie ausländischen<br />
Presseerzeugnisse studieren – und<br />
zwischendrin eine Partie Billard spielen, und<br />
zwar in der ehrwürdigen Carambolage-Version.<br />
<strong>COMPACT</strong> liegt dort selbstverständlich kostenlos<br />
zum Lesen aus, kann aber auf Nachfrage<br />
auch käuflich erworben werden.<br />
Wir planen weitere Verkaufsstellen in Österreich,<br />
haben den Kiosk-Start aber erst einmal<br />
auf 2017 vertagt: Gut Ding will Weile haben.<br />
«Für ein Europa der Vaterländer – Gegen Islamisierung<br />
und Fremdherrschaft» lautet das<br />
Motto der 5. <strong>COMPACT</strong>-Souveränitätskonferenz<br />
in Köln. Ausgerechnet in der Multikulti-<br />
Hochburg am Rhein wird ein Gipfeltreffen all<br />
jener stattfinden, die unseren Kontinent und<br />
seine historischen Nationen nicht verloren<br />
geben wollen. Erstmals treffen Vertreter der<br />
wichtigsten patriotischen Parteien im deutschsprachigen<br />
Raum zusammen: Aus Österreich<br />
reist Johannes Hübner an, der außenpolitische<br />
Sprecher der FPÖ; aus der Schweiz der<br />
Walliser Minister Oskar Freysinger (SVP), der<br />
2008 über eine Volksabstimmung das Minarettverbot<br />
in der Alpenrepublik durchsetze; aus<br />
Deutschland schließlich Björn Höcke, den viele<br />
in der AfD als Garanten einer dezidiert volksfreundlichen<br />
Orientierung sehen. Darüberhinaus<br />
bemühen wir uns um einen Redner des<br />
Front National von Marine Le Pen.<br />
Weitere Prominente haben schon in den<br />
letzten Jahren die Zuhörer begeistert: der<br />
Staatsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider,<br />
der langjährige tschechische Präsident Vaclav<br />
Klaus, die ehemalige außenpolitische Sprecherin<br />
der Duma Natalia Narotchnitskaya, der<br />
britische Publizist John Laughland und Matthias<br />
Sellner, der neue Rudi Dutschke. Von<br />
<strong>COMPACT</strong> runden der Philosoph Peter Feist<br />
und Chefredakteur Jürgen Elsässer das Tableau<br />
ab.<br />
Wir rechnen mit über 1.000 Leuten. Je früher<br />
Sie buchen, umso größer sind Ihre Aussichten<br />
auf ein garantiertes und günstiges Ticket.<br />
Apropos: <strong>COMPACT</strong>-Abonnenten können beim<br />
Kartenkauf bis zu 60 Euro sparen. Vorher abonnieren<br />
lohnt sich!<br />
Wer am 21. Juli, kurz nach der Axt-Attacke<br />
in einem Zugabteil bei Würzburg und kurz<br />
vor dem Bombenattentat von Ansbach, nicht<br />
den Weg nach Berlin-Mitte fand, der verpasste<br />
wirklich etwas. Knapp 150 Gäste waren<br />
an diesem Abend zur Vorstellung der neuen<br />
<strong>COMPACT</strong>-Spezial-Ausgabe Islam – Gefahr für<br />
Europa gekommen. Die Diskussion war spannend<br />
wie lange nicht. Zum Glück für alle Ferngebliebenen:<br />
Auf compact-online.de und You-<br />
Tube kann das Video der Veranstaltung angesehen<br />
werden. Manfred Kleine-Hartlage und<br />
Thor von Waldstein, Autoren von <strong>COMPACT</strong>-<br />
Spezial, diskutierten mit Chefredakteur Jürgen<br />
Elsässer die wichtigsten Fragen für das<br />
von Asylwahnsinn und Islamterror gebeutelte<br />
Deutschland. Wie umgehen mit dem islamistischen<br />
Wahn? Wie die eigene Kultur bewahren?<br />
Der Schlagabtausch der Referenten war<br />
für alle Zuschauer ein Genuss – und vor allem<br />
deshalb prickelnd, weil die Referenten<br />
bei aller übereinstimmenden Polemik gegen<br />
Zuwanderung und Bevölkerungsaustausch<br />
in Grundsatzfragen verschiedene Haltungen<br />
einnahmen. Während Kleine-Hartlage die islamische<br />
Kultur und ihren Expansionstrieb kritisierte<br />
und Elsässer einen Krieg des radikalen<br />
Sunnitentums gegen Europa konstatierte,<br />
bezeichnete von Waldstein den Islam als den<br />
«falschen Feind». Es sei Teil der angloamerikanischen<br />
Geostrategie, Okzident und Orient gegeneinander<br />
auszuspielen.<br />
Wer in Zukunft keine <strong>COMPACT</strong>-Live Veranstaltung<br />
verpassen will, sollte die Ankündigungen<br />
auf unserer Webseite im Auge behalten.<br />
Abonnenten haben freien Eintritt!<br />
9
<strong>COMPACT</strong> Köpfe des Monats<br />
Foto: picture alliance / AA<br />
Foto: Informationen aus Einsiedel<br />
Foto: picture alliance / dpa<br />
Karrieristin des Monats<br />
_ Sawsan Chebli<br />
Fußballer des Monats<br />
_ Michel Dinzey<br />
Was macht eigentlich<br />
_ Nadija Sawtschenko<br />
10<br />
Noch verkündet sie als Vize-Sprecherin des<br />
Auswärtigen Amtes die Politik Frank-Walter<br />
Steinmeiers. Doch vielleicht wird die 38-Jährige<br />
schon bald selbst ein Ressort leiten. Mit<br />
Berlins Regierendem Bürgermeister Michael<br />
Müller (SPD) trat Sawsan Chebli im Juli bereits<br />
zu einem gemeinsamen Sommerinterview<br />
über den Islam in Deutschland an. Immerhin<br />
dürfte Müller nach der Berlin-Wahl im<br />
September ein neues Kabinett zusammenstellen.<br />
Denkt er dabei an Chebli als Nachfolgerin<br />
von Integrationssenatorin Dilek Kolat, die<br />
in den letzten Jahren eher mit Personalquerelen<br />
im eigenen Haus als durch politische Erfolge<br />
auffiel?<br />
Die Positionen der praktizierenden Muslimin<br />
– auf das Kopftuch verzichtet sie lediglich<br />
aus Karrieregründen – würden jedenfalls<br />
gut zur durchaus wahrscheinlichen rot-grünroten<br />
Koalition an der Spree passen. «Mein<br />
Vater ist ein frommer Muslim, spricht kaum<br />
Deutsch, kann weder lesen noch schreiben, ist<br />
aber integrierter als viele Funktionäre der AfD,<br />
die unsere Verfassung in Frage stellen», verkündete<br />
sie mit Chuzpe.<br />
Irgendwie tolerant sollten Muslime gegenüber<br />
christlichen Gebräuchen wie dem Weihnachtsfest<br />
schon sein. Doch Empfehlungen an<br />
ihre Religionsgemeinschaft sind ihr offenbar<br />
nicht recht: Mit der Scharia hat Chebli kein erkennbares<br />
Problem. Die ungläubigen Eingeborenen<br />
wüssten einfach nicht, was der Begriff<br />
bedeutet: «Scharia heißt auf Deutsch: Weg<br />
zur Quelle, also der Weg zu Gott.» Demnächst<br />
steht das auf SPD-Plakaten, wetten? (fb)<br />
Toleranz und Respekt werden gerne groß<br />
geschrieben beim Zweitligisten FC St. Pauli.<br />
Wie schnell es mit diesen Werten am Millerntor<br />
vorbei sein kann, musste jetzt der einstige<br />
Star Michel Dinzey erleben. Sein früherer Verein<br />
schmiss den Mittelfeldspieler Ende Juli<br />
aus der Altliga-Mannschaft.<br />
Das Verbrechen des Kickers: Am 15. Juni<br />
unterstützte er die asylkritischen Proteste<br />
im sächsischen Einsiedel. Der Deutsch-Kongolese<br />
hatte in Chemnitz einen ehemaligen<br />
Mannschaftskollegen besucht und anschließend<br />
an einer Demonstration teilgenommen.<br />
«Ich habe nichts Rechtes gesehen, gute Gespräche<br />
geführt», sagte er anschließend der<br />
Hamburger Morgenpost. Auch ein Foto, das<br />
den Ex-Profi vor einem <strong>COMPACT</strong>-Plakat zeigt<br />
(siehe oben), postete der 43-Jährige. Umgehend<br />
ergoss sich ein Shitstorm über den einstigen<br />
Publikumsliebling.<br />
Dabei dürfte Dinzey scharfen Gegenwind<br />
gewöhnt sein – gut 20 Jahre wehte er ihm<br />
von den gegnerischen Fankurven ins Gesicht.<br />
1972 in Berlin geboren, begann Dinzey seine<br />
Profikarriere 1994 beim VfB Stuttgart. Später<br />
avancierte er zum Stammspieler unter anderem<br />
bei Hertha BSC und dem FC St. Pauli. Mit<br />
1860 München winkten ihm im Jahre 2000 sogar<br />
Einsätze in der Champions League. Doch<br />
Trainer Werner Lorant schickte ihn aufgrund<br />
von Differenzen kaum auf den Rasen. 33 Mal<br />
lief Dinzey zudem für die kongolesische Nationalmannschaft<br />
auf. Die aktuelle Hetze trifft ihn.<br />
Er habe nicht erwartet, «dass die Leute mit so<br />
einem Hass reagieren». (km)<br />
Sie ist Heldin der Ukraine. Sie ist ausgebildete<br />
Kampfpilotin. Sie ist Abgeordnete des<br />
Parlaments. Sie ist Mitglied des Europarates.<br />
Ihr Name ist Nadija Sawtschenko. – Sie ist<br />
«Verräterin des Volkes», «Putin-Agentin», «irre»<br />
und «gehört gevierteilt». Die Rede ist auch hier<br />
von Nadija Sawtschenko.<br />
Zwischen Huldigung und Verteufelung<br />
liegen nicht einmal zwei Monate. Die mittlerweile<br />
35-Jährige kämpfte im Osten der<br />
Ukraine gegen prorussische Separatisten.<br />
Darauf folgten Gefangennahme und Gerichtsverfahren<br />
in Russland. Das Urteil: schuldig der<br />
Beihilfe zum Mord an russischen Journalisten,<br />
22 Jahre Lagerhaft. Während des Prozesses<br />
trat sie mehrmals in den Hungerstreik, zeigte<br />
dem Richter ihren Mittelfinger und Wladimir<br />
Putin ihre Verachtung.<br />
Putin begnadigte sie. Im Mai <strong>2016</strong> kehrte<br />
Sawtschenko in die Heimat zurück. Man erwartete<br />
jetzt ihren Mittelfinger für Putin im<br />
Parlament. Sie aber sprach sich für das Ende<br />
des «Brudermordes» aus und schlug vor, mit<br />
den Separatisten direkt zu verhandeln – ein Tabubruch<br />
für die ukrainische Kriegspartei. Darüber<br />
hinaus beschuldigte sie die Machthaber in<br />
Kiew, den Krieg in der Ostukraine angefangen<br />
und sich an ihm eine goldene Nase verdient zu<br />
haben. Das war schlimmer als Tabubruch. Das<br />
war Majestätsbeleidigung des Präsidenten Petro<br />
Poroschenko. Der gab den «unabhängigen»<br />
Medien den Befehl: «Fass!»… Anfang August<br />
trat Sawtschenko in den Hungerstreik – nicht<br />
mehr im russischen Gefängnis, sondern in der<br />
«demokratischen» Ukraine. (pu)
<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />
Terrorists welcome<br />
_ von Jürgen Elsässer<br />
Merkel gibt Mördern Asyl: Von Paris und Brüssel über Würzburg, Reutlingen und Ansbach<br />
zieht sich die Blutspur, die vermeintliche Flüchtlinge durch friedliche Städte und<br />
Dörfer gezogen haben. Sie kamen, weil die Bundeskanzlerin Deutschland zum Multikulti-<br />
Paradies gemacht und die Grenzen geöffnet hat.<br />
Es war der Sommer der Kanzlerin – ein blutiger<br />
Sommer. Hunderte von Übergriffen auf Frauen in Freibädern<br />
und auf Polizisten in Problemvierteln konnten<br />
die Lügenmedien verschweigen und zu Einzelfällen<br />
bagatellisieren. Aber als der fundamentalistische<br />
Terror, den man zuvor nur in Fernsehaufnahmen aus<br />
Städten im Ausland gesehen hatte, Ende Juli die Bundesrepublik<br />
erreichte, gewann der Schrecken für die<br />
Deutschen eine neue, eine erfahrbare Dimension. Der<br />
Axtkiller von Würzburg, der Machetenmörder von Reutlingen,<br />
der Nagelbomber von Ansbach – sie alle waren<br />
als Flüchtlinge gekommen, sie alle waren Moslems.<br />
Die Bundeskanzlerin sah sich in keinem dieser Fälle<br />
bemüßigt, die Schreckensorte aufzusuchen und den<br />
Verletzten in den Krankenhäusern ihre Solidarität zu zeigen.<br />
Während sie vor einem Jahr ihre Amtsgeschäfte<br />
unterbrochen hatte, um in Aufnahmelagern mit den<br />
Asylbewerbern für Selfies zu posieren, blieb sie in diesen<br />
Horrortagen, als die ganze Nation in Angst und<br />
Panik war, eisern in ihrem Urlaubsort an der Uckermark.<br />
Keine Selbstkritik, nirgends<br />
Erst am 28. Juli bequemte sich Angela Merkel zu<br />
einer vorgezogenen Bundespressekonferenz nach Berlin<br />
– aber nur, um ihre Landsleute ein weiteres Mal zu<br />
verhöhnen. Erneut bekräftigte sie die Politik, durch die<br />
sie im September 2015 Deutschland zum Magneten für<br />
die weltweiten Migrationsströme gemacht hat: «Ich<br />
bin heute wie damals davon überzeugt, dass wir es<br />
schaffen, unserer historischen Aufgabe – und dies ist<br />
Sie wiederholte die<br />
verhasste Formulierung:<br />
«Wir schaffen<br />
das.»<br />
Vorgriff auf unsere Zukunft? Wehrlose<br />
Deutsche werden nach den<br />
Todesschüssen in München am<br />
22. Juli aus der Gefahrenzone<br />
eskortiert. Foto: picture alliance /<br />
SZ Photo<br />
11
1<br />
<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />
Terror-Deutschland<br />
Offiziell bestätigte islamistische Anschläge seit 2011<br />
Herford<br />
August 2014<br />
Messerattacke<br />
Essen 16.4.<strong>2016</strong><br />
Bombenattentat<br />
3 Verletzte<br />
Köln<br />
Düsseldorf<br />
Hamburg<br />
Berlin<br />
Hannover 26.2.<strong>2016</strong><br />
Messerangriff<br />
1 Verletzter<br />
Ramstein<br />
Frankfurt/M.<br />
Würzburg 18.7.<strong>2016</strong><br />
Axtangriff<br />
1 Toter, 5 Verletzte<br />
Frankfurt/M. 2.3.2011<br />
Schusswaffenangriff<br />
2 Tote<br />
Ansbach 24.7.<strong>2016</strong><br />
Bombenanschlag<br />
1 Toter, 15 Verletzte<br />
Anschläge<br />
Quelle: wikipedia <br />
geplante Anschläge<br />
Grafik: <strong>COMPACT</strong><br />
12<br />
Die zerstörte Glasscheibe eines<br />
Schaukasten eines Fotostudios, aufgenommen<br />
am 25.7.<strong>2016</strong> in der Altstadt<br />
von Ansbach (Bayern), einen<br />
Tag nach der Bombenexplosion.<br />
Foto: picture alliance / dpa<br />
Mohamed Daleel.<br />
Foto: picture alliance / AP Photo<br />
Hochglanzmagazin des Islamischen<br />
Staates. Foto: Dabiq<br />
eine historische Bewährungsaufgabe in Zeiten der Globalisierung<br />
– gerecht zu werden.» Arrogant wiederholte<br />
sie die mittlerweile im Volk verhasste Formulierung:<br />
«Wir schaffen das. Und wir haben im Übrigen<br />
in den letzten elf Monaten sehr, sehr viel bereits<br />
geschafft.» Wie müssen sich bei diesen Worten die<br />
Menschen fühlen, die in den letzten elf Monaten<br />
Opfer von Merkels Refugees-welcome-Kurs geworden<br />
sind? Die «Würde des Menschen ist unantastbar»,<br />
führt die CDU-Politikerin aus – und begründet mit diesem<br />
Grundgesetzartikel, warum man keinem Asyl verweigern<br />
dürfe. Dass auch wir Inländer ein Recht auf<br />
Würde, auf Eigentum und auf körperliche Unversehrtheit<br />
haben und sie im Amtseid geschworen hat, Schaden<br />
vom deutschen Volk abzuwenden – das kam ihr<br />
nicht über die Lippen.<br />
Bundesinnenminister Thomas de<br />
Maizière kassierte das Burka-Verbot.<br />
Wer immer gehofft hatte, in der Union würde das<br />
sture «Weiter so» ihrer Frontfrau einen Aufschrei provozieren,<br />
musste sich mit einem Sturm im Wasserglas<br />
begnügen. Die CSU attestierte ihr «Blauäugigkeit» und<br />
wiederholte ihre schon im Frühjahr zahnlos gewordene<br />
Drohung, 2017 einen eigenen Kanzlerkandidaten aufzustellen.<br />
Die Innenminister der Unions-regierten Länder<br />
brachten zwar kurzfristig einen Forderungskatalog<br />
in Umlauf, der auch ein Ende der doppelten Staatsbürgerschaft<br />
und ein Burka-Verbot umfasste – doch Bundesinnenminister<br />
Thomas de Maizière kassierte die<br />
Vorlage. Realistisch sind für ihn nur eine Aufstockung<br />
der Polizei, ein Mehr an Videoüberwachung und rigorosere<br />
Abschiebungen – Punkte, die schon oft angekündigt<br />
worden sind, ohne dass dies zu Resultaten<br />
geführt hätte.<br />
Milde für die Mörder<br />
Ausdrücklich betonte Merkel auf dieser Pressekonferenz:<br />
«Wir befinden uns in keinem Krieg oder keinem<br />
Kampf gegen den Islam.» Was aber, wenn die<br />
Anhänger des Propheten uns ihrerseits schon längst<br />
den Krieg erklärt haben? Der 17-jährige Riaz Khan<br />
Ahmadzai, der am 18. Juli in einem Regionalzug bei<br />
Würzburg mit Axt und Messer auf Mitreisende einhieb,<br />
sagte in seinem Bekennervideo: «Jeder Mudschahed<br />
wird zu Euch kommen und Euch in Euren eigenen<br />
Häusern töten. (…) Wie Ihr seht, habe ich in Eurem<br />
Land gelebt. Ich habe in Euren Häusern meinen Plan<br />
gemacht und werde Euch in Euren Häusern und auf der<br />
Straße töten, so dass Ihr Frankreich vergessen werdet.»<br />
Es wirft ein grelles Schlaglicht auf die Blindheit,<br />
wenn nicht den Verrat der politischen Klasse, dass<br />
die Frankfurter Allgemeine Zeitung dieselbe Seite,<br />
auf der sie diese Kriegserklärung des jungen Afghanen<br />
zitierte, unter anderem mit der dämlichen Frage<br />
aufmachte: «War der Angreifer von Würzburg psychisch<br />
krank oder ein überzeugter Islamist?» Letzteres<br />
ist für die Journaille offensichtlich erst dann erwiesen,<br />
wenn jemand einen Mitgliedsausweis des Islamischen<br />
Staates mit sich führt – ein Bekennervideo<br />
genügt nicht… Noch abstoßender waren nur die Kritik<br />
der grünen Politikerin Renate Künast an dem finalen<br />
Todesschuss, mit dem die Polizei den Dschihadisten<br />
schließlich gestoppt hatte, und die Islamverstehe-
<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />
rei des Bundespräsidenten im Bild-Interview zwei Tage<br />
nach Würzburg. Man müsse Lösungen suchen «auch<br />
bei der sozialen Integration, denn die Mehrheit der<br />
terroristischen Mörder kommt aus dem gesellschaftlichen<br />
Abseits», salbaderte Joachim Gauck. Dabei hat<br />
Deutschland dem Axtkiller ein Maximum an «sozialer<br />
Integration» geboten! Der minderjährige Asylbewerber<br />
war zunächst monatelang in einem früheren Kolpingheim<br />
untergebracht – die «besonders gute Unterkunft»<br />
(FAZ) kostete den Steuerzahler in seinem Fall<br />
satte 50.000 Euro. Zwei Wochen vor der Tat durfte er<br />
dann sogar noch in eine Pflegefamilie wechseln. «Alles<br />
schien sich gut zu entwickeln; er bekam eine Praktikumsstelle<br />
in einer Bäckerei, eine Lehrstelle war in<br />
Aussicht», schreibt die FAZ. Doch die Gastfreundschaft<br />
führte den Fanatiker gerade nicht an unsere Gesellschaft<br />
heran, sondern offerierte ihm eine komfortable<br />
Ruhezone zur Vorbereitung seiner Verbrechen.<br />
Die Heim-Unterbringung des späteren<br />
Axtkillers kostete den Staat<br />
50.000 Euro.<br />
Auf ähnliche Weise wurde der Anschlag in Ansbach<br />
durch falsch verstandene Rücksicht möglich<br />
gemacht. Der Asylantrag des späteren Bombenlegers<br />
Mohamed Daleel wurde im Dezember 2014 abgelehnt,<br />
weil er aus dem sicheren Drittstaat Bulgarien<br />
gekommen war. Doch zur Rückführung dorthin kam es<br />
nicht – unter anderem, weil Harald Weinberg, Nürnberger<br />
Bundestagsabgeordneter der Linkspartei, sich<br />
für sein Bleiberecht einsetzte, sodass Daleels Abschiebung<br />
im Februar 2015 ausgesetzt wurde. Erst Mitte Juli<br />
<strong>2016</strong> – also 16 Monate später! – wurde dem Syrer mitgeteilt,<br />
dass er jetzt ausreisen müsse – und auch dagegen<br />
hätte er noch einen Monat lang Zeit zum Widerspruch<br />
gehabt. Weinberg bereute übrigens auch nach<br />
der Bluttat seinen Einsatz für Daleel nicht: «Nach allem,<br />
was ich damals wusste, würde ich heute wieder so<br />
entscheiden.»<br />
Totaler Kontrollverlust<br />
Von Anfang an profitierten die Killer von der – von<br />
oben angeordneten! – Passivität des Staates. Der Würzburger<br />
Täter reiste im Juni 2015 ein, also sogar noch<br />
vor Beginn der großen Flut, und trotzdem schaffte es<br />
die Bundespolizei schon zu diesem Zeitpunkt meistens<br />
nicht, von Asylbewerbern Fingerabdrücke zu nehmen –<br />
so rutschte auch Ahmadzai durch. Personaldokumente<br />
hatte er ebenfalls nicht vorzuweisen – dennoch glaubte<br />
man seiner Angabe, dass er erst 16 Jahre alt sei. Deswegen<br />
durfte er «das für unbegleitete minderjährige<br />
Flüchtlinge übliche Prozedere» durchlaufen und gleich<br />
erhebliche Privilegien in Anspruch nehmen: «einen möglichst<br />
sofortigen Zugang zu Schule und Ausbildung,<br />
Inobhutnahme durch das Jugendamt, Unterbringung in<br />
einer speziellen Unterkunft» (FAZ, 22. Juli). Als dieser<br />
Skandal nach dem Würzburger Attentat «quälende Fragen<br />
nach der sicherheitspolitischen Lage in Deutschland»<br />
(ebenda) aufwarf, verteilte das Bundesamt für<br />
Migration und Flüchtlinge ein Placebo. «Alle Flüchtlinge<br />
in Deutschland seien mittlerweile registriert und<br />
polizeilich überprüft», wurde eine Behördensprecherin<br />
am 2. August zitiert. Das stieß tags darauf selbst dem<br />
systemkonformen Mitteldeutschen Rundfunk sauer auf:<br />
«Zweifel sind erlaubt, schließlich sprechen Landespolitiker<br />
wie Ministerpräsident [Reiner] Haseloff in Magdeburg<br />
von 100.000 oder mehr Menschen, die illegal<br />
kamen und von denen niemand weiß, wo sie leben.»<br />
Bruch des Dublin-<br />
Vertrages<br />
Das Dublin-Abkommen sieht vor,<br />
dass Flüchtlinge nur in dem Land<br />
Asyl bekommen können, in dem<br />
sie zum ersten Mal EU-Territorium<br />
betreten und einen Antrag<br />
stellen. Die Bundesregierung<br />
hält sich nicht an dieses Abkommen<br />
und schickt fast niemanden<br />
nach – zum Beispiel – Griechenland<br />
oder Italien zurück.<br />
Vertragstreu verhält sie sich<br />
nur, wenn andere Staaten von<br />
Deutschland verlangen, ihnen<br />
Asylbewerber abzunehmen, weil<br />
sie über die BRD dorthin weitergereist<br />
sind. Durch die assymetrische<br />
Auslegung des Dublin-Abkommens<br />
ist die absurde<br />
Situation entstanden, dass die<br />
Bundesrepublik im ersten Halbjahr<br />
<strong>2016</strong> mehr Asylanten von<br />
den Vertragspartnern übernahm<br />
(6.657) als an diese überstellte<br />
(1.758).<br />
Pässe? Haben die meisten Flüchtlinge<br />
sowieso nicht. Foto: picture<br />
alliance / dpa<br />
Refugees dürfen Merkel auch ganz<br />
nahe kommen. Foto: pa /dpa<br />
Internet-Video – Angreifer von Würzburg Riaz Khan Ahmadzai.<br />
Foto: picture alliance / dpa<br />
13
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<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />
9,90 Euro (A), 13 sFr (CH)<br />
Asyl. Das Chaos<br />
So kommt der Bürgerkrieg zu uns<br />
Sonder-Ausgabe Nr. 8 | 8,80 EUR (D) · spezial.compact-online.de<br />
Multikulti-Land ist abgebrannt | Dschihadisten im Flüchtlingsstrom<br />
Morde, Massaker und Migranten | Erdogan und Soros als Schlepper<br />
Die Terrorhelfer CIA und Muslimbrüder | Merkels Notstandsdiktatur<br />
<strong>COMPACT</strong>-Spezial Nummer 8 –<br />
«Asyl. Das Chaos.» Foto: <strong>COMPACT</strong><br />
«Die Terroristen<br />
sind keine Flüchtlinge.»<br />
Heiko Maas<br />
Früher nannte man so etwas eine<br />
Invasion. Grenzdurchbruch in Mazedonien<br />
am 7. September 2015.<br />
Foto: picture alliance / dpa<br />
Wie jemand «polizeilich überprüft» werden kann,<br />
der keine Personaldokumente vorzuweisen hat, ist<br />
ohnedies ein Rätsel. Das traf im Januar <strong>2016</strong> auf satte<br />
77 Prozent der Asylforderer zu – so die FAZ mit Verweis<br />
auf die Bundespolizei. Eine besondere Schwachstelle<br />
sind die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, die<br />
als besonders schutzbedürftig eingestuft und deshalb<br />
mit Samthandschuhen angefasst werden. Dabei ist es<br />
gerade diese Gruppe, die nach Angaben des Schweriner<br />
Innenministers Lorenz Cafier (CDU) «immer wieder<br />
durch Gewalt und Straftaten» auffalle – der Würzburger<br />
Mordbube war nur der bis dato schlimmste Fall.<br />
Im April meldete das Bundesinnenministerium, dass<br />
8.629 minderjährige Asylbewerber vermisst werden –<br />
keiner weiß, wie viele davon in illegale Kriminalität<br />
und Prostitution gezwungen wurden oder sich dem IS<br />
angeschlossen haben. Der Verfassungsschutz warnt<br />
jedenfalls schon seit Längerem, dass die Teenager<br />
«ein häufiges Ziel von Anwerbeversuchen islamistischer<br />
Extremisten» sind. «In den vergangenen Monaten<br />
seien mehr als 300 Fälle registriert worden», resümierte<br />
die FAZ am 20. Juli.<br />
Die Schlepperkönigin<br />
Die Hauptverantwortliche dieser falschen Toleranzpolitik<br />
ist die Bundeskanzlerin. Sie hat die Richtlinienkompetenz<br />
über ihre Minister – und deshalb geht auf<br />
ihr Konto, dass unsere Grenzen so durchlässig wurden.<br />
Besonders verheerend für die Sicherheitslage war,<br />
dass sie am 4. September 2015 den förmlichen Verzicht<br />
auf alle Einreisekontrollen anordnete – in der Folge<br />
konnten Dschihadisten noch leichter ins Land kommen.<br />
So waren drei der acht IS-Attentäter, die am 13.<br />
November 2015 in Paris 130 Menschen töteten und 352<br />
verletzten, über das dank Merkel sperrangelweit geöffnete<br />
Einfallstor in Südosteuropa eingereist. Trotzdem<br />
verkündete Bundesjustizminister Heiko Maas damals<br />
dreist, es gebe «keine Verbindung zwischen Terror und<br />
Flüchtlingen».<br />
Nicht anders war es bei der Anschlagsserie am 22.<br />
März <strong>2016</strong> in der belgischen Hauptstadt, mit 35 Toten<br />
und über 300 Verletzten: «Zumindest drei der Attentäter<br />
von Brüssel sind als Flüchtlinge getarnt über die Balkanroute<br />
in die EU eingereist», meldete die Kronen Zeitung<br />
am 31. März. Später wurde klar, dass noch mehr Killer<br />
sich als Asylbewerber kostümiert hatten. «Die IS-Terroristen,<br />
so glauben die französischen Ermittler inzwischen,<br />
reisten mehrheitlich als syrische Flüchtlinge<br />
getarnt auf der sogenannten Balkanroute in die Europäische<br />
Union», referierte die Welt am 6. April den Ermittlungsstand.<br />
Auch dieses Mal versuchte Maas abzuwiegeln:<br />
«Die Terroristen sind keine Flüchtlinge», erklärte er.<br />
Als Organisator fungierte in beiden Fällen Salah<br />
Abdeslam, der Bruder eines der Selbstmordbomber<br />
vom 13. November. Er pendelte immer wieder zwischen<br />
Griechenland und den späteren Anschlagsorten<br />
hin und her. Am 8. und 9. September fuhr er zum Beispiel<br />
gezielt von Belgien nach Budapest und parkte<br />
dort unweit des Ostbahnhofes, wo sich zu diesem Zeitpunkt<br />
Tausende von Syrern und anderen angeblichen<br />
Flüchtlingen in Erwartung der Weiterreise nach Mitteleuropa<br />
gesammelt hatten. Das Datum steht in unmittelbarer<br />
Verbindung mit dem Wegfall der deutschen<br />
Grenzkontrollen, den Merkel vier Tage zuvor verfügt<br />
hatte. Abdeslam erkannte offensichtlich, dass diese<br />
Situation günstig war, um mordlustige Dschihadisten<br />
zu schleusen. Erwiesen ist jedenfalls, dass er auf dem<br />
Rückweg Mohamed Belkaid und Nadschim Lachraoui<br />
im Auto hatte: den angeblichen Logistiker der Pariser<br />
Anschläge und einen der Attentäter vom Brüsseler<br />
Flughafen.<br />
Das Verblüffende: Die Killer wiesen sich beim<br />
Betreten von Schengen-Europa zumeist mit gefälschten<br />
Pässen als Syrer aus. Auf diese Idee hatte sie Merkel<br />
höchstpersönlich gebracht: Sie ordnete bereits in<br />
den letzten Augusttagen 2015 an, dass Flüchtlinge<br />
aus diesem Bürgerkriegsland unter Bruch des Dublin-<br />
Abkommens auf jeden Fall in Deutschland einreisen<br />
könnten und nicht in den Staat, wo sie zuerst in die EU<br />
gekommen waren, zurückgeschoben werden dürften.<br />
14<br />
Aber die Schuld der Bundeskanzlerin ist noch größer.<br />
Es stimmt nämlich nicht, wie die Leitmedien<br />
behaupten, dass man die gefälschten Personaldokumente<br />
nicht hätte entdecken können – weil es sich<br />
dabei gar nicht um Fälschungen handelte, sondern um<br />
originale Blankopässe, von denen der IS und die verbündete<br />
al-Nusra-Front schon 2015 insgesamt 3.800
Ausgabe 12/2015 | 4,95 EUR<br />
www.compact-online.de<br />
<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />
Geld gibt es in Germoney auch, wenn die Fahne falsch herum<br />
hängt. Foto: picture alliance / AP Photo<br />
gestohlen hatten. Dabei wird geflissentlich übergangen,<br />
dass man die Inhaber dieser Papiere sehr wohl<br />
hätte identifizieren können, denn: «Die Nummern der<br />
gestohlenen Pässe sind den Behörden bekannt und<br />
zur Fahndung ausgeschrieben. Die Informationen gab<br />
Griechenland bereits im Juni in das Schengeninformationssystem<br />
(SIS) ein» (Berliner Zeitung, 24.9.2015).<br />
Hätte die Bundeskanzlerin also Anfang September die<br />
Grenzkontrollen nicht aufheben und stattdessen jedes<br />
Ausweisdokument der Einreisenden überprüfen lassen,<br />
hätten durch SIS-Abgleich alle verdächtigen Personen<br />
sofort festgenommen und eingesperrt werden können.<br />
Nur weil das nicht geschah, konnten die Gotteskrieger<br />
durchschlüpfen und auf ihre Stunde warten.<br />
Merkel contra Sicherheit<br />
Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen<br />
gab Mitte April zu, dass man die Situation «zunächst<br />
falsch eingeschätzt» habe: Man habe es «für unwahrscheinlich<br />
gehalten, dass der IS den Flüchtlingsstrom<br />
nutzen» werde. Maaßen weiter: «Wir dachten, das<br />
Risiko sei schlichtweg viel zu hoch. Mittlerweile wissen<br />
wir: Was den IS angeht, müssen wir eben auch<br />
dazulernen.» Das «islamistisch-terroristische Potential»<br />
in der Bundesrepublik beziffert er auf 1.100 Personen,<br />
hinzu kämen 8.650 Salafisten.<br />
Maaßen warnte schon damals vor Anschlägen auch<br />
bei uns: «Deutsche Städte werden in einem Zusammenhang<br />
mit anderen Metropolen wie Paris, London<br />
oder Brüssel genannt.» Der Axtschlächter von Würzburg<br />
und der Bombenleger von Ansbach zeigen, wie<br />
Recht er mit dieser Warnung hatte. Mittlerweile ist<br />
auch klar, «dass beide Männer mehrfach Kontakte zu<br />
Personen hatten, die mutmaßlich dem Islamischen<br />
Staat (IS) angehören, und dass sie bei der Ausführung<br />
ihrer Anschläge bis in deren Einzelheiten hinein<br />
gesteuert wurden» (FAZ, 6. August).<br />
Die Chefs von Bundespolizei und BND, Dieter<br />
Romann und Gerhard Schindler, hatten, zusammen mit<br />
Maaßen, schon im letzten Herbst ein Ende der naiven<br />
Refugees-welcome-Politik gefordert. «Aufstand gegen<br />
Merkel?» fragte Die Welt Ende Oktober. «Sicherheitsbehörden<br />
warnen wegen der Flüchtlingskrise vor totalem<br />
Kontrollverlust. Sie halten den Kurs der Kanzlerin<br />
für brandgefährlich – und fordern die Schließung der<br />
Grenzen.» Jan Fleischhauer, einer der wenigen Realisten<br />
bei Spiegel-Online, erzählt das Trauerspiel weiter:<br />
«Im Kanzleramt hörte man sich ihre Sorgen an, aber<br />
man hatte immer neue Gründe, warum eine Abriegelung<br />
nicht möglich sei. Die Lage in Griechenland.<br />
Technisch nicht machbar. Zum Schluss hieß es, wenn<br />
Deutschland seine Grenze dichtmache, hätte das einen<br />
Krieg auf dem Balkan zur Folge. Wer einen der drei<br />
obersten Sicherheitsexperten in diesen Wintertagen<br />
traf, konnte ihre Verzweiflung mit Händen greifen.»<br />
Selbst nach dem blutigen Sommer will die Rautenfrau<br />
nicht auf ihre Sicherheitsexperten hören. «Nach<br />
unserer Auffassung – nach meiner Auffassung, aber<br />
auch nach Auffassung der [EU-]Kommission – ist eine<br />
Zurückweisung eines Asylsuchenden nicht möglich»,<br />
verkündete sie apodiktisch auf der Pressekonferenz am<br />
28. Juli. «Damit ist eine Auffassung vom Tisch, die<br />
im Oktober vorigen Jahres auf vier dichtbeschriebenen<br />
Seiten von Fachleuten des Bundesinnenministeriums<br />
ausgearbeitet worden war, allerdings nicht als<br />
offizielle Position des Hauses. Die Autoren kamen ausdrücklich<br />
zu dem Schluss, dass auch die Dublin-Verordnung<br />
die Zurückweisung in einen sicheren Drittstaat<br />
zulasse», kommentierte die FAZ. Das war gegenüber<br />
der Kanzlerin sehr höflich formuliert.<br />
Tatsächlich sind solche Zurückweisungen laut Dublin-<br />
Vertrag, vor allem aber gemäß Grundgesetz keineswegs<br />
nur zulässig, sondern zwingend vorgeschrieben, wenn<br />
ein Antragsteller aus einem sicheren Drittstaat – und das<br />
sind ausnahmslose alle an unseren Grenzen – kommt.<br />
Nur wer auf dem Luft- oder Seeweg deutsches Territorium<br />
erreicht, kann demnach Asyl beantragen. Deswegen<br />
gingen einige der damaligen Eingaben aus dem Innenministerium<br />
auch wesentlich weiter, als es die Merkel-<br />
Presse heute noch wahrhaben will. Wörtlich hieß es in<br />
einem der sogenannten Non-Papers, verfasst von einem<br />
«hochrangigen Sicherheitsmann aus dem Bundesapparat»<br />
(Die Welt), in Bezug auf Abweisungen an der Grenze:<br />
«Die Bundespolizei ist hierzu nach dem Aufenthaltsrecht<br />
verpflichtet; gegenteilige Weisungen der Bundesregierung<br />
sind rechtswidrig.» Ein weiterer «hochrangiger<br />
Beamter», dessen Namen das Blatt ebenfalls nicht preisgab,<br />
argumentierte ähnlich: «Entgegenstehende Weisungen<br />
sind rechtswidrig und führen zur Strafbarkeit (…)<br />
wegen Anstiftung oder Beihilfe zur illegalen Einreise von<br />
Ausländern (…).» Damit wurden die Polizisten zur Meuterei<br />
aufgerufen; allerdings wäre das eine Meuterei im<br />
Sinne des Recht – gegen eine Regierungschefin, die den<br />
Rechtsbruch notorisch gemacht hat.<br />
Strafbares Verhalten<br />
Die kriminelle Kanzlerin<br />
Meuterei<br />
Wie Pegida ist die Polizei?<br />
Berufsverbot<br />
Hexenjagd auf Pirincci<br />
Superwaffen<br />
Putin siegt in Syrien<br />
DFB-Skandal<br />
Der falsche Zwanziger<br />
Dossier: Für die Festung Europa<br />
Beiträge der der <strong>COMPACT</strong>-Freiheitskonferenz<br />
«Ist Angela Merkel eine Schleuserin?»<br />
betitelte der Passauer<br />
Strafrechtler Holm Putzke seine<br />
mehrseitige Expertise, die durch<br />
eine auszugsweise Veröffentlichung<br />
der FAZ Anfang November<br />
2015 besonderes Gewicht<br />
erhielt. Putzke beantwortet die<br />
Frage mit einem Vergleich: «Entweder<br />
erfüllen Personen, die<br />
ab dem 5. September Flüchtlinge<br />
nach Deutschland befördert<br />
haben, nicht den Tatbestand<br />
des Einschleusens von Ausländern»,<br />
dann wären Hunderte<br />
von entsprechenden Verfahren<br />
vor deutschen Gerichten einzustellen.<br />
«Oder all jene haben<br />
sich ebenfalls strafbar gemacht,<br />
die bei der unerlaubten Einreise<br />
Hilfe geleistet haben, darunter<br />
die Bundeskanzlerin.» Und weiter:<br />
«Angela Merkels Entschluss,<br />
zusammen mit Österreich die<br />
EU-Abreden über das Weiterreiseverbot<br />
von Flüchtlingen außer<br />
Kraft zu setzen, stellt sich zweifellos<br />
als eine solche Förderung<br />
dar, wenn es nicht sogar konkludent<br />
als Aufforderung zur<br />
unerlaubten Einreise zu verstehen<br />
war, was ebenfalls strafbar<br />
wäre, nämlich nach Paragraph<br />
111 Absatz 1 des Strafgesetzbuches<br />
(STGB).»<br />
<strong>COMPACT</strong> 12/2015. Foto: <strong>COMPACT</strong><br />
Nach eigenen Angaben «wird»<br />
der Islamische Staat auch Europa<br />
erobern. Foto: Dabiq<br />
15
<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />
Sie kommen als Türkei-Touristen<br />
_ von Karel Meissner<br />
16<br />
Überläufer des Islamischen Staates berichten von einer geheimen Killerstruktur<br />
namens Emni, die auf unserem Kontinent in Lauerstellung<br />
liegt. Aus dem Untergrund heraus rekrutieren sie Konvertiten, die den<br />
Sicherheitsbehörden noch nicht aufgefallen sind.<br />
Für einsame Wölfe<br />
«Wie könnt Ihr dort [im Westen]<br />
in Ruhe schlafen, während wir<br />
hier gebombt werden von den<br />
Amerikanern. (…) Nehmt Bomben,<br />
sprengt sie in die Luft. Oder<br />
stecht sie ab mit dem Messer.<br />
Und wenn Ihr das nicht könnt,<br />
dann spuckt denen wenigstens<br />
ins Gesicht.» (Aufruf von Emni-<br />
Chef Abu Muhammad al-Adnani<br />
an Muslime in westlichen Ländern,<br />
November 2014)<br />
Al-Adnani gehört zum engsten Führungszirkel<br />
des IS. Foto: YouTube<br />
_ Karel Meissner lebt als IT-<br />
Spezialist in Birmingham.<br />
Bis zu 220 Passagiere kann eine<br />
Boeing 737 von der Türkei nach<br />
Deutschland transportieren.<br />
Foto: Turkish Airlines<br />
«Etwa 1.200 Jugendliche aus Deutschland befinden<br />
sich in Syrien. In den sogenannten German Camps werden<br />
diese Jugendlichen noch mehr radikalisiert und<br />
an Waffen ausgebildet. Viele kämpfen auf der Seite<br />
des IS. Viele davon kommen als Schläfer zurück nach<br />
Deutschland. Sie sind eine tickende Zeitbombe unter<br />
uns.» Dieser Weckruf kommt nicht von einem der vermaledeiten<br />
Rechtspopulisten oder einem Ausländerhasser.<br />
Der Autor ist türkischer Mitbürger und Abgeordneter<br />
der CDU im hessischen Landtag: Ismail Tipi.<br />
Am 15. Juli, direkt nach dem Blutbad in Nizza und noch<br />
vor den Anschlägen in Deutschland, versuchte er uns<br />
wachzurütteln.<br />
«Sie sind eine tickende Zeitbombe<br />
unter uns.» <br />
Ismail Tipi<br />
Zwei Wochen später veröffentlichte keine deutsche<br />
Zeitung, sondern die New York Times (NYT) ein<br />
umfangreiches Interview mit einem der jungen IS-<br />
Kämpfer aus der Bundesrepublik, der mittlerweile in<br />
einem Hochsicherheitsgefängnis in der Nähe von Bremen<br />
einsitzt. Dieser Harry Sarfo wohnte bis vor einem<br />
Jahr noch in der Hansestadt, reiste dann aber in die<br />
Levante, um sich dem Heiligen Krieg anzuschließen.<br />
Nur wenige Tage, nachdem er auf IS-kontrolliertem<br />
Gebiet angekommen war, tauchten Gesichtsmasken<br />
tragende Mitglieder des Geheimdienstes der Terrormiliz<br />
auf, die ihm mitteilten, dass Europäer nicht mehr<br />
nach Syrien kommen sollten. Sie würden dringender<br />
in ihren Heimatländern gebraucht. «Er informierte uns<br />
ganz offen darüber, dass der IS in europäischen Staaten<br />
sehr viele ”Schläfer” habe, die auf Befehl jederzeit<br />
zu Anschlägen (…) bereit seien,» erklärte Sarfo. «In<br />
England, Deutschland und Frankreich sollten gleichzeitig<br />
eine Vielzahl von Anschlägen stattfinden.»<br />
Drahtzieher bleiben anonym<br />
Die Maskierten gehörten zu einer IS-Einheit mit dem<br />
arabischen Namen Emni, die von Propagandachef Abu<br />
Muhammad al-Adnani geführt wird. Ihm unterstellt sind<br />
sogenannte Leutnants, die mit der Planung von Angriffen<br />
in verschiedenen Weltregionen beauftragt sind.<br />
Nach Angaben Sarfos, aber auch weiterer Gefangener<br />
hat Emni sowohl die Anschläge im November 2015 in<br />
Paris verübt als auch die Koffer-Bomben gebaut, die im<br />
März in Brüssel explodiert sind. Auch der Überfall auf<br />
eine Ferienanlage im tunesischen Sousse im Sommer<br />
2015 gehe auf das Konto von Emni. Laut Sarfo befinden<br />
sich viele der von al-Adnani nach Europa geschickten<br />
Kämpfer im Untergrund. Sie suchen nach potenziellen<br />
Selbstmordattentätern, die sich von der IS-Propaganda<br />
angezogen fühlen. Die Verbindung zu den Ausgewählten<br />
werde über «saubere Leute» hergestellt, die zum<br />
Islam konvertiert sind, aber noch keine nachweisbaren<br />
Kontakte zu radikalen Gruppen gehabt haben. «Die<br />
im Untergrund lebenden Drahtzieher nehmen keinen<br />
direkten Kontakt zu potenziellen Attentätern auf, damit<br />
sie bei deren Gefangennahme nicht aufgespürt werden<br />
können», erläuterte Sarfo gegenüber NYT.<br />
Zu den Methoden der Einschleusung erklärte Sarfo,<br />
dass der IS kampfwillige Deutsche als All-Inclusive-<br />
Urlauber mit Rückflugticket in einen Badeort im Süden<br />
der Türkei reisen lässt; von dort aus würden sie von<br />
Schmugglern nach Syrien gebracht und in wenigen<br />
Tagen militärisch ausgebildet. «Bei ihrer Rückkehr<br />
nach Frankreich oder Deutschland können sie angeben,<br />
sie hätten nur ihren Urlaub in der Türkei verbracht»,<br />
erläuterte Sarfo. Westliche Geheimdienste<br />
gehen nach Angaben der NYT davon aus, dass Emni<br />
auf diese Weise mindestens 28 potentielle Attentäter<br />
auf der ganzen Welt verteilt habe, die auf einen Einsatzbefehl<br />
warten. Zu dieser – scheinbar – geringen<br />
Zahl kommen noch radikalisierte Einzelpersonen, die<br />
auf eigene Faust und ohne direkte Verbindung zu Emni<br />
Terror verbreiten sollen. Sie finden Anregungen in dem<br />
eBook Wie man im Westen überlebt. Ein Handbuch<br />
für Mujahideen, das im März 2015 über das Netz verbreitet<br />
wurde. Erklärt wird unter anderem, wie man Alltagsgegenstände<br />
– Messer, Äxte, Autos – als tödliche<br />
Waffen benutzt.
<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />
Requiem für Jolanta<br />
_ von Martin Müller-Mertens<br />
In Reutlingen starb eine vierfache Mutter unter den Machetenhieben eines Asylforderers.<br />
Die Behörden verharmlosen die Tat, die Antifa schüchtert Trauernde ein, die Staatsanwaltschaft<br />
droht allen, die an ihrer Version zweifeln.<br />
Die Welt ging an einem Sonntagabend unter. Am 24.<br />
Juli klingelte Wladyslaw Majka bei den Kindern von<br />
Jolanta Kijak in der polnischen Kleinstadt Dabrowa Tarnowska.<br />
Gemeinsam mit Polizisten musste der Chef der<br />
Sozialbehörde GOPS eine grausame Nachricht überbringen:<br />
Ihre Mutter lebt nicht mehr. Der Asylant Mohamad<br />
Halef zerhackte sie nur Stunden zuvor im fernen<br />
Reutlingen mit einer 60 Zentimeter langen Machete.<br />
Majka kannte Jolanta – wie viele andere in dem<br />
12.000-Einwohner-Ort in der südlichen Wojewodschaft<br />
Kleinpolen. «Der Moment, in dem ich es den Kindern<br />
mitteilen musste, war einer der schlimmsten in meinem<br />
Leben», zitierte ihn die Zeitung Dziennik Polski.<br />
«Die Familie hat ein sehr enges Verhältnis. Mama war<br />
ihre ganze Welt.» Nun steht Dabrowa Tarnowska unter<br />
Schock. Er habe in den Medien von der Tragödie gehört,<br />
aber «nie gedacht, dass Jola betroffen sein könnte»,<br />
meinte ein Nachbar.<br />
Jolantas Weg<br />
Nur Tage zuvor hatten die Kinder ihre Mutter in der<br />
Heimat verabschiedet – sie ahnten nicht, dass es kein<br />
Wiedersehen geben würde. Jolanta fuhr zurück ins<br />
deutsche Reutlingen, wo die 45-Jährige das Geld für<br />
ihre Familie verdiente. Die Not hatte die tapfere Frau<br />
ein Jahr zuvor in die Fremde gezwungen: Vier Kinder<br />
musste Jolanta versorgen – acht, 19, 22 und 23 Jahre<br />
alt. Zuvor war die Familie «durch Höhen und Tiefen<br />
gegangen», beschreiben es örtliche Medien. Zwei Ehen<br />
scheiterten. Eine Zeit lang hielt sie sich mit Gelegenheitsjobs<br />
über Wasser. «Aber immer hat sie das Wohl<br />
der Kinder im Auge behalten. Jola war eine großartige<br />
Mutter», meint Majka. Später lebte sie in Baden-Württemberg,<br />
fand eine Anstellung zunächst als Putzfrau,<br />
schließlich als Küchenhilfe im Dönerrestaurant Mangal<br />
unweit des Reutlinger Bahnhofes. Bekannte schildern,<br />
dass sie am liebsten alle vier Kinder zu sich holen<br />
wollte. Am 15. August sollte zumindest die jüngste<br />
Tochter zur Mutter ziehen, hier die Schule besuchen.<br />
Chronik einer Hinrichtung<br />
Am letzten Tag ihres Lebens ging Jolanta wie<br />
immer zur Arbeit – und Mohamad Halef beschloss,<br />
eine Frau zu schlachten. Um 16:25 Uhr erreichten die<br />
Polizei erste Notrufe. Den Hergang der Tat beschreiben<br />
die Ermittler im kühlen Amtsdeutsch. Demnach kam<br />
es zwischen Jolanta und ihrem Mörder «aus bislang<br />
ungeklärter Ursache zum Streit, in dessen Verlauf das<br />
Opfer vom Tatverdächtigen durch eine Machete tödlich<br />
im Kopfbereich verletzt wurde. In der Folge schlug<br />
der Asylbewerber am Federnseeplatz mit der Machete<br />
die Scheiben eines Pkw Citroën ein, in dem sich eine<br />
51-jährige Frau sowie ein 41-jähriger Mann befanden».<br />
Erst der Sohn des Mangal-Wirtes konnte den Mörder<br />
stoppen. «Es war ein Albtraum. Ich sah die Frau im Blut<br />
liegen», sagte Robert Lukowski, der seit mehreren Jahren<br />
in der Stadt lebt.<br />
Nur wenig ist über die Messer-Fachkraft bekannt.<br />
Rund ein Jahr zuvor hatte Halef in Deutschland Asyl<br />
gefordert. Angeblich stammt er aus Syrien. Auch die<br />
115.000-Einwohner-Stadt südlich von Stuttgart inszenierte<br />
damals den Willkommensrausch. «Die Flüchtlinge<br />
brächten Dynamik ins Gemeinwesen – gute Dynamik»,<br />
zitierte die Südwest Presse im Oktober 2015 eine<br />
Helferin. Vermutlich interessierte sich Halef nicht für<br />
den arabischen Reutlingen-Rundgang, den die ehrenamtliche<br />
Stadtführerin Salima Fellous regelmäßig<br />
organisiert. Vielleicht stand ihm auch kein «passgenauer<br />
Wohnraum» in Aussicht, den die linke Kommunalabgeordnete<br />
Jessica Tatti zur gleichen Zeit für<br />
die Neusiedler verlangte.<br />
Die Hoffnung hatte sie nie aufgegeben:<br />
«Zeit für einen Wechsel…»<br />
schrieb Jolanta im September 2015<br />
neben dieses Facebook-Bild.<br />
Foto: Facebook<br />
Trauer in Reutlingen.<br />
Foto: Maciej Wieteska<br />
«Jola war eine<br />
großartige Mutter.» <br />
Wladyslaw Majka<br />
17
«Ich habe das erste Mal in meinem<br />
Leben einen Mörder gesehen», sagt<br />
Anwohner Marco Greco. Wenige<br />
Minuten nach der Tat wurde Halef<br />
von der Polizei festgenommen.<br />
Foto: picture alliance / dpa<br />
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Sonder-Ausgabe Nr. 7 | 8,80 EUR (D) · spezial.compact-online.de<br />
Asylschwindel: Unterdrückte Zahlen Zahlen und und Fakten | Deutsche | Mieter werden<br />
zwangsgeräumt | Milliarden | für für Migranten | | Abschiebungen: Fehlanzeige<br />
Flüchtlinge als als Waffe Waffe | Die | Die Profiteure des des Notstands | Scharia | schlägt Verfassung<br />
Die Die verschwiegenen Morde Morde der der Zuwanderer | Auf | Auf dem Weg zum Bürgerkrieg<br />
<strong>COMPACT</strong>-Spezial Nr. 7 «Asyl. Die<br />
Flut» Foto: <strong>COMPACT</strong><br />
Bald nach seiner Ankunft fiel Halef in der Asylunterkunft<br />
unangenehm auf, soll Mitbewohner beklaut<br />
haben. Zwei Mal wurde er verlegt. Zuletzt logierte der<br />
21-Jährige in einem Einzelzimmer in der ehemaligen<br />
Ypernkaserne, die die Stadt für die Unterbringung von<br />
65 Illegalen hergerichtet hatte. Auch der Polizei war<br />
der Bereicherer bereits bekannt – «wegen verschiedener<br />
Delikte, unter anderem wegen Körperverletzung,<br />
Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz sowie<br />
Eigentumsdelikten».<br />
Doch warum messerte Mohamad Halef an diesem<br />
Tag die vierfache Mutter aus Polen? Einen islamistischen<br />
Anschlag schließen die Ermittler aus. Tatsächlich<br />
gibt es bislang keine Hinweise etwa auf einen<br />
Allahu-akbar-Schlachtruf. Allerdings existieren durchaus<br />
Indizien, dass die Bluttat politisch-korrekt verharmlost<br />
werden soll. «Nach derzeitigem Sachstand handelt<br />
es sich bei der Tötung der Frau um eine Beziehungstat»,<br />
meldeten Polizei und Staatsanwaltschaft in<br />
einer gemeinsamen Presseerklärung. Eine Affäre mit<br />
dem Opfer habe der Mörder in ersten Vernehmungen<br />
eingeräumt. Zudem könnte bei Halef eine «psychische<br />
Erkrankung» vorliegen. Ein Sprecher des Reutlinger<br />
Polizeipräsidiums behauptete zudem, der Täter habe<br />
mit seinem Opfer in der Döner-Gaststätte gearbeitet.<br />
«Es war ein Albtraum. Ich sah die<br />
Frau im Blut liegen.» Robert Lukowski<br />
öffentlich geäußert würden. Demnach werde die «Verbreitung»<br />
von «unwahrem Inhalt» «bei Bekanntwerden<br />
auf strafrechtliche Relevanz geprüft und gegebenenfalls<br />
ein Ermittlungsverfahren eingeleitet», hieß es<br />
ganz im Duktus von Zensurminister Heiko Maas. Diese<br />
Anweisung wurde umgesetzt: Die vorgegebene These<br />
von der sogenannten Beziehungstat findet sich in der<br />
gesamten deutschen Medienberichterstattung wieder.<br />
Gestörte Trauer<br />
Zum zentralen Gedenkmarsch am darauffolgenden<br />
Wochenende lud lediglich die polnische Gemeinde ein<br />
– nicht jedoch die Stadt. Fast erleichtert berichtete die<br />
örtliche Presse, dass sich statt der erwarteten 500<br />
nur 150 Teilnehmer eingefunden hätten. Die Reutlinger<br />
Nachrichten, eine Regionalausgabe der Südwest<br />
Presse, diffamierte den Umzug als «nicht frei von nationalistischen<br />
Zielen». Das Infoportal Tübingen-Reutlingen<br />
machte «auch polnische NationalistInnen» aus.<br />
Auch die örtliche Antifa trommelte ihre Fußtruppen<br />
zusammen, um Trauerfeiern und Gedenkmärsche etwa<br />
der Bürgerinitiative Grenzgänger Neckar Alb zu stören.<br />
Sekundiert wurden sie von der örtlichen Politik. «Das<br />
war eine Beziehungstat und hatte keinen politischen<br />
Hintergrund», diktierte der Kreisvorsitzende der Linken<br />
Rüdiger Weckmann das Verdikt. Auch SPD-Stadträtin<br />
Edeltraut Stiedl war zur Antifa-Kundgebung geeilt. Der<br />
örtliche General-Anzeiger wartete mit einer namentlich<br />
nicht genannten Lehrerin auf, der zufolge syrische<br />
Schulkinder völlig verstört seien und sich aus Angst vor<br />
«Faschisten» nicht mehr auf die Straße trauten.<br />
18<br />
Recht ungewöhnlich für eine Presseerklärung, stießen<br />
Polizei und Staatsanwaltschaft bereits am Nachmittag<br />
des 25. Juli unmissverständliche Drohungen für<br />
den Fall aus, dass Zweifel an der offiziellen Version<br />
Nun wäre nicht von vornherein auszuschließen,<br />
dass sich Jolanta kurzzeitig auf eine Liaison mit dem<br />
deutlich jüngeren Halef eingelassen hätte. Die polnische<br />
Boulevardzeitung Super Express – die sich
<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />
unter anderem durch die Veröffentlichung von Skandalen<br />
einen Namen gemacht hat – glaubt jedoch nicht<br />
an die Version von Polizei und deutscher Politik. Bereits<br />
am 26. Juli zitierte das Blatt Rafal Sobczaks vom Warschauer<br />
Außenministerium. Nach dessen Angaben verfügt<br />
die deutsche Polizei über detaillierte Kenntnisse<br />
zum Motiv des Täters, verschweigt die Fakten aber<br />
mit Verweis auf das Persönlichkeitsrecht. Die Zeitung<br />
Fakt recherchierte die Vorgeschichte des Mordes. Ihr<br />
zufolge war Halef arbeitslos, lungerte jedoch regelmäßig<br />
mit Landsleuten in dem Lokal herum. Immer<br />
wieder soll er Jolanta belästigt haben. Wiederholt<br />
schmissen ihn angeblich Imbiss-Mitarbeiter deshalb<br />
raus, schließlich bekam er sogar Hausverbot. Gut möglich,<br />
dass sich der Asylforderer deshalb in seiner sogenannten<br />
Ehre gekränkt fühlte.<br />
«Die Probleme sind das Resultat von<br />
Multikulti-Politik.» Innenminister<br />
Blaszczak<br />
Wenige Tage nach der Bluttat servierte Bild eine<br />
weitere Lüge: Demnach sei das Opfer schwanger<br />
gewesen, schreibt das Blatt – obwohl die Obduktion<br />
bereits zuvor das Gegenteil bewiesen hatte. Zugleich<br />
präsentierte die Springer-Zeitung eine rührselige Liebesgeschichte<br />
zwischen Täter und Opfer. Der in Reutlingen<br />
lebende Pole Paul Owedyk erinnerte sich zwar,<br />
dass Jolanta tatsächlich öfter mit einem Syrer telefonierte.<br />
Doch dabei soll es sich um einen Kollegen<br />
– und damit gerade nicht um Halef – gehandelt<br />
haben. Jolanta beschrieb er als «fröhlich, freundlich<br />
und immer lächelnd». Hinweise auf Probleme konnte<br />
er nicht erkennen.<br />
Zweifel aus Warschau<br />
Nicht nur polnische Medien interessieren sich für<br />
den Fall. Auch die Staatsanwaltschaft des Landes<br />
ermittelt – offenbar traut die Warschauer Justiz angesichts<br />
der möglichen Vertuschungen den baden-württembergischen<br />
Kollegen nicht über den Weg. Jedenfalls<br />
erklärten sowohl Vize-Justizminister Zbigniew<br />
Ziobro als auch die Generalstaatsanwaltschaft, dass<br />
die offizielle Version der Bluttat nicht der Wahrheit entspreche.<br />
Die EU-kritische Oppositionspartei Kukiz’15<br />
forderte, den Mörder nach Polen auszuliefern, damit er<br />
seine Strafe nicht in einem «deutschen Luxusgefängnis»<br />
absitzen kann. Mittlerweile wird in Polen eine<br />
Petition vorbereitet. Damit soll die Regierung gezwungen<br />
werden, in diesem Fall juristisch gegen deutsche<br />
Medien vorzugehen, da diese vorsätzlich Falschinformationen<br />
verbreiteten.<br />
Doch weshalb halten die schwäbischen Behörden<br />
stur an ihrer Version einer Beziehungstat fest? Ein Verdacht<br />
drängt sich auf: Der brutale Messermord soll<br />
als tragischer Einzelfall, keinesfalls jedoch als Teil der<br />
zunehmenden Gewaltausbrüche muslimischer Asylbetrüger<br />
im Gedächtnis bleiben. Eine Schönfärberei,<br />
die in Polen Verärgerung auslöste. Aus Sicht von Innenminister<br />
Mariusz Blaszczak gibt es «keinen Zweifel<br />
daran, dass die Probleme, mit denen sich jetzt unsere<br />
Nachbarn rumschlagen, das Resultat einer jahrzehntelangen<br />
Migrationspolitik sind, das Resultat von Multikulti-Politik».<br />
Polen in Deutschland<br />
Wie viele Polen heute in der<br />
Bundesrepublik leben, ist aufgrund<br />
unterschiedlicher Definitionen<br />
von Polen und deutschen<br />
Aussiedlern in den Statistiken<br />
nur ungenau zu erfassen.<br />
2013 lebten in Deutschland<br />
6<strong>09</strong>.855 Menschen, die ausschließlich<br />
die polnische Staatsbürgerschaft<br />
hatten. Der größte<br />
Teil kam als Arbeitsmigranten.<br />
Mittlerweile siedeln sich aber<br />
auch zunehmend Polen in von<br />
Leerstand betroffenen grenznahen<br />
Orten in Brandenburg und<br />
Vorpommern an.<br />
Stadtzentrum von Reutlingen.<br />
Foto: Stadtverwaltung Reutlingen<br />
Keine politischen Korrektheiten: Auf<br />
ihrer Trauerkundgebung erinnerten<br />
die Reutlingen Polen auch an die<br />
Schlacht am Kahlenberg – den Sieg<br />
eines deutsch-polnischen Heeres<br />
während der Zweiten Wiener Türkenbelagerung<br />
1683.<br />
Fotos: Maciej Wieteska<br />
19
<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />
Alles Amok – oder was?<br />
_ von Marc Dassen<br />
Thomas Salbey mit <strong>COMPACT</strong>-Redakteur Marc Dassen. – Blick auf<br />
das OEZ-Parkdeck. Foto: <strong>COMPACT</strong><br />
20<br />
Neun Tote und kein Einzeltäter: Das Blutbad in München wurde von<br />
Staat und Medien fein säuberlich von den islamistischen Anschlägen<br />
in derselben Woche separiert. Der Mörder sei ein rechtsradikaler<br />
Deutsch-Iraner gewesen, will man uns einreden. Eine Spurensuche<br />
vor Ort verstärkt meine Zweifel.<br />
Die spaßen nicht.<br />
Foto: picture alliance / dpa<br />
Nachbarn und<br />
Bekannte bezeichnen<br />
Ali als «guten<br />
Menschen».<br />
München, 22. Juli: Wieder einmal soll es ein Einzeltäter<br />
gewesen sein, wieder einmal ein Depressiver.<br />
Dabei hatte es zunächst ganz andere Berichte gegeben:<br />
Bis in die späten Abendstunden gingen die Behörden<br />
von einer «Terrorlage» aus. Tausende Polizisten, dazu<br />
die Sondereinheiten GSG9 und die österreichische<br />
Cobra, waren im Einsatz, Feldjäger der Bundeswehr<br />
standen in Reserve – es war die vielleicht größte Operation<br />
der Sicherheitsorgane seit Bestehen der Bundesrepublik.<br />
Kein Wunder: Hunderte Zeugen hatten von<br />
mehreren Schützen mit «Langwaffen», also Gewehren,<br />
auch in der Innenstadt berichtet. CNN telefonierte mit<br />
einer Zeugin, die am Tatort Allahu-akbar-Rufe gehört<br />
haben wollte. US-Präsident Barack Obama hielt eine<br />
Ansprache. Und das alles wegen des Amoklaufs eines<br />
verstörten Teenagers – so die offizielle Version, auf die<br />
sich Staat und Medien in den frühen Morgenstunden<br />
des 23. Juli festlegten?<br />
Es gab einfach zu viele Widersprüche in der Story,<br />
die mich nicht ruhen ließen. Ich musste los, mir selbst<br />
ein Bild machen. Ich fuhr nach München.<br />
Falsche Fährte nach rechts<br />
Die Tür des Aufzuges öffnet sich mit einem leisen<br />
Quietschen. Ich trete ein, fahre in den fünften Stock,<br />
um dort den wohl berühmtesten Augenzeugen im Fall<br />
München zu interviewen: Thomas Salbey – der Baggerfahrer,<br />
der von seinem Balkon aus mit dem mutmaßlichen<br />
Amokläufer auf dem Oberdeck eines Parkhauses<br />
gestritten, sogar eine Bierflasche nach ihm geworfen<br />
hat. Noch während der Fahrstuhl aufwärts rumpelt,<br />
fällt mir wieder ein, was der angebliche Amokläufer<br />
Ali David Sonboly zu Salbey sagte: «Jetzt muss ich ’ne<br />
Waffe kaufen…» Moment mal: Hatte er nicht gerade<br />
eine Pistole in der Hand? Ebenso rätselhaft der Satz:<br />
«Ich habe nichts getan.» Wie konnte er das behaupten,<br />
wo er doch gerade neun Menschen hingerichtet hatte?<br />
War er verwirrt? Ich frage auch Salbey. «Der hatte<br />
die Ruhe weg», erzählt er mir.<br />
Später stehe ich wieder vor dem Klingelbrett im Erdgeschoss,<br />
da fällt mir der Name M. A. Shehab auf. Als<br />
die Reporter von Spiegel TV bei ihm waren, erzählte<br />
er ihnen, dass ihm der Mann auf dem Parkdeck «normal»<br />
vorgekommen sei. Ich klingele. Zweimal. Dreimal.<br />
Kein Glück. Auch in den kommenden Tagen öffnet<br />
mir keiner. Durch Zufall erfahre ich von einer Nachbarin,<br />
dass er rund 48 Stunden nach den Ereignissen<br />
«bei Nacht und Nebel» ausgezogen ist. Ein wichtiger<br />
Zeuge ist verschwunden.
<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />
Sind der kaltblütige Killer vor dem McDonalds und<br />
der verpeilte Teenager auf dem Parkhausdach überhaupt<br />
ein und dieselbe Person? Nachbarn und Bekannte<br />
bezeichnen Ali, der in seiner Nachbarschaft Zeitungen<br />
austrug, als «guten Menschen» – nett, bestens erzogen<br />
und hilfsbereit. In psychiatrischer Behandlung war<br />
er dennoch: wegen Depressionen und Angstzuständen,<br />
die von jahrelangen Misshandlungen durch Migrantenkids<br />
herrührten.<br />
Es dauerte nicht lange, da wurde der Deutsch-Iraner<br />
als Rechtsextremist bezeichnet. Die Frankfurter<br />
Allgemeine Zeitung wollte das aus «Sicherheitskreisen»<br />
erfahren haben. «Der Täter von München war ein<br />
Rassist mit rechtsextremistischem Weltbild», hieß es<br />
da. Adolf Hitler und Anders Breivik seien seine Idole<br />
gewesen, er selbst soll sich als «Arier» gesehen haben.<br />
Die zuständige Staatsanwaltschaft München I widersprach:<br />
«Eine rechtsextreme Motivation» könne «nach<br />
derzeitiger Erkenntnislage nicht bestätigt werden»,<br />
sagte ihr Sprecher Florian Weinzierl.<br />
Auch die von Bild und anderen Medien verbreitete<br />
Behauptung, dass bei Ali das «Breivik-Manifest»<br />
gefunden worden sei, in dem der norwegische Massenmörder<br />
seine Tat vor genau fünf Jahren rechtfertigte,<br />
musste das Landeskriminalamt später dementieren.<br />
Nicht einmal das Gerücht, der Junge habe selbst<br />
ein Manifest verfasst, bewahrheitete sich.<br />
Das Schweigegebot<br />
Zurück am Tatort, stehe ich vor der McDonalds-<br />
Filiale. Hier soll Ali mit gezogener Pistole aus der Toilette<br />
gekommen und fünf Menschen routiniert erschossen<br />
haben, bevor er auf die Straße trat und drei weitere<br />
Jugendliche in den Tod schickte. Das Mordwerkzeug:<br />
Eine halbautomatische Glock17 – laut Polizei eine aufbereitete<br />
«Theaterwaffe» aus der Slowakei, bestellt<br />
im sogenannten Darknet. Von Waffenkundigen erfahre<br />
ich, dass eine solche «kastrierte» Pistole nur mit größtem<br />
Aufwand wiederhergestellt werden kann, wenn<br />
überhaupt. Selbst dann lässt sie nur Einzelschüsse zu,<br />
kein Dauerfeuer. Wo hat der erstaunlich zielsichere<br />
18-Jährige – mit 57 Kugeln traf er neun Mal tödlich, 16<br />
Menschen wurden verletzt – das Schießen und Töten<br />
überhaupt gelernt? Durch Computerspiele? Während<br />
eines Aufenthalts im Iran, wie manche Medien nun<br />
berichten?<br />
Augenzeugen zu den tödlichen Minuten vor dem<br />
Schnellrestaurant finde ich keine – die McDonalds-Filiale<br />
ist komplett verrammelt, die Zentrale des Konzerns<br />
wimmelte mich telefonisch ab. Stattdessen begebe ich<br />
mich auf das berühmte Parkhausdach. Auf den vielen<br />
Videos von dort ist der mutmaßliche Täter kaum zu erkennen.<br />
Mit dem Schützen vor dem McDonalds hat der<br />
Typ kaum Ähnlichkeit. Körperbau und Gang passen nicht,<br />
der rote Rucksack ist nicht zu sehen. Umso merkwürdiger,<br />
dass die Bild-Zeitung plötzlich ein hochauflösendes<br />
Foto vom Parkdeck nachlieferte, das den Amokläufer<br />
allerdings nur von hinten zeigt. Jetzt passt scheinbar<br />
alles. Doch woher kommt dieses Foto? Warum nahm<br />
man nicht eins, dass sein Gesicht zeigt? Gerne hätte<br />
ich die Familie dazu befragt und sie gebeten, ihn auf<br />
den Videos zu identifizieren: Unmöglich. Sie alle werden<br />
nach Morddrohungen von der Polizei abgeschirmt.<br />
Auf einem der Videos vom Parkdeck sieht man, wie<br />
Ali seelenruhig umherschlendert und dann von der Polizei<br />
beschossen – und anscheinend sogar getroffen –<br />
wird. Der Mann in Schwarz hält sich den Bauch, während<br />
er hektisch das Weite sucht. Hier verliert sich<br />
seine Spur für mehr als zwei Stunden. Später wird es<br />
heißen, er habe es irgendwie geschafft, die Polizisten<br />
auszutricksen, versteckt in einer der vielen Tiefgaragen<br />
in der Nähe.<br />
Eine Zeugin schwört, dass der Tote<br />
vor ihrem Haus Rechtshänder war<br />
– der Killer aber schoss mit links.<br />
Am nächsten Tag fahre ich ins Olympia-Einkaufszentrum<br />
(OEZ). Dort war am meisten geschossen worden,<br />
auch wenn es nur einen Toten gab – aber viele<br />
Verletzte. Was mir sofort auffällt: An Eingang jedes<br />
einzelnen der zwei Dutzend Geschäfte in Schussweite<br />
befinden sich Kameras. Was auch immer hier passiert<br />
ist, wurde lückenlos aufgezeichnet. Warum hat man<br />
der Öffentlichkeit bisher nicht einmal ein Standbild<br />
gezeigt, um zu verifizieren, ob es tatsächlich nur einen<br />
Täter gab, der das Blutbad anrichtete? Ich beschließe,<br />
in allen Läden rund um den Tatort nachzufragen, und<br />
Mit einer solchen Waffe soll Ali<br />
David Sonboly (Bild oben) gefeuert<br />
haben. Fotos: Facebook; picture alliance<br />
/ dpa<br />
Dieses nachgereichte Bild soll Sonboly<br />
auf dem Parckdeck zeigen. Wie<br />
die Bild-Zeitung an die ominöse<br />
Aufnahme kam und wer tatsächlich<br />
abgebildet ist, bleibt unklar.<br />
Foto: Screenshot bild.de<br />
21
<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />
Falsche Spuren<br />
Dank Internet wurde die offizielle<br />
Version von vielen Menschen<br />
sehr schnell angezweifelt.<br />
Einige der umstrittenen Punkte<br />
konnten aber geklärt werden.<br />
Geister-Video: In dem Clip,<br />
der die Schüsse vor McDonalds<br />
zeigte, sah es für viele so aus,<br />
als ob der Täter aus dem Nichts<br />
ins Bild springt – sie vermuteten,<br />
er sei nachträglich eingebaut<br />
worden. Doch eine Recherche<br />
von Fachleuten bei quer-denken.tv<br />
bewies: Das war nur bei<br />
schlecht aufgelösten Kopien der<br />
Fall, nicht im Original-Video.<br />
Falsche Schuhe: Es kursierte<br />
ein Foto des Selbstmörders, das<br />
ihn mit weißen Schuhen zeigt –<br />
nicht mit schwarzen wie auf den<br />
Videos. Doch das Bild stammt<br />
vom April <strong>2016</strong>.<br />
Falsche Fotos: Einige besonders<br />
blutrünstige Aufnahmen<br />
waren Jahre alt und stammten<br />
nicht aus dem OEZ, sondern<br />
aus einem südafrikanischen Einkaufszentrum<br />
nach einem Feuerüberfall.<br />
Viele andere Punkte sind aber<br />
weiter ungeklärt. Wir informieren<br />
Sie über compact-online.de<br />
und auf unserem YouTube-Kanal.<br />
beginne in der Parfümerie Douglas direkt vor den Rolltreppen<br />
zum Untergeschoss. Schon aus der Ferne sehe<br />
ich die abweisende Miene des Geschäftsführers. Als<br />
ich mich noch vorstelle, fällt er mir ins Wort: «Nein,<br />
wir geben keine Auskunft, ok?», raunt er. «Wissen Sie<br />
was hier los war?», fährt er mich an. «Nein», gebe ich<br />
zu, «deshalb bin ich ja hier». Das Gespräch ist beendet,<br />
ich werde des Ladens verwiesen.<br />
Diese Szene wiederholt sich in den nächsten<br />
Stunden etwa 20 Mal. Ein junger Typ, Mitarbeiter in<br />
einem Café ganz in der Nähe, will gerade ansetzen,<br />
als sein Chef ihn beiseite schiebt: «Wir äußern uns<br />
nicht dazu.» Als ich das Gespräch mit dem Leiter eines<br />
Modegeschäfts beginne und ihn frage, ob er etwas<br />
gesehen hat, blickt er mich schweigend an. «Ich war<br />
hier», sagt er und wirkt dabei wie traumatisiert. Als<br />
ich ihn frage, was er gesehen hat, flackert unverkennbar<br />
Angst in seinen Augen auf, die Mundwinkel zittern.<br />
«Ich kann dazu nichts sagen.» – «Kann nicht, will nicht<br />
oder darf nicht?», frage ich frech. Er antwortet nicht.<br />
Ich bin schon fast wieder weg, da höre ich ihn flüstern:<br />
«Ich kann nur sagen, es war anders, aber mehr…» Er<br />
verstummt.<br />
Der Tote von der Isar<br />
Ich beschließe, zur nahegelegenen Henckystraße zu<br />
laufen, wo sich der angeblicher Amokläufer erschossen<br />
hat. Hier treffe ich Gabriele M., die genau gesehen<br />
haben will, wie er abdrückte. Als ich mir im achten<br />
Stock zeigen lasse, von wo genau sie alles beobachtet<br />
hat, stelle ich verdutzt fest, dass Bäume die Sicht<br />
auf den Tatort verdecken.<br />
Auf Videos und Bildern erkennt man, dass der<br />
Mann, der da in seinem Blut liegt, ein blaues T-Shirt<br />
mit weißer Aufschrift trägt. Aber der Täter von McDonalds<br />
und vom OEZ-Parkhaus war ganz in Schwarz.<br />
Wie passt das zusammen? Auffällig ist: Stunden bevor<br />
die Polizei den Selbstmord in der Henckystraße gemeldet<br />
hatte, wollte sie die Leiche des Attentäters «in<br />
einer Nebenstraße an der Isar» gefunden haben, ebenfalls<br />
mit einem Kopfschuss. Das meldete der Radiosender<br />
RTF1 mit Bezug auf eine Pressekonferenz der<br />
Polizei um 22:35 Uhr. Man beachte: Die Isar ist fünf<br />
Kilometer von der Henckystraße entfernt. Und: Von<br />
diesem Toten war später nie mehr die Rede. Wäre<br />
interessant zu wissen, was er für ein T-Shirt trug…<br />
Die Polizei versuchte die Sache mit dem Kleiderwechsel<br />
von Ali später damit zu erklären, dass es eine<br />
«Eigenart» von ihm gewesen sei, zwei T-Shirts übereinander<br />
zu tragen…<br />
Der Tote in der Henckystraße trägt<br />
ein blaues T-Shirt, der Schütze auf<br />
den Videos ein schwarzes.<br />
Noch etwas lässt mich daran zweifeln, dass der<br />
tote Deutsch-Iraner der Mehrfachmörder von McDonalds<br />
und OEZ war: Der Schütze auf den Videos ist<br />
Linkshänder. Doch Maria S., eine Anwohnerin in der<br />
Henckystraße, schwört mir gegenüber Stein und Bein,<br />
dass sie gesehen hat, wie die Polizei dem Selbstmörder<br />
die Waffe aus der rechten Hand nahm.<br />
Die südafrikanische Blutspur.<br />
Foto: Screenshot Daily News<br />
29.1.2015<br />
Am Abend des 22. Juli in der Innenstadt:<br />
Polizisten führen einen weiteren<br />
Verdächtigen ab. Mittlerweile<br />
gilt Sonboly jedoch als Einzeltäter.<br />
Foto: Getty Images<br />
22<br />
_ Marc Dassen ist Redakteur bei<br />
<strong>COMPACT</strong> und war vom 30. Juli bis<br />
5. August in München unterwegs,<br />
besuchte die Tatorte, sprach mit<br />
der Polizei, mit Augenzeugen und<br />
Anwohnern. In Kürze wird es auf<br />
<strong>COMPACT</strong>-TV auch einen Filmbeitrag<br />
zum Fall München geben.
<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
Moscheen und Migranten<br />
_ von Martin Müller-Mertens<br />
Geradezu ehrfürchtig lauschte Bundespräsident<br />
Joachim Gauck am<br />
22.10.2012 Imam Dursun Atak in<br />
der Sehitlik-Moschee.<br />
Foto: picture alliance / dpa<br />
Bis zu 100 Gebetshäuser machen Berlin zur deutschen Islam-Hauptstadt. Hinter ihren<br />
Mauern tummeln sich türkische Chauvinisten, Kopfab-Imame und Hass-Prediger – mit<br />
Unterstützung der Politik.<br />
Die Inszenierung wirkte perfekt: In weißer Hose und<br />
blauem Blazer posierte Franziska Giffey am 8. Juli vor<br />
dem Gebäude der Dar-as-Salam-Moschee. Bilder zeigen<br />
sie lächelnd unter anderem mit Imam Mohamed<br />
Taha Sabri. «Heute war ich zu Gast beim Ramadan-<br />
Fest für Flüchtlinge», freute sich die SPD-Bürgermeisterin<br />
des Berliner Problembezirks Neukölln später bei<br />
Facebook. Doch insbesondere in sozialen Netzwerken<br />
hagelte es Schelte wegen ihrer Pilgertour zum Fastenbrechen.<br />
«Ein Albtraum. Eine demokratische Politikerin<br />
bei Salafisten», hieß es etwa. Auch die ansonsten<br />
Islam-affine Hauptstadtpresse übte sich in vorsichtigem<br />
Stirnrunzeln. «Warum besuchte Franziska Giffey<br />
eine Radikalen-Moschee?», fragte die auflagenstärkste<br />
Boulevard-Zeitung B.Z.. Giffeys Amtsvorgänger und<br />
langjähriger Förderer Heinz Buschkowski verlangte verärgert<br />
die Löschung eines Facebook-Profils, auf dem die<br />
Neuköllner SPD mit ihm, dem bundesweit bekannten<br />
Urgestein, warb: «Ich stehe für eine klare Trennungslinie.<br />
Politischer Islam ist keine Religion, sondern eine<br />
Machtideologie.»<br />
Giffey war nicht die erste prominente Besucherin<br />
jener Einrichtung, die sich in den letzten Jahren<br />
geschickt zur Bühne für deutsche Muslimophile gemausert<br />
hatte. Erst im Mai diskutierte die einstige Grünen-Vorsitzende<br />
Claudia Roth in den Räumlichkeiten<br />
über einen angeblichen «Rechtsruck in Deutschland<br />
entlang des antimuslimischen Rassismus». Dabei weiß<br />
die Gemeinde genau, wie sie ihren Kollaborateuren<br />
verbal entgegenkommen muss. Im Juli lud das sogenannte<br />
Begegnungszentrum zehn schwule Führungskräfte<br />
ein. «Islam meets LGBTI», freute sich die Lobbyorganisation<br />
Leadership, deren Funktionärin (und<br />
frühere Brandenburger Verfassungsschutz-Präsidentin)<br />
Winfriede Schreiber die Moderation des Abends<br />
übernahm. Ende 2015 heftete Berlins Regierender Bürgermeister<br />
Michael Müller (SPD) Imam Sabri sogar den<br />
Landesverdienstorden an die Brust.<br />
Doch abseits derartiger PR-Veranstaltungen wird<br />
offenbar Klartext gesprochen. Tatsächlich ist die harmlos<br />
als «Begegnungsstätte» firmierende Moschee an<br />
der Neuköllner Flughafenstraße kein Außenposten<br />
des Salafismus. Der Verfassungsschutz bringt die<br />
Gemeinde jedoch mit der Islamischen Gemeinschaft<br />
in Deutschland (IGD) in Zusammenhang, die wiederum<br />
der fundamentalistischen Muslimbruderschaft zugeordnet<br />
wird. 2014 predigte dort der saudische Kleriker<br />
Mohammed al-Arifi, nach dessen Auffassung Gläu-<br />
Die Sehitlik-Moschee in Berlin. Der<br />
Name ist von dem Wort Sehit (Märtyrer)<br />
abgeleitet. Foto: <strong>COMPACT</strong><br />
«Politischer Islam<br />
ist keine Religion,<br />
sondern eine<br />
Machtideologie.» <br />
Heinz Buschkowski<br />
23
24<br />
Er fühlt sich sichtlich wohl: Bundesjustizminister<br />
Heiko Maas mit<br />
Moschee-Vorstand Ender Cetin<br />
(l) und DITIB-Vertreter Süleyman<br />
Kücük am <strong>09</strong>.01.2015. Foto: picture<br />
alliance / dpa<br />
Reda Seyam (oben) und Denis Cuspert.<br />
Fotos: YouTube; picture alliance<br />
/ dpa<br />
«Die arrangierte<br />
Ehe ist ja keine<br />
Zwangsehe.»<br />
Ahmadiyya-Gemeinde<br />
bige «kein Leben ohne Dschihad» führen können. Solche<br />
Positionen sind Programm: «Erst im März haben<br />
sich dort Ultra-Hardliner getroffen, gehen immer wieder<br />
aus und ein. Muslimbrüder und weitere radikale<br />
Islamisten machten dort Vorgaben für hiesige Muslime»,<br />
berichtet die SPD-Politikerin Sigrid Herrmann-<br />
Marschall.<br />
Imame in der Black Box<br />
1928 eröffnete im Bezirk Wilmersdorf das erste<br />
mohammedanische Gotteshaus der Stadt. Errichtet<br />
wurde es von der Lahore-Ahmadiyya-Bewegung, die<br />
seit Ende des Ersten Weltkriegs in Europa missioniert.<br />
Doch erst seit etwa Mitte der 1980er Jahre nimmt<br />
die Zahl der Moscheen in Berlin stetig zu. Waren es<br />
zunächst vor allem unauffällige Gebetsräume in Hinterhöfen,<br />
entstehen seit 2005 zunehmend Prunkbauten mit<br />
Kuppeln und Minaretten. Über ihre Anzahl gibt es keine<br />
seriösen Statistiken. Selbst das offizielle Stadtportal<br />
berlin.de beruft sich lediglich auf Angaben der Nachrichtenagentur<br />
dpa und nennt «rund 80 Moscheen und<br />
Gebetsräume». Andere Berichte gehen von etwa 100<br />
Gemeinden aus. Rund 90 Prozent sind sunnitisch. Allein<br />
die Türkisch-Islamische Union (DITIB), ein Ableger der<br />
staatlichen Religionsbehörde in Ankara, betreibt 20.<br />
Wie viele der etwa 250.000 Berliner Mohammedaner<br />
an Freitagsgebeten teilnehmen, ist ebenfalls unklar.<br />
Die Internetplattform moscheebesuche.de geht von<br />
knapp 25.000 regelmäßigen Besuchern pro Woche aus.<br />
Was sich hinter den Mauern der frommen Trutzburgen<br />
abspielt, ist für Außenstehende kaum zu erfahren.<br />
«In der einen oder anderen Moschee kümmert man<br />
sich einen feuchten Kehricht um das deutsche Recht»,<br />
resümiert etwa der Islamwissenschaftler Mathias<br />
Rohe. Der Professor der Universität Erlangen-Nürnberg<br />
verfasste 2015 im Auftrag der Berliner Justizverwaltung<br />
eine Studie über islamische Friedensrichter in<br />
der Hauptstadt. Die Ahmadiyya-Gemeinde gewährt in<br />
einer Selbstdarstellung unfreiwillig einen Einblick in<br />
ihr Denken: «Die arrangierte Ehe ist ja keine Zwangsehe,<br />
man muss das immer unterscheiden. Es ist ja auch<br />
nicht ungestattet, auch selbst ’n Vorschlag zu bringen.»<br />
2008 hatte die Organisation im Stadtteil Heinersdorf<br />
gegen massiven Widerstand der Anwohner die erste<br />
Moschee auf dem Gebiet der früheren DDR eröffnet.<br />
Erdogans Kasernen<br />
Mit der Islamisierung Deutschlands wächst auch<br />
die Macht der Imame. So ließ es DITIB beim Bau ihrer<br />
2004 eröffneten Sehitlik-Moschee auf eine regelrechte<br />
Kraftprobe mit den Behörden ankommen. Statt<br />
der genehmigten 28,6 Meter messen die beiden Minarette<br />
37,1 Meter. Während deutsche Häuslebauer ihr<br />
mühsam erspartes Eigenheim jedoch bereits wegen<br />
weniger Zentimeter Abweichung von der Baugenehmigung<br />
wieder abreißen müssen, beließ es der zuständige<br />
Bezirk Neukölln in diesem Fall bei einem geminderten<br />
Bußgeld von 80.000 Euro. Die Minarette waren<br />
nicht die einzige Provokation des Neubaus: Der Innenraum<br />
des 1.500 Menschen fassenden Gebäudes wurde<br />
nach Angaben der Berliner Zeitung mit Elfenbein und<br />
Rückenplatten von Schildkröten geschmückt – Material,<br />
das gemäß Washingtoner Artenschutzabkommen<br />
nicht eingeführt werden darf.<br />
Dabei genoss der Bau besonderes Augenmerk von<br />
Seiten der Türkei, deren Rechtsvorgänger Osmanisches<br />
Reich das Gelände zum Anlegen eines Diplomatenfriedhofs<br />
erhielt. Noch vor Eröffnung stattete der damalige
<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan der Moschee<br />
höchstpersönlich einen Besuch ab. Kein Wunder: Von<br />
ihm stammt der Ausspruch «Die Moscheen sind unsere<br />
Kasernen, die Minarette unsere Bajonette.» Kritik<br />
von den deutschen Kuffar-Politikern hatte er nicht zu<br />
befürchten. Ganz im Gegenteil: «Die Moschee ist ein<br />
architektonisches Bauwerk, auf das Berlin noch in 50<br />
Jahren stolz sein kann», schwärmte Neuköllns damalige<br />
Baustadträtin Stefanie Vogelsang. Immerhin: Die<br />
Errichtung eines noch größeren Gebetszentrums lehnte<br />
die CDU-Politikerin drei Jahre später aus baurechtlichen<br />
Gründen ab. Mit deutscher Prominenz schmückt<br />
sich Ankaras Außenstelle ebenfalls gerne. Im Januar<br />
2015 nahm Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) auf<br />
einem Gebetsteppich in der Sehitlik-Moschee Platz –<br />
ausgerechnet nach dem Terror gegen das Pariser Satiremagazin<br />
Charlie Hebdo. Auch Bundespräsident Joachim<br />
Gauck weilte bereits im Schatten ihrer Minarette.<br />
Keinen Anstoß nahmen die Politiker am nach wie vor<br />
existierenden Friedhof. In sorgsam gepflegten Ehrengräbern<br />
ruhen hier die Gebeine von Cemal Azmi und<br />
Bahaettin Sakir, Hauptorganisatoren des Genozids an<br />
den Armeniern im Jahre 1915. Beide hatten bis zu ihrer<br />
Ermordung 1922 im Berliner Exil gelebt.<br />
Terror-Fabriken<br />
Nicht nur die türkische Großmachtpolitik verfügt an<br />
der Spree über gefestigte Strukturen. Auch der Salafismus<br />
hält in manchen Gemeinden die Zügel straff in<br />
der Hand. Der Verfassungsschutz geht von etwa 700<br />
Anhängern in Berlin aus, von denen 380 als gewaltbereit<br />
gelten. Zugerechnet werden der von Saudi-<br />
Arabien gesponserten Strömung die al-Nur-Moschee<br />
in Neukölln, die as-Sahaba-Moschee im Wedding,<br />
die Ibrahim-al-Khalil-Moschee in Tempelhof und die<br />
Moschee des Fussilet 33 in Moabit: Gebetshäuser, die<br />
wiederholt Nachschub für den Terror in Syrien lieferten.<br />
Reda Seyam, der die as-Sahaba-Moschee mit aufbaute,<br />
beteiligte sich nach Aussagen seiner ersten Ehefrau<br />
Doris Glück bereits 1994, im bosnischen Bürgerkrieg,<br />
an Kriegsverbrechen gegen Christen. Inzwischen<br />
fungiert er wohl als Bildungsminister des Islamischen<br />
Staates (IS). Auch der Imam der Ibrahim-al-Khalil-<br />
Moschee, Abdel Qader D., soll für Dschihad-Banden<br />
in der Levante rekrutiert haben.<br />
Der heutige IS-Kämpfer Denis<br />
Cuspert radikalisierte sich in der<br />
al-Nur-Moschee.<br />
Insbesondere die in einem unscheinbaren Plattenbau<br />
beheimatete al-Nur-Moschee gilt als regelrechte<br />
Kaderschmiede für Kopfabschneider. 2003 verdächtigte<br />
die Polizei einen Tunesier, in dem Gebäude Kämpfer<br />
auszubilden. 20<strong>09</strong> reisten mehrere Besucher zum Dschihad<br />
nach Pakistan. Der Konvertit Denis Cuspert hörte<br />
dort seit 2010 regelmäßig Predigten – mittlerweile<br />
treibt der einst als Rapper Deso Dogg aufgetretene<br />
40-Jährige beim IS sein Unwesen. Wiederholt lud das<br />
Gotteshaus Gastprediger ein, darunter den deutschen<br />
Salafistenführer Pierre Vogel und den ägyptischen<br />
Hass-Scheich Abdel Moez al-Eila – dieser propagierte<br />
im Februar 2015 in Berlin prompt das angebliche Recht<br />
auf Vergewaltigungen. Im Jahr zuvor bat Terror-Imam<br />
Abu Bilal Ismail in der al-Nur-Moschee öffentlich um<br />
die Vernichtung der Juden «bis auf den Letzten».<br />
Erst als Videos dieser Ausfälle die Öffentlichkeit<br />
schockierten, leitete Berlins Innenverwaltung Anfang<br />
2015 ein Verbotsverfahren gegen den al-Nur-Moscheeverein<br />
ein. Doch mittlerweile scheint der Vorstoß im<br />
Sande verlaufen zu sein. Einzelheiten der Prüfung sind<br />
nicht bekannt. Im Januar verweigerte Innenstaatssekretär<br />
Bernd Krömer (CDU) gleich zwei Mal die Antwort<br />
auf entsprechende parlamentarische Anfragen.<br />
Dschihad an der TU<br />
Mitte März beschloss die Technische<br />
Universität Berlin die<br />
Schließung des bisherigen moslemischen<br />
Gebetsraumes auf<br />
ihrem Gelände. «Ein staatlicher<br />
Universitätscampus ist für<br />
die aktive Religionsausübung<br />
in Formen von Gottesdiensten,<br />
Messen und Freitagsgebeten<br />
der falsche Ort», begründete<br />
die Hochschule ihren Schritt.<br />
Nach Angaben von Studenten<br />
waren die Predigten an der TU<br />
nahezu ausschließlich auf arabisch<br />
gehalten und vielfach von<br />
universitätsfremden Gläubigen<br />
besucht worden. Auch Humboldt-Universität<br />
und Freie Universität<br />
teilten mit, dass es in<br />
ihren Gebäuden keine Gebetsräume<br />
gebe und auch in Zukunft<br />
nicht geben werde. Islamische<br />
Gruppen haben mit wiederholten<br />
öffentlichen Gebeten vor dem<br />
TU-Hauptgebäude gegen die<br />
Entscheidung protestiert – bislang<br />
jedoch ohne Erfolg.<br />
In der Neuköllner Karl-Marx-Straße<br />
sind solche Bilder Alltag.<br />
Foto: picture alliance / dpa<br />
Deutschland zeigen sie den Allerwertesten:<br />
Muslimisches Protestgebet<br />
vor der TU Berlin. Foto: picture<br />
alliance / NurPhoto<br />
Berlin unterm Halbmond<br />
Wichtige Moscheen in Berlin<br />
REINICKENDORF<br />
PANKOW<br />
SPANDAU<br />
CHARLOTTENBURG-<br />
WILMERSDORF<br />
MITTE<br />
FRIEDRICHSHAIN-<br />
KREUZBERG<br />
STEGLITZ-ZEHLENDORF<br />
TREPTOW-<br />
TEMPELHOF-<br />
KÖPENICK<br />
SCHÖNEBERG<br />
NEUKÖLLN<br />
Quelle: Google Maps<br />
Grafik: <strong>COMPACT</strong><br />
25
<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
Feuer und Steine<br />
_ von Martin Müller-Mertens<br />
Vor den Septemberwahlen in Berlin: Selbsternannte Antifaschisten<br />
terrorisieren Bürger, Polizisten, AfD-Anhänger und sonstige Andersdenkende.<br />
Vor allem Brandstiftungen halten die Stadt in Atem.<br />
Seit September<br />
2015 gilt die Gegend<br />
auch offiziell<br />
als «kriminalitätsbelasteter<br />
Ort».<br />
Das Tageslicht scheuen Berlins<br />
Linksradikale häufig. Auf dieser<br />
Demonstration am 9.7.2015 hat<br />
der Schwarze Block auch den SPD-<br />
Abgeordneten Tom Schreiber im<br />
Visier. Foto: picture alliance / dpa<br />
Der Angriff begann kurz nach 21:00 Uhr. Am Wismarplatz<br />
im Szenebezirk Friedrichshain starteten 3.500<br />
Linksradikale und deren Sympathisanten am 9. Juli<br />
ihre «Kiezdemo gegen Verdrängung». Die Stimmung<br />
sei «aggressiv und polizeifeindlich» gewesen, hieß es<br />
von Seiten der Ordnungshüter. Steine, Flaschen und<br />
Pyrotechnik hagelten immer wieder auf die 1.800 eingesetzten<br />
Beamten. Auch «Fußtritte und Faustschläge»<br />
musste die Polizisten über sich ergehen lassen. Am<br />
Ende sprach die Behörde von der «aggressivsten und<br />
gewalttätigsten Demonstration der zurückliegenden<br />
fünf Jahre in Berlin». 123 Beamte blieben verletzt<br />
zurück. Der Terror verteilte sich anschließend in der<br />
ganzen Stadt: Noch in derselben Nacht gingen überall<br />
Autos in Flammen auf.<br />
Die Initialzündung für die Krawalle dürfte der 13.<br />
Januar <strong>2016</strong> gewesen sein: Um Falschparker aufzuschreiben,<br />
begab sich ein Beamter der Berliner Polizei<br />
in die Rigaer Straße. Für die Uniformierten ist die<br />
Gegend am Rande von Friedrichshain schon lange Feindesland.<br />
Gleich mehrere damals leerstehende Gebäude<br />
in dieser Ecke Ostberlins wurden 1990 besetzt – ein Teil<br />
bildet bis heute das wichtigste verbliebene Territorium<br />
der linksextremen Szene. In Gangmanier beherrschen<br />
ihre Aktivisten hier Hauseingänge und Bürgersteige.<br />
Seit September 2015 gilt die Gegend auch offiziell<br />
als «kriminalitätsbelasteter Ort». An jenem Wintertag<br />
eskalierte die Situation. Vermummte stießen den<br />
Beamten zu Boden und verschwanden im Haus Rigaer<br />
94, in dessen Hinterhof ein linksradikales Wohnprojekt<br />
sowie im Vorderhaus die Untergrund-Kneipe Kadterschmiede<br />
residieren. Am Abend rückten 550 Polizisten<br />
an, einschließlich Sondereinsatzkommando und Hubschrauber.<br />
Offenkundig eine Revanche-Aktion, sicher<br />
auch mit Blick auf die Landtagswahl am 18. September.<br />
Doch die Polizei wurde fündig: Eisenstangen, Steine,<br />
Grillanzünder für Brandanschläge und Krähenfüße zum<br />
Aufschlitzen von Reifen präsentierte die Behörde einen<br />
Tag später der Presse.<br />
Für Antifa und andere Linksradikale bildete die<br />
Durchsuchung den Anlass für eine neue Serie der<br />
Gewalt. Ende Januar schlug in der Rigaer Straße<br />
ein Müllsack neben Streifenpolizisten auf die Pflastersteine.<br />
«Der Verfolgungsdruck entlud sich», verharmloste<br />
die linksgestrickte Tageszeitung Taz den<br />
Anschlag. Als die Polizei im Juni Teile des Gebäudes<br />
zeitweise räumte – unter dem durchaus vorgeschobenen<br />
Grund des Brandschutzes – fanden die Beamten<br />
neben drei Schlagstöcken auch eine Pistole.<br />
26<br />
Angriffsziel Berlin: Immer wieder terrorisieren<br />
selbstermächtigte Antifaschisten und Autonome die<br />
Hauptstadt. Lange waren es vor allem die Rituale um<br />
den 1. Mai, die für regelmäßigen Ausnahmezustand<br />
und Krawalltourismus sorgten. 20<strong>09</strong> ging die sogenannte<br />
Revolutionäre Demonstration bereits nach<br />
zwei Minuten in einem Steinhagel gegen die Poli-
zei unter. Bodo Pfalzgraf, Landeschef der Deutschen<br />
Polizeigewerkschaft, erkannte einen «klaren Mordanschlag»<br />
des als besonders militant bekannten Schwarzen<br />
Blocks auf zwei Beamte. Der blutige Feiertag markierte<br />
jedoch zugleich das Ende der traditionellen Mai-<br />
Randale – und seit 2010 blieb es friedlich. Stattdessen<br />
ist die Szene zu einer Art Guerillataktik übergegangen.<br />
Hauptstadt der Brandanschläge<br />
Insbesondere das Abfackeln von Autos entwickelte<br />
sich zum Markenzeichen der politisch kostümierten<br />
Banden. So registrierte die Polizei zwischen 2008<br />
und 2015 insgesamt 1.829 Brandanschläge mit teilweise<br />
mehreren ausgebrannten Fahrzeugen, 492 Fälle<br />
stuften die Ordnungshüter als politisch motiviert ein.<br />
Bekennerschreiben rechtfertigten die Taten als Kampf<br />
gegen die – tatsächlich voranschreitende – Gentrifizierung,<br />
also die Verdrängung von Bewohnern und sozialen<br />
Milieus der Innenstadtquartiere durch Luxussanierungen,<br />
Eigentumswohnungen und Mietsteigerungen.<br />
Die völlige Wahllosigkeit der Brandstiftungen<br />
sorgte auch szeneintern früh für Kritik. Sind es doch<br />
nicht nur vermeintliche Klassenfeinde in den Nobelvierteln,<br />
deren Karossen ausbrennen. Mittlerweile<br />
kann jeder Berliner Opfer eines Feuerüberfalls werden.<br />
Die Taz spekulierte damals über eine «Entpolitisierung<br />
der radikalen Linken, die ihren Anspruch, im ”Herz<br />
der Bestie” zuzulangen, aufgegeben hat und nun vor<br />
der eigenen Haustür kehrt». Dennoch erreichte die Zahl<br />
der Anschläge im ersten Halbjahr 2011 mit allein 500<br />
Fahrzeugen ihren Höhepunkt. «Deutschlands Hauptstadt<br />
brennt lichterloh, ohne Erklärung», titelte nun<br />
sogar die New York Times. Die Polizei gründet die Sonderkommission<br />
Feuerschein. Doch die Politik spielte<br />
das Thema herunter. «Wer jetzt schnelle Lösungen verspricht,<br />
will nur billig Wahlkampf machen», wandte<br />
sich der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit<br />
(SPD) gegen Forderungen der damals oppositionellen<br />
CDU nach einem härteren Vorgehen. Der Kreuzberger<br />
Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele<br />
(Grüne) verharmloste die Anschläge gar als ein<br />
«Prestigegerangel zwischen denen, die das machen,<br />
und der Polizei».<br />
Sturmtruppen für Multikulti<br />
Jahrelang hatte das linksradikale Milieu an der<br />
Spree seine Wunden geleckt. 2003 fasste die Antifaschistische<br />
Linke Berlin (ALB) im Szeneblatt Arranca<br />
das Dilemma zusammen: «Was nicht gelang war, die<br />
Zerfallsprozesse der Antifa-Bewegung Ende der 90er<br />
Jahre aufzuhalten.» Doch ein Dezennium später war<br />
die Zeit des Katzenjammers vorbei: Für die linksradikale<br />
Szene Berlins waren die Brandschatzungen wie<br />
ein Jungbrunnen.<br />
Die Asylflut gab den Krawallos einen weiteren<br />
Schub. Nachdem sogenannte Lampedusa-Flüchtlinge<br />
2013 den Kreuzberger Oranienplatz besetzt hatten, mobilisierte<br />
die linksradikale Szene immer wieder gewaltbereite<br />
Demonstranten, um Räumungen zu verhindern.<br />
Als ein Jahr später die von Asylforderern besetzte Ger-<br />
Tagelang belagerten Linksradikale<br />
im Juni die Polizei nach der teilweisen<br />
Räumung der Rigaer Straße 94.<br />
Foto: picture alliance / ZUMA-<br />
PRESS.com<br />
Auch dieses Hostel in Berlin-Hohenschönhausen<br />
wurde von Antifa-<br />
Aktivisten attackiert. In der Herberge<br />
fand am 13.3.<strong>2016</strong> eine<br />
AfD-Wahlparty statt.<br />
Foto: picture alliance / dpa<br />
«Deutschlands<br />
Hauptstadt brennt<br />
lichterloh, ohne<br />
Erklärung.»<br />
«New York Times»<br />
27
<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
Das Leiden<br />
der Anwohner<br />
Nach eigenen Angaben führen<br />
die Linksradikalen in der<br />
Rigaer Straße einen Kampf für<br />
die Bewohner des Kiezes. «Auch<br />
die Solidaritätsbekundungen aus<br />
der Nachbarschaft haben uns<br />
bestärkt», heißt es in einer Stellungnahme.<br />
Im Berliner Tagesspiegel<br />
spricht dagegen ein früherer<br />
Nachbar Klartext. «Ich kam<br />
als Freund, der mit Wohlwollen<br />
sah, dass es in Berlin eine lebendige<br />
Haubesetzerszene gibt»,<br />
heißt es in dem Text. «Ich ging,<br />
sieben Jahre später, persönlich<br />
zermürbt, politisch desillusioniert<br />
und mit einem ungeheuren<br />
Groll auf das ungeheure Maß an<br />
Dumpfbatzentum, das uns dort<br />
alltags begegnete. Schlaflose<br />
Nächte, Gepöbel, mutwillige<br />
Zerstörungswut haben mich aus<br />
dem Kiez getrieben. Kot, Scherben,<br />
Kotze – das ist, was mir<br />
in Erinnerung bleibt vom Leben<br />
als Nachbar des alternativ autonomen<br />
Wohn- und ”Kulturprojekts”<br />
Rigaer 78.»<br />
Polizisten in der Rigaer Straße.<br />
Foto: picture alliance / dpa<br />
Feuer und Flamme für diesen Staat:<br />
Das alte Autonomenmotto setzen<br />
linksradikale Täter an den Autos der<br />
Berliner um. Wie hier in der Nacht<br />
zum 27.5.<strong>2016</strong>. Foto: picture alliance<br />
/ dpa<br />
hart-Hauptmann-Schule kurzzeitig geräumt werden<br />
sollte, randalierten Aktivisten auf den Besuchertribünen<br />
der Bezirksverordnetenversammlung.<br />
Vor allem Kritiker der Multikulti-Religion gerieten<br />
nun ins Visier. Im Februar <strong>2016</strong> schlugen Antifa-Terroristen<br />
die Fensterscheiben der Kreuzberger Kneipe<br />
Stadtklause ein und verspritzten Bitumen in den Gastraum.<br />
Das angebliche Verbrechen des Wirtes: In der<br />
Lokalität hatten sich Mitglieder des AfD-Bezirksverbandes<br />
zu einem Parteitag getroffen. Bereits im<br />
August 2015 hatte die Antifa Nordost «weitere Aktionen<br />
gegen die Lichtenberger AfD-Kneipe Zum Bären»<br />
angekündigt. Am 22. Oktober 2015 brüstete sich die<br />
rotlackierte SA, die Friedrichshainer Kneipe Zum Igel<br />
«komplett entglast» zu haben.<br />
Die Seite antifa-berlin.info veröffentlichte mittlerweile<br />
eine ganze Sammlung von Trophäenberichten<br />
über die Attacken auf Gasthäuser. Auch Empfehlungen<br />
für Angriffe sind den Machwerken zu entnehmen.<br />
So sei klar, «dass es sehr wirkungsvoll sein kann, eine<br />
freundliche Kommunikation zu suchen und die Eskalationsleiter<br />
danach (…) empor zu schreiten». Bei Lokalen,<br />
die sich den Befehlen der Linksfaschisten widersetzen,<br />
«scheint uns hier die Zeit der freundlichen Worte nun<br />
vorbei zu sein…»<br />
Morddrohungen gegen Politiker<br />
Dabei entlädt sich die Gewalt nicht mehr nur gegen<br />
tatsächliche oder vermeintliche Rechte. Auch der SPD-<br />
Abgeordnete Tom Schreiber gehört mittlerweile zu den<br />
Feindbildern der Szene. Seit 2006 beschäftigt er sich<br />
im Berliner Abgeordnetenhaus unter anderem mit dem<br />
Thema Extremismus – gelegentliche Drohungen von<br />
Neonazis und Rockern inklusive. Auf Twitter hatte<br />
der Politiker die anhaltenden Autobrandstiftungen als<br />
das «hässliche Gesicht der #Linksautonomen #Szene»<br />
bezeichnet. Die Antifa reagierte mit unmissverständlichen<br />
Drohungen: «Pass bloß auf, Tom» und «#Tom-<br />
Lodernde Flammen<br />
Anzahl der Brandanschläge auf Autos und Bezirke mit den meisten<br />
Vorfällen<br />
besonders betroffene<br />
Gebiete<br />
403<br />
CHARLOTTENBURG-<br />
WILMERSDORF<br />
92<br />
243<br />
24<br />
Quellen: Wikipedia, Statista<br />
249<br />
MITTE<br />
FRIEDRICHSHAIN-<br />
KREUZBERG<br />
davon eindeutig politisch<br />
motiviert<br />
2011 2012 2013 2014 2015<br />
Grafik: <strong>COMPACT</strong><br />
DuArschloch» zierten Berliner Häuserwände. Innensenator<br />
Frank Henkel (CDU) wurde sogar mit Mord<br />
gedroht. «Bei Räumung (…) eine Million Sachschaden<br />
und Henkel im Kofferraum!», schrieben Rigaer-Sympathisanten<br />
auf indymedia.de – eine Anspielung auf<br />
die in einem Kofferraum gefundene Leiche des 1977<br />
von der Roten Armee Fraktion ermordeten Arbeitgeberpräsidenten<br />
Hanns Martin Schleyer.<br />
Die Zeit der freundlichen Worte<br />
scheint uns vorbei. «antifa-berlin»<br />
Die heimlichen Hauptquartiere der Schläger: die<br />
Kneipen Kadterschmiede sowie Abstand in der Rigaer<br />
Straße. Keine der beiden Spelunken verfügt über eine<br />
Gaststättenerlaubnis, wie eine parlamentarische Anfrage<br />
Schreibers im März zu Tage förderte. Versuche<br />
der Polizei, die Kadterschmiede zu räumen, scheiterten<br />
im Juli an einem fehlenden Gerichtstitel. Das Bezirksamt<br />
unter Bürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne)<br />
– die bereits die Besetzungen des Oranienplatzes<br />
und der Gerhart-Hauptmann-Schule wohlwollend duldete<br />
– sieht offenbar keinen Grund zum Handeln. «Es<br />
wurden vom zuständigen Bezirksamt Friedrichshain-<br />
Kreuzberg bisher keine Kontrollen durchgeführt», heißt<br />
es in der Antwort der Senatsinnenverwaltung.<br />
23<br />
242<br />
53<br />
179<br />
38<br />
28<br />
Besonders pikant: Der Hausbesitzer plant, in leerstehenden<br />
(!) Wohnungen der Rigaer 94 und in der<br />
Absturz-Pinte Kadterschmiede Wohnraum und Werkstätten<br />
für Asylbewerber zu schaffen. Das aber lehnen<br />
die Linken, die ansonsten immer «Refugees welcome»<br />
plakatieren, scharf ab. Sie wollen selbst bestimmen,<br />
wen sie bei sich aufnehmen wollen – eine Haltung, die<br />
sie bei anderen frech als rassistisch geißeln.
«Kaischi hat das Lebenswerk<br />
von Axel Springer verjuckelt»<br />
_ Interview mit Peter Bartels<br />
Viel Freude haben die Aktionäre des<br />
Axel-Springer-Verlages, hier 2013,<br />
derzeit nicht an ihrem schlingernden<br />
Auflagen-Flaggschiff.<br />
Foto: picture alliance / dpa<br />
Der Niedergang der «Bild-Zeitung» ist dramatisch. Unter Chefredakteur Kai Diekmann<br />
stürzte ihre Auflage von über vier auf unter zwei Millionen ab. Einer seiner Vorgänger an<br />
der Spitze des Boulevard-Blattes zieht jetzt gnadenlos Bilanz.<br />
Ihr Buch liest sich weitgehend wie eine Abrechnung<br />
mit Kai Diekmann, Ihrem Nachfolger in der<br />
Chefredaktion zwischen 2001 und 2015. Was hat<br />
Diekmann – Spitzname «Kaischi» – denn falsch<br />
gemacht?<br />
So ziemlich alles. Wobei er eigentlich ganz gut losgelegt<br />
hat: Er hat in seinem ersten Quartal ordentlich<br />
Plus gemacht, wurde damals jedenfalls an den Auflagenkontrolldienst<br />
IVW gemeldet. Er nahm das angeblich<br />
zum Anlass, durch die Redaktion zu trompeten:<br />
«Jetzt haben wir’s geschafft!»<br />
Kaischi, Teens und Twens<br />
Also, was waren seine entscheidenden Fehler?<br />
Viele. Er fing schon früh an, eigentlich sofort, ein Blatt<br />
für Leute zu machen, die er nicht hatte. Wenn Du ein<br />
Massenblatt machst, dann machst Du ein Blatt für die<br />
Masse, nach Möglichkeit die Mehrheit der Masse. Und<br />
diese Mehrheit bei Bild ist immer «älter». Sie fängt bei<br />
30, vielleicht 35 an, frühestens. Diekmann aber hat fast<br />
immer ein Blatt für jüngere Leser gemacht, manchmal<br />
wie für Schülerzeitungsleser. Es reicht nicht, wenn man<br />
ab und zu eine Rentengeschichte bringt und sich danach<br />
leicht angeekelt zurücklehnt: «So, jetzt habe ich mal<br />
was für die alten Säcke getan, Schnauze.» Die «Alten»<br />
wittern das. Im Übrigen: Vor 50 denkt in Deutschland<br />
eh keine Sau an Rente. Die, die es betrifft, haben längst<br />
Rente, den anderen geht´s am Arsch vorbei. Mit 40 wird<br />
man bekanntlich nie alt, höchstens die anderen.<br />
Wollen Sie sagen, Bild hatte und hat keine jungen<br />
Leser, keine unter 35?<br />
Natürlich hat Bild auch immer junge Leser gehabt –<br />
pro Tag sogar mehr als Bravo pro Woche, lange Zeit.<br />
Teenager hießen die früher. Das bedeutet aber nicht,<br />
dass diese Gruppe relevant für die Auflage war. Teens<br />
und Twens kauften das Blatt nämlich nicht. Die lesen<br />
es nur, weil es auf dem Tisch rumliegt, von Mama für<br />
Papa gekauft.<br />
Vorbild Salafistenbart: Kai Diekmann<br />
2014 während der Verleihung<br />
des Deutschen Radiopreises.<br />
Foto: picture alliance / Eventpress<br />
MP<br />
Der Quatsch bei<br />
«Bild» wird quätscher,<br />
bis er<br />
quietscht.<br />
29
<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
nicht mal mehr der Prince of Wales, wenn man sie ihm<br />
vorliest. Und der hat bekanntlich große Öhrchen. Aber<br />
der Quatsch wird quätscher, bis er quietscht. Und die<br />
neue Chefredakteurin Tanit Koch macht weiter: The<br />
same procedure as every day, my dear Kaischi.<br />
Kaischi, Steini und Wulffi<br />
30<br />
Eigentlich trifft sich Friede Springer<br />
lieber mit Angela Merkel. Zur<br />
Gedenkfeier für Guido Westerwelle<br />
fühlte sie sich aber auch<br />
zwischen Klaus Wowereit und dem<br />
damaligen Deutsche-Bank-Chef<br />
Jürgen Fitschen wohl. Foto: picture<br />
alliance / Eventpress<br />
Fortsetzung folgt!<br />
In der nächsten Ausgabe von<br />
<strong>COMPACT</strong> setzen wir das Interview<br />
mit Peter Bartels fort. Dann<br />
erfahren Sie, was er über die<br />
Lügenpresse denkt, wer bei Bild<br />
den Chefredakteur bestimmt,<br />
welche Unternehmensgrundsätze<br />
jeder Mitarbeiter unterschreiben<br />
muss – und warum<br />
in der Leserschaft Sozis meistens<br />
in der Mehrheit waren. Last<br />
but not least finden Sie im Oktober-Heft<br />
eine Bewertung von Kai<br />
Diekmanns Nachfolgerin im Bild-<br />
Chefsessel, Tanit Koch.<br />
Bild-Zeitung vom 2. Oktober 1989.<br />
Foto: Bild / Repro <strong>COMPACT</strong><br />
Also hat Diekmann ein Blatt gemacht für Leser,<br />
die es zwar manchmal gelesen, aber nicht<br />
gekauft haben?<br />
So in etwa; natürlich muss man das Themenspektrum<br />
so breit wie möglich fächern. Und natürlich interessiert<br />
Mama oder Papa, was andere Mamas und Papas für<br />
Sorgen mit ihren schönen Töchtern oder schicken Söhnen<br />
haben. Aber Du kannst kein Blatt für diese junge<br />
Zielgruppe machen, wenn Du weißt, dass 90 Prozent<br />
Deiner Leser eben der Jugend nur noch zugucken können<br />
– und wollen.<br />
Mit «Refugees welcome» ist Diekmann<br />
gnadenlos auf die Schnauze<br />
gefallen.<br />
Zumal der Sound, die Schreibe für junge Leser<br />
sicher anders klingt…<br />
Wenn der Chefredakteur ein Blatt für die falsche Altersgruppe<br />
macht, ist er immer auch in Versuchung, die falsche<br />
Sprache zu benutzen. Wenn ich für 25-Jährige<br />
schreibe, muss ich auch reden wie 25-Jährige. Das verstehen<br />
die älteren Herrschaften aber nicht, wollen es<br />
auch nicht verstehen. Vor allem, wenn der «RedakteurIn»<br />
exaltiert auf jung mimt, mit Anglizismen keult, weil<br />
er glaubt, das ist modern, chic – jung eben… Dumm<br />
nur, dass die meisten «Alten» dieses typisch britische<br />
«sophisticated» Englisch weder kapieren noch kapieren<br />
wollen; die einen hatten ein bisschen Merkel-<br />
Russisch, die anderen etwas Pumpernickel-Englisch,<br />
ansonsten eben Ruhrpott, Bayern, Sachsen. Im Übrigen:<br />
Diekmanns jaulende Anglizismen-Zeilen versteht<br />
Zum Glück für den Leser macht «Bild» ja in<br />
großem Stil Politik – Kommentare, Interviews,<br />
Berichte, vieles sogar exklusiv!<br />
Diekmanns nächster Fehler: Kaischi hat nie begriffen,<br />
dass Politik in einem Massenblatt verminter Bereich<br />
ist. Die Leute sagen zwar bei jeder neuen Marktforschung:<br />
«Politik ist gaaanz wichtig.» Aber tatsächlich<br />
interessiert es sie einen feuchten Kehricht – von Oberlehrern,<br />
Bürgermeistern, Gewerkschaftern mal abgesehen.<br />
Bei der Masse kommt Politik in Wahrheit unter<br />
«ferner liefen». Andrea Berg ist wichtig, Herbert Grönemeyer,<br />
der «Alpen-Elvis» Gabalier, Klatsch und Tratsch –<br />
Trash, nicht Politik. Aber so ist das nun mal: Wenn einer<br />
Schweineschnitzel will, kann ich ihm kein Hammelkotelett<br />
verkaufen. Es ist nicht wichtig, was dem Chefredakteur<br />
gefällt – dem Leser muss es gefallen.<br />
Aber Politik betrifft doch alle Menschen…<br />
Boulevard-Leser nur bei Wahlen… Das hat seinen guten,<br />
meinetwegen schlechten Grund: Kaufleser sind schnelle<br />
Leser. Die Zeitung tischt ihnen ein politisches Problem<br />
auf, der Leser schluckt es – vielleicht – zwei, drei Tage.<br />
Aber keine Monate, wie bei Diekmanns Pleite-Hellenen,<br />
die einfach nicht genug Steuern von ihren Griechen<br />
«griechen» (Bild). Nach ein, zwei Polit-Stories haben die<br />
Leser «fertig». In der wirklichen Politik geht es aber dann<br />
erst los: Plenum, Debatten, «McCarthy-Talkshows», keifend,<br />
knurrend, hufescharrend, bis in die Nacht… Und<br />
ein strichlippiger Steinmeier schwafelt, ohne ein einziges<br />
Wort zu sagen, Tagesschau und Heute-Journal<br />
zu… Und am nächsten Tag labert Bild seine letzten Leser<br />
auch noch anderthalb Bleiwüsten-Seiten lang mit einem<br />
französischen Lambretta-Präsidenten voll. Und der eitle<br />
Kaischi enthüllt nicht mal, dass der Figaro das Resthaar<br />
des Präsidenten fünfmal täglich kämmen, legen und föhnen<br />
muss, dafür aber 9.000 Euro Staatsknete kassiert…<br />
Vorwärts in den Untergang<br />
Verkaufte Auflage in Millionen<br />
4,71<br />
2,65<br />
Quelle: IVW <br />
3,88<br />
2,16<br />
3,10<br />
1,70<br />
«Bild»<br />
«Bild am Sonntag»<br />
1,85<br />
1998 2004 2010 <strong>2016</strong><br />
1,01<br />
Grafik: <strong>COMPACT</strong>
<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
Trotzdem hat «Bild» auch früher, wie unter Kai<br />
Diekmann später, Politik gebracht und gemacht…<br />
Noch mal: Wenn irgendein Sozi-Verteidigungsminister<br />
mit einer Gräfin irgendwo im Mittelmeer plantscht,<br />
dann ist das auch und gerade für Bild «Politik». Und<br />
natürlich ist es toll, wenn ein niedersächsischer Ärmelschoner<br />
namens [Christian] Wulff à la Dürrenmatts<br />
«Grieche sucht Griechin» plötzlich mit einer schönen<br />
Blondine auftaucht. Dann ist das für ein Massenblatt<br />
sogar ganz große «Politik», schließlich droht der Ärmelschoner<br />
Präsident zu werden, wird es dank Muttchen<br />
tatsächlich… Nein, «richtige» Politik hat nur ein Mal<br />
für längere Zeit Auflage gemacht. Und das war die<br />
Wiedervereinigung, die bekanntlich von Mai 1989 bis<br />
Mai 1991 dauerte…<br />
Kaischi, Mutti und Friede<br />
255 Seiten für 19,95 Euro. ISBN:<br />
3864452821 Foto: Kopp Verlag<br />
Besonders dramatisch war der Absturz von «Bild»<br />
letztes Jahr, als die Zwei-Millionen-Grenze nach<br />
unten durchbrochen wurde…<br />
Kai Diekmann hat drei Schallmauern durchbrochen:<br />
vier Millionen, drei Millionen, zwei Millionen. Darum<br />
nenne ich ihn «Undertaker»: Er ist der Totengräber von<br />
Bild. Sein vorerst letzter Fehler begann, als er 2015<br />
anfing, dem Mainstream in den Arsch zu kriechen und<br />
seine Leser erst zu beschimpfen, dann zu vertreiben.<br />
Weit über eine Million nicht registrierter Flüchtlinge<br />
fluteten die von Honeckers Musterschülerin Merkel<br />
geöffneten Grenzen. Und Diekmann sagt «Welcome!»,<br />
sogar in extra 40.000 auf Arabisch gedruckten Blöd-<br />
Zeitungen – und verschenkt sie an Moslems, die nicht<br />
lesen können, weil sie´s nicht gelernt haben.<br />
Dieser Spruch «Say it loud, say it clear, refugees<br />
are welcome here!» – ist der von «Bild»?<br />
Keine Ahnung. Aber der Spruch «Wir schaffen das» ist<br />
von Moslem-Muttchen Merkel. Diesen Spruch kannte<br />
sie aus der DDR. «Das schaffen wir» schalmeiten<br />
damals ZK und Neues Deutschland unisono zu allen<br />
Fünfjahresplänen. Und Diekmann wieselte der Wessi-<br />
Version eilfertig hinterher: «Jawoll, wir schaffen das!»<br />
Jeder sah in der Tagesschau die Heerscharen junger,<br />
schicker Männer mit Smartphone am gepiercten Ohr.<br />
«Da kommen die, die unsere Renten retten. Fast alles<br />
Ingenieure, Ärzte, Akademiker», so oder so ähnlich ließ<br />
Diekmann wider besseres Wissen seine Redakteure<br />
schreiben. Jeder Deutsche wusste sehr, sehr bald: 80<br />
Prozent haben nicht mal drei Schuljährchen im Tornister.<br />
Aber «das Kaischi» startete die Aktion «Refugees<br />
welcome». Und ist damit gnadenlos auf die Schnauze<br />
gefallen! Er fand sogar die Türken toll, bis «Erdowahn»<br />
auch die Dogan-Holding anfing windelweich zu prügeln,<br />
an der doch Springer so schön beteiligt ist.<br />
Irgendwann fing Bild dann an, die Montagsspaziergänge<br />
von Pegida in Dresden zu kritisieren… Da liefen<br />
Tausende durch die Stadt, und Diekmann glaubte<br />
ausgerechnet den Reportern, deren Väter wegen genau<br />
solcher Spaziergänger die ganze, schöne DDR verloren<br />
hatten. Schlimmer: Er nannte diese Spaziergänger bald<br />
nur noch Dunkeldeutsche, Pack, Nazis. Weihnachten<br />
sangen sie an der Elbe nicht «Stille Nacht», sie «grölten»!<br />
Nazis eben… Bild riss sie aus Facebook raus,<br />
brachte Schlagzeilen und Doppelseiten, stellte sie an<br />
den Bild-Pranger, um zu «beweisen», was für Schwachmaten<br />
da ihre Wut, ihre Angst raus stammelten, von<br />
wegen Migranten-Invasion. Aber: Das waren alles<br />
Leser, vor allem auch Bild-Leser! Und für so ein Blatt<br />
sollten sie auch noch fast zwei Mark – 90 Cent – bezahlen?<br />
Wenn meine Frau mir in den Arsch tritt, tut es<br />
ebenfalls weh, aber es kostet wenigstens kein Geld!<br />
Es war einfach instinktlos, was Diekmann da mit seiner<br />
Redaktion gemacht hat. Die Herren Großverdiener<br />
haben vertrieben, wovon sie lebten – ihre Gehaltszahler,<br />
die Leser!<br />
Aber wenn’s doch aus der Sicht des Mainstream<br />
und der «Bild» tatsächlich alles nach Pack aussah?<br />
Sogar SPD-Chef Sigmar Gabriel hat´s doch<br />
gesagt…<br />
Ob Gabriel oder Diekmann – sie müssen vorerst mit<br />
dem Volk leben, das sie haben – Pack hin, Pack her.<br />
Gabriel kriegt seine Quittung nächstes Jahr. Diekmann<br />
hat die ersten beiden finalen Quartals-Quittungen<br />
schon kassiert. Man wird sehen, wie lange Friede<br />
[Springer] zusieht, wie einer das Lebenswerk ihres<br />
Mannes verjuckelt.<br />
Wissen Sie, wenn ich die Welt retten will, werde<br />
ich Gandhi. Oder vielleicht Papa Theresa. Wenn ich ein<br />
linkes Blatt machen will, dann mache ich die Alpen-<br />
Pravda Süddeutsche oder den Spiegel. Wenn ich Bild<br />
machen will, dann muss ich ein Blatt für die Mitte<br />
machen – etwas rechts, etwas links, ansonsten Mitte.<br />
Die Deutschen waren nie links oder rechts, sie waren<br />
immer sowohl als auch. Konservativ.<br />
Gut gelaunt: Peter Bartels deckt die<br />
Geheimnisse von «Bild» auf.<br />
Foto: Peter Bartels<br />
Diekmann ist der<br />
Totengräber von<br />
«Bild».<br />
_ Peter Bartels ist seit 50<br />
Jahren Journalist und war 17<br />
Jahre bei «Bild». 1974 wurde<br />
er Unterhaltungschef in der<br />
Hamburger Zentralredaktion<br />
und begann seinen Aufstieg im<br />
Springer-Konzern. Von 1989 bis<br />
1991 war er zusammen mit Hans-<br />
Hermann Tiedje Chefredakteur<br />
von «Bild» – in der spannenden<br />
Zeit der Wiedervereinigung, als<br />
das Blatt noch fünf Millionen<br />
Auflage hatte. Im Frühjahr ist sein<br />
Buch «Bild – Ex-Chefredakteur<br />
enthüllt die Wahrheit über den<br />
Niedergang einer einst großen<br />
Zeitung» erschienen (Kopp Verlag,<br />
255 Seiten, 19,95 Euro). – Das<br />
Interview wurde von Arne Fischer<br />
geführt.<br />
31
Der amerikanische Putsch<br />
_ von Marc Dassen<br />
32<br />
Die USA gegen Erdogan: Während es zunächst so aussah, als ob der<br />
türkische Präsident den Staatsstreich vom 15. Juli selbst inszeniert<br />
hätte, mehren sich mittlerweile die Indizien, dass US-Strippenzieher<br />
am Werk waren. Offensichtlich fürchtet Washington die Annäherung<br />
zwischen Ankara und Moskau.<br />
Kampfjets der Putschisten<br />
wollten<br />
Erdogans Flugzeug<br />
abschießen.<br />
Es ist die Ruhe vor dem Sturm in den Straßen der türkischen<br />
Hauptstadt. Unzählige Menschen sitzen am 15.<br />
Juli, einem warmen Freitagabend, in den Bars, Cafés<br />
und Restaurants, entspannt, ausgelassen – endlich<br />
Wochenende. Plötzlich gelangen Gerüchte von Ohr zu<br />
Ohr. Mehrere Brücken über den Bosporus sind gesperrt,<br />
Soldaten haben Straßenbarrikaden errichtet. Panzer<br />
sind an strategischen Punkten aufgefahren. Zuerst glauben<br />
viele an einen Terroranschlag, dann – kurz nach 22<br />
Uhr – erklärt der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim:<br />
«Ein Putschversuch!» Das Militär beansprucht –<br />
wie zuvor schon so oft in der türkischen Geschichte –<br />
die Macht im Staate, verhängt das Kriegsrecht.<br />
Kurz vor Mitternacht erscheint der Präsident auf<br />
dem Display eines Smartphones, das eine Reporterin<br />
des türkischen Ablegers von CNN zitternd in die Kamera<br />
hält. Er berichtet von Verschwörern innerhalb des Militärs,<br />
ruft alle Bürger zum Widerstand auf. Recep Tayyip<br />
Erdogan, der sich gerade auf der Rückreise aus seinem<br />
Urlaub in Marmaris an der Ägäis-Küste befindet, wurde<br />
angeblich zuvor von Bombenangriffen auf sein Hotel nur<br />
knapp verfehlt. Die Putschisten hatten eine Killertruppe<br />
in sein Hotel geschickt – die kam mit ihren Hubschraubern<br />
aber 30 Minuten zu spät. Obwohl ein General das<br />
Staatsoberhaupt warnt, dass zwei Kampfjets der Putschisten<br />
in der Luft sind, um sein Flugzeug abzuschießen,<br />
entscheidet sich der Präsident für den Weiterflug<br />
nach Istanbul. Derweil streut der US-Think-Tank Stratfor<br />
per Twitter das Gerücht, Erdogan habe bereits Asyl<br />
in Deutschland beantragt. Und die US-Botschaft informiert<br />
ihre Bürger über eine «Erhebung» («uprising») in<br />
der Türkei – ein netter Ausdruck für Militärputsch.<br />
«Ein Geschenk Allahs»<br />
Erst am frühen Morgen ist klar: Der Umsturzversuch<br />
ist gescheitert. Die Verantwortlichen, die sich selbst<br />
Bewegung für Frieden in der Heimat nennen, haben<br />
sich ergeben, wurden verhaftet oder sind auf der Flucht.<br />
290 Menschen, darunter auch 24 Putschisten, wurden<br />
in dieser Nacht getötet, über 1.400 Verwundete<br />
füllen die Krankenhäuser. Allein 10.000 Militärs sitzen<br />
heute im Gefängnis. Laut Informationen der Welt<br />
lässt Erdogan nach dem Putsch drei Nachrichtenagenturen,<br />
16 Fernsehsender, 23 Radiostationen, 45 Zeitungen,<br />
15 <strong>Magazin</strong>e sowie Dutzende Verlage schlie-
<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
Lynchmobs ziehen durch die Straßen, fordern die<br />
Todesstrafe für Verräter. Erdogan will das Volk, zum Entsetzen<br />
des Westens, sogar darüber abstimmen lassen.<br />
Noch in der Nacht des Putsches rief Erdogan, seine Anhänger, wie<br />
hier in Ankara, zum Kampf gegen die Putschisten auf.<br />
Foto: Tumay Berkin / Reuters<br />
ßen. Auch 2.800 Richter werden kurzerhand entlassen,<br />
knapp 20.000 Lehrer suspendiert und 45.000 Beamte in<br />
den kommenden Tagen als Mitverschwörer festgesetzt.<br />
Akademiker dürfen das Land nicht mehr verlassen.<br />
Der Putsch schlug laut Medienberichten vor allem<br />
deshalb fehl, weil die Aktion «vorgezogen» werden<br />
musste, «sodass nicht alle Teile des Plans rechtzeitig<br />
aktiviert» werden konnten (FAZ). Die regierungstreuen<br />
Geheimdienstler hatten laut Spiegel schon am<br />
«Freitagnachmittag um 16 Uhr (…) von den Umsturzplänen<br />
erfahren» und damit genug Zeit, Gegenmaßnahmen<br />
vorzubereiten. Ursprünglich wollten die Putschisten<br />
erst am Samstag um vier Uhr morgens losschlagen,<br />
mussten aber, weil der Plan durchgesickert<br />
war und Verhaftungen drohten, überhastet handeln.<br />
Außerdem wurde ihr Nachschub über den Flughafen<br />
Sirnak durch den dortigen Erdogan-treuen Gouverneur<br />
vorsorglich blockiert.<br />
Trotz der bald anrollenden Verhaftungswelle stellt<br />
sich die Opposition nach dem Putschversuch demonstrativ<br />
auf Erdogans Seite. Die vier größten Parteien<br />
im türkischen Parlament (Erdogans AKP, die kemalistische<br />
CHP, die nationalistische MHP und die kurdische<br />
HDP) unterzeichnen eine Erklärung gegen die Aufwiegler.<br />
Deutsche Medien wie der Spiegel fürchten dagegen<br />
eine «islamische Konterrevolution» und sehen<br />
Erdogan als «Diktator» beim Aufbau einer «lupenreinen<br />
Autokratie». Kleinlaut müssen die Spiegel-Redakteure<br />
aber zugeben, dass der Putsch vor allem deshalb<br />
scheiterte, weil «das Volk den Putschisten die Gefolgschaft»<br />
versagte.<br />
Inside-Job oder US-Komplott<br />
«War der Putsch nur inszeniert?», fragt die Wirtschaftswoche,<br />
stellvertretend für alle Zweifler, und<br />
gibt gleich die Antwort: Eher unwahrscheinlich. «Unter<br />
den mutmaßlichen Rädelsführern sollen fünf Generäle<br />
und 28 Oberste sein, die mit Erdogan unter einer Decke<br />
hätten stecken müssen» und jetzt langjährige Haftstrafen<br />
erwarten. Der Schuldige ist für Erdogan schnell<br />
ausgemacht: Fethullah Gülen. Der Prediger, ehemaliger<br />
Verbündeter und heutiger Erzfeind des türkischen<br />
Potentaten, soll mit Hilfe der CIA und seines weitverzweigten<br />
Netzwerkes – der Hizmet-Bewegung – die<br />
Fäden gezogen haben. Gülens Organisation islamistischer<br />
Schulungsanstalten ist weltumspannend, auch<br />
in Deutschland gibt es Kaderschmieden in vielen großen<br />
Städten. Für Erdogan ist Gülen der Anführer einer<br />
«Terrororganisation», eines Staates im Staat. Ministerpräsident<br />
Yildirim erklärte, dass jedes Land, das Gülen<br />
unterstütze, sich im Krieg mit der Türkei befinde: eine<br />
klare Botschaft an die USA.<br />
Hin und wieder hat der «Spiegel»<br />
recht. Foto: spiegel-online.de<br />
«War der Putsch<br />
nur inszeniert?» <br />
«Wirtschaftswoche»<br />
Fethullah Gülen im Juli <strong>2016</strong> in seinem<br />
US-amerikanischen Exil. Schätzungen<br />
von 2008 gingen davon aus,<br />
dass zehn bis 15 Prozent der Türken<br />
Sympathien für seine Bewegung<br />
hegten. Foto: picture alliance /<br />
AP Images<br />
Nach dem erfolglosen Coup auf dem Zenit von<br />
Macht und Ansehen beschreibt Erdogan die Ereignisse<br />
am nächsten Tag als ein «Geschenk Allahs». Jetzt<br />
könne er dafür sorgen, dass «unsere Streitkräfte (…)<br />
gesäubert werden». Die Verhaftungslisten lagen schon<br />
länger in der Schublade. Viele seiner fundamentalistischen<br />
Anhänger dürsten jetzt nach blutiger Rache,<br />
33
<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
34<br />
Der NATO-Dolchstoß<br />
Türkische Medien verdächtigen<br />
auch die NATO-Untergrundarmee<br />
Gladio als Drahtzieher<br />
des Putsches. Sie wurde von den<br />
USA während des Kalten Krieges<br />
in Europa aufgebaut und verübte<br />
auch in der Türkei immer<br />
wieder Anschläge und politische<br />
Morde unter falscher Flagge, um<br />
die Anti-NATO-Opposition auszuschalten.<br />
Der Chef des Polizeigeheimdienstes<br />
Bülent Orakoglu<br />
sah eine «neue Form von Gladio»<br />
hinter dem Umsturz am Werk.<br />
Der Journalist Özcan Tikit kommentierte<br />
beim Sender Habertürk,<br />
dass «ein Vertrauensverhältnis<br />
mit den westlichen Institutionen»<br />
erst dann wiederhergestellt<br />
werden kann, wenn<br />
«Gladio in der Türkei (…) aus<br />
dem Weg geräumt» worden ist.<br />
Militärputsch im Jahre 1980.<br />
Foto: picture alliance / AP Photo<br />
_ Marc Dassen ist Redakteur bei<br />
<strong>COMPACT</strong>. In Ausgabe 8/<strong>2016</strong><br />
recherchierte er die Strategien<br />
von Bundeswehr und NATO im<br />
Cyberkrieg und deren Bedeutung<br />
im Konflikt mit Russland.<br />
Erdogan-treue Demonstranten fordern<br />
die Todesstrafe für Gülen.<br />
Foto: picture alliance / ZUMA-<br />
PRESS.com<br />
Der Beschuldigte bestreitet gegenüber dem Spiegel,<br />
«irgendetwas mit diesem schrecklichen Putschversuch<br />
zu tun» zu haben. Gülen lebt seit 1999 im amerikanischen<br />
Exil auf einem prächtigen Anwesen in Saylorsburg,<br />
Pennsylvania. Nach Einschätzung des Autors<br />
F. William Engdahl ist der Prediger «ein Agent, der zu<br />
100 Prozent von der CIA gesteuert wird». «Ich habe eine<br />
Botschaft nach Pennsylvania: Du hast genug Landesverrat<br />
begangen. Komm zurück in Dein Land, wenn Du<br />
Dich traust», rief Erdogan seinem Gegenspieler Tage<br />
später zu, verlangte von den Amerikanern dessen sofortige<br />
Auslieferung. 85 Kisten mit Unterlagen, die Gülens<br />
Mittäterschaft belegen sollen, hat die Regierung in<br />
Ankara nach Washington gesandt – doch die Obama-<br />
Regierung zweifelt an den Beweisen, verweigert die<br />
Kooperation. Weil dadurch die Beteiligung der US-<br />
Geheimdienste ins Scheinwerferlicht gelangen könnte?<br />
«Komm zurück in Dein Land, wenn<br />
Du Dich traust!» Erdogan zu Gülen<br />
Arbeitsminister Süleyman Soylu äußerte, weitergehend<br />
als Erdogan, explizit den Verdacht, die USA<br />
könnten hinter dem Coup stecken. Es wäre keineswegs<br />
das erste Mal: Vielen Türken ist der Satz «Your boys<br />
have done it» (Deine Jungs haben es geschafft) noch<br />
im Ohr. Der fiel nach dem Putsch 1980, als der damalige<br />
Chef der türkischen CIA-Filiale Paul Bernard Henze<br />
vom Weißen Haus zu seinem Erfolg bei der Beseitigung<br />
der Demokratie beglückwünscht wurde.<br />
Die AKP-nahe Zeitung Yeni Safak sieht in dem pensionierten<br />
US-General John F. Campbell den Mastermind<br />
des Umsturzversuches. Der habe mit Hilfe der<br />
CIA «mehr als zwei Milliarden Dollar» über eine Bank<br />
in Nigeria an das «militärische Personal unter den<br />
Putschisten in der Türkei» transferiert. Das Geld, welches<br />
an ein «80-köpfiges Spezialteam der CIA» verteilt<br />
wurde, soll dazu gedient haben, «Putsch-freundliche<br />
Generäle zu überzeugen». Campbell habe seinen<br />
türkischen Kontaktmännern seit Mai «mindestens zwei<br />
geheime Besuche» abgestattet.<br />
Albtraum der Atlantiker<br />
Sollte die CIA oder das Pentagon tatsächlich mitgemischt<br />
haben, könnte die Türkei ihre NATO-Mitgliedschaft<br />
kündigen. Das Land ist seit 1952 Mitglied und<br />
stellt die zweitgrößte Armee des Bündnisses. Außerdem<br />
ist der Luftwaffenstützpunkt Incirlik seit 25 Jahren<br />
zentrales Drehkreuz für den Nahostkrieg der US-<br />
Allianz. Ein Austritt der Türken wäre aus Sicht der<br />
US-Geostrategen ein Desaster. Die Türkei als «Bollwerk<br />
gegenüber Russland, gegenüber Iran» (Spiegel)<br />
stünde auf der Kippe. Der ehemalige Maoist und Chef<br />
der türkischen Heimatpartei, Dogu Perincek, als politischer<br />
Gefangener unter Erdogan mit Sicherheit nicht<br />
dessen Gefolgsmann, ist der Ansicht, dass sich in der<br />
Putschnacht die Geheimstrukturen der NATO in der Türkei<br />
offenbart haben und nun «zerschmettert» worden<br />
seien. Er beobachte seit einiger Zeit, dass sich die Türkei<br />
aus dem transatlantischen Lager löse.<br />
Tatsächlich konnte man kurz vor dem Putsch erste<br />
Anzeichen für eine Annäherung zwischen Ankara und<br />
Moskau beobachten: Schon Ende Juni <strong>2016</strong> entschuldigte<br />
sich Erdogan bei Putin für den Abschuss eines<br />
russischen Kampfjets im syrisch-türkischen Grenzgebiet<br />
im November 2015, der zu einer Eiszeit zwischen<br />
beiden Staaten geführt hatte. Mittlerweile<br />
macht der türkische Präsident die Putschisten für den<br />
damaligen Aggressionsakt verantwortlich. Anfang<br />
Juli folgte dann die nächste Offerte an die slawische<br />
Supermacht: Außenminister Mevlüt Cavusoglu stellte<br />
den Russen die Mitbenutzung der Luftwaffenbasis<br />
Incirlik in Aussicht – was er wenig später halbherzig<br />
wieder dementierte. In Washington dürften die Alarmglocken<br />
geschrillt haben.<br />
Nach dem Putschversuch war der russische Präsident<br />
der Erste, der sich öffentlich hinter Erdogan<br />
stellte. Anfang August trafen sich die zwei in Moskau.<br />
Bei dieser Gelegenheit untermauerten beide ihren<br />
guten Willen. Russische Sanktionen sollen aufgehoben,<br />
die wirtschaftliche Zusammenarbeit vertieft, das<br />
Gaspipeline-Projekt Turkstream wieder aufgenommen<br />
werden. Zu allem Überfluss wollen Ankara und Moskau<br />
in Zukunft auch ihre Angriffe auf den Islamischen Staat<br />
(IS) koordinieren – eine mittlere Sensation, da die Türkei<br />
bisher beim Aufbau des IS und dessen Versorgung<br />
tatkräftig mitgeholfen hat. Die offenkundigen Differenzen<br />
über Syriens Staatschef Baschar al-Assad – Moskau<br />
stützt ihn, Ankara will ihn stürzen – wurden ausgeklammert.<br />
Der Tagesspiegel stellte die Frage, «ob<br />
hier eine neue Allianz», eine «neue türkische Außenpolitik»<br />
im Entstehen begriffen ist. In Washington und<br />
Brüssel knirscht man hörbar mit den Zähnen.
Ritterschlag für den Prinzen<br />
_ von Philipp Huemer<br />
Diese Pose muss er geübt haben:<br />
Kurz während einer Pressekonferenz<br />
am 15.1.<strong>2016</strong>. Foto: picture alliance<br />
/ dpa<br />
Österreichs Außenminister Sebastian Kurz hat sich trotz seiner Jugend Respekt im Kreis<br />
seiner Amtskollegen verschafft und insbesondere Angela Merkel das Fürchten gelehrt:<br />
Während sie offene Grenzen und Willkommenskultur zum alternativlosen Dogma verklärt,<br />
zeigt er realpolitisch gangbare Wege zur Schließung der Schlepperrouten auf – und setzt<br />
sie sogar durch.<br />
Der Spott war anfangs groß, als Sebastian Kurz<br />
im Dezember 2013 mit 27 Jahren als jüngster Außenminister<br />
in der Geschichte Österreichs vereidigt wurde.<br />
Nur wenige trauten dem Jungspund, der drei Jahre<br />
zuvor noch mit einem «Geil-o-mobil» und dem Slogan<br />
«Schwarz macht geil» für die konservative Österreichische<br />
Volkspartei (ÖVP) durch den Wiener Wahlkampf<br />
getourt war, das anspruchsvolle Navigieren<br />
in der internationalen Politik und die damit verbundene<br />
Repräsentanz- und Diplomatiefunktion zu. Doch<br />
die Spötter sind mittlerweile verstummt, fast überall<br />
erhält er Anerkennung und Respekt.<br />
Bis dato hatte Kurz das Amt des Integrationsstaatssekretärs<br />
bekleidet und sich in dieser Funktion vor allem<br />
um die im Land lebenden Muslime bemüht. Er gründete<br />
ein Dialogforum Islam und verwies bei kritischen<br />
Fragen in Hinblick auf die desaströse Entwicklung der<br />
Einwanderungspolitik stets auf die dafür zuständige<br />
Innenministerin, seine Parteikollegin Johanna Mikl-<br />
Leitner. Geschickt erweckte er den Eindruck, die Probleme<br />
der aktuellen Masseneinwanderung hätten mit<br />
den seit langem zu beobachtenden Multikulti-Missständen<br />
nichts zu tun, um dadurch den Begriff Integration<br />
positiv zu besetzen.<br />
Umso größer war für viele die Überraschung, als<br />
Kurz im Zuge des Ansturms auf Europa im Sommer<br />
2015 klare und deutliche Worte für das Versagen der<br />
europäischen und österreichischen Politik fand und insbesondere<br />
die deutsche Willkommenseuphorie von<br />
Kanzlerin Angela Merkel deutlich kritisierte. Hatte er<br />
sich im Juni und Juli noch ausgewogen geäußert und<br />
bedeckt gehalten, wurden seine Töne im Weiteren<br />
immer schärfer. Für einen ersten Skandal sorgte er im<br />
Oktober 2015, als er in einem Interview mit dem österreichischen<br />
Radiosender Ö1 die Forderung nach einem<br />
Grenzzaun erhob und anschließend gegen die medialen<br />
und politischen Attacken souverän verteidigte, da<br />
«Europa mit den Flüchtlingsströmen überfordert» sei. In<br />
Bei seiner Vereidigung als Außenminister<br />
war Kurz für die meisten<br />
Österreicher ein unbeschriebenes<br />
Blatt. Foto: Profil<br />
«Schwarz macht<br />
geil».<br />
Sebastian Kurz 2010<br />
35
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Der große<br />
Enthüllungsreport:<br />
Die Förderer der<br />
Massenzuwanderung und<br />
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<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
Richtung seiner zahlreichen Kritiker bemerkte er: «Ich<br />
kann nicht nachvollziehen, warum manche Politiker<br />
mit Worthülsen noch immer am Problem vorbeireden.<br />
Denn es ist jetzt schon fünf Minuten nach zwölf.»<br />
Das Bemerkenswerte ist, dass Kurz diese Worte<br />
schon in einer Zeit äußerte, als Merkels Dogma «Wir<br />
schaffen das!» noch weitaus stärker war als aktuell.<br />
Und: Er beschränkte sich nicht darauf, Symptome zu<br />
kritisieren, sondern attackierte das derzeitige Asylsystem<br />
ganz grundsätzlich. Kurz betonte, dass die<br />
«unbeschränkte Aufnahme von Flüchtlingen in Mitteleuropa<br />
(…) kein nachhaltiges Modell» sei. «Es hat<br />
dazu geführt, dass sich immer mehr Menschen auf den<br />
Weg gemacht haben und die Probleme immer größer<br />
geworden sind. Wir dürfen nicht wegsehen, wenn Leid<br />
geschieht, aber für mich bedeutet das, dass wir vor Ort<br />
helfen müssen.»<br />
Der neue Balkanbund<br />
Im Februar <strong>2016</strong> zeigte Sebastian dann, dass er, im<br />
Gegensatz zu bloßen «Polterern» wie beispielsweise<br />
dem CSU-Politiker Horst Seehofer, seinen Worten auch<br />
Taten folgen lässt. Durch die Einberufung einer Westbalkan-Konferenz<br />
im Februar <strong>2016</strong> gelang es ihm, die<br />
Regierungen in Südosteuropa gegen den ungebremsten<br />
Migrantenzustrom zusammenzuführen und sie bei der<br />
Verteidigung ihrer Grenzen zu unterstützen. Mazedonien<br />
kam hier eine Schlüsselrolle zu, da dessen Grenze<br />
zu Griechenland in Idomeni und anderswo im Frühjahr<br />
<strong>2016</strong> immer wieder von gewaltbereiten Asylforderern<br />
angegriffen wurde. Die Konferenz beschloss unter Führung<br />
von Kurz, dem Vorbild Viktor Orbáns in Ungarn zu<br />
folgen und – angesichts der Untätigkeit der Europäischen<br />
Union und der ungebremsten Willkommenskultur<br />
Deutschlands – mit eigenständigen Maßnahmen Druck<br />
auszuüben. Die Balkanroute wurde in der Folge wesentlich<br />
undurchlässiger und wenig später auch tatsächlich<br />
geschlossen. Seither ist für jedermann offensichtlich,<br />
dass es durchaus Möglichkeiten gibt, den Migrationsdruck<br />
zu mindern, auch wenn in Berlin das Durchwinken<br />
als «alternativlos» bezeichnet wird.<br />
«Personifikation des patriotischen<br />
Coming-out in Österreich».<br />
<br />
Der «Freitag» über Kurz<br />
Spätestens als Kurz dann wenige Wochen später in<br />
der ARD-Talkshow Anne Will den in gewohnter Inquisitionsmanier<br />
auftretenden Heiko Maas souverän vorführte<br />
und ihn «wie einen Schuljungen» (Die Presse)<br />
dastehen ließ, wurde er international zum Symbol<br />
für eine klare und rational begründete Wende in der<br />
Die Siedler kommen<br />
Asylanträge und Anerkennung<br />
von Flüchtlingen in Österreich<br />
17.503<br />
4.133<br />
28.064<br />
2013 2014 2015<br />
Quelle: BMI, Asylstatistik<br />
Grafik: <strong>COMPACT</strong><br />
9.038<br />
88.340<br />
14.413<br />
Asylanträge<br />
Anerkennung von Flüchtlingen<br />
Heute stehen die Türken bereits hinter<br />
den Toren Wiens. Hier während<br />
einer Demonstration am 16.7.<strong>2016</strong><br />
gegen den gescheiterten Militärputsch.<br />
Foto: picture alliance / Herbert<br />
P. Oczeret / APA / picturedesk.com<br />
37
<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
Gegen Erdogans<br />
Einmischung<br />
«Die Behauptung des türkischen<br />
Präsidenten, dass in Österreich<br />
Menschen mit türkischen Wurzeln<br />
in ihrem Recht auf freie<br />
Meinungsäußerung beschnitten<br />
würden, ist schärfstens zurückzuweisen.<br />
Ich sehe in diesen<br />
Aussagen den Versuch, Emotionen<br />
in einem fremden Land zu<br />
schüren und Stimmungsmache<br />
zu betreiben. Der Umstand, dass<br />
in Österreich das Recht auf freie<br />
Meinungsäußerung, Versammlungs-<br />
und Demonstrationsrecht<br />
auch für Minderheiten und politisch<br />
Andersdenkende gilt, ist ja<br />
genau der Unterschied zur Situation<br />
in der Türkei. Diese demokratischen<br />
Grundrechte sind mir<br />
als Sozialdemokraten besonders<br />
wichtig und ich werde sie auch<br />
für jene verteidigen, deren politische<br />
Meinung ich nicht teile.»<br />
Bundeskanzler Christian Kern<br />
(SPÖ), 31. Juli <strong>2016</strong><br />
_ Philipp Huemer, 21 Jahre alt,<br />
studiert Geschichte an der Universität<br />
Wien.<br />
Angela Merkels Gäste marschierten<br />
2015 zumeist durch Österreich.<br />
Foto: picture alliance / dpa<br />
Flüchtlingspolitik. Für die linkslastige Wochenzeitung<br />
Freitag avancierte er zur «Personifikation des patriotischen<br />
Coming-out in Österreich», und die österreichische<br />
Zeitschrift Profil betitelte ihn als «Prinz Eisenherz».<br />
Vorbild Australien<br />
Einen weiteren Schritt in diese Richtung setzte<br />
Kurz im Juni <strong>2016</strong>, als er sich offen dafür aussprach,<br />
Teile der australischen Grenzsicherungskampagne «No<br />
way!» auch in Europa zu übernehmen. Damit hatte der<br />
Slogan, mit dem ein Jahr zuvor identitäre Gruppen in<br />
vielen Ländern gegen die Überflutung Europas protestiert<br />
hatten, die europäische Realpolitik erreicht. Kurz<br />
stellte einen Aktionsplan vor, der die Errichtung von<br />
EU-Schutzzonen in den jeweiligen Herkunftsländern,<br />
die Aufstellung eines gemeinsamen Grenzschutzkorps<br />
aus Polizei und Militärkräften sowie eine enge Kooperation<br />
mit Drittstaaten wie beispielsweise Libyen<br />
umfasste. Besonders provokativ war die vom ihm vorgeschlagene<br />
Insellösung: Demnach sollen Patrouillen<br />
Bootsflüchtlinge abfangen und entweder zur sofortigen<br />
Rückkehr zwingen oder bis zu deren Abschiebung<br />
auf Inseln, zum Beispiel im Mittelmeer, festsetzen.Was<br />
folgte, war große Empörung, die für den Außenminister<br />
jedoch keineswegs überraschend kam: «So wie im<br />
Vorjahr, als ich früh darauf aufmerksam gemacht hatte,<br />
dass es keine unbeschränkte und unkontrollierte Aufnahme<br />
geben könne. Schließlich wurde es gemeinsame<br />
Regierungspolitik.»<br />
An diesem Vorstoß zeigte sich eine weitere Facette<br />
des gerade 30-Jährigen: Er ist zwar grundsätzlich<br />
bemüht, in der Öffentlichkeit das Bild eines nüchternen<br />
und pragmatischen Realpolitikers zu vermitteln,<br />
schreckt aber auch nicht davor zurück, bewusst mit<br />
Reiz- und Schlagwörtern zu spielen, um eine mediale<br />
Reaktion hervorzurufen und in weiterer Folge eine<br />
breite Debatte auszulösen, die Grundsätzliches berührt.<br />
Als ihn die Neue Zürcher Zeitung auf das fortwährende<br />
Sterben im Mittelmeer ansprach, konterte er korrekt:<br />
«Man muss das Sterben im Mittelmeer verhindern,<br />
aber die europäische Politik hat es nicht verhindert,<br />
sondern begünstigt.» Für ihn steht fest, dass «die Willkommenskultur<br />
und die unbeschränkte Aufnahme von<br />
Menschen» ein Fehler war, der sich keinesfalls wiederholen<br />
dürfe.<br />
Außen hui, innen pfui?<br />
Nichtsdestotrotz hat die Politik von «Prinz Eisenherz»<br />
auch eine Schattenseite, die nicht unerwähnt<br />
bleiben soll. Denn als «Minister für Europa, Integration<br />
und Äußeres» ist er eben nicht nur für das Ausland,<br />
sondern auch für Teile der Innenpolitik zuständig.<br />
Und hier ist Kurz trotz aller Kollisionen mit der Realität<br />
weiterhin darum bemüht, sein Aufgabengebiet «Integration»<br />
fleckenlos zu halten und von der schmutzigen<br />
Migrationsdebatte abzugrenzen.<br />
Kurz will Migranten im Mittelmeer<br />
abfangen und auf Inseln festsetzen.<br />
Seine diesbezüglichen Phrasen und Pläne unterscheiden<br />
sich nicht von denen, die er in seiner Zeit<br />
als Staatssekretär von sich gegeben hat. So verspricht<br />
der für August <strong>2016</strong> geplante Integrationsbericht eine<br />
«Strategie gegen Radikalisierung» und damit Abhilfe<br />
gegen den verstärkten Zulauf von Migranten zum Salafismus.<br />
Dass diese Entwicklung bereits seit Jahren im<br />
Gange ist und die immer häufigeren Terroranschläge<br />
nicht am Beginn, sondern am Ende dieses Prozesses<br />
stehen, scheint den Minister nicht zu beeindrucken.<br />
Anstatt einzusehen, dass alle Strategien, Maßnahmenpakete<br />
und Expertenkomitees um Jahre zu spät kommen,<br />
wird weiterhin an wohlklingenden Floskeln festgehalten<br />
sowie den Futtertrögen zahlreicher Vereine,<br />
religiöser Einrichtungen und selbsternannter Experten<br />
ungebremst Steuergeld zugeführt. Kurz‘ Leitvision<br />
eines «Islams europäischer Prägung» ist illusionär,<br />
sein «Vorbild Frankreich» längst im blutigen Morast<br />
des Dschihad versunken.<br />
38<br />
Doch es bleibt abzuwarten, inwiefern sich Sebastian<br />
Kurz auch in der Innenpolitik den Realitäten stellen<br />
wird. Seine deutlichen Worte in Richtung österreichischer<br />
Erdogan-Anhänger und die Einbestellung des türkischen<br />
Botschafters nach deren provokanten Machtdemonstrationen<br />
sollten zwar nicht überbewertet werden.<br />
Aber der Mann hat bewiesen, dass er bei einer<br />
krisenhaften Zuspitzung nicht vor offener Konfrontation<br />
und politisch unkorrekten Vorschlägen zurückschreckt –<br />
und ist deshalb noch für eine Überraschung gut.
<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
«Kurz ist isoliert»<br />
_ Interview mit Harald Vilimsky/Johannes Hübner<br />
Die österreichische Regierung hat trotz vereinzelter Ankündigungen nichts Wesentliches<br />
an ihrer Einwanderungspolitik geändert – so der Standpunkt der Freiheitlichen aus dem<br />
Munde zweier Spitzenpolitiker. Aber wenn der FPÖ-Mann Norbert Hofer im Oktober<br />
Bundespräsident wird, könnte Vieles in Bewegung kommen.<br />
Die österreichische Regierung hat an der Schließung<br />
der Balkanroute mitgewirkt, Außenminister<br />
Sebastian Kurz will Illegale im Mittelmeer<br />
abfangen und auf Inseln unterbringen, die Asylzahlen<br />
sind stark gefallen. Was hat die FPÖ überhaupt<br />
noch zu kritisieren?<br />
Vilimsky: Die Regierung ist getrieben durch Panik<br />
angesichts unserer Erfolge. Verbal versucht man die<br />
FPÖ zu kopieren, doch real passiert wenig bis nichts,<br />
schließlich ist Österreich eingebunden in die EU-Strukturen.<br />
Und Kurz hat noch vor nicht allzu langer Zeit<br />
gesagt: «Der Islam gehört zu Österreich.» Und: «Der<br />
durchschnittliche Zuwanderer ist höher gebildet als<br />
der durchschnittliche Österreicher.»<br />
Hübner: Das Einzige, was real geschehen ist, war<br />
die Schließung der Balkanroute. Letztlich war das ein<br />
Alleingang von Kurz, aus Angst vor den Wahlerfolgen<br />
der FPÖ, das muss man anerkennen.<br />
Vilimsky: Kurz ist isoliert, ein einsamer Rufer in der<br />
Wüste der ÖVP. Und beide Regierungsparteien sprechen<br />
sich für Alexander Van der Bellen als Bundespräsidenten<br />
aus, der die Asyl- und Einladungspolitik ins<br />
Extreme überziehen will.<br />
Aber Van der Bellen wird‘s ja nicht, sondern Ihr<br />
Kandidat, Norbert Hofer (siehe Infobox). Was<br />
könnte er auf diesem hoch angesehenen, aber<br />
eher repräsentativen Posten bewirken?<br />
Hübner: In der Außenpolitik kann er nur nachvollziehen,<br />
was der Außenminister macht. Dabei kann ich<br />
mir vorstellen, dass das Duo Kurz-Hofer durchaus harmoniert.<br />
Bei dramatischen Fehlentwicklungen kann<br />
er aber Flagge zeigen: Als zum Beispiel Ungarn letztes<br />
Jahr wegen seines Grenzzauns von der EU isoliert<br />
wurde, hätte er demonstrativ nach Budapest fahren<br />
können.<br />
Vilimsky: Der Bundespräsident ist in erster Linie eine<br />
moralische Instanz, um die Regierung zu motivieren<br />
und zu mahnen. Norbert Hofer würde es nicht zulassen,<br />
dass unsere Gesetze oder die Verträge von Schengen<br />
und Dublin mittels einer Politik der offenen Grenzen<br />
gebrochen würden. Und falls die Regierung das<br />
Freihandelsabkommen TTIP durchwinken will, würde er<br />
sicherlich vorher eine Volksbefragung einfordern und<br />
das entsprechende Gesetz nur unterschreiben, wenn<br />
der politische Souverän das will.<br />
Nach dem Brexit – der Öxit?<br />
Ohne die wirtschaftsliberalen Briten wird die<br />
EU noch dirigistischer. Ist jetzt nicht die Zeit für<br />
einen Öxit, für eine Rückkehr zur EFTA?<br />
Vilimsky: Vorsicht, der Brexit ist noch nicht vollzogen.<br />
Da kann noch viel passieren. Und innerhalb der EU<br />
sind die Dinge in Bewegung: Wenn 2017 Marine Le<br />
Pen in Frankreich, Geert Wilders in den Niederlanden<br />
und H.C. Strache in Österreich die Regierung bilden,<br />
bestehen ganz andere Möglichkeiten für eine Reform<br />
der EU im Sinne der Völker. Wir brauchen ein «Europa<br />
à la carte», wie Frau Le Pen sagt, wo die Nationalstaaten<br />
selbst bestimmen, welches Ausmaß an Zusammenarbeit<br />
sie wollen.<br />
Hübner: Wobei eine grundlegende Reform der EU in<br />
ihren jetzigen Institutionen angesichts des Einstimmigkeitsprinzips<br />
nicht vorstellbar ist. Dafür müsste der Zerfallsdruck<br />
steigen – aber er steigt ja auch, vor allem<br />
durch die Osteuropäer.<br />
Welche Rolle spielt die Zusammenarbeit FPÖ-<br />
AfD? Man hört recht wenig in letzter Zeit…<br />
Vilimsky: Es gab Mitte Juni das spektakuläre Treffen<br />
von Strache mit Frauke Petry auf der Zugspitze, da<br />
waren über 50 Journalisten. Und kurz darauf hatten wir<br />
in Wien einen großen Kongress unter dem Titel «Patriotischer<br />
Frühling», da waren Strache, Le Pen und Marcus<br />
Pretzell. Die Kooperation ist sehr gut! Jetzt brauchen<br />
wir die Zusammenfassung aller drei EU-kritischen<br />
Fraktionen im Straßburger Parlament in einer.<br />
Hübner: Ich war vor Kurzem auf dem Parteitag der AfD<br />
in Rheinland-Pfalz und war begeistert. Diese Aktivisten,<br />
die dem BRD-System trotzen, haben meinen vollen<br />
Respekt.<br />
FPÖ-Kandidat vorn<br />
Am 2. Oktober wird die Stichwahl<br />
wiederholt, die über den<br />
nächsten Bundespräsidenten<br />
Österreichs entscheidet. Der<br />
FPÖ-Kandidat Norbert Hofer und<br />
der Grüne Alexander Van der<br />
Bellen, der auch von der konservativen<br />
ÖVP und der sozialdemokratischen<br />
SPÖ unterstützt<br />
wird, stellen sich dem Votum<br />
des Volkes.<br />
«Schon zum drittem Mal führt<br />
der FPÖ-Kanditat in einer aktuellen<br />
Gallup-Umfrage für Österreich<br />
(600 Befragte vom 10. bis<br />
11. August (…). Betrachtet man<br />
aber die Mittelwerte, so hat<br />
Hofer 52 Prozent und VdB 48 %<br />
– diese Werte sind seit Wochen<br />
stabil. Die Wahrscheinlichkeit,<br />
dass Hofer gewinnt, ist also größer<br />
als jene, dass Van der Bellen<br />
ein neuerlicher Sieg gelingt.<br />
Die Themenlage – Terror, Flüchtlinge,<br />
Türken-Streit – ist wie<br />
gemacht für den FPÖ-Kandidaten.»<br />
(ö24.at, 11.8.<strong>2016</strong>)<br />
Vilimsky, Hübner, Elsässer bei Kaffee,<br />
Mineralwasser und Säften.<br />
Foto: A. Höferl<br />
Hofer wird eine<br />
Volksabstimmung<br />
über TTIP einfordern.<br />
_ Harald Vilimsky ist<br />
Generalsekretär der FPÖ und<br />
Abgeordneter im EU-Parlament.<br />
_ Johannes Hübner ist Abgeordneter<br />
im Nationalrat und außenpolitischer<br />
Sprecher der Partei. Er<br />
wird auf der <strong>COMPACT</strong>-Konferenz<br />
«Für ein Europa der Vaterländer»<br />
am 29. Oktober in Köln referieren.<br />
39
<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
ab-in-den-tod.de<br />
_ Interview mit Reinhard Rade<br />
Der Reiseveranstalter Unister stieg mit Hilfe von Google zum Giganten<br />
der Tourismusbranche auf. Eine verhängnisvolle Geschäftsverbindung?<br />
Mitte Juli starb Firmengründer Thomas Wagner bei einem<br />
mysteriösen Flugzeugabsturz. Reinhard Rade kannte den Unternehmer<br />
persönlich.<br />
lers vermitteln zu lassen. Der Deal platzte, weil die<br />
Gegenseite absolut unglaubwürdig wirkte – mein<br />
Freund lehnte ab. Als er das Hotel verließ, warteten<br />
schon die nächsten, um bei den dubiosen Finanzberatern<br />
vorstellig zu werden – Abgesandte von Thomas<br />
Wagner. Der Unister-Chef stimmte nach einigem Hin<br />
und Her der dubiosen Geldbeschaffung zu.<br />
Das Venedig-Komplott<br />
Kreditgeber war besagter Diamantenhändler, ein<br />
gewisser Levi Vass.<br />
So wird behauptet. Ob er tatsächlich so heißt und ob es<br />
ihn überhaupt gibt, sei dahingestellt. Über den Mann<br />
findet man nichts, nicht einmal im Internet, wo man<br />
sonst alles findet. Im Bereich krimineller Kapitaltransaktionen<br />
oder Geheimdienstoperationen, denn darum<br />
ging es hier, ist das allerdings nicht ungewöhnlich.<br />
40<br />
Unister-Chef Thomas Wagner im<br />
Juli 2012. Zu diesem Zeitpunkt<br />
beschäftigte die Holding 1.600 Mitarbeiter.<br />
Foto: picture alliance / dpa<br />
Alle Personen<br />
waren bis zur<br />
Unkenntlichkeit<br />
verbrannt – aber<br />
nicht die Geldscheine.<br />
Den Namen Unister kannte nicht jeder, aber über<br />
ab-in-den-urlaub.de hat wohl halb Deutschland<br />
schon gebucht – Persönlichkeiten wie Reiner<br />
Calmund und Michael Ballack hatten schließlich<br />
dafür geworben. Wie ist Ihre Verbindung zu<br />
der Firma?<br />
Ich bin seit Ende 2012 persönlich befreundet mit Daniel<br />
Kirchhof, der mit Thomas Wagner die Firma gegründet<br />
hat, die Thomas bis zu seinem Tod leitete. Im Jahr<br />
2012 wurde Kirchhof wegen des Verdachts unerlaubter<br />
Versicherungsgeschäfte und Steuerbetrugs in U-<br />
Haft genommen, ich stellte mit einer meiner Firmen<br />
einen Teil der Kaution für seine Freilassung, weil Unister<br />
beziehungsweise Thomas Wagner diesbezüglich<br />
nichts unternahmen. Ich habe danach Unister beraten<br />
und kannte deshalb viele Interna, auch den Streit<br />
zwischen Thomas und Daniel. Im Juli erfuhr ich, dass<br />
Thomas Wagner zur Abwendung oder Vorbereitung der<br />
Insolvenz zu illegalen, ja abenteuerlichen, Schritten<br />
greifen wollte.<br />
Von Kirchhof?<br />
Nein, über einen anderen Bekannten. Der war Ende<br />
Juni in Hannover im Hotel Luisenhof gewesen, um<br />
sich einen Kredit eines israelischen Diamantenhänd-<br />
Jedenfalls hat der Deal Thomas Wagner den<br />
Kopf gekostet.<br />
Zunächst war sein Geld futsch. Wagner flog am 13.<br />
Juli mit einer Privatmaschine nach Venedig, im Koffer<br />
1,5 Millionen Euro in bar. Auf diese Garantiesumme<br />
sollte er von Vass oder dessen Emissären angeblich<br />
15 Millionen bekommen, ebenfalls in bar, als tilgungslosen<br />
Kredit. Tatsächlich wurden die Koffer in der Lagunenstadt<br />
ausgetauscht, doch Wagner musste hinterher<br />
entdecken, dass in dem, den er erhalten hatte, nur<br />
die oberste Lage aus echten Scheinen bestand – der<br />
Rest waren Blüten. Er ging zur Polizei und erstattete<br />
Anzeige. Als er am nächsten Tag zurückflog, stürzte<br />
die Piper PA-32R hinter der slowenischen Grenze ab.<br />
Er und Oliver Schilling sowie der Finanzvermittler Beck<br />
und der Pilot lagen tot in den Trümmern – drumherum<br />
verstreut 10.000 Schweizer Franken.<br />
Ihnen kommt der Absturz seltsam vor…<br />
Ursache soll die Vereisung des Kleinflugzeugs gewesen<br />
sein. Doch seltsam ist: Wenn ein solches Problem<br />
aufgetreten wäre, hätte der Pilot ganz einfach in den<br />
Sinkflug gehen und wärmere Luftzonen erreichen können<br />
– es war ja Hochsommer! Was hinderte ihn daran?<br />
War da noch mehr kaputt? Aus dem Unfallbericht der<br />
slowenischen Behörden geht das nicht hervor.<br />
Noch seltsamer: Alle Personen sind angeblich bis<br />
zur Unkenntlichkeit verbrannt gewesen – aber was<br />
nicht verbrannt war, das waren die mitgeführten Firmenunterlagen<br />
und die Geldscheine. Schnell wurden<br />
die Leichen ins Krematorium gebracht – wenn man<br />
über Autopsien noch etwas hätte ermitteln können, ist<br />
das jedenfalls jetzt nicht mehr möglich. Nicht einmal<br />
die Identität der Toten ist aus meiner Sicht wirklich klar.
<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
Könnte Wagner, nachdem seine Hoffnung auf<br />
Geldbeschaffung geplatzt war, den Flugzeugabsturz<br />
nicht auch in suizidaler Absicht provoziert<br />
haben?<br />
Thomas Wagner neigte nicht zu Depression und Verzweiflung.<br />
Er war ein Hasardeur – das soll nicht negativ<br />
klingen! – und balancierte immer mit Lust am Abgrund.<br />
Sein Problem war ein ganz anderes: Er setzte gern<br />
auch auf Mittel und Methoden, die andere erpresserisch<br />
nennen. Aber manche Leute oder Organisationen<br />
lassen sich nicht erpressen, oder jedenfalls nicht<br />
auf Dauer.<br />
Der Deal mit Google<br />
Wen meinen Sie?<br />
Wagner könnte Google erpresst haben, bewusst oder<br />
unbewusst, jedenfalls nach meiner Einschätzung, und<br />
dadurch in große Gefahr geraten sein. Unister war<br />
Googles größter Kunde in Europa und Google hat<br />
durch diese Geschäftsbeziehung gleich doppelt kassiert:<br />
Zum einen hat Wagner seit 2005/2006 Werbeanzeigen<br />
bei Google geschaltet, im Umfang von addiert<br />
ungefähr einer Milliarde Euro. Zum anderen aber hat<br />
Google mit Unister über dieses Anzeigengeschäft die<br />
Google-Preise auch für alle Mitbewerber in den Himmel<br />
getrieben.<br />
Wie geht so was?<br />
Google ist ja eine Suchmaschine. Normalerweise werden<br />
die Treffer bei einer Suchanfrage generisch angezeigt,<br />
das heißt in der Reihenfolge der bisherigen Besucherzahlen<br />
auf der jeweiligen Seite. Sie können Ihre<br />
Seite aber auch ganz an die Spitze setzen lassen –<br />
indem Sie Google dafür bezahlen.<br />
Das ist ein normaler Vorgang. Auch <strong>COMPACT</strong><br />
hat schon Google-Anzeigen gebucht, es war<br />
schweineteuer, und wir standen trotzdem nie<br />
ganz oben.<br />
Ja, denn die Rangplätze werden von Google im Life-<br />
Auktionsverfahren vergeben. Wenn TUI für die erste<br />
Position, beziehungsweise die darauf eingehenden<br />
Klicks, 50.000 Euro am Tag bietet, und ab-in-denurlaub.de<br />
60.000 Euro, landet TUI eben nur auf Platz<br />
2. Eine solche Auktion ist aber nur dann fair, wenn<br />
alle Auktionsgewinner gleich bezahlen müssen – also<br />
vor oder mit der Veröffentlichung. So ist das auch in<br />
den Google-Geschäftsbedingungen festgelegt. Unister<br />
hat aber von Anfang an nicht sofort bezahlt, sondern<br />
sich zuerst einen Monat, dann drei Monate, schließlich<br />
sogar sechs Monate Zeit gelassen. Stellen Sie<br />
sich vor, was <strong>COMPACT</strong> erreichen könnte, wenn es<br />
bei allen politischen Suchanfragen immer als erstes<br />
von Google angezeigt würde, aber die Rechnungen<br />
für diese Werbung erst ein halbes Jahr später bezahlt<br />
werden müssten! Bis dahin hättet Ihr mit Hilfe dieser<br />
Annoncen so viele Abos eingefahren, dass Ihr die<br />
Außenstände schließlich locker bedienen könntet. Das<br />
war das Erfolgsmodell von Unister. Die Google-Manager<br />
haben geschäumt über den Zahlungsverzug, aber<br />
gute Miene zum bösen Spiel gemacht, denn indem<br />
Unister die Werbepreise für die gesamte Tourismusbranche<br />
an die Decke trieb, konnte der Internetriese<br />
auch von allen anderen mehr verlangen. Dank dieser<br />
Entwicklung verdienen übrigens alle Reiseveranstalter<br />
heutzutage im Kerngeschäft nach Abzug der Werbekosten<br />
– wie für Google – praktisch kein Geld mehr.<br />
Es war also ein profitabler Deal, für beide Seiten.<br />
Aber Sie hatten vorher gesagt, Wagner habe<br />
möglicherweise Google, bewusst oder unbewusst,<br />
erpresst?<br />
Immer, wenn ich in den Geschäftsräumen von Unister<br />
war, machten sich dort eine Menge Leute an den<br />
Computern zu schaffen, die keine Firmenangehörigen<br />
In der Lagunen-Stadt könnte sich<br />
das Schicksal der Unister-Chefs entschieden<br />
haben. Foto: picture alliance<br />
/ Daniel Kalker<br />
Unister hat Anzeigen<br />
im Umfang von<br />
ungefähr einer<br />
Milliarde Euro bei<br />
Google geschaltet.<br />
Mit prominenten Werbepartnern<br />
– hier Fußballmanager Reiner Calmund<br />
– erreichte Unister ein Millionenpublikum.<br />
Foto: fluege.de<br />
41
<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
NSA und Google<br />
«Nach Prism lautet Muscular<br />
das neue Stichwort der Stunde<br />
in puncto NSA-Skandal. Der<br />
Begriff bezeichnet ein geheimes<br />
Projekt, in dem der US-amerikanische<br />
Geheimdienst direkt<br />
die Datenleitungen der Datenzentren<br />
von Yahoo und Google<br />
anzapft. (…) Wie es die NSA<br />
jedoch geschafft hat, auf den<br />
Datenverkehr zwischen den Serverzentren<br />
zuzugreifen, ist unbekannt.<br />
Die Unternehmen schützen<br />
diese durch ein eigenes<br />
Kabelnetzwerk, um Zugriff von<br />
außen zu verhindern. Offenbar<br />
hat der Geheimdienst in Kooperation<br />
mit den britischen Government<br />
Communications Headquarters<br />
(GCHQ) eine Möglichkeit<br />
gefunden, in diese unbemerkt<br />
einzubrechen. Google und<br />
Yahoo betonten gegenüber (…),<br />
dass sie nichts von den Eingriffen<br />
gewusst hätten.» (netzwelt.<br />
de, 31.10.2013)<br />
Google-Geschäftsführer Sundar<br />
Pichai im Jahre 2014.<br />
Foto: Maurizio Pesce, CC BY 2.0,<br />
flickr.com<br />
waren. Wenn ich bei den Schilling-Brüdern nachfragte,<br />
hieß es: Das sind Experten von Google, die optimieren<br />
unsere Prozesse. Was das genau bedeutete, habe ich<br />
nie herausbekommen. Fakt ist jedenfalls: Diese Fachleute<br />
hat angeblich Google bezahlt, nicht Unister. Die<br />
Amerikaner hatten ein riesiges Interesse an diesem<br />
Kunden.<br />
Wagner saß ihnen gegenüber am längeren Hebel.<br />
Das zeigte sich im Frühjahr <strong>2016</strong>: Mittlerweile waren<br />
die Schulden von Unister so hoch geworden, dass<br />
Google die Reißleine zog – Wagner durfte keine Anzeigen<br />
mehr schalten. Doch nach zwei Wochen kroch<br />
Google zu Kreuze und räumte dem Leipziger Unternehmen<br />
wieder alle Vorrechte ein. Die kurzzeitige Eiszeit<br />
hatte den Amerikanern mehr geschadet als den Deutschen.<br />
In dieser Situation muss Wagner erkannt haben,<br />
welche Macht er über Google hat. Meine Vermutung:<br />
Er hat den Web-Giganten entweder unter Druck gesetzt<br />
und Geld verlangt, um damit seine viel größeren Schulden,<br />
etwa beim Versicherer HanseMerkur, zu bedienen,<br />
oder Google ist durch Wagners eigene Insolvenzplanungen<br />
irritiert worden, weil damit ein Auffliegen des<br />
illegalen «auction-riggings» drohte.<br />
Das amerikanische Interesse<br />
Das ist eine Vermutung. Und, selbst wenn sie<br />
stimmt: Deswegen bringt man doch keinen um!<br />
Um Himmels Willen, das habe ich nicht behauptet.<br />
Google ist ein Unternehmen der Privatwirtschaft, die<br />
bringen niemanden um. Das kann nur eine Regierung<br />
oder ein Geheimdienst machen.<br />
Welcher?<br />
Nun befinden wir uns weiter im Bereich der Spekulation.<br />
Aber das dürfen wir ja, denn alle anderen Medien<br />
spekulieren beim Tod von Thomas und Oliver auch nur<br />
herum. Wenn wir über Google reden, reden wir jedenfalls<br />
über die US-Geheimdienste. Spätestens seit den<br />
Enthüllungen von Edward Snowden ist bekannt, dass<br />
Google Daten weitergibt. Und als Drehscheibe für<br />
Informationen ist Google überdies ein Instrument amerikanischer<br />
Softpower. Würde das Unternehmen vernichtet,<br />
wäre das ein schwerer Schlag für Dienste wie<br />
CIA und NSA, für die US-Hegemonialpolitik überhaupt.<br />
Wenn wir über Google reden, reden<br />
wir jedenfalls über die US-Geheimdienste.<br />
Aber wenn Wagner mit Google gebrochen hätte,<br />
hätte das doch nicht Google vernichtet!<br />
Sicher nicht, wenn man nur das bilaterale Geschäft<br />
betrachtet, also nur den reinen Geldfluss. Aber Wagner<br />
hätte auspacken können, was die Grundlage der so<br />
erfolgreichen Unister-Google-Verbindung war, nämlich<br />
die meines Erachtens gesetzwidrige Bevorzugung der<br />
Leipziger im Auktionsverfahren um die besten Anzeigenplätze,<br />
was den freien Wettbewerb in der Tourismusbranche<br />
zerstört und die Konkurrenten durch Preistreiberei<br />
in die roten Zahlen getrieben hat. Eine solche<br />
Information wäre eine scharfe Waffe für die EU-Kommission<br />
gewesen, die ohnedies ein Kartellverfahren<br />
gegen Google betreibt. Mit Hilfe von Wagner hätte<br />
Brüssel das Verfahren erfolgreich abschließen und die<br />
Cyber-Krake des Großen Bruders zerschlagen können,<br />
zumindest auf dem europäischen Markt.<br />
Gut, jetzt haben wir genug spekuliert. Was bleibt<br />
an Fakten?<br />
Nach dem Tod von Wagner habe ich keine Traueranzeige<br />
von Google gesehen. Dabei war er der wichtigste<br />
Kunde in Europa, seit etwa zehn Jahren. Finden<br />
Sie diese Sprachlosigkeit nicht seltsam?<br />
Überreste der Piper PA-32 in einem<br />
Wald etwa 50 Kilometer westlich<br />
der slowenischen Hauptstadt<br />
Ljubljana. Fotos: picture alliance /<br />
dpa<br />
42<br />
_ Reinhard Rade, Anfang<br />
der 1990er Jahre bei den<br />
Republikanern aktiv, hat sich<br />
seit Langem aus der Politik<br />
zurückgezogen. Heute betreibt<br />
der Leipziger ein erfolgreiches<br />
Exportunternehmen und verkauft<br />
unter anderem Hubschrauber und<br />
Immobilien. – Interview: Jürgen<br />
Elsässer
<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />
Dossier _ Seite 44–52<br />
Die neue Protestjugend<br />
Hip, konservativ, rebellisch – jetzt kommen die Identitären! In Österreich haben sie schon<br />
1.000 aktionshungrige Mitglieder, ihr Chef ist ein neuer Rudi Dutschke. Damit sie nicht<br />
auch Deutschland erobern, hat sich jetzt der Verfassungsschutz eingeschaltet. Aber was<br />
wollen die Dunkelmänner gegen einen Widerstand tun, den man tanzen kann?<br />
Foto: identitaere-bewegung.de<br />
43
«Wir stehen in der Tradition der Rebellion»<br />
_ Interview mit Martin Sellner<br />
44<br />
Sie ist der neue Stern am Himmel des Jugendprotestes, und mittlerweile<br />
greifen ihre Aktionen von Österreich auf Deutschland über<br />
– die Identitäre Bewegung. Mit gewagten, aber immer gewaltfreien<br />
Aktionen stemmen sich die Aktivisten gegen Islamisierung und<br />
Heimatverlust. Martin Sellner ist einer ihrer Sprecher.<br />
«Europa verteidigen»: Unter diesem<br />
Motto demonstrierten die Identitären<br />
am 11. Juni in Wien.<br />
Foto: Identitäre Bewegung<br />
«Der Begriff des<br />
Ibsters, des identitären<br />
Hipsters, ist<br />
in den Medien<br />
angekommen.»<br />
Die Identitäre Bewegung (IB) macht durch spektakuläre<br />
Aktionen von sich reden. Anfang August<br />
hat sie das Parteibüro der Grünen zugemauert,<br />
im April sind Sie höchstpersönlich mit Bergsteigerausrüstung<br />
auf das Burgtheater gekraxelt<br />
und haben ein Transparent gegen die Multikulti-Heuchler<br />
angebracht. Was bringt das?<br />
Es bringt uns in erster Linie in die Medien und damit ins<br />
Gespräch. Wenn ich mit zehn Aktivisten einen ganzen<br />
Tag lang Flugzettel verteile, bekommen wir vielleicht<br />
ein paar tausend Stück los. Mit einer spektakulären<br />
Aktion erreichen wir auf einen Schlag Millionen. Die<br />
Mauer vor der Grünen-Zentrale war auf der Titelseite<br />
der Kronen Zeitung, die in Österreich eine Reichweite<br />
von 2,8 Millionen Lesern hat! Zwar stellen uns die<br />
Medien fast immer verzerrt dar, aber für die heutigen,<br />
mündigen Konsumenten reicht ein Mausklick, um vom<br />
Hetzartikel direkt auf unsere Seite und auf den «Mitmachen»-Button<br />
zu kommen. Die IB ist die lautstarke<br />
und aktivistische Avantgarde der schweigenden, kritischen<br />
Masse. In unseren Aktionen können die an den<br />
Rand gedrängten Patrioten, die heute die gesellschaftlichen<br />
Verlierer sind, auch einmal Sieger sein und sich<br />
freuen, wie die Multikultis veräppelt werden. Die Leute<br />
lieben uns dafür! Jede Aktion bringt uns einen Schub<br />
neuer Interessenten, Spenden und Kontakte.<br />
Mittlerweile habt Ihr 1.000 aktionshungrige Mitglieder<br />
– damit lässt sich manches bewirken, in<br />
einer kleinen Republik. Aber in welcher Tradition<br />
sehen Sie sich? Seid Ihr revoltierende Studenten<br />
wie die 1968er, nur andersrum? Wenn<br />
ich Sie auf Demonstrationen reden höre, kommen<br />
Sie mir manchmal vor wie Rudi Dutschke!<br />
Die IB ist im Moment sicher das schillerndste Phänomen<br />
der europäischen Politik. Jeder sieht darin etwas<br />
anderes, und oft sagt das Urteil mehr über die Urteilenden<br />
selbst aus als über uns. Und auf eine gewisse<br />
Art und Weise ist das nur logisch, denn wir sind die<br />
geschichtliche Reaktion auf eine jahrzehntelange<br />
Lebenslüge. Der stickige Dogmatismus, die neurotischen<br />
Sprech- und Denkverbote der Etablierten haben<br />
uns erschaffen – und wir werden sie abschaffen. Als<br />
Kraft des Aufbruchs, der Kritik und der freien Rede<br />
gegen verstockte geistige Prüderie stehen wir durchaus<br />
in der Tradition vergangener Protestbewegungen.<br />
Wir – und nicht das Lieblingskind der Medien, die antideutschen<br />
«Antifanten» – revitalisieren die Tradition<br />
der Rebellion, denn: Echte Kritik, die aufs Ganze geht,
<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />
das hat auch Dutschke verstanden, kommt immer nur<br />
aus den an den Rand gedrängten Teilen der Gesellschaft.<br />
Heute sind Patrioten die am meisten unterdrückte,<br />
verleumdete, verlachte und verfolgte politische<br />
Gruppe. Hier sammelt sich also notwendig alles<br />
authentische kritische Potential, und hier würden<br />
heute vielleicht auch Leute wie Dutschke dazustoßen.<br />
Ibster und Volk<br />
Wobei ich nicht verstehe, warum Ihr Euch «identitär»<br />
nennt. Der Ursprung der IB liegt ja in Frankreich,<br />
und da ist identitaire ein muttersprachlicher<br />
Begriff. Auf Deutsch ist das aber ein<br />
Fremdwort – also gerade nichts Eigenes.<br />
Ja, ich gestehe, «identitär» erscheint als Begriff oft<br />
eher als Hypothek. Versuchen Sie einmal, den Begriff in<br />
eine Demo-Parole einzubauen! Griffig klingt das nicht.<br />
Aber gleichzeitig hat genau dieser etwas exotische<br />
Klang und der französische Ursprung des Begriffs in<br />
Deutschland einen wichtigen und unersetzlichen<br />
Nebeneffekt: Das Befremden gegenüber dem Eigenen<br />
ist hierzulande längst zur Massenneurose geworden.<br />
Indem unsere Bewegung einen Begriff und ein Symbol<br />
verwendet, die beide nicht direkt und exklusiv einer<br />
nationalen Tradition zuzuordnen sind, umgeht sie diese<br />
Neurose und schafft einen neuen, unbesetzten Raum,<br />
in dem sich die aufgestaute Sehnsucht nach nationaler<br />
Identität entfalten kann. Im Übrigen verstehen wir<br />
Wörter am Ende auch weniger durch ihren Gehalt als<br />
durch ihren Gebrauch – sowie durch die Bilder und<br />
Gefühle, die man damit verbindet. Wenn es die Leute<br />
schaffen, die ganzen Anglizismen zu verstehen, werden<br />
sie sich auch an den Begriff «identitär» gewöhnen<br />
– dafür werden wir schon sorgen. Der Begriff des<br />
«Ibster», des identitären Hipsters, ist übrigens mittlerweile<br />
auch in den Medien angekommen.<br />
ist und war immer das Volk und die Kultur. Das Volk<br />
ist die politische Schutzmacht des Einzelnen vor der<br />
entfesselten Globalisierung, es ist der Solidaritätsraum,<br />
in dem Menschen bereit sind, Vermögen aufzuteilen,<br />
zusammenzuarbeiten und gemeinsame Ziele<br />
zu definieren und durchzusetzen. Das wissen die globalistischen<br />
Eliten genau: Mit der sogenannten Befreiung<br />
des Einzelnen von Kultur und Tradition schaffen<br />
sie eine atomisierte Masse verkrüppelter Solitronen,<br />
die sich über Marken und schnelllebige Trends Identität<br />
«kaufen» sollen. Dieses feingemahlene Humankapital<br />
kann dann ganz nach Belieben um den Globus<br />
geschickt werden: moderne Arbeitsdrohnen, wurzellos,<br />
geschlechtslos, geschichtslos und leicht beherrschbar.<br />
Das ist der Betrug von Multikulti und Individualismus:<br />
Sie versprechen uns absolute Freiheit und führen uns<br />
in die totale Abhängigkeit.<br />
Identitäten und Grenzen<br />
Welche Identität und Tradition will die IB eigentlich<br />
verteidigen oder wiederherstellen? Die<br />
regionale der Steirer, Tiroler, Bayern und so<br />
weiter? Die «klein-österreichische»? Die «großdeutsche»?<br />
Die habsburgische? Die abendländisch-europäische?<br />
Alle. Und sogar noch mehr. Das Großartige an unserem<br />
Ansatz ist, dass wir die klassischen alten Konflikte, die<br />
es im rechten Lager gab, durch den identitären Ansatz<br />
einfach aushebeln. Indem wir erkennen, dass die regionale,<br />
die nationale und die europäische Ebene nicht<br />
konkurrieren, sondern sich ergänzen, überwinden wir<br />
sowohl Separatismus als auch Nationalismus und Globalismus,<br />
die jeweils eine Ebene verabsolutieren. Es<br />
Erhältlich beim Verlag Antaios für<br />
19 Euro. Foto: Verlag Antaios<br />
IB-Vordenker Renaud Camus. Foto:<br />
Verlag Antaios<br />
Martin Sellner während einer<br />
Demonstration. Am 29. Oktober<br />
wird er auch bei der <strong>COMPACT</strong>-Konferenz<br />
in Köln sprechen. Foto: Identitäre<br />
Bewegung<br />
«Mit der sogenannten Befreiung des<br />
Einzelnen von Kultur und Tradition<br />
schaffen die Eliten verkrüppelte<br />
Solitronen.»<br />
Wie hängt individuelle Identität mit Tradition,<br />
Herkunft und Heimat zusammen? Die Postmodernen<br />
behaupten, das sei ein Gegensatz…<br />
Das ist ja der große Betrug! Der Einzelne ist gerade<br />
in seiner persönlichen Freiheit immer auf die Umgebung<br />
und das Kollektiv angewiesen. Der Mensch<br />
wird nur in und durch die Gemeinschaft zum selbstbewussten<br />
Individuum. Freiheit braucht immer Grenzen<br />
und eine sichere Basis. Nie war das deutlicher als<br />
heute. Jede gesund entwickelte Identität bezieht sich<br />
daher immer auch auf eine größere Gruppe, und das<br />
45
<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />
46<br />
Die größten<br />
Aktionen der IB<br />
9.2.2013<br />
Kirchenbesetzung, Wien<br />
Ein von Linksextremisten und<br />
illegalen Einwanderern besetztes<br />
Gotteshaus wird von identitären<br />
Aktivisten «gegenbesetzt».<br />
15.11.2015<br />
Grenzdemo, Spielfeld<br />
Mehr als 1.200 Österreicher blockieren<br />
die Grenze mit einer<br />
symbolischen Menschenkette.<br />
6.4.<strong>2016</strong>, Blutausschüttung, Graz<br />
Identitäre klettern auf das Dach<br />
der Parteizentrale der Grünen,<br />
befestigen ein Banner mit der<br />
Aufschrift «Islamisierung tötet»<br />
und lassen Kunstblut herunterfließen.<br />
14.4.<strong>2016</strong><br />
Bühnenbesetzung, Wien<br />
In der linksdominierten Universität<br />
wird ein Pro-Asyl-Stück<br />
gezeigt. 40 Aktivisten kapern<br />
die Bühne und entrollen ein<br />
Transparent mit der Aufschrift<br />
«Heuchler».<br />
27.4.<strong>2016</strong><br />
Theaterbesteigung, Wien<br />
Besagtes Stück von der Uni soll<br />
am renommierten Burgtheater<br />
noch einmal aufgeführt werden.<br />
Die Identitären erklimmen die<br />
25 Meter hohe Fassade und hissen<br />
ein noch größeres «Heuchler»-Banner.<br />
21.7.<strong>2016</strong><br />
Anti-Stasi-Aktion, Berlin<br />
Go-In im Büro der Amadeu-Antonio-Stiftung:<br />
Die Identitären verleihen<br />
einen «Schandpreis» an<br />
deren Leiterin Anetta Kahane,<br />
der diese für ihr Wirken als Meinungszensorin<br />
bei Facebook<br />
«ehrt».<br />
1.8.<strong>2016</strong><br />
Maueraktion, Wien<br />
Nachdem eine Kundgebung vor<br />
der grünen Parteizentrale verboten<br />
wurde, mauern Aktivisten<br />
in einer nächtlichen Blitzaktion<br />
deren Eingang zu.<br />
_ Martin Sellner, geboren 1989,<br />
wird von der «Wiener Zeitung»<br />
unter der Schlagzeile «Jung, hip,<br />
rechtsextrem» präsentiert, für<br />
die «Huffington Post» ist er das<br />
«lächelnde Gesicht der Neuen<br />
Rechten» (mehr zu ihm auf Seite<br />
49). – Das Interview führte Jürgen<br />
Elsässer.<br />
ist kein Widerspruch, Bayer, Deutscher und Europäer<br />
zu sein. Von der regionalen Verwurzelung – dem Dialekt,<br />
den Vereinen und Familienverbänden, der Dorfgemeinschaft<br />
– über die Sprache, den Staat und das<br />
Volk bis hin zur europäischen Völkerfamilie – es ist<br />
alles Teil einer Identität, die verschiedene Dimensionen,<br />
aber keine Brüche hat. Als wir bei unserer Demo<br />
im Juli in Wien mit Tschechen, Franzosen, Italienern,<br />
Ungarn, Serben und Polen auf die Straße gegangen<br />
sind, wurde aus dieser Theorie eine handfeste Tatsache.<br />
Die Jugend Europas verteidigt gemeinsam alle<br />
Ebenen ihrer Identität, weil wir heute alle gemeinsam<br />
unter Attacke stehen. Wir bilden eine Phalanx gegen<br />
die Kräfte, die den Einzelnen gegen die Gemeinschaft,<br />
die Region gegen die Nation und Europa gegen seine<br />
Staaten ausspielen wollen.<br />
«Unser gewaltfreier Protest verhindert<br />
extremistische Abirrungen.»<br />
Die Asylflut brachte den Identitären ungeahnte Bekanntheit.<br />
Foto: Identitäre Bewegung<br />
Nach Ansicht der «Huffington Post» könnte Sellner (r.) für den<br />
H&M-Katalog modeln. Foto: Identitäre Bewegung<br />
In Deutschland wird die IB angeblich nur in einigen<br />
wenigen Bundesländern durch den Verfassungsschutz<br />
beobachtet. Wie ist das in Österreich?<br />
In Österreich ebenfalls. Uns und die meisten Leute<br />
lässt das aber eher kalt. Sie sollen ruhig beobachten,<br />
bei uns ist nichts zu finden: Wir sind weder Nazis, noch<br />
Rassisten oder Extremisten, sondern ganz normale<br />
Patrioten, die ihre Meinung aktiv vertreten. Gewaltfreier<br />
Widerstand in der Tradition von Mahatma Ghandi<br />
und Martin Luther King ist eines unserer obersten Prinzipien<br />
– und genau damit verhindern wir extremistische<br />
Abirrungen. Wir sammeln die verständliche Wut<br />
der Leute und leiten sie in friedlichem und kreativem<br />
Protest auf die Straße, gegen die wahren Schuldigen<br />
in unseren Parlamenten.<br />
Orbanisierung und Maidanisierung<br />
In Deutschland kommt die IB langsamer in<br />
Schwung als in Österreich. Woran mag das liegen?<br />
Wir hatten in Österreich erstens ein knappes Jahr Vorsprung<br />
und zweitens eine ganz andere Ausgangslage.<br />
In der Alpenrepublik sind die Leute generell patriotischer<br />
und widerständiger. Der ganze linksliberale<br />
Multikulti-Wahn war bei uns eigentlich immer nur ein<br />
winziges Eliteprojekt. Dieser Elite schwimmen jetzt die<br />
Felle davon, weil die Bürger rebellieren: mit der FPÖ<br />
an der Wahlzelle und mit der IB auf der Straße. In<br />
Deutschland ist die Meinungsdiktatur der Multikultis<br />
noch eine ganze Ecke extremer, daher ist es auch für<br />
eine patriotische Jugendbewegung härter. Aber allmählich<br />
kommt die IB auch dort in Fahrt. Ich glaube<br />
auch, dass der Protest in beiden Ländern unterschiedliche<br />
Wege gehen muss. Bei uns gibt es die Chance<br />
einer Orbanisierung, also eines gleitenden und sanften<br />
Übergangs aus dem Multikulti-Wahn zurück in<br />
die patriotische Normalität, wie er in Ungarn durch<br />
die Wahlsiege Viktor Orbans und seiner Fidesz-Partei<br />
angestoßen und durchgesetzt wurde. In Deutschland<br />
dagegen steuert alles eher auf eine weitere Zuspitzung<br />
zu, die wohl nicht allein mit dem Stimmzettel entschieden<br />
werden kann. Die Deutschen spüren das und gingen<br />
in Dresden und anderswo in viel größerer Zahl auf<br />
die Straße als die Menschen bei uns. Bei Euch wird<br />
für die Wende wohl eine Maidanisierung nötig sein –<br />
also die Besetzung öffentlicher Räume durch die Opposition<br />
nach dem Vorbild der ukrainischen Hauptstadt<br />
im Winter 2013/2014.
<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />
Ein Ziel, viele Strömungen<br />
_ von Martin Sellner<br />
Müssen wir den Westen gegen den Islam verteidigen? Oder müssen wir uns vom Westen<br />
lösen, um unser kulturelles Erbe wiederzufinden? Die Identitäre Bewegung versucht,<br />
über neue Begriffe den Widerspruch zwischen diesen Positionen zu überbrücken und<br />
die Sprachhoheit der Etablierten zu durchbrechen. Der derzeit wichtigste Begriff ist der<br />
«Große Austausch».<br />
Alle Metapolitik ist ganz wesentlich eine Arbeit mit<br />
Begriffen und Bildern. Hinter Begriffen wie «Klasse»,<br />
«Menschheit», «Kapitalismus» oder «Rechtsradikalismus»<br />
stehen politische Ideologien, die, scheinbar neutral,<br />
verschiedenste Individuen und Phänomene zu einer<br />
«Sache» bündeln und mit einem Etikett versehen. Die<br />
Herrschaft über die Begriffe bedeutet die Beherrschung<br />
der Perspektive. Jede politische Bewegung, jede Partei,<br />
jede Interessensgruppe muss versuchen, ihre zentralen<br />
Ideen und ihre Sicht der Dinge in solche Sammelbegriffe<br />
zu gießen, die verknappt und vereinfacht<br />
die ganze Fülle ihrer Weltanschauung enthalten. Ein<br />
guter metapolitischer Begriff muss viele theoretische<br />
Überlegungen auf den Punkt bringen und dennoch klar<br />
verständlich sein. Er muss die richtigen Bilder evozieren,<br />
eine klare Erklärung des Geschehens und das richtige<br />
Feindbild vermitteln.<br />
Von Frankreich lernen<br />
All diese theoretischen Fragen bewegten uns von<br />
der Identitären Bewegung, als wir aus dem «Grand remplacement»<br />
des französischen Schriftstellers Renaud<br />
Camus eine Kampagne für den deutschen Sprachraum<br />
entwickelten. Bis dahin hatten wir vor allem eine positive<br />
Zielbestimmung, den «Erhalt der ethnokulturellen<br />
Identität», verfolgt. Unsere «Feindbegriffe» zergliederten<br />
sich in Masseneinwanderung, Islamisierung, Demographiekollaps<br />
und viele andere negative Erscheinungen,<br />
die wir als Bedrohung unserer Identität erkannten.<br />
Uns fehlte jedoch der entscheidende Sammelbegriff,<br />
der diese vielen Aspekte vereinen konnte. Uns fehlte<br />
das, was die Kommunisten damals im «Kapitalismus»,<br />
was die Moslems im «Westen» hatten: ein klares<br />
Feindbild. Statt Camus‘ «remplacement» wörtlicher mit<br />
«Ersetzung» zu übersetzen, wählten wir das elegantere<br />
«Austausch». Einerseits unterstreicht es die Gleichgültigkeit<br />
und Verdinglichung, mit der die Politiker ihre<br />
Bevölkerung schlichtweg gegen «Importware» austauschen.<br />
Gleichzeitig war dieser Begriff eine bewusste<br />
Anspielung auf die Phrase vom «kulturellen Austausch»,<br />
die zum Grundvokabular der BRD-Sprache gehört. Doch<br />
hinter dem Begriff steht noch mehr. Gerade als «intellektuelle<br />
Rechte» tun wir Identitären uns oft mit der<br />
Vereinfachung und Zuspitzung schwer. Eine Tendenz zu<br />
dem, was Guillaume Faye als «Metapolitik im Vakuum»<br />
bezeichnet hat, ist immer zu bemerken. Wir neigen,<br />
teils aus intellektueller Redlichkeit, teils aus akademischer<br />
Eitelkeit, zu überkomplexen Erklärungen, die kein<br />
«Mann von der Straße» mehr versteht. Das ist gefährlich.<br />
In diesem Unverständnis wuchert oft der Unsinn,<br />
der für das Scheitern der aktiven Rechten in den letzten<br />
Jahrzehnten mitverantwortlich ist.<br />
Gerade im patriotischen Lager droht man ständig in<br />
alte Erb- und Erzfeindbilder zurückzukippen, droht eine<br />
geistige Verflachung und propagandistische Banalisierung.<br />
Die plumpe Hetze gegen Fremde, simples Islam-<br />
Bashing oder gar der unausrottbare Mythos der «Jüdischen<br />
Weltverschwörung» – all diese Kurzschlüsse<br />
Spartanisch: Vorbild der Organisation<br />
ist der 2003 gegründete französische<br />
Bloc identitaire. Foto: IB<br />
Gerade als intellektuelle<br />
Rechte tun<br />
wir uns oft mit der<br />
Vereinfachung und<br />
Zuspitzung schwer.<br />
47
<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />
IB-Aktivisten in der Berliner<br />
Amadeu-Antonio-Stiftung.<br />
Foto: Identitäre Bewegung<br />
Bild oben rechts: Während der IB-<br />
Demonstration am 6. Juni in Wien<br />
nahm die Polizei sieben Gegendemonstranten<br />
fest. Foto: picture<br />
alliance / Herbert Pfarrhofer / APA /<br />
picturedesk.com<br />
widersprechen unserem Grundverständnis als Identitäre<br />
und Ethnopluralisten. Wir wissen genau, dass<br />
die Masseneinwanderung Teil eines globalen Zerstörungsfeldzugs<br />
gegen alle Völker und Kulturen ist. Wir<br />
wissen genau, dass es die eigene Dekadenz und der<br />
liberalistische Werteverfall sind, die Europa erst sturmreif<br />
für die Invasion der Fremden gemacht haben. Wir<br />
wissen vor allem, dass der wahre Feind im eigenen<br />
Land sitzt: Unsere Eliten, die uns fortgesetzt verraten,<br />
unsere Intelligenz, die sich im Ethnomasochismus<br />
suhlt – das sind die eigentlichen Urheber der Misere.<br />
Dieser Prozess ist der Große Austausch. Er steht<br />
als wahres Problem hinter allen Randphänomenen. Ein<br />
Volk kann sich von wirtschaftlichen und kulturellen Krisen<br />
erholen. Die schlimmsten Fehler und Niederlagen<br />
können bereits in der nächsten Generation wiedergutgemacht<br />
werden. Der Prozess des Großen Austausch<br />
ist jedoch irreversibel. Er geht an die Substanz. Alle<br />
Debatten über Regierungsformen, Wirtschaftssysteme,<br />
über religiöse und umweltpolitische Themen erübrigen<br />
sich, wenn das «Subjekt» dieser Fragen, das Volk,<br />
nicht mehr existiert.<br />
Viele Probleme, eine Ursache<br />
Die Einigung der Patrioten<br />
48<br />
Unsere Bevölkerungsschrumpfung<br />
soll nach den<br />
Plänen der Multikulti-Strategen<br />
durch Masseneinwanderung<br />
ausgeglichen<br />
werden.<br />
Im rechten Lager wird eine Vielzahl an Problemen<br />
und Themen abgearbeitet. Von Ausländerkriminalität<br />
über Koransuren bis zum Genderwahn wechseln sich<br />
die Themen meist täglich ab. Der entscheidende Prozess,<br />
an dessen Oberfläche die vielen kleineren Probleme<br />
wie Schaum auf einer Welle auftauchen, gerät<br />
dabei oft aus dem Blickfeld – das Wegschrumpfen<br />
unserer demographischen Substanz und unsere Ersetzung<br />
durch fremde Einwandererströme. Das Defizit soll<br />
nach den Plänen der Multikulti-Strategen durch Masseneinwanderung<br />
ausgeglichen werden. Auf lange<br />
Sicht führt dies notwendig zu einem Austausch der<br />
europäischen Völker durch Fremde. Dass dabei die Kulturen,<br />
die Sprachen und Identitäten auf der Strecke<br />
bleiben werden, ist jedem klar. Es zeigt sich bereits<br />
überdeutlich in den «gekippten» Straßen, Vierteln<br />
und Städten, die nicht mehr Teil des ethnokulturellen<br />
Europas sind. Sie sind wie schwarze Löcher – in religiöser,<br />
sprachlicher, sozialer und sogar juristischer Hinsicht.<br />
No-Go-Areas, Scharia-Zonen, fremde Enklaven –<br />
sie wachsen und wachsen.<br />
Traditionell gibt es im rechten Lager einen liberaleren<br />
und einen konservativen Flügel. Heute zeigen sich<br />
diese in einer eher libertären, aufklärerischen Islamkritik<br />
und einer eher konservativen, aufklärungskritischen<br />
Kulturkritik. Die eine Seite sieht im Islam und<br />
der Islamisierung die größte Gefahr und verteidigt vor<br />
allem die westlichen, freiheitlichen Verfassungsordnungen.<br />
Die zweite wirft diesem Flügel vor, damit auch<br />
die unüberwindbaren inneren Widersprüche und Verfallstendenzen<br />
des Liberalismus zu verteidigen, die<br />
erst zum demographischen und kulturellen Niedergang<br />
geführt haben. Sie sehen das Problem also vor<br />
allem in uns selbst, in unserer Unfähigkeit zur Verteidigung<br />
und Fortführung unserer Traditionslinien. Die<br />
erste Position führt zu einem bis ins Neokonservative<br />
reichenden «Selbstverteidigungsmodus» des Liberalismus,<br />
der einen wehrhaften Staat und eine kompromisslose<br />
Leitkultur anstrebt. Die zweite Position sieht sich<br />
eher zu einer grundlegenden Kritik an der Moderne,<br />
an ihrem Universalismus, Egalitarismus und Progressivismus<br />
genötigt.
<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />
Der Große Austausch trägt beiden Perspektiven<br />
Rechnung und fasst sie zu einer umfassenden Kritik<br />
zusammen. Die Abschaffung und Ersetzung, die stattfindet,<br />
betrifft sowohl unser Rechtssystem und unsere<br />
Demokratie als auch unsere ethnokulturelle Substanz.<br />
Die Ideologie der Multikultis, die die freiheitlichdemokratische<br />
Grundordnung als Abstraktum verteidigen<br />
will, als wäre sie eine ungeschichtliche, zeitlose<br />
Größe, erweist sich mehr und mehr als falsch. Die Einwanderer<br />
bringen auch ihre Geschichte und Kultur mit,<br />
die – als Gegenmythos, Kitt und ideologischen Fluchtpunkt<br />
– letztlich die Scharia dem als fremd empfundenen<br />
westlichen System gegenüberstellt.<br />
Die kulturkonservative Rechte hegt<br />
oft eine (un-)heimliche Sympathie<br />
für den ebenso konservativen Islam.<br />
Der Islam wirkt also hier in jeder Hinsicht verstärkend<br />
und zuspitzend. Das wird von kulturkonservativen<br />
Strömungen, die oft eine (un-)heimliche Sympathie<br />
für den ebenso «konservativen» Islam hegen,<br />
leider in der Regel unter den Teppich gekehrt. Aber<br />
an einem Punkt haben sie Recht: Eine Masseneinwanderung<br />
würde auch dann zu einer Totalveränderung<br />
und Abschaffung unseres Rechtssystems und unserer<br />
kulturellen Identität führen, wenn sie nicht aus dem<br />
islamischen, sondern einem anderen außereuropäischen<br />
Kulturraum käme. De facto ist dieses Gedankenexperiment<br />
aber hinfällig, da die Flutung unseres<br />
Kontinents sich hauptsächlich in Gestalt muslimischer<br />
Massen vollzieht und dies aufgrund der demographischen<br />
Situation in den Herkunftsländern auch so bleiben<br />
wird. Der Kampf gegen die Islamisierung Europas<br />
deckt sich also mit jenem gegen die Massenimmigration.<br />
Die Bestrebungen aller islamischen Lobbygruppen<br />
in Europa zielen daher auch auf die Lockerung<br />
der Einwanderungsgesetze. Sie intendieren die Mobilisierung,<br />
Aktivierung und Ermächtigung der wachsenden<br />
islamischen Minderheit und benutzen den tief in<br />
uns eingebrannten Schuldkult als Druckmittel. Die kulturkonservativen,<br />
volksbezogenen und die islamkritischen,<br />
eher staatsbezogenen Rechten müssen in dieser<br />
Situation gegen den Großen Austausch zusammenarbeiten.<br />
Praxis Infokrieg<br />
An sich ist der Terminus Großer Austausch nicht für<br />
die direkte Informationsarbeit geeignet – er ist eher<br />
ein Meta- und Überbegriff. Zu akuten Schlagworten<br />
wie «Festung Europa» und «Remigration» bleibt er<br />
zwar stets das Fundament und markiert den Verständnishorizont,<br />
die akuten Probleme müssen aber direkt<br />
angesprochen werden. Bilder und Worte, die das Volk<br />
versteht, müssen unbedingten Vorrang haben. Ganz<br />
bewusst haben wir in Österreich den Großen Austausch<br />
daher nur einmal, in einer zentral geplanten<br />
Kampagne, thematisiert und lanciert. Gute Infoarbeit<br />
ist kein eigenwilliges «In-den-Raum-Stellen» von bisher<br />
unbekannten Begriffen. Sie ist mit einer Rolltreppe<br />
vergleichbar, die die Bevölkerung bei ihrem simplen<br />
«partypatriotischen Bewusstsein», das sich bloß auf<br />
die Symptome fokussiert, abholt und sanft auf das<br />
Niveau des identitären Problembewusstseins, auf das<br />
Sich-des-Großen-Austauschs-bewusst-Sein hebt.<br />
Mit Heidegger<br />
in den Widerstand<br />
«Die seinsgeschichtliche Epoche,<br />
in der wir uns befinden,<br />
beschreibt uns Heidegger als<br />
Ge-stell und Seinsvergessenheit,<br />
als Entzug von Sein. Das<br />
bedeutet letztlich den Verlust<br />
jeder ganzheitlichen Deutung,<br />
jeden Sinns, jeder Qualität von<br />
Dingen, Mitmenschen und damit<br />
auch einen Verlust von Volksgeist<br />
und -seele. Dagegen stellt<br />
Heidegger ein Denken des Volkes<br />
als ”nicht patriotisch, nicht<br />
nationalistisch, sondern seinsgeschichtlich”<br />
und die Heimat<br />
als ”geschichtliches Wohnen” in<br />
der ”Nähe zum Sein”.»<br />
(Martin Sellner / Walter Spatz,<br />
Gelassen in den Widerstand. Ein<br />
Gespräch über Heidegger, Verlag<br />
Antaios, 2015)<br />
Martin Heidegger (1889–1976).<br />
Foto: picture alliance / Fred Stein<br />
Im April stürmten die Identitären die<br />
Bühne des berühmten Wiener Burgtheaters.<br />
Foto: Identitäre Bewegung<br />
_ Martin Sellner, geboren 1989 in<br />
Wien, studiert Philosophie (B.A.)<br />
und Rechtswissenschaften an der<br />
dortigen Universität. Als Kopf der<br />
Identitären Bewegung (IB) in der<br />
Alpenrepublik arbeitet er an der<br />
theoretischen Fundierung der IB<br />
und ihrer Umsetzung in politische<br />
Aktivitäten. Wir freuen uns auf<br />
ihn als Redner bei der <strong>COMPACT</strong>-<br />
Konferenz «Für ein Europa der<br />
Vaterländer» am 29. Oktober in<br />
Köln. – Der Text ist eine stark<br />
gekürzte und bearbeitete Fassung<br />
des Nachworts, das Sellner für<br />
den Sammelband «Renaud Camus,<br />
Revolte gegen den Großen Austausch»<br />
(Verlag Antaios, <strong>2016</strong>)<br />
geschrieben hat.<br />
49
<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />
Die Glut in der Asche<br />
_ von Alina Wychera<br />
Werte wie Heimat und Tradition sind nur etwas für Ewgiggestrige, für<br />
alte Männer? Die Jungen strampeln im Hamsterrad der Modeindustrie<br />
und wetteifern in der Selbstvermarktung? Diese Frau zeigt in Fotos<br />
und Texten, dass sich der Wind gedreht hat.<br />
Lambda – das Symbol der Identitären Bewegung, hier in einer<br />
Goldschmiedearbeit von Alina Wychera – ist der elfte Buchstabe<br />
des griechischen Alphabets. Es war das Schildzeichen der<br />
Spartaner, unter anderem in der berühmten Schlacht bei den<br />
Thermopylen 480 vor Christi, als sich 300 Krieger todesmutig einer<br />
persischischen Invasionsarmee entgegenstellten.<br />
Fotos: Alina Wychera<br />
50<br />
_ Alina Wychera alias Alina von<br />
Rauheneck ist gelernte Goldschmiedin<br />
und studiert Sprachwissenschaften<br />
an der Universität<br />
Wien. Die «Welt am Sonntag»<br />
bezeichnete die 24-Jährige halb<br />
abfällig, halb fasziniert als «identitäres<br />
Postergirl». Weitere Fotos<br />
und Texte von ihr findet man auf<br />
alina-von-rauheneck.tumblr.com<br />
Während meiner Schulzeit war ich noch eher unpolitisch.<br />
Aber die Liebe zur Heimat habe ich wohl schon<br />
immer im Herzen getragen – unsere wunderschöne<br />
Sprache, die Landschaft, Lieder, Sagen oder Bräuche.<br />
Als ich von der Identitären Bewegung hörte, die all<br />
das aktiv, aber gewaltfrei verteidigen will, wurde mein<br />
Interesse geweckt. Es gibt immer mehr Frauen, die den<br />
Mut haben, für die Verteidigung Europas aufzustehen,<br />
aktiv zu werden und Gesicht zu zeigen. Auch ich habe<br />
viel für die Bewegung geopfert und war bei nahezu<br />
jeder Aktion dabei.<br />
Auf meinem Blog sammle ich alles, was meine<br />
Seele berührt. Lyrik, Malerei, Fotografie – das Schöne<br />
zu schätzen und zu bewahren, aber auch neues zu<br />
schaffen, ist sicherlich ein identitärer Aspekt.
Mutterseelenallein (moi tout seul)<br />
Im Mondschein einsam und kalt,<br />
der Hauch einer blassen Gestalt.<br />
Ohne Schutz und ohne Halt.<br />
Im Herzen Ruinen, die Seele ein Wald.<br />
Warum läuft sie durch die Nacht?<br />
Was hat sie um den Schlaf gebracht?<br />
Sie sagt, der Tag, er hetzt sie und er brüllt,<br />
während die Nacht sie sanft in ihre Stille hüllt.<br />
Doch hört Gott Vater sie weinen, beten, schreien?<br />
Mutterseelenallein.
<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />
Noch einmal – Gottfried Benn<br />
Noch einmal weinen – und sterben<br />
mit Dir: den dunklen Sinn<br />
von Liebe und Verderben<br />
den fremden Göttern hin.<br />
Du kannst es doch nicht hüten,<br />
es bleibt doch immer nah:<br />
was nicht aus Meer und Blüten,<br />
ist nur in Qualen da.<br />
Versinken und erheben,<br />
vergessen und erspähn,<br />
die letzten Fluten geben,<br />
die letzten Gluten mähn.<br />
Das Weben ohne Masche,<br />
das Säumen ohne Sinn –<br />
die Tränen und die Asche<br />
den fremden Göttern hin.<br />
Generation «Selfie»<br />
Wer bin ich? Woher komme ich? Wo gehöre ich hin?<br />
Was macht mich aus?<br />
Wenn wir uns diese Fragen stellen, jedoch keine<br />
Antworten finden können, fehlt es uns an Sicherheit<br />
und Halt im Leben. Denn wer sich seiner Identität nicht<br />
bewusst ist, steht ziellos und verloren in der Welt, hat<br />
kein Selbstbewusstsein und neigt oft dazu, sich verleiten<br />
oder manipulieren zu lassen.<br />
Wir verspüren aber anscheinend doch alle einen<br />
Drang, uns damit auseinanderzusetzen, wer wir sind,<br />
suchen nach Reflexion – einem Spiegel, einer Kamera.<br />
Wir betrachten uns auf einem Bild und meinen dabei,<br />
uns selbst zu sehen. Doch bin das auf dem Foto wirklich<br />
ICH? Wir inszenieren unsere Bilder auf die verlogenste<br />
Art und Weise, stellen jemanden dar, der wir<br />
nicht sind, aber vielleicht gerne wären, arrangieren,<br />
retuschieren und schaffen uns somit selbst eine eigene<br />
Welt, einen Rahmen, der uns Halt und Identität bietet.<br />
Wem das allerdings noch nicht reicht, der sucht sich<br />
seine Reflexion bei Außenbetrachtern. Denn wenn wir<br />
selbst nicht wissen, wer wir sind, müssen es uns eben<br />
die anderen sagen. Eine ganze Generation persönlichkeitsloser<br />
Einheitsmenschen schreit ihre Unsicherheit,<br />
ihren Wunsch nach Zugehörigkeit und Selbstwertgefühl<br />
in die Welt hinaus. Es werden Posen kopiert und<br />
Grimassen imitiert, in einem Ausmaß, das jedwede<br />
Würde vernichtet, doch das scheint der Preis für ein<br />
bisschen Anerkennung und Bestätigung zu sein. Jeder<br />
behauptet, außergewöhnlich und möglichst individuell<br />
sein zu wollen, und doch sprechen die Taten dafür, dass<br />
wir uns nach gewissen Normen und Gemeinsamkeiten<br />
mit unseren Mitmenschen sehnen. Denn Zugehörigkeit,<br />
sei es die Nationalität, Religion, Familie oder Interessensgemeinschaft,<br />
ist Teil unserer Identität.<br />
Bei aller Verachtung für den geistlosen Selbstdarstellungskult<br />
kann man aber durchaus auch eine positive<br />
Komponente erkennen. Wir leben in einer Kultur<br />
des Selbsthasses. Wir haben regelrecht gelernt, uns<br />
selbst zu verachten, uns für unsere Identität zu schämen<br />
– eine Geisteshaltung, mit der wir uns selbst<br />
schwächen, zerstören und letztendlich vernichten. Vielleicht<br />
ist es also gerade deshalb ein zaghaftes Zeichen<br />
des in uns schlummernden Selbsterhaltungstriebes,<br />
dass wir, wenn auch auf absurde Art und Weise,<br />
wieder lernen, uns selbst zu lieben, mit uns selbst zu<br />
beschäftigen und ein gesundes Maß an Egoismus zu<br />
entwickeln. Denn nur wer selbst stark und vital ist,<br />
kann auch kämpfen und anderen helfen. Und wir können<br />
andere erst dann wertschätzen und lieben, wenn<br />
wenn wir gelernt haben, uns selbst zu lieben.<br />
52<br />
Selbst «Die Welt» findet Alina «sehr apart». Foto: Alina Wychera
<strong>COMPACT</strong> Leben<br />
Monster fressen Nerds<br />
_ von Alexander Markovics<br />
«Generation Pokemon» oder «Generation<br />
Dschihad»? Foto: picture alliance<br />
/ SZ Photo<br />
Pokemon Go: Millionen Jugendliche haben auf der ganzen Welt mit der Jagd auf Monster<br />
begonnen, die nur in ihren Smartphones existieren. Die Wirklichkeit wird ausgeblendet,<br />
der soziale Zusammenhalt bröckelt – und die ersten Toten hat es auch schon gegeben.<br />
August <strong>2016</strong>: Eine Gruppe von etwa 200 Menschen<br />
rennt wie von der Tarantel gestochen durch die Wiener<br />
Innenstadt. «Aquana, eine Minute!», gibt ein junger<br />
Mann an der Spitze der Meute durch ein Megaphon<br />
das Ziel vor. Was wie eine Schnitzeljagd wirkt,<br />
ist der neueste Hit der Pokemon-Reihe, Pokemon Go.<br />
1996 begann der Hype um die Taschenmonster aus<br />
Japan auf dem Gameboy. <strong>2016</strong> erreicht er mit weltweit<br />
über 75 Millionen Downloads in nur 19 Tagen<br />
ein neues Hoch. Ziel des Spiels ist es, 151 Pokemon<br />
aus der bekannten Videoserie mit einem sogenannten<br />
Pokeball zu fangen – über Wischbewegungen auf dem<br />
Smartphone. Um aber die kleinen Biester überhaupt<br />
zu finden, muss man sie mit der Kamera seines Mobilgerätes<br />
lokalisieren. Das macht verständlich, warum<br />
seit Kurzem immer mehr Zeitgenossen gebannt auf ihr<br />
Handy starren und etwas zu suchen scheinen…<br />
Der Clou dabei ist, dass die kleinen Biester nicht<br />
überall gleichmäßig verteilt sind, sondern durch ein<br />
vom Augmented-Reality-Entwickler Niantic entwickeltes<br />
System mittels GPS und Google Maps vom Nordpol<br />
bis zum Südpol, immer wieder neu verteilt werden<br />
und dabei nur für kurze Zeit auffindbar sind. Der ganze<br />
Erdball wird quasi zum Jagdgebiet erklärt, bestimmte<br />
Monster kann man auch nur in gewissen Gegenden<br />
der Welt finden. Durch die Platzierung von sogenannten<br />
Lockmodulen an öffentlichen Plätzen kann man<br />
schließlich für ein erhöhtes Auftauchen von Pokemon<br />
in einem kurzen Zeitraum sorgen. Die Monsterjagd<br />
wird somit zum Erlebnis, welches zu langen Spaziergängen,<br />
Wanderungen und schließlich sogar Reisen<br />
ermutigt. Darüber hinaus findet man in der eigenen<br />
Umgebung auch sogenannte Pokestops, zumeist Wahrzeichen<br />
oder öffentliche Institutionen, an denen man<br />
Pokemonaufkommen in Berlin-Mitte<br />
am 10.08.<strong>2016</strong> um 11.18 Uhr.<br />
Foto: Screenshot Pokemonradar<br />
In nur 19 Tagen<br />
wurde das Spiel 75<br />
Millionen Mal<br />
heruntergeladen.<br />
53
<strong>COMPACT</strong> Leben<br />
Pokemon, Google<br />
und NSA<br />
gratis wichtige Hilfsmittel für das Spiel erhält, wie<br />
etwa die zum Monsterfang nötigen Pokebälle. Eine<br />
wichtige Funktion haben auch Arenen, in denen man<br />
seine gefangenen Wesen gegen die anderer Spieler<br />
kämpfen lassen kann. Dazu muss man sich dem roten,<br />
blauen oder gelben Team anschließen und gemeinsam<br />
mit anderen diese Wettkampfstätten erobern.<br />
Die Smombies kommen!<br />
54<br />
«Alle [bei Pokemon Go] erhobenen<br />
Daten gehen in den Besitz<br />
der amerikanischen Firma Niantic<br />
und damit womöglich auch an<br />
Google über, sie können wieder<br />
an Dritte weitergegeben werden,<br />
nicht nur an andere Unternehmen,<br />
sondern auch an Behörden<br />
oder Geheimdienste. Ob es<br />
sich dabei nur um nicht-”personenbezogene”<br />
Daten handelt,<br />
ist eine Frage des Ver- oder<br />
Misstrauens. Die Bestimmungen<br />
sind äußerst vage und sehr<br />
subjektiv, schließen aber personenbezogene<br />
Daten ein: ”Wir<br />
könnten jegliche Informationen<br />
über Sie (oder über das von<br />
Ihnen ermächtigte Kind), die<br />
sich in unserem Besitz oder Kontrollbereich<br />
befinden, an Regierungen<br />
oder Strafverfolgungsbehörden<br />
oder private Beteiligte<br />
offenlegen (…).” (…)<br />
Die Gründer von Google, Sergey<br />
Brin und Lawrence Page, waren<br />
schon am Anfang der Entwicklung<br />
der Suchmaschine gut vernetzt.<br />
Neben anderen Sponsoren<br />
wurde ihre Forschung an der<br />
Stanford University auch von der<br />
National Science Foundation,<br />
der Nasa und der Darpa, der Forschungsbehörde<br />
des Pentagon<br />
finanziert. (…) Bekannt wurde,<br />
dass Google – die ”gute” Suchmaschine<br />
– 2003 seine Technik<br />
der NSA zur Verfügung stellte,<br />
auch kostenlos.» (Florian Rötzer,<br />
Pokemon Go und die CIA, Telepolis,<br />
1.8.<strong>2016</strong>)<br />
Ein Vorbild aus der Tierwelt hat das<br />
japanische Phantasiewesen nicht.<br />
Foto: The Pokémon Company<br />
Bild oben rechts: In den 23 Filialen<br />
der Volksbank Neuss darf das Pokomon<br />
nicht gesucht werden.<br />
Foto: picture alliance / dpa<br />
_ Alexander Markovics studiert<br />
Geschichte in Wien.<br />
Wer sich nicht die Zeit nehmen will, seine Umgebung<br />
abzugrasen, kann sich die Hilfsmittel einfach kaufen<br />
– das ist der Grund, warum die Kassen bei Nintendo<br />
klingeln. Aber auch andere wollen Reibach machen: Findige<br />
Geschäftsleute und sogar Banken auf der ganzen<br />
Welt werben damit, dass sie Lockmodule für Pokemon<br />
in ihren Räumlichkeiten installiert hätten, um so neue<br />
Kunden anzuziehen. In den USA sind schon erste Fälle<br />
bekanntgeworden, wo Kriminelle auf dieselbe Weise<br />
Spieler an entlegene Plätze gelotst und ausgeraubt<br />
haben. In Guatemala wurde einer sogar mithilfe eines<br />
Pokestops in einen Hinterhalt gelockt und erschossen.<br />
Darüber hinaus hat die Tatsache, dass man mit<br />
seiner Handykamera quasi die ganze Zeit das eigene<br />
Umfeld ausspioniert (die Daten werden dabei an den<br />
Entwickler Niantic übermittelt), das Interesse der<br />
Geheimdienste geweckt (siehe Infobox). Als Gegenmaßnahme<br />
wurde in Israel und Indonesien Pokemon<br />
Go auf Militärbasen sowie im diplomatischen Dienst<br />
verboten. Im Iran wurde es gänzlich aus der Öffentlichkeit<br />
verbannt. Auch die Bundeswehr ist alarmiert,<br />
wie die Süddeutsche Zeitung in Bezug auf eine Dienstanweisung<br />
berichtete. Befürchtet wird, dass feindliche<br />
Agenten, als Monsterjäger getarnt, Aufnahmen von<br />
militärischen Sperrbezirken machen könnten. Und<br />
wenn eigene Soldaten Pokemon Go spielen, seien sie<br />
nicht nur lokalisierbar, sondern könnten auch durch<br />
Schnappschüsse Geheimnisse aus dem Innern der<br />
Armee preisgeben.<br />
Die Bundeswehr befürchtet, dass<br />
Agenten, als Monsterjäger getarnt,<br />
militärische Einrichtungen ausspionieren.<br />
Mit den virtuellen Pokemon tauchen immer mehr<br />
ganz reale Smombies (eine Wortschöpfung aus Smartphone<br />
und Zombies) auf: Spieler, welche von der Monsterjagd<br />
so gebannt sind, dass sie ihre Umgebung komplett<br />
aus den Augen verlieren. So wurde in den Medien<br />
von Unfällen berichtet, weil Nutzer der App bei der virtuellen<br />
Hatz den Straßenverkehr nicht mehr im Auge<br />
behielten. Auf Autobahnen kam es zu Staus, nachdem<br />
sich plötzlich eine Meute von Jägern auf offener Fahrbahn<br />
versammelt hatte. In Kalifornien stürzten zwei<br />
Smombies von einer Klippe – und damit in den Tod.<br />
Virtualität frisst Realität<br />
Aber auch im «Normalbetrieb» sind die Auswirkungen<br />
des Hypes auf das soziale Zusammenleben besorgniserregend:<br />
Zwar animiert das Spiel in der Theorie<br />
zum Rausgehen und Herumspazieren, zur Monsterjagd<br />
mit anderen – und scheint damit die stubenhockenden<br />
Nerds endlich einmal unter Leute zu bringen. Doch die<br />
Praxis sieht zum Teil ganz anders aus: So ist es möglich,<br />
mit einem entsprechend präparierten Handy seinen<br />
Standort zu manipulieren und der App den Aufenthalt<br />
an jedem beliebigen Ort auf der Welt zu suggerieren.<br />
Damit kann man die Monster ganz bequem<br />
vom Sofa aus jagen. Darüber hinaus verlieren die Nutzer<br />
durch das ständige Kleben am Bildschirm den Blick<br />
und vor allem das Gespür für das echte Leben. Es mag<br />
zwar beeindruckend sein, dass viele Hamburger durch<br />
Pokemon Go zum ersten Mal den Weg zum Bismarck-<br />
Denkmal finden. Aber was bringt der Ausflug, wenn<br />
man nur dorthin geht, um ein Pikachu zu fangen – und<br />
hinterher über den Reichskanzler so wenig weiß wie<br />
zuvor? Das Holocaust Memorial Museum in Washington<br />
D.C. jedenfalls hat sich schon über den neuen Auflauf<br />
uninteressierter Klientel beschwert…<br />
Letztlich wird durch immer raffiniertere elektronische<br />
Spiele eine immer größere Anzahl an Menschen<br />
aus der Realität herausgezogen – sie ersetzen<br />
das Begreifen wirklicher Genüsse und Gefahren<br />
durch deren fade Surrogate. Aber der Sex-Clip auf dem<br />
Handy kann niemals die Berührung eines Mädchens<br />
ersetzen – und die schrecklichsten Monster auf dem<br />
Display lenken nur ab von den Selbstmordbombern<br />
und Machetenmännern, die uns bedrohen. Wie soll<br />
die «Generation Pokemon Go» der «Generation Dschihad»<br />
standhalten?
<strong>COMPACT</strong> Leben<br />
Edle Wilde<br />
_ von Harald Harzheim<br />
Der Naturbursche Tarzan verkörperte von Anfang an das Gegenbild zur westlichen Zivilisation,<br />
zunächst sogar unter Einschluss kannibalischer Essgewohnheiten. Mittlerweile<br />
kommt der Lianenschwinger politisch-korrekt rüber und darf sogar den Aufstand gegen<br />
den weißen Mann anführen.<br />
Die Qualität eines Tarzan-Filmes steht und fällt mit<br />
der Darstellung des Dschungels: Wie weit gelingt es,<br />
die Verlockung der Wildnis zu visualisieren, dem Ungebändigten<br />
einen Raum zu schaffen? Kein Zufall, dass<br />
der beste dieser Filme, Tarzan and his Mate (1934), von<br />
Chef-Designer Cedric Gibbons gedreht wurde. Auch der<br />
aktuelle Blockbuster The Legend of Tarzan (<strong>2016</strong>) kontrastiert<br />
langweilige Aufnahmen vom London des 19.<br />
Jahrhunderts mit fiebrigen Dschungeltrips: Anschnallen,<br />
liebe Zuschauer, Sie rasen mit 3-D-Brille zwischen Bäumen,<br />
fallen in tiefe Schluchten, schwingen über scharfkantige<br />
Felsen, knallen auf harte Lehmböden, tauchen<br />
in dunklen Gewässern. Die Kamera wirbelt umher, bald<br />
gibt es kein Oben und Unten mehr. Und an jeder Ecke<br />
lauern wütende Bestien, Menschenaffen, Raubkatzen,<br />
durch Computeranimation riesengroß – der Dschungel<br />
als entzäunter Jurassic Park. Wenige Sonnenstrahlen<br />
erhellen seine schattige Wirrnis, Regen und Wasserdampf<br />
lassen tropische Hitze spüren – dieser Urwald<br />
ist ein Drogentrip, eine Reise in den inneren Dschungel.<br />
Frisch, fromm, fröhlich, frei<br />
Dieser Sehnsucht des Zivilisationsmenschen nach<br />
ungezähmter Natur, nach rauschhafter Wildnis entsprang<br />
auch der erste Tarzan-Roman, geschrieben von<br />
Edgar Rice Burroughs. Er erschien 1912, in einer Zeit<br />
also, als Lebensreformer gegen die Zumutung städtischen<br />
Lebens Sturm liefen: Schluss mit Lärm, Abgasen,<br />
Rauch, enger Kleidung und tristen Mietskasernen!<br />
In den USA glorifizierte Henry D.Thoreau in Walden<br />
(1854) das Ideal vom Einzelgänger in der Waldhütte.<br />
Romane wie Rudyard Kiplings Das Dschungelbuch<br />
(1894/95) oder Henry De Vere Stacpooles Die blaue<br />
Lagune (1908) feierten die Jugend außerhalb der Zivilisation,<br />
träumten von der Robinsonade. In Deutschland<br />
zogen Aussteiger aufs Land, praktizierten FKK und<br />
Vegetarismus. Nicht nur der Körper, auch die neurotisierte<br />
Seele sollte im «Natürlichen» Heilung finden.<br />
Wie sehr diese Bestrebung seinerzeit mit Burroughs’<br />
Herrn des Dschungels in Verbindung stand, zeigt eine<br />
Tarzan und Jane als<br />
frühes Aussteigerpärchen<br />
– mit<br />
freier Liebe bis zur<br />
Erschöpfung…<br />
Im Dschungel-Camp: Der Schwede<br />
Alexander Skarsgård verkörpert den<br />
Dschungelkönig. Foto: Warner Bros.<br />
Entertainment Inc.<br />
55
<strong>COMPACT</strong> Leben<br />
180 Millionen Dollar ließ sich<br />
Warner Brothers den neuen<br />
Film kosten. Foto: Warner Bros.<br />
Entertainment Inc.<br />
Brunst und Brust: «Tarzan and<br />
his Mate» (1934) mit Johnny<br />
Weissmüller (Tarzan) und Maureen<br />
O’Sullivan (Jane): Jane wurde zur<br />
zweiten Kultfigur. Foto: MGM<br />
Bemerkung von Ernst Bloch: Der verspottete den antizivilisatorischen<br />
Naturmystiker Ludwig Klages als totalen<br />
«Tarzan-Philosophen».<br />
Dabei war die Natur in den Tarzan-Geschichten<br />
keineswegs so harmlos wie im Weltbild der Lebensreformer,<br />
sondern grausam, unerbittlich. Ein unachtsamer<br />
Schritt oder kurzes Einschlafen am falschen<br />
Platz – und schwups bist Du verschlungen. Die Biosphäre<br />
befindet sich im permanenten Blutrausch. Tarzan,<br />
Sohn des englischen Lord Greystoke und seiner<br />
Frau, die auf Kolonialmission tödlich verunglückten,<br />
wird von Menschenaffen aufgezogen. Die hämmern<br />
ihm das Gesetz des Dschungels ein. Spätere Verfilmungen<br />
präsentierten Tarzan als Vegetarier. Bei Burroughs<br />
genießt er noch rohes, blutiges Fleisch getöteter<br />
Tiere – und Menschen. Ja, richtig: Tarzan war<br />
Kannibale: Nachdem der Dschungelheld einen Stammeskrieger<br />
besiegt hatte, verspeiste er ihn, «denn hier<br />
war Fleisch, Fleisch eines Toten, und die im Dschungel<br />
herrschende Moral erlaubte es ihm, es zu verzehren».<br />
An dieser Stelle denkt man unwillkürlich an Sigmund<br />
Freuds Totem und Tabu, das im gleichen Jahr wie Burroughs<br />
Roman entstand: Aus prähistorischem Kannibalismus<br />
entstand die moderne Zivilisation, deren Triebunterdrückung<br />
neues Unbehagen auslöst.<br />
Sex mit Jane<br />
Solche Verdrängung durchzieht auch die Wirkungsgeschichte<br />
der Tarzan-Figur. Egal ob im Comic, als Animation<br />
oder Realverfilmung, der wilde Dschungelmann<br />
wurde im Laufe der Jahrzehnte zum «edlen Wilden»<br />
gezähmt. Den Rohfleischfresser ließ man schon zur<br />
Stummfilmzeit fallen: Der erste Tarzan, Elmo Lincoln<br />
(1918), wurde nie beim Essen gezeigt, während Johnny<br />
Weissmuller im frühen Tonfilm demonstrativ den Vegetarier<br />
raushängen ließ. Seine Interpretation der Figur<br />
beinhaltete noch eine weitere folgenschwere Änderung:<br />
Dem Dschungel-König wurde das Gehirn amputiert.<br />
Der Wortschatz des – in der Vorlage durchaus<br />
rationalen – Lianenschwingers reduzierte sich auf<br />
wenige Worte, auf das Sprachniveau von «Ich Tarzan,<br />
du Jane». Ein purer Instinktmensch, der sich via Schrei<br />
mitteilt… Die ihm entwendete Rationalität bekam<br />
seine Partnerin Jane zugeteilt, die ihn deshalb herumkommandieren<br />
durfte. In einem aber waren sich Brain-<br />
Jane und Instinktmensch Tarzan einig: in der radikalen<br />
Ablehnung von Zivilisation, in diesen Filmen mit Wilderern,<br />
Plünderung und Mordlust gleichgesetzt. Er und sie<br />
als frühes Aussteigerpärchen – mit freier Liebe bis zur<br />
Erschöpfung. Die Aufwertung von Jane, die sich zuerst<br />
in Tarzan the Ape-Man (1932) als zweite Kultfigur etablierte,<br />
hält bis heute an. Inzwischen gibt es sogar einen<br />
Roman (Jane: The Woman Who Loved Tarzan, 2012),<br />
der die Dschungel-Saga aus ihrer Perspektive erzählt.<br />
In «Tarzan Triumphs» (1943) kämpft<br />
der Dschungelkönig gegen die<br />
Nazis.<br />
Der zweite Weissmuller-Film, Tarzan and His Mate,<br />
quoll über vor Brunst und nackter Haut. Adam und Eva,<br />
jenseits von Gut und Böse. Die US-Zensur drehte durch,<br />
Jane-Darstellerin Maureen O’Sullivan erhielt tonnenweise<br />
Drohbriefe. Nach diesem Skandal wurde das<br />
Dschungelpaar kastriert und mit Tarzan Escapes (1936)<br />
ins Jugendprogramm strafversetzt. Dort ist es bis heute<br />
geblieben. Die animalische Urwald-Erotik lebte nur in<br />
Parodie und Underground fort, so im Zeichentrickfilm<br />
Tarzoon – Schande des Dschungels (1975), in Andy<br />
Warhols Tarzan and Jane Regained… Sort Of (1964),<br />
in Bo Dereks Tarzan the Ape-Man (1981) oder gleich<br />
im Porno-Genre (Tarzan X: Shame of Jane, 1995). Sogar<br />
bei ernsthaften Versuchen, den Dschungelhelden zu<br />
rehabilitieren, ihm den Verstand zurückzugeben – in<br />
Greystoke (1984) oder dem aktuellen The Legend of<br />
Tarzan – bleibt das Aussteigerpaar unerträglich züchtig,<br />
trotz feuchtschwüler Urwaldhitze.<br />
56<br />
Mit seiner animalischen Erotik schockte Tarzan<br />
and His Mate (1934) übrigens auch die Nazis. Die ließen<br />
ihn erst gar nicht ins Kino. Begründung: Das wilde<br />
Paar erfülle in keiner Weise den Zweck einer Ehe: das<br />
Aufziehen erbgesunden Nachwuchses. Außerdem<br />
behaupte der Film, «dass ein Urwaldmensch, ja selbst<br />
ein Affe, edelster Seelenregungen fähig und als Ehepartner<br />
würdig» sei. Ganz zu schweigen vom Sadismus<br />
der Tierkampf-Szenen! Diese Aversion beruhte<br />
aber auf Gegenseitigkeit: In dem Film Tarzan Triumphs
<strong>COMPACT</strong> Leben<br />
Verwirrende<br />
Filmtitel<br />
Hierzulande laufen US-Blockbuster<br />
oft unter dem englischen Originaltitel,<br />
so auch The Legend<br />
of Tarzan. In früheren Jahrzehnten<br />
wurden die Titel übersetzt<br />
oder völlig neu kreiert. Diese<br />
Neuschöpfungen setzten inhaltlich<br />
oft andere Schwerpunkte.<br />
Aus diesem Grunde nennt der<br />
nebenstehende Artikel alle Filme<br />
mit Originaltitel. Hier nun deren<br />
deutsche Namen (sofern sie<br />
hierzulande einen Verleih fanden)<br />
in der Reihenfolge ihrer<br />
Erwähnung im Text:<br />
■ Tarzan and His Mate (1934)<br />
(Tarzans Vergeltung)<br />
■ The Legend of Tarzan (<strong>2016</strong>)<br />
(The Legend of Tarzan)<br />
■ Tarzan the Ape-Man (1932)<br />
(Tarzan, der Affenmensch)<br />
(1943) kämpft der Dschungelkönig gegen die Nazis –<br />
und gewinnt. Regie führte Wilhelm Thiele, bekannt<br />
durch Die Drei von der Tankstelle (1930). Thiele war<br />
1933 vor Hitler in die USA geflohen.<br />
Feindbild Afrikaner – und Europäer<br />
nicht die Handlung. Erklärbar ist dies durch Edgar Rice<br />
Burroughs Herkunft: Geboren in Chicago anno 1875,<br />
zehn Jahre nach der Sklavenbefreiung, kämpfte er als<br />
junger Mann in der US-Kavalerie gegen Apachen. Auf<br />
diesem historischen Nährboden dürfte Antirassismus<br />
kaum gediehen sein.<br />
■ Tarzan, the Ape-Man (1981)<br />
(Tarzan – Herr des Urwalds)<br />
■ Tarzan Escapes (1936)<br />
(Tarzans Rache)<br />
■ Greystoke (1984)<br />
(Greystoke – Die Legende von<br />
Tarzan, Herr der Affen)<br />
■ Tarzan Triumphs (1943)<br />
(Tarzan und die Nazis)<br />
Im aktuellen Blockbuster The Legend of Tarzan<br />
gibt der Titelheld (Alexander Skarsgard) zwei weitere<br />
Eigenschaften preis: Weissmullers berühmter Urschrei<br />
ertönt kaum noch. Stattdessen schwingt Tarzan so<br />
geräuschfrei durch den Urwald wie Batman am Stahlseil<br />
durch den Asphaltdschungel. Vor allem erhält Tarzan<br />
zusätzliche Sozialkompetenz. Bei Burroughs ist er<br />
a-sozialer Einzelgänger. Okay, er paart sich mit Jane,<br />
aber weitere Varianten von Bindung blieben unerwünscht.<br />
Skarsgards Dschungelkönig hingegen ist<br />
mit einem Eingeborenenstamm befreundet, der ihn<br />
sogar als Ehrenmitglied anerkennt. So versuchte Regisseur<br />
David Yates (bekannt durch Harry-Potter-Filme),<br />
Der neue Tarzan versucht, das<br />
rassistische Image seiner Vorgänger<br />
auszumerzen.<br />
das rassistische Image der Tarzan-Epen auszumerzen.<br />
Tatsächlich stehen Afrikaner auf der Werteskala der<br />
Romanvorlagen kaum über den Dschungeltieren, eher<br />
noch darunter. Zwar ersparte sich Burroughs aggressive<br />
Diskriminierung, aber als Stammeskrieger oder<br />
Safari-Sklaven blieben Schwarze ohne Individualität<br />
und Wert. Starb einer, störte das niemanden, schon gar<br />
The Legend of Tarzan spielt auf diesen biographischen<br />
Hintergrund des Autors an, als der Verbündete<br />
des Dschungelhelden, George Washington Williams<br />
(Samuel L. Jackson), eingesteht, dass er am Indianer-<br />
Genozid beteiligt war. Ohnehin sind Denken und Sprache<br />
der Protagonisten auffallend modern. So «legitimiert»<br />
ein Mitglied des britischen Parlaments die Kolonialpolitik<br />
mit der Schaffung von Arbeitsplätzen und<br />
einer Förderung des Freihandels. Das klingt mehr nach<br />
<strong>2016</strong> als nach 1880.<br />
Wie der Urwald mit seinem ineinandergreifenden<br />
Geäst bildet in The Legend of Tarzan die gesamte Biosphäre<br />
ein Netzwerk: eine mystische Verbindung, die<br />
Menschen, Tiere und Pflanzen umfasst. Als Störenfriede<br />
gelten kolonialistische Europäer. Die reduzieren<br />
alles auf kommerziellen Nutzen, zerstören es für<br />
den Verkauf. Im Finale speit die Natur sie aus: Tarzan<br />
hetzt diverse Tierarten auf die Kolonialstadt. Eine Herde<br />
Gnus trampelt die Häuser in Grund in Boden, Krokodile<br />
holen sich den Oberschurken Rom (Christoph Waltz)<br />
bei seiner Flucht ins Wasser… Durch diesen Gut-<br />
Böse-Dualismus ist Tarzan der vielleicht letzte Großheld<br />
westlicher Populärkultur, der noch nicht an die apokalyptische<br />
Stimmung des neuen Milleniums angepasst<br />
wurde. Sind Batman oder Superman inzwischen kaum<br />
noch von den bekämpften Gangstern zu unterscheiden –<br />
Tarzan bleibt seit 80 Jahren eindeutig der «Gute», wenn<br />
auch dessen Definition ständig wechselt.<br />
Margot Robbie wurde durch die<br />
australische Seifenoper Nachbarn<br />
bekannt. Foto: Warner Bros. Entertainment<br />
Inc.<br />
«The Legend of Tarzan» startete am<br />
28. Juli in den deutschen Kinos.<br />
Foto: Warner Bros. Entertainment<br />
Inc.<br />
_ Harald Harzheim ist der<br />
Filmklassiker bei <strong>COMPACT</strong>. Ein<br />
ausführliches Porträt Maureen<br />
O’Sullivans und ihrer Interpretation<br />
der Jane findet sich in seinem<br />
Buch «Platos Höhlenkino» (2013).<br />
57
Jagd auf Phantome<br />
_ von Bernd Schumacher<br />
Das Bild täuscht: Rumgeballert wurde bei Derrick so gut wie nie.<br />
Foto: picture-alliance/ dpa<br />
58<br />
«Derrick» ist die weltweit meistverkaufte Fernsehserie aus deutscher<br />
Produktion – aber das ZDF hat jetzt wohl beschlossen, sie für immer<br />
von den Bildschirmen zu verbannen. Der Grund: Hauptdarsteller Horst<br />
Tappert war Mitglied der Waffen-SS.<br />
«Harry, hol’ schon mal den Wagen»<br />
wurde zum geflügelten Spruch.<br />
Doch der Satz ist in der Serie nie<br />
gefallen, sondern stammt wahrscheinlich<br />
aus der Vorgängerreihe<br />
«Der Kommissar».<br />
Foto: picture-alliance / dpa<br />
Das Dritte Reich ist schon lange Geschichte, aber<br />
der sogenannte Widerstand gegen dieses Phantom<br />
wächst täglich. So wurden in letzter Zeit ein 94-jähriger<br />
Wachmann, ein 95-jähriger Sanitäter und eine<br />
91-jährige Fernmelderin unter dem Beifall interessierter<br />
Kreise für 260.000fache Beihilfe zum Mord vor Gericht<br />
gezerrt. Ob die greisen Angeklagten tatsächlich tatbeteiligt<br />
waren, spielt für die bundesdeutschen Gerichte<br />
seit dem Münchner Demjanjuk-Prozess keine Rolle mehr.<br />
Hauptsache, man kann den Beklagten in irgendeinen<br />
raumzeitlichen Zusammenhang mit einem Konzentrationslager<br />
bringen – den Rest richten willfährige Richter.<br />
Nach dem Sendestart 1973 ermittelte<br />
Oberinspektor Derrick 24 Jahre lang<br />
in sage und schreibe 281 Folgen.<br />
Nun hat es, nach Hardy Krüger, zum zweiten Male<br />
eine TV-Ikone erwischt. Nicht ein Gericht, sondern<br />
eine öffentlich-rechtliche Sendeanstalt hat ein Urteil<br />
gesprochen und vermag es offenbar nicht mehr mit<br />
ihrem hohen moralischen Anspruch zu vereinbaren,<br />
dass einer ihrer beliebtesten Stars einst bei der SS<br />
diente. Die Bild-Zeitung berichtete Mitte Juli, dass<br />
das ZDF nie mehr Episoden von Derrick ausstrahlen<br />
werde, weil Hauptdarsteller Horst Tappert Mitglied der<br />
Totenkopf-Division war. «Das ZDF plant derzeit, keine<br />
Wiederholungen auszustrahlen», bestätigte auch ein<br />
Sprecher des Senders. Allerdings gebe es keine Entscheidung<br />
über eine künftige Ausstrahlung von Derrick-Wiederholungen.<br />
Schuldig bei Verdacht<br />
Die Tatsache ist seit 2013 bekannt: Tappert – genau<br />
wie Derrick-Erfinder und Drehbuchautor Herbert Reinecker<br />
– kämpfte an der Ostfront. Die 14. Kompanie<br />
des SS-Panzergrenadier-Regiments 1 wurde im Frühjahr<br />
1943 in den Raum Charkow verlegt, wo die Wehrmacht<br />
die strategisch wichtige ukrainische Metropole<br />
zurückeroberte.<br />
Tappert war damals gerade 19 Jahre alt und schob<br />
Geschosse in Geschützrohre. Über seine Zeit im Militärdienst<br />
schwieg er sich zeitlebens aus. In seinen<br />
Memoiren, die 1998 unter dem Titel Derrick und ich<br />
erschienen, bezeichnete er die Jahre als «verloren».<br />
Auch seinen Kindern scheint er nichts berichtet zu haben,<br />
Zeitzeugen haben sich nie zu Wort gemeldet. Sein<br />
Kamerad Reinecker, der bis zu seinem Tod 2007 zu ihm<br />
hielt, vermied es ebenfalls, ein Sterbenswörtchen über<br />
die gemeinsame Zeit auszuplaudern. Offenbar hatten
<strong>COMPACT</strong> Leben<br />
die beiden Freunde sich gegenseitig ein Schweigegelübde<br />
auferlegt, das sie nach dem Wahlspruch «Unsere<br />
Ehre heißt Treue» bis zum Ende befolgten. Reinecker<br />
hatte als Mitglied einer Propagandakompanie der<br />
Waffen-SS an vielen europäischen Kriegsschauplätzen<br />
gedient und setzte aus den Kampfgebieten Artikel<br />
für die Hitlerjugend-Zeitschriften Der Pimpf und Junge<br />
Welt (nicht zu verwechselns mit dem späteren Zentralorgan<br />
der Freien Deutschen Jugend in der DDR!) ab.<br />
Nach 1945 machte der Kriegsberichterstatter als<br />
Drehbuchautor Karriere. Streifen wie Canaris oder Der<br />
Stern von Afrika befassten sich in den 1950er Jahren<br />
noch mit der jüngsten Vergangenheit, doch danach<br />
wendete sich Reinecker ganz der leichteren Unterhaltung<br />
zu. Die Edgar-Wallace-Filme der 1960er Jahre,<br />
Der Kommissar in den 1970ern und Das Traumschiff<br />
in den 1980ern sind Meilensteine seines Schaffens.<br />
In diese Zeit fällt auch die Geburtsstunde von Stephan<br />
Derrick. Nach dem Sendestart 1973 ermittelte<br />
der Oberinspektor 24 Jahre lang in sage und schreibe<br />
281 Folgen, für die Erfinder Reinecker sämtlich verantwortlich<br />
zeichnete. Derrick ist bis heute die meistverkaufte<br />
Fernsehserie aus deutscher Produktion. Auf den<br />
internationalen Branchenmessen rissen Einkäufer aus<br />
100 Ländern dem ZDF die Folgen aus der Hand.<br />
«Mein Vater muss sich nach seinem<br />
Tod öffentlich diffamieren lassen!» <br />
Ralph Tappert<br />
Als vor drei Jahren die SS-Vergangenheit des Fernsehlieblings<br />
ruchbar wurde, reagierten außer dem ZDF<br />
auch Stationen in Holland, Belgien und Frankreich mit<br />
Absetzungen beziehungsweise Stopp der Wiederholungen.<br />
Doch wenn jetzt Derrick für immer unter die<br />
Zensur fallen sollte, trüge dies geradezu groteske Züge:<br />
Das Verbot betrifft dann nicht nur bestimmte politische<br />
Ansichten, sondern auch gänzlich unpolitische Unterhaltung,<br />
an deren Produktion aber einer der unkorrekten<br />
«Gedankenverbrecher» beteiligt war…<br />
«Hass» zu bekämpfen, verfallen die Zensoren in Politik,<br />
Medien und «Zivilgesellschaft» auf immer neue<br />
Mittel, missliebige Meinungen und eben auch Biographien<br />
zu diffamieren.<br />
Die Empörung der Zuschauer<br />
Umso größer war die Welle der Empörung in der<br />
Derrick-Gemeinde. Sohn Ralph Tappert gab gegenüber<br />
Bild zu Protokoll: «Mein Vater muss sich nach<br />
seinem Tod öffentlich diffamieren lassen! Eine tolle<br />
Honorierung eines Gentleman, der immer integer war.»<br />
Auch Assistent Harry alias Fritz Wepper verstand die<br />
Entscheidung des Senders nicht. «Man muss eine<br />
persönliche Vergangenheit auch immer im Verhältnis<br />
zur damaligen Zeit einordnen», erklärte er. «Ein<br />
Stück TV-Kult, das Millionen mögen, zu verdammen,<br />
weil die Geschichte eines Darstellers Fragen aufwirft,<br />
halte ich für übertrieben und eine Bevormundung der<br />
Zuschauer.» Der ehemalige ZDF-Redakteur Claus Legal<br />
ergänzte: «Ich würde aus heutiger Sicht über Horst<br />
nicht so abwertend urteilen. Er hat in seinem Leben<br />
danach längst bewiesen, dass er fest auf dem Boden<br />
des Grundgesetzes steht.»<br />
Die Derrick-Fans entfachten derweil einen regelrechten<br />
Shitstorm auf der Netzseite des ZDF. Den Tenor<br />
gaben User wie «Oldtimer» vor, der im Forum schrieb:<br />
«Diese verantwortlichen Zensoren sollten sich mal fragen,<br />
ob sie, wenn sie zur damaligen Zeit gelebt hätten,<br />
sich nicht ebenfalls dem System hätten beugen<br />
müssen. Aber das wird gar nicht bedacht. Hauptsache,<br />
das ZDF kann seine Hände immer schön in Unschuld<br />
waschen. Pfui!» Dem ist nichts hinzuzufügen.<br />
In der SS-Division Totenkopf bekleidete Tappert den Rang eines<br />
Grenadiers. Foto: Bundesarchiv, Bild 101III-Zschaeckel-189-13 /<br />
Zschäckel, Friedrich / CC-BY-SA 3.0 / Wikimedia Commons<br />
Der Denunziant<br />
Den Anfang in der Affäre Tappert<br />
machte ein teils als Politikwissenschaftler,<br />
teils als Historiker<br />
deklarierter Jörg Becker. Der<br />
freischaffende Sozialwissenschaftler<br />
hängt dem Kulturrelativismus<br />
an und eröffnete bereits<br />
mit seiner ersten Veröffentlichung<br />
Alltäglicher Rassismus:<br />
Afro-amerikanische Rassenkonflikte<br />
im Kinder- und Jugendbuch<br />
der Bundesrepublik (1977)<br />
den Reigen der hochnotpeinlichen<br />
Inquisition gegen scheinbar<br />
harmlose Schriften, die er 1978<br />
mit Die Dritte Welt im Kinderbuch<br />
fortsetzte. Diese und ähnliche<br />
Vorstöße haben mittlerweile<br />
zu Schwärzungen in Pippi<br />
Langstrumpf oder Mecki geführt,<br />
weil dort Worte wie «Neger»<br />
oder «Zigeuner» vorkommen…<br />
Der langjährige Gewerkschaftsaktivist<br />
Becker sitzt für Die Linke<br />
im Stadtrat von Solingen. Im selben<br />
Jahr 2013, in dem er der<br />
Deutschen liebsten Fernsehkommissar<br />
vom Sockel stürzte, hatte<br />
er auch versucht, das «Orakel<br />
vom Bodensee» zu beschmutzen:<br />
In seiner Biographie von Elisabeth<br />
Noelle-Neumann schilderte<br />
er die renommierte Meinungsforscherin<br />
geradezu so, als ob<br />
sie die rechte Hand von Joseph<br />
Goebbels gewesen sei.<br />
_ Bernd Schumacher ist der<br />
Sport- und Unterhaltungsexperte<br />
von <strong>COMPACT</strong>. In Ausgabe 8/<strong>2016</strong><br />
schrieb er über Götz George.<br />
Im angeblich freiheitlichsten Staat auf deutschem<br />
Boden ist die Tyrannei auf dem Vormarsch. Hexenjagd,<br />
Meinungstabus, Internet-Kontrolle – dies alles vorangetrieben<br />
ausgerechnet von den Alt-68ern, die das<br />
Establishment wegputzen wollten. Nun sind Rote und<br />
Grüne dabei, immer höhere Zäune um ihre ideologischen<br />
Spielwiesen zu errichten: Betreten verboten! Je<br />
weiter die Geschichte wegrückt, desto mutiger werden<br />
deren Zensoren. Beteuerung, Distanzierung, Selbstbezichtigung<br />
– das sind gängige Methoden der hiesigen<br />
Meinungsmacher, die stark an die schlimmsten<br />
Phasen des Kommunismus in der Sowjetunion und<br />
in China erinnern. Unter dem pauschalen Vorwand,<br />
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«Bedingt abwehrbereit»<br />
_ von Helmut Roewer<br />
Für «Spiegel»-Herausgeber Rudolf<br />
Augstein erwies sich die Verhaftung<br />
als echtes Karriere-Sprungbrett.<br />
Foto: picture alliance / Harry Flesch<br />
Geheimdienstgeschichte der BRD (III): Die «Spiegel»-Affäre 1962 – ein Abgrund an<br />
Landesverrat und ein schwerer Schlag gegen die Pressefreiheit? Der mutige Journalist<br />
Rudolf Augstein gegen den bösen Verteidigungsminister Franz Josef Strauß? Die entscheidende<br />
Rolle spielte wohl ein BND-Agent…<br />
Am 10. Oktober 1962 veröffentlichte der Spiegel<br />
unter der Überschrift «Bedingt abwehrbereit» eine<br />
Geschichte über die mangelnde Fähigkeit der Bundeswehr,<br />
einem Angriff aus dem Osten zu trotzen.<br />
Ganz unabhängig von der Frage, ob ein solcher in dieser<br />
Zeit drohte, war der Inhalt der Geschichte zutreffend,<br />
denn er war aus einer kompetenten Quelle abgeschrieben:<br />
dem deutschen geheimen Abschlussbericht<br />
der soeben zu Ende gegangenen NATO-Stabsrahmenübung<br />
Fallex ’62 (Fallex = Fall Exercise = Herbstübung).<br />
Es waren damals aufgeregte Zeiten: Die Kuba- und<br />
die Berlinkrise, gerade überstanden, hatten Ost und<br />
West an den Rand eines Dritten Weltkrieges geführt.<br />
Der Zustand der noch jungen eigenen Streitkräfte galt<br />
vielen als existenziell wichtig, das Ausplaudern von deren<br />
Schwäche als ein schlimmer Fall von Landesverrat.<br />
So nahm denn die Spiegel-Affäre ihren Lauf. Mainstream-Geschichtsdeuter<br />
wollen uns bis zum heutigen<br />
Tage glauben machen, es sei hierbei um Sein oder<br />
Nichtsein der Republik gegangen. Doch seien wir etwas<br />
bescheidener: Es ging um die Existenz einer Illustrierten<br />
und die Frage, wo sie ihre Informationen her hatte<br />
und was sie mit deren Veröffentlichung bezweckte.<br />
Der KGB im Zwielicht<br />
Wer also waren die Geheimnis-Ausplauderer hinter<br />
den Geheimnis-Ausposaunern? Darüber sind recht<br />
unterschiedliche Geschichten im Umlauf. Die Spiegel-<br />
Version eins sah so aus: Man habe nur offenes Material<br />
verwendet und daraus die richtigen Schlüsse gezogen.<br />
Das klang nicht besonders heldenhaft für ein Enthüllungsmagazin<br />
und wurde schnell vergessen, nachdem<br />
die Gefahr einer Strafverfolgung vorüber war. Spiegel-Version<br />
zwei war dementsprechend spiegeliger:<br />
Man habe die Informanten geschützt, und wenn sie<br />
nicht gestorben sind, dann schützt man sie noch heute.<br />
Dem widersprach Spiegel-Version drei: Der Informant<br />
sei der Oberst im Generalstab Alfred Martin gewesen.<br />
Das jedenfalls plauderte der Ex-Spiegel-Spitzenmann<br />
Leo Brawand in seiner Augstein-Biografie aus.<br />
Schließlich die kolportierte Version vier – sie war der<br />
Diese Ausgabe war für Franz Josef<br />
Strauß zu viel.<br />
Foto: spiegel-online.de<br />
«Wir benutzten das<br />
<strong>Magazin</strong> für einen<br />
Artikel, der Strauß<br />
bloßstellte.»<br />
KGB-Überläufer<br />
61
<strong>COMPACT</strong> Leben<br />
Dass dies womöglich doch kein reines Hirngespinst<br />
eines Geldquellen suchenden Überläufers ist, scheint<br />
ein Aktenvermerk des KGB-Vorsitzenden Wladimir<br />
Semitschastnij vom 20. September 1962 über die<br />
Auswirkungen der Berlin-Krise auf die westdeutsche<br />
Sicherheitspolitik einschließlich eines Verwendungsvermerks<br />
für die Anti-Strauß-Kampagne zu bestätigen.<br />
Doch vielleicht ist es ja so, dass der KGB-Boss gar nicht<br />
wusste, was er zu Papier brachte.<br />
Unterstellt man für einen Moment, dass es wirklich<br />
der KGB war, der hier das Steuer in Händen hielt, so<br />
müssen die Sowjets auf der Bonner Hardthöhe einen<br />
Agenten gehabt haben, der den Originalbericht des Fallex-Manövers<br />
blitzschnell beschaffte, und einen Kanal,<br />
der ihn in den Spiegel «einfilterte». War das der von<br />
Spiegel-Redakteur Brawand erwähnte Generalstabsoberst<br />
Martin?<br />
Saufgelage bei Augstein<br />
62<br />
Studenten während einer<br />
Solidaritätsdemonstration mit<br />
dem «Spiegel» am 30.10.1962 in<br />
Hamburg. Auch die übrige deutsche<br />
Presse stellte sich hinter das<br />
Nachrichtenmagazin. Foto: picturealliance/<br />
dpa<br />
Sich selbst hatte der «Spiegel» nur<br />
selten auf dem Titel. Foto: spiegelonline.de<br />
_ Helmut Roewer (*1950) war von<br />
1994 bis 2000 Chef des Thüringer<br />
Landesamtes für Verfassungsschutz.<br />
Im Jahr 2014 erschien<br />
sein Buch «Kill the Huns – Tötet die<br />
Hunnen! Geheimdienste, Propaganda<br />
und Subversion hinter den<br />
Kulissen des Ersten Weltkrieges»<br />
(Ares Verlag, 504 Seiten, 29,90<br />
Euro). – 2014/2015 konnte man in<br />
<strong>COMPACT</strong> die von ihm verfasste<br />
Serie «Meisterspione des 20. Jahrhunderts»<br />
lesen.<br />
Zeitschrift so wichtig, dass sie, wie zu lesen war, im<br />
Prozesswege dagegen stritt: Quelle sei der sowjetische<br />
KGB gewesen. Die bundesdeutsche Justiz gab<br />
dem Verdikt des Spiegel Recht, und daran werde ich<br />
mich selbstredend strikt halten.<br />
Doch ich will meiner Chronistenpflicht insofern<br />
Genüge tun, dass es eine Reihe von wenig schmeichelhaften<br />
Behauptungen geheimdienstlicher Steuerung<br />
gegeben hat. Sie stammen von Leuten, die in einschlägigen<br />
Institutionen gearbeitet haben, wie Sergej<br />
Kondraschow und Pawel Sudoplatow. Sudoplatow leitete<br />
jahrelang die aktiven Maßnahmen des NKWD/<br />
KGB, bevorzugt auch gegen Deutschland. Zu der Zeit,<br />
als die Spiegel-Affäre lief, war er nicht mehr im Dienst.<br />
Bei Kondraschow sah das anders aus. Er war 1962<br />
stellvertretender Leiter der Abteilung Desinformation.<br />
Strauß hatte öffentlich über die<br />
Bewaffnung Westdeutschlands mit<br />
Atomraketen räsoniert.<br />
Und dann gab es da noch den sowjetischen Überläufer<br />
Ilja Dschirkwelow, der 1987 vor einem Londoner<br />
Gericht als Zeuge das Folgende zum Besten gab:<br />
«Das erste Mal, als ich mit Oberst [Michail] Sitnikow –<br />
damals stellvertretender Chef der Abteilung Desinformation<br />
– zusammenarbeitete, ging es um die Kompromittierung<br />
des Verteidigungsministers der Bundesrepublik<br />
Deutschland, Franz Josef Strauß. Wir<br />
benutzten das <strong>Magazin</strong> Der Spiegel für einen Artikel,<br />
der ihn bloßstellte. Der Artikel erfüllte seinen Zweck,<br />
und Strauß musste zurücktreten.»<br />
Die Bundesanwaltschaft war nicht dieser Ansicht<br />
und nahm einen anderen Bundeswehr-Obristen fest,<br />
dessen Namen als Informanten sie ausgerechnet in<br />
einer Hausmitteilung von Spiegel-Verlagsdirektor Hans<br />
Detlev Becker entdeckt hatte: Adolf Wicht. 1943/44 war<br />
er an der Ostfront Leiter der Gruppe III (Beuteakten und<br />
Gefangenenbefragung) in der Abteilung Fremde Heere<br />
Ost unter Reinhard Gehlen gewesen. Er blieb nach dem<br />
Kriege dem Gewerbe treu und diente bei der Organisation<br />
Gehlen und dem späteren Bundesnachrichtendienst.<br />
Dort leitete er seit 1960 dessen Residentur Hamburg.<br />
Dass Wicht der Beschaffer des Geheimmaterials<br />
war, dürfte dennoch eher zweifelhaft sein, denn als<br />
BND-Resident hatte er keinen Zugang zu diesen Unterlagen.<br />
Doch wenn man nach dem Kanal sucht, der in<br />
den Spiegel hineinführte, bleibt das Auge des Betrachters<br />
irgendwie an ihm hängen, denn 1970 schied der<br />
60-Jährige aus der Bundeswehr aus, um im Folgejahr<br />
Auslandsbeauftragter des Spiegel-Verlages zu werden.<br />
Aber das wird wohl reiner Zufall gewesen sein.<br />
Doch wozu das Ganze? Blattmacher Augstein<br />
wusste genau, was er durch seinen Artikel erreichen<br />
wollte: Franz-Josef Strauß zu stürzen. Ab Ende der<br />
1950er Jahre schoss er sich auf den Verteidigungsminister<br />
ein. Der besaß alle Eigenschaften, um ihn<br />
zur Hassfigur zu stilisieren: Er war intelligent, machtgeil,<br />
ganz nach Bedarf jovial bis ruppig und von einem<br />
nicht gerade anziehenden Äußeren. Diese Merkmale<br />
wurden für die Journalisten aufs Angenehmste durch<br />
den Umstand ergänzt, dass Strauß öffentlich über die<br />
Bewaffnung Westdeutschlands mit Atomraketen räsonierte.<br />
Viele hörten das nicht gerne. So kam es zu den<br />
Anti-Strauß-Kampagnen.<br />
Das jedoch ist nur die halbe Wahrheit, denn es gab<br />
ein Vorspiel. Bei einem gemeinsamen Saufgelage in<br />
Augsteins Haus in Hamburg sagten sich beide, Strauß
<strong>COMPACT</strong> Leben<br />
und Augstein, wie es bei solchen Gelegenheiten zuweilen<br />
zu gehen pflegt, unangenehme Dinge ins Gesicht.<br />
Dem Chefredakteur wurde hierbei durch den Spiegel-<br />
Mann Horst Mahnke assistiert. Dieser machte Bemerkungen<br />
über das Dritte Reich, die Strauß auf die Palme<br />
brachten. Doch wie hätte der Bayer erst gestaunt (und<br />
vermutlich getobt), wenn er gewusst hätte, dass dieser<br />
Mahnke 1936, knapp 23 Jahre alt, als hauptamtlicher<br />
Mitarbeiter beim Sicherheitsdienst des Reichsführers<br />
SS angeheuert hatte, wo er die folgenden Jahre,<br />
bis zum Kriegsende, verblieb? Da hatte es der spätere<br />
lupenreine Antifaschist bis zum SS-Hauptsturmführer<br />
und Referatsleiter im Reichssicherheitshauptamt<br />
gebracht, zuständig für die Bekämpfung des Marxismus.<br />
Das blieb ungesagt. Indessen: Fortan agierten<br />
Strauß und Augstein wie beleidigte Diven. So schoss<br />
der ehemalige Leutnant der Sturmartillerie auf den<br />
ehemaligen Oberleutnant der Flakartillerie aus allen<br />
Rohren und bezeichnete sich hierbei ohne einen Funken<br />
von Selbstironie als das Sturmgeschütz der Demokratie.<br />
Helden, Schurken und Juristen<br />
Der Rest ist schnell erzählt. Der Verteidigungsminister<br />
verstrickte sich im weiteren Verlauf der Affäre so<br />
lange in Gesetzwidriges und Lügen, bis Bundeskanzler<br />
Konrad Adenauer ihn fallen ließ, weil es ihm nun<br />
selbst ans Leder zu gehen drohte. Dass Strauß so handelte,<br />
wie er es tat, war offenbar seinem Größenwahn<br />
geschuldet. Nur so ist erklärlich, dass er seinen militärischen<br />
Attachédienst in das exekutive Vorgehen gegen<br />
die Spiegel-Leute einspannte. Das machte aus den festgenommenen<br />
Redakteuren indes weiß Gott keine Nationalhelden,<br />
sondern zeigte lediglich, dass der Bundesverteidigungsminister<br />
mit der ihm zugemessenen Macht<br />
persönlich nicht umzugehen verstand. Seine Ablösung<br />
war folgerichtig und notwendig, und sie warf auf den<br />
zögernden Bundeskanzler ein wenig vorteilhaftes Licht.<br />
Augstein hatte sein Ziel erreicht: Der Mann, den er<br />
auf Biegen und Brechen kippen wollte, war über die<br />
Klinge gesprungen. Womit er anfangs allerdings nicht<br />
hatte rechnen können, war dies: Die deutschen Behörden<br />
handelten in einem geradezu unbeschreiblichen<br />
Maße dämlich. Augsteins Festnahme und seine mehrwöchige<br />
Untersuchungshaft war für die Aufklärung der<br />
Straftat nicht nur überflüssig wie ein Kropf, sondern<br />
sie produzierte einen Märtyrer, den es sonst so nicht<br />
gegeben hätte. Ein abgeschirmtes Ermittlungsverfahren<br />
nebst anschließender öffentlicher Anklage hätte<br />
mit Sicherheit ein geringeres öffentliches Echo erzeugt.<br />
Augsteins Festnahme war juristisch<br />
überflüssig und produzierte einen<br />
Märtyrer.<br />
Letztlich war die Affäre ein innenpolitischer Kampf<br />
mit verkehrten Fronten: Der ungesetzlich handelnde<br />
Verteidigungsminister hatte dem Spiegel erst den<br />
Nimbus der zu Unrecht verfolgten Presse verschafft,<br />
die das Blatt nicht verdient hatte. Dies wird durch<br />
die juristische Nachbearbeitung deutlich: Am 13. Mai<br />
1965 stellte der Bundesgerichtshof das Verfahren<br />
gegen Rudolf Augstein und andere ein. Das erweckte<br />
im Nachhinein den Eindruck, als sei das Vorgehen der<br />
Behörden gegen den Spiegel von Vornherein rechtswidrig<br />
gewesen. Doch so war es keineswegs, wie<br />
das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom<br />
5. August 1966 feststellte: Darin wurde die Durchsuchung<br />
der Redaktion für rechtens erklärt.<br />
Chronologie<br />
der Affäre<br />
10.10.1962<br />
Der Spiegel publiziert den Artikel<br />
«Bedingt abwehrbereit».<br />
23.10.1962<br />
Es ergehen Durchsuchungsanordnungen<br />
und Haftbefehle<br />
wegen Landesverrats gegen<br />
Spiegel-Redakteure, darunter<br />
Conrad Ahlers, Claus Jacobi und<br />
Johannes K. Engel, sowie den<br />
Herausgeber und Chefredakteur<br />
Rudolf Augstein.<br />
26.10.1962<br />
Die Polizei besetzt die Spiegel-<br />
Redaktion. Redakteur Ahlers, der<br />
den inkriminierten Artikel mitverfasst<br />
hatte, wird in Spanien<br />
verhaftet.<br />
28.10.1962<br />
Augstein stellt sich den Behörden<br />
und wird (für 103 Tage) in<br />
U-Haft genommen.<br />
19.11.1962<br />
Die fünf FDP-Minister treten aus<br />
Protest gegen Verteidigungsminister<br />
Franz Josef Strauß, der<br />
die Justiz gegen den Spiegel in<br />
Marsch gesetzt hatte, zurück.<br />
30.11.1962<br />
Strauß tritt als Verteidigungsminister<br />
zurück.<br />
Strauß und Adenauer am 9. November<br />
1962. Drei Wochen später ließ<br />
der Alte den CSU-Politiker fallen.<br />
Foto: picture-alliance / dpa<br />
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BRD-Sprech _ Einzelfall<br />
Wenn wieder einmal ein deutscher Jugendlicher<br />
türkischen oder arabischen Messerstechern zum Opfer<br />
gefallen ist, wieder einmal junge Frauen von Gruppen<br />
«südländischer» Männer sexuell belästigt oder vergewaltigt<br />
werden, wieder einmal unter dem Schlacht-<br />
Ruf «Allahu akbar» Menschen wie Vieh umgebracht<br />
werden – wenn also wieder einmal Dinge geschehen,<br />
die nicht geschehen wären, wenn die Regierenden<br />
nicht alle Warnungen in den Wind geschlagen und<br />
Millionen von Menschen aus gewalttätigen Machokulturen<br />
ins Land geholt hätten, dann schlägt in den<br />
Agitpropmedien der BRD die Stunde des «Einzelfalls».<br />
Die etablierte Journaille glaubt nämlich fest an eine<br />
Art negativer Monokausalität: An den Verbrechen von<br />
Moslems kann alles schuld sein, nur nicht der Islam,<br />
und deswegen sind solche Verbrechen «Einzelfälle», die<br />
«nichts mit dem Islam» (oder überhaupt mit dem kulturellen<br />
Hintergrund des jeweiligen Täters) zu tun haben.<br />
Die Tautologie, dass jeder einzelne Fall ein Einzelfall ist,<br />
soll uns ernsthaft als Erklärung verkauft werden.<br />
Die Linke spricht einerseits von Einzelfällen,<br />
bemüht andererseits soziale<br />
Ursachen. Das schließt sich<br />
gegenseitig aus.<br />
Wenn aber Zigtausende solcher «Einzelfälle» erkennbaren<br />
Mustern folgen, wenn immer wieder dieselben<br />
Konstellationen auftauchen, immer wieder dieselbe<br />
Mentalität erkennbar wird, die Täter immer wieder<br />
aus denselben Gruppen kommen, dann sind die Opfer<br />
solcher Gewalt eben nicht Opfer einer allgemeinen Kriminalität,<br />
wie es sie quasi als Hintergrundrauschen in<br />
jeder Gesellschaft gibt. Dann muss diese Gewaltkriminalität<br />
benennbare soziale Ursachen haben.<br />
Bis zu diesem Punkt würden vermutlich sogar<br />
besagte Agitpropmedien und staatlich alimentierte<br />
Berufs-Integranten mitgehen, die ein Interesse an der<br />
Fortexistenz von Problemen haben, mit deren Verwaltung<br />
und Beschönigung sie Karriere machen: Die Rede<br />
von den «sozialen Ursachen» gehört geradezu zu ihren<br />
Standardfloskeln. Wobei ihnen selbstredend nicht auffällt,<br />
dass derjenige, der Migrantengewalt, insbesondere<br />
die von Moslems, auf soziale Ursachen zurückführt,<br />
damit zugleich zugibt, dass es sich eben nicht<br />
um die vielzitierten «Einzelfälle» handelt, die miteinander<br />
nichts zu tun hätten und kein erkennbares Muster<br />
aufwiesen.<br />
Die Ideologieindustrie unseres Landes wird sich<br />
also für eine ihrer beiden – einander logisch ausschließenden<br />
– Ausreden entscheiden müssen. Denn<br />
eine Ausrede ist nicht nur die Rede vom «Einzelfall»,<br />
sondern – aus dem Munde staatsnaher Ideologen –<br />
auch die von den «sozialen Ursachen», nach denen<br />
sie in Wahrheit niemals forschen: Gewaltkriminalität<br />
von Moslems gebe es, weil diese arm seien, der Staat<br />
nicht genug für ihre Integration unternehme, der Kampf<br />
gegen Rechts nicht energisch genug geführt werde und<br />
die Deutschen Rassisten seien, die aus purer Böswilligkeit<br />
Migranten diskriminierten.<br />
Der politischen Linken liefert diese Gewalt (die es<br />
überhaupt nicht geben könnte, wenn ihre Theorien<br />
richtig wären) also nur den Anlass, mehr von dem zu<br />
fordern, was sie ohnehin fordert: den Ausbau des Sozialstaats<br />
auf Kosten des Steuerzahlers, mehr Planstellen<br />
und mehr Steuermittel für verdiente Genossen und<br />
deren Projekte, die Knebelung ihrer politischen Gegner,<br />
mehr Propaganda, mehr Zensur und mehr Einschüchterung<br />
und Diffamierung des eigenen Volkes. Unter den<br />
«sozialen Ursachen» von Migrantengewalt verstehen<br />
solche Ideologen mithin immer nur eines: dass man<br />
ihre Ideologie und ihre Interessen nicht hinreichend<br />
bedient hat.<br />
Und wenn diese ideologische Interpretation nicht<br />
möglich oder nicht opportun ist – dann haben wir es<br />
eben mit «Einzelfällen» zu tun.<br />
Einer der Einzelfälle: Das Axtattentat<br />
von Würzburg am 18. Juli.<br />
Foto: picture alliance / dpa<br />
Verlag Antaios, 240 Seiten, gebunden,<br />
22,00 Euro (Bestellung über<br />
antaios.de). Foto: Verlag<br />
_ Manfred Kleine-Hartlage ist<br />
Publizist und Diplom-Sozialwissenschaftler.<br />
Regelmäßig veröffentlicht<br />
er kritische Beiträge auf seinem<br />
Blog «korrektheiten.com». Sein<br />
aktuelles Buch «Die Sprache der<br />
BRD – 131 Unwörter und ihre<br />
politische Bedeutung», 2015 im Verlag<br />
Antaios erschienen, liefert die<br />
Vorlage für diese <strong>COMPACT</strong>-Serie.<br />
65
<strong>COMPACT</strong> Leben<br />
Harzheims Klassiker_ Caligula<br />
66<br />
«Caligula» (1979): Caligula (Malcolm<br />
McDowell) und die verstorbene<br />
Drusila (Therese-Ann Savoy): Der<br />
Tod sprengt die letzte Bastion des<br />
Rationalen. Foto: Filmverleih<br />
Filmplakat. Foto: Filmverleih<br />
_ Harald Harzheim ist der Filmklassiker<br />
von <strong>COMPACT</strong>-<strong>Magazin</strong>.<br />
«Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze<br />
Welt gewönne, und nähme an seiner Seele Schaden?»<br />
(Markus 8,36) Mit diesem Bibelzitat startet einer der<br />
maßlosesten Filme aller Zeiten. In zweieinhalb Stunden<br />
erzählt er, wie ein Mensch seine Seele verliert: Der<br />
römische Prinz Caligula, sensibel, naiv göttergläubig<br />
und in seine Schwester Julia Drusilla verliebt, erklimmt<br />
nach der Ermordung seines Onkels, Kaiser Tiberius, im<br />
Jahre 37 nach Christus den Thron. In einer Umgebung<br />
voller Intrige, Hass, Machtgier und leerer Wollust<br />
mutiert er zum Monster.<br />
Seit Camus’ gleichnamigem Drama<br />
ist Caligula ein Held des Absurden.<br />
Caligula steht im Zenit der Macht, da stirbt seine<br />
geliebte Drusilla an Fieber. Der Hinterbliebene trauert,<br />
heult, rast, zertrümmert den Altar der Göttin Isis, weil<br />
sie nicht geholfen hatte. Quälende fünf Filmminuten<br />
lang. Er ist allein im riesigen Palast. Allein im Universum.<br />
Dann sein fürchterlicher Schrei (Foto). Die Kamera<br />
saust via Reißzoom von der Totale auf sein verzerrtes<br />
Gesicht. Das Umfeld verschwimmt, nur noch die<br />
irren Augen und der aufgerissene Mund sind zu sehen.<br />
Caligula schreit sich die Seele aus dem Leib. Danach<br />
wird er keine mehr haben. Jetzt steigert der seelenlose<br />
Tyrann die Absurdität von Politik und Existenz ins<br />
Äußerste, parodiert das Staatswesen, ersetzt Regelung<br />
durch zynische Willkür, demütigt den Senat – bis der<br />
ihn ermorden lässt.<br />
Seit Camus’ gleichnamigem Drama ist Caligula ein<br />
Held des Absurden. Der Film basiert auf einem Drehbuch<br />
des US-Starintellektuellen Gore Vidal. Eine finstere,<br />
blutige Prominentenshow: Malcolm McDowel<br />
(Caligula), Peter O’Toole (Tiberius), John Gielgud (Nerva),<br />
Helen Mirren (Caesonia) – das Who is Who britischer<br />
Schauspielkunst. Auch bei Ausstattung und Kamera:<br />
überall erste Garde. Dann aber ließ Produzent Bob Guccione<br />
nachträglich Porno-Szenen einfügen. Folge: Fast<br />
alle Beteiligten distanzierten sich vom Endresultat. Die<br />
Presse tobte vor Wut. US-Starkritiker Roger Ebert zählte<br />
Caligula zu seinen meistgehassten Filmen. Heute, 37<br />
Jahre später, lässt sich sagen, dass die visuellen Grenzüberschreitungen<br />
nicht mehr stören, sondern die Atmosphäre<br />
des Irrsinns noch verstärken.<br />
Noch brutaler als der Film sind übrigens die Schnitt-<br />
Massaker der Jugendschützer und Filmprüftstellen. So<br />
entstanden unzählige Fassungen mit jeweils unterschiedlichster<br />
Laufzeit.
Sonder-Ausgabe Nr. 10 | 8,80 EUR (D) · spezial.compact-online.de<br />
Islam<br />
Gefahr für Europa<br />
9,90 Euro (A), 13 sFr (CH)<br />
Grundwissen: Koran, Scharia und Dschihad als akute Bedrohung unserer Freiheit<br />
Geschichte: Raubzüge und Kolonisierung unter der grünen Fahne des Propheten<br />
Gegenwart: Warum der Islam mit unserem Grundgesetz nicht vereinbar ist<br />
Zukunft: Wie wir das Abendland und unsere Werte verteidigen können<br />
Einzelheft oder SPEZIAL-Abo unter Tel: 03327-569 86 11 . Fax: 03327-569 86 17<br />
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29. 10. <strong>2016</strong><br />
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Für ein Europa der Vaterländer!<br />
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Referenten: Björn Höcke, AfD | Oskar Freysinger, SVP | Václav Klaus** | Johannes Hübner, FPÖ | John Laughland<br />
Karl Albrecht Schachtschneider | Natalia Narotchnitskaya | Jürgen Elsässer | Peter Feist u.v.m.<br />
* In Kooperation mit dem IDC Institut de la Démocratie et de la Coopération, Paris<br />
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