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COMPACT-Magazin 09-2016

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Ausgabe 9/<strong>2016</strong> | 4,95 EUR<br />

www.compact-online.de<br />

Terrorists<br />

welcome<br />

Merkel gibt Mördern Asyl<br />

Kein Amok<br />

Das München-Massaker<br />

Berlin kaputt<br />

Moscheen und Migranten<br />

Der Putsch<br />

USA gegen Erdogan<br />

Pokemon<br />

Monster fressen Nerds<br />

Dossier: Die neue Protestjugend<br />

Opposition<br />

Dossier: Die neue Protestjugend<br />

Querfront – nicht links, nicht rechts<br />

Hip, konservativ, Hip, rebellisch – die – die Identitären kommen!


Ehrlicher Journalismus in Zeiten der Lüge.<br />

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Weltkrieg<br />

gegen Putin<br />

Die NATO marschiert<br />

Stasi 2.0<br />

IM Kahane und das Internet<br />

Cop-Killer<br />

Rassenkrieg in den USA<br />

Hofer exklusiv<br />

FPÖ-Kandidat vor Wahlsieg<br />

Wikinger im Glück<br />

Liebeserklärung an Island<br />

Wollt Ihr den<br />

Himmel<br />

totalen<br />

hilf!<br />

Maas?<br />

Kein Volk, kein Recht,<br />

keine Freiheit<br />

Die neue Christenverfolgung<br />

Brüssel-Terror<br />

Unwetteropfer<br />

Merkels Schande<br />

Kein Geld für Deutsche<br />

Wahlbetrug<br />

Böhmermann<br />

Je suis Arschgeige<br />

Bananenrepublik Österreich<br />

Anakonda<br />

RFID-Chip<br />

NATO an der Ostfront<br />

Spion unter der Haut<br />

Deutsches Bier<br />

Dossier: Nach Die Nach dem neue dem Brexit<br />

Opposition<br />

Brexit<br />

Dossier: Hoffen auf Trump<br />

Zurück zum Original<br />

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Querfront – nicht links, nicht rechts<br />

So So hassen hassen die die EU-Eliten das das Volk Volk<br />

US-Wahlkampf im Schatten des Islam-Terrors<br />

Dossier: Protestparteien<br />

Ausgabe 7/<strong>2016</strong> | 4,95 EUR<br />

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Von Grün bis AfD – Tops und Flopps<br />

Ausgabe 5/<strong>2016</strong> | 4,95 EUR<br />

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✃<br />

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Terrorists<br />

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Merkel gibt Mördern Asyl<br />

Kein Amok<br />

Das München-Massaker<br />

Berlin kaputt<br />

Moscheen und Migranten<br />

Der Putsch<br />

USA gegen Erdogan<br />

Pokemon<br />

Monster fressen Nerds<br />

Weltkrieg<br />

Wollt Ihr den<br />

totalen<br />

gegen Putin<br />

Die NATO marschiert<br />

Stasi 2.0<br />

Maas?<br />

Kein Volk, kein Recht,<br />

keine Freiheit<br />

IM Kahane und das Internet<br />

Cop-Killer<br />

Rassenkrieg in den USA<br />

Hofer exklusiv<br />

Unwetteropfer<br />

Kein Geld für Deutsche<br />

Wahlbetrug<br />

FPÖ-Kandidat vor Wahlsieg<br />

Bananenrepublik Österreich<br />

Wikinger im Glück<br />

Anakonda<br />

Liebeserklärung an Island<br />

NATO an der Ostfront<br />

Dossier: Nach Die dem neue Brexit Opposition<br />

Dossier: Hoffen auf Trump<br />

Dossier: Die neue Opposition<br />

Dossier: Die neue Protestjugend<br />

So hassen die EU-Eliten das Volk<br />

Querfront – nicht links, nicht rechts<br />

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<strong>COMPACT</strong> Themen<br />

Titelthema<br />

Terrorists welcome – Merkel gibt Mördern Asyl<br />

Politik<br />

Berlin kaputt – Moscheen und Migranten<br />

Dossier<br />

Identitäre – Die neue Protestjugend<br />

Leben<br />

Pokemon – Monster fressen Nerds<br />

05 Editorial<br />

06 Zitate des Monats<br />

07 Foto des Monats<br />

08 Leserbriefe<br />

<strong>09</strong> <strong>COMPACT</strong> Intern<br />

10 Köpfe des Monats<br />

Titelthema<br />

11 Terrorists welcome<br />

von Jürgen Elsässer<br />

16 Sie kommen als Türkei-Touristen<br />

von Karel Meissner<br />

17 Requiem für Jolanta<br />

von Martin Müller-Mertens<br />

20 Alles Amok – oder was?<br />

von Marc Dassen<br />

Politik<br />

23 Moscheen und Migranten<br />

von Martin Müller-Mertens<br />

26 Feuer und Steine<br />

von Martin Müller-Mertens<br />

29 «Kaischi hat das Lebenswerk von Axel<br />

Springer verjuckelt»<br />

Interview mit Peter Bartels<br />

32 Der amerikanische Putsch<br />

von Marc Dassen<br />

35 Ritterschlag für den Prinzen<br />

von Philipp Huemer<br />

39 «Kurz ist isoliert»<br />

Interview mit<br />

Harald Vilimsky/Johannes Hübner<br />

40 ab-in-den-tod.de<br />

Interview mit Reinhard Rade<br />

Dossier<br />

44 «Wir stehen in der Tradition der Rebellion»<br />

Interview mit Martin Sellner<br />

47 Ein Ziel, viele Strömungen<br />

von Martin Sellner<br />

50 Die Glut in der Asche<br />

von Alina Wychera<br />

Leben<br />

53 Monster fressen Nerds<br />

von Alexander Markovics<br />

55 Edle Wilde<br />

von Harald Harzheim<br />

58 Jagd auf Phantome<br />

von Bernd Schumacher<br />

61 «Bedingt abwehrbereit»<br />

von Helmut Roewer<br />

65 BRD-Sprech _ Einzelfall<br />

von Manfred Kleine-Hartlage<br />

66 Harzheims Klassiker _ Caligula<br />

von Harald Harzheim<br />

<strong>COMPACT</strong> Impressum<br />

Herausgeber & Verlag<br />

<strong>COMPACT</strong>-<strong>Magazin</strong> GmbH<br />

Geschäftsführer Kai Homilius<br />

Am Zernsee 9, 14542 Werder (Havel)<br />

E-Mail verlag@compact-magazin.com<br />

Website www.compact-online.de<br />

Vertrieb, Bestellungen, Abo-Betreuung<br />

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Redaktion<br />

E-Mail redaktion@compact-magazin.com<br />

Chefredakteur Jürgen Elsässer (V.i.S.d.P.)<br />

Chef vom Dienst Martin Müller-Mertens<br />

Cover Iris Fischer<br />

Fotoquellen Cover picture alliance/abaca<br />

Tithi Luadhtong/shutterstock<br />

Layout/Bild Steffen Jordan<br />

<strong>COMPACT</strong>-Online Arne Fischer<br />

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Gedruckt in Deutschland<br />

Erscheinungsdatum der nächsten Ausgabe<br />

Samstag, den 1. Oktober <strong>2016</strong><br />

Redaktionsschluss<br />

14. August <strong>2016</strong><br />

4


<strong>COMPACT</strong> Editorial<br />

Erdogan, Putin und Merkel<br />

Wir leben in einer Bananenrepublik. Die Mutti an<br />

unserer Spitze leckt die Stiefel – oder Schlimmeres –<br />

fremder Despoten. In der Regel kommt das Herrchen<br />

von Frauchen aus Übersee, bisweilen ist es auch ein<br />

Kommissar aus Brüssel, zur Zeit vorwiegend der Sultan<br />

vom Bosporus. Erdogan kann sich in Deutschland alles<br />

erlauben: Nach eigenem Gusto schickt er uns Hunderttausende<br />

seiner Glaubensbrüder über die Balkanroute,<br />

lässt seine Landsleute in Armeestärke zum Demonstrieren<br />

aufmarschieren und andersdenkende Türken,<br />

aber auch deutsche Parlamentarier so wüst bedrohen,<br />

dass sie Polizeischutz brauchen. Seine fünfte Kolonne<br />

warnt er vor jeder Assimilation, sie sollen sich ja<br />

nicht den Deutschen angleichen – für ihn ist das nämlich<br />

«Völkermord». Majestät fühlt sich auch schnell<br />

gekränkt – dann gewährt ihm seine feiste Haremsdame<br />

das ius ultimae noctis: Er darf ein letztes Mal<br />

den Beleidigungsparagrafen in Anspruch nehmen, den<br />

sie eigentlich abschaffen will, und die deutsche Justiz<br />

gegen einen bescheuerten, aber insgesamt harmlosen<br />

Kabarettisten in Marsch setzen.<br />

Wären wir auch nur ein bisschen selbstbewusst,<br />

würden wir dem Bosporus-Gröfaz klare Kante zeigen:<br />

seine hierzulande agitierenden Imame heimschicken<br />

und dafür unsere Soldaten zurückholen; die Bundesmarine<br />

in die Ägäis entsenden und alles, was da über<br />

Schlauchboote herandümpelt, auf kleinen Inseln festsetzen<br />

(übrigens ein Vorschlag des österreichischen<br />

Außenministers); die EU-Beitrittsverhandlungen mit<br />

einem Veto aus Berlin stoppen; dem Familiennachzug<br />

anatolischer Kopftuch-Omas einen Riegel vorschieben;<br />

die hier lebenden Türken vor die Wahl stellen, entweder<br />

ihre Pässe mit dem Halbmond abzugeben oder künftig<br />

auf Hartz-IV und ähnliche Sozialleistungen zu verzichten.<br />

Die dann sicherlich randalierenden Ghetto-Rambos<br />

wären ein Fall für die Bundespolizei, die sich schon<br />

lange darauf freut, den Typen zu zeigen, wo der Hammer<br />

hängt. Wetten, dann wäre schnell Ruhe im Karton?<br />

Aber all das wird erst möglich sein, wenn wir die<br />

Türken-Mutti aus Berlin verjagt und einen guten Deutschen<br />

an die Macht gebracht haben. Ein solcher Eiserner<br />

Kanzler bräuchte gewisse Qualitäten des alten Bismarck<br />

– oder auch des aktuellen Erdogan. Damit sind<br />

wir bei der anderen Seite der Medaille. Denn so empörend<br />

es ist, wie sich der Osmane gegenüber Deutschland<br />

aufspielt – er kann das nur tun, weil unsere Politiker<br />

vor ihm katzbuckeln. Und wie er umgekehrt sein<br />

eigenes Land regiert, geht uns außerhalb des Feuilletons<br />

nichts an und nötigt mir sogar einen gewissen<br />

Respekt ab: Bei der Niederschlagung des von den<br />

USA zumindest begünstigten Putsches vom 15. August<br />

bewies er hohen persönlichen Mut. Dass sein Volk,<br />

quer über alle Parteigrenzen hinweg, seither mehr<br />

denn je hinter ihm steht, ist verständlich. Die Millionen-Kundgebung<br />

in Istanbul war ein eindrucksvoller<br />

Ausdruck nationaler Solidarität – bravo! Die 40.000<br />

Erdogan-Anhänger in Köln jedoch demonstrierten<br />

imperiale Anmaßung – das geht gar nicht!<br />

Kehren wir endlich von der One-World-Ideologie<br />

zum Prinzip der nationalen Souveränität zurück: Andere<br />

dürfen sich nicht bei uns einmischen – und wir nicht<br />

bei ihnen. Wer das ganz gut kapiert hat, ist Wladimir<br />

Putin. Die Annäherung zwischen ihm und Erdogan<br />

nach dem Putsch erinnert ein bisschen an den Hitler-<br />

Stalin-Pakt: Obwohl sich beide – die von 1939 und die<br />

von <strong>2016</strong> – eigentlich hassten wie die Pest, schlossen<br />

sie, nachdem sie von den Westmächten enttäuscht<br />

und betrogen worden waren, zum beiderseitigen Vorteil<br />

ein Zweckbündnis. Die Chancen, dass das dieses<br />

Mal länger hält als vor 75 Jahren, sind nicht schlecht:<br />

Putin scheint Erdogan schon von der Unterstützung des<br />

IS abgebracht zu haben – und versüßt ihm den neuen<br />

Kurs mit der Aussicht auf ein großes Pipeline-Geschäft.<br />

Seine MiGs demonstrieren jeden Tag am Himmel über<br />

Syrien, dass die Türken keinen falschen Schritt machen<br />

dürfen. Diese Sprache ist die einzige, die der Sultan<br />

versteht – da er sie selbst spricht. Wollen wir Deutschen<br />

sie nicht endlich auch wieder lernen?<br />

Chefredakteur Jürgen Elsässer.<br />

Foto: Jörg Gründler<br />

5


<strong>COMPACT</strong> Zitate des Monats<br />

Sie nennen sie Tante Merkel…<br />

Foto: picture alliance / dpa<br />

Terrorists welcome<br />

Ami go Home!<br />

«Die syrische Regierung warf den USA und<br />

Frankreich vor, ihre Bomben auf Zivilisten<br />

statt auf Terrorbanden abzuwerfen.» (Spiegel<br />

Online, 21.7.<strong>2016</strong>)<br />

Der Krisenmacher<br />

«George Soros ist dafür bekannt, den Finger in<br />

die Wunde zu legen. (…) So wettete er zuletzt<br />

100 Millionen Euro gegen die Deutsche Bank –<br />

kurz nachdem er vor einer neuen Bankenkrise<br />

gewarnt hatte.» (N24 Online, 21.7.<strong>2016</strong>)<br />

nick niedergelassen. Mitsamt Gefolge und mit<br />

Duldung der Behörden.» (Welt Online, 5.8.<strong>2016</strong>)<br />

Wo er Recht hat<br />

«In den meisten europäischen Ländern sind<br />

die Medien nicht frei. Vor allem in Deutschland<br />

sind sie überhaupt nicht frei. (…) Sie<br />

werden alle vollständig von einem Kontrollmechanismus<br />

geleitet.» (Der türkische Außenminister<br />

Mevlüt Cavusoglu, Süddeutsche Zeitung<br />

Online, 5.8.<strong>2016</strong>)<br />

<strong>COMPACT</strong> speaks<br />

6<br />

«Wir werden eines Tages Europa erobern.<br />

Nicht wir wollen, nein, wir werden. Darin sind<br />

wir uns sicher.» (Abu Qatada, ein deutscher IS-<br />

Krieger, im Interview mit Jürgen Todenhöfer, Dezember<br />

2014)<br />

«Deutschland ist ein starkes Land. (…) Wir<br />

haben so vieles geschafft, wir schaffen das.<br />

Wir schaffen das, und wo uns etwas im Wege<br />

steht, muss es überwunden werden.» (Angela<br />

Merkel, 31.8.2015)<br />

«Es gab und es gibt Hinweise von Nachrichtendiensten<br />

aus dem Ausland, dass sich Terroristen<br />

unter die Flüchtlinge mischen.» (Bundesinnenminister<br />

Thomas de Maizière, 9.10.2015)<br />

«Angesichts der Zustände an den Grenzen ist<br />

die Rechtsordnung von der deutschen Politik<br />

ausgesetzt. (…) Asylsuchende werden von<br />

der deutschen Bundeskanzlerin eingeladen<br />

nach Deutschland zu kommen.» (Amtsgericht<br />

Passau begründet in einem Urteil Strafmilderung<br />

für serbischen Schleuser, zitiert in Welt am Sonntag,<br />

8.11.2015)<br />

«Die Terroristen sind keine Flüchtlinge.»<br />

(Bundesjustizminister Heiko Maas, Welt Online,<br />

24.3.<strong>2016</strong>)<br />

«Ich bin heute wie damals davon überzeugt,<br />

dass wir es schaffen, unserer historischen<br />

Aufgabe (…) gerecht zu werden. Wir schaffen<br />

das.» (Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundespressekonferenz,<br />

28.7.<strong>2016</strong>)<br />

Majestätsbeleidigung<br />

«Er beschimpfte Hannelore Kraft als ”korruptes<br />

Pack” und verglich ihren IQ mit dem eines<br />

Toastbrots. Nun ist ein 53-Jähriger zu einer<br />

Geldstrafe von 2.250 Euro verurteilt worden.»<br />

(Spiegel Online über einen Kritiker der NRW-<br />

Ministerpräsidentin, 20.7.<strong>2016</strong>)<br />

Die guten Terroristen<br />

«Die Islamisten sind Aleppos letzte Hoffnung<br />

// Während die USA und Europa zusehen, wie<br />

Hunderttausende Menschen in Aleppo ausgehungert<br />

werden, kommen Islamisten den<br />

Eingeschlossenen zu Hilfe. Angeführt werden<br />

sie von einer Terrormiliz. (Spiegel Online,<br />

2.8.<strong>2016</strong>)<br />

Sprachlos integriert<br />

«Mein Vater ist ein frommer Muslim, spricht<br />

kaum Deutsch, kann weder lesen noch schreiben,<br />

ist aber integrierter als viele Funktionäre<br />

der AfD (…).» (Sawsan Chebli, Sprecherin des<br />

Auswärtigen Amtes, Frankfurter Allgemeine Zeitung,<br />

3.8.<strong>2016</strong>)<br />

Steini, der Drachentöter<br />

«Außenminister Frank-Walter Steinmeier<br />

(SPD) (…) schaue mit großer Sorge auf das<br />

”Ungeheuer des Nationalismus”, das sich weltweit<br />

ausbreite. ,”Hassprediger” wie Trump, die<br />

Verantwortlichen des Brexit und die AfD eine,<br />

dass sie mit den Ängsten der Menschen Politik<br />

machten.» (Spiegel Online, 4.8.<strong>2016</strong>)<br />

Schreibtischtäter<br />

«Auch gegen eine handfeste Abreibung für<br />

Rechtsextremisten oder Farbeierwürfe auf<br />

die protzigen Villen der schlagenden Verbindungen<br />

ist nicht allzu viel einzuwenden.» (Taz<br />

Online, 4.8.<strong>2016</strong>)<br />

Wenn der Sultan kommt<br />

«Romantisch gelegen, von Wäldern und Seen<br />

umgeben. So liegen die Krickenbecker Seen<br />

nahe der Stadt Nettetal am Niederrhein. In<br />

genau diesem Idyll (…) hat sich der Herrscher<br />

des Emirats Dubai Mitte Juli zum Pick-<br />

«Er ist der Gründer des IS.» (Donald Trump über<br />

Barack Obama, Wahlkampfauftritt, 10.8.<strong>2016</strong>)<br />

Kolbenfresser im Jobmotor<br />

«Deutsche Wirtschaft profitiert von kultureller<br />

Vielfalt // Das zeigt eine Studie der Bertelsmann<br />

Stiftung. (…) Die Stiftung spricht gar<br />

von einem Jobmotor.» (Deutschlandfunk Online,<br />

11.8.<strong>2016</strong>)<br />

Killer unter sich<br />

«Ich will Assad einschüchtern. (…) Ich will sein<br />

Büro mitten in der Nacht bombardieren.» (Mike<br />

Morell, ehemaliger CIA-Direktor, Interview bei<br />

Charlie Rose, 8.8.<strong>2016</strong>) – «Ich salutiere Mike<br />

Morell für seine Moral und politische Klarheit,<br />

wenn es darum geht, wie man mit dem Assad-<br />

Regime, Iran und Russland fertig wird.» (Bild-<br />

Redakteur Julian Reichelt, Twitter, 12.8.<strong>2016</strong>)<br />

Abschiedsgeschenk<br />

«USA wollen Atomwaffen in Deutschland modernisieren<br />

// US-Präsident Obama hat kurz vor<br />

Ende seiner Amtszeit die letzte Entwicklungsphase<br />

für eine neue Version nuklearer Bomben<br />

gebilligt.» (Deutsche Welle Online, 12.8.<strong>2016</strong>)<br />

AKP-nahe türkische Zeitung portraitiert Merkel mit Hitlergruß,<br />

nachdem das Bundesverfassungsgericht die<br />

Live-Übertragung einer Rede Erdogans bei der Türkendemonstration<br />

in Köln Ende Juli <strong>2016</strong> verboten hatte.<br />

Foto: picture alliance / dpa


<strong>COMPACT</strong> Foto des Monats<br />

Der Sultan lässt jubeln. Seit dem Scheitern des Militärputsches in der Türkei am 16. Juli verharrt das Land im Taumel. Nahezu jeden Abend strömen die Anhänger von Präsident<br />

Recep Tayyip Erdogan zu Massenkundgebungen zusammen. Den vorläufigen Höhepunkt bildete der 7. August, als eine Million Türken den Staatschef auf einer «Demokratie- und Märtyrerversammlung»<br />

in Istanbul frenetisch feierten. Auch die Oppositionsparteien CHP und MHP durften dabei ihre volle Übereinstimmung mit der Politik der Regierung unter Beweis<br />

stellen. Die Begeisterung der Demonstranten dürfte echt gewesen sein. Erdogans Beliebtheit stieg seit dem gescheiterten Coup von 47 auf 68 Prozent. Foto: picture alliance / abaca<br />

7


<strong>COMPACT</strong> Leserbriefe<br />

8<br />

Weltkrieg<br />

gegen Putin<br />

Die NATO marschiert<br />

Stasi 2.0<br />

IM Kahane und das Internet<br />

Cop-Killer<br />

Rassenkrieg in den USA<br />

Hofer exklusiv<br />

FPÖ-Kandidat vor Wahlsieg<br />

Wikinger im Glück<br />

Liebeserklärung an Island<br />

Dossier: Nach Die Nach dem neue dem Brexit<br />

Opposition<br />

Brexit<br />

So Querfront So hassen hassen die – die EU-Eliten nicht links, das nicht das Volk<br />

rechts Volk<br />

Zu <strong>COMPACT</strong> allgemein<br />

Ausgabe 8/<strong>2016</strong> | 4,95 EUR<br />

www.compact-online.de<br />

Ich finde es erfreulich, was Sie und Ihr gesamtes<br />

Team leisten. Jeden Monat legen sie ein<br />

hochwertiges (Aufmachung und Inhalt) <strong>Magazin</strong><br />

vor, ein <strong>Magazin</strong>, das sehr zu empfehlen<br />

ist. Ich habe meinen Zeitschriftenhändler<br />

bewegen können, Ihr Monatsmagazin und die<br />

Sonderausgaben in sein Sortiment aufzunehmen,<br />

und sie verkaufen sich hervorragend. Insbesondere<br />

das Spezialheft Islam ist ein «Renner».<br />

Konservativer, per Website-Kommentar<br />

Ich bin eifriger Leser – genieße und verinnerliche<br />

jede Zeile. Ich stehe zu 100 Prozent hinter<br />

dem <strong>Magazin</strong> und den Redakteuren. Einfach<br />

gut recherchiert und auf den Punkt gebracht.<br />

Freue mich auf jede Ausgabe und will<br />

versuchen, bei einer der nächsten Veranstaltung<br />

in der Region Sachsen mit dabei zu sein.<br />

Friedrich Bravo, per Facebook-Kommentar<br />

Hallo liebes <strong>COMPACT</strong>-Team, danke, dass es<br />

Euch gibt! Ich habe große Angst vor diesen<br />

machtbesessenen und menschenverachtenden<br />

Politikern, die das eigene Land verachten<br />

und verraten! Warum gehen wir nicht Seite<br />

an Seite mit den hier lebenden Russen auf die<br />

Straße? Wir sind doch so viele! Auf was warten<br />

wir denn noch?<br />

Christine Ratsch, per YouTube<br />

Die neue Ausgabe ist hervorragend. Ein <strong>Magazin</strong>,<br />

praktisch frei von Werbung, vollgestopft<br />

mit gut recherchierten Artikeln. Ich lese jede<br />

Ausgabe von <strong>COMPACT</strong>, aber das August-Heft<br />

toppt alle bisherigen. Der Berger-Artikel und<br />

das Hofer-Interview sind erste Sahne.<br />

Florian Bendau, per Facebook-Kommentar<br />

Mal seit Langem wieder eine Ausgabe, die<br />

mir nicht gleich beim Titelthema schon auf<br />

den Sack ging. Wegen so wichtiger Themen<br />

hab’ ich mal <strong>COMPACT</strong> abonniert, nur um dann,<br />

gefühlt 100 Ausgaben, AfD-Lobhudeleien und<br />

«Hilfe, die Flüchtlinge kommen, um uns zu meucheln»<br />

zu bekommen.<br />

Benny Schniepp, per Facebook-Kommentar<br />

Das Titelbild wirkt sympathischer als im Vormonat.<br />

Hatte auch ein bisschen Angst, dass<br />

Ihr etwas mit dem Thema Türkei macht und<br />

Ärger bekommt.<br />

Heidi Heidegger, per Website-Kommentar<br />

Zum Editorial «Nizza:<br />

Wir sind im Krieg»<br />

Zum Täter von Nizza<br />

muss man sagen, dass<br />

er durchaus als Kleinkrimineller<br />

bekannt war. Außerdem hat er die<br />

Tat geplant, und er hat sich auch eine Schusswaffe<br />

besorgt. So ganz aus heiterem Himmel<br />

ist dieser Anschlag also nicht passiert. Laut<br />

Medien wurden 100.000 Euro an seine Familie<br />

überwiesen. Wie ist er an diese Summe gekommen?<br />

Etwa durch «Kleinkriminalität»?<br />

Natija08, per YouTube<br />

Die Islamisten begehen ihre Taten selbstverständlich<br />

aus dem Islamismus heraus. Daran<br />

wird auch nicht gezweifelt. Nur: Von wem bekommen<br />

sie die Befehle zur Ausführung? Die<br />

Polizei hat bereits bekanntgegeben, dass die<br />

Attentäter von Würzburg und Ansbach vorab<br />

Anweisungen per Handy bekommen haben.<br />

Von wem? Von der ISIS? Wahrscheinlich. Und<br />

wer kontrolliert die ISIS?<br />

Sebastian H., per Website-Kommentar<br />

Zu «Weltkrieg<br />

gegen Putin»<br />

Wer Kriegshetze mitbetreibt<br />

– und dies gilt<br />

für den Großteil der<br />

westlichen und insbesondere der deutschen<br />

Medien sowie für die meisten Systemparteien<br />

– ist ein Schwerstverbrecher und gehört<br />

mit aller Strenge abgeurteilt.<br />

J. Graf, per Website-Kommentar<br />

Ich glaube nicht, dass es zu einem Dritten<br />

Weltkrieg gegen Russland kommen wird. Eher<br />

sehe ich einen Krieg der Religionen auf uns zukommen.<br />

Mal abwarten, ob Trump sich vielleicht<br />

mit Putin verbündet, und sie dann gemeinsam<br />

gegen den IS vorgehen. Dann könnte<br />

es in Europa ungemütlich für die «Zugeroasten»<br />

werden. Normalo, per Website-Kommentar<br />

Zu «Die Herrenmenschin»<br />

Man sollte auch eine<br />

Stiftung ins Leben rufen,<br />

die sich um die Opfer<br />

dieser Linksterroristen kümmert und die Täter<br />

öffentlich an den Pranger stellt! Das wird<br />

dann sicher verboten.<br />

Steffen Reuter, per Facebook-Kommentar<br />

Das Horrorbild vom «rechtsextremen Deutschland»<br />

ist ein Deckmantel, unter welchem sich<br />

die wirklichen Extremisten, die Feinde der Demokratie,<br />

der Informations- und Meinungsfreiheit,<br />

die Todfeinde des aufgeklärten Bürgers<br />

verstecken, und ihr Süppchen kochen, das<br />

verdächtig nach rot-grüner (= brauner) Diktatur<br />

stinkt. Karl Fredrich, per Website-Kommentar<br />

Zu «Das Schweigen<br />

der Lämmer»<br />

Gerade, dass solche<br />

Leute wie Berger [Autor]<br />

gehört werden, ist richtig.<br />

Sie repräsentieren nämlich durchaus die<br />

Mehrheit ihrer Gruppe [der Homosexuellen].<br />

Ralf Josef, per Facebook-Kommentar<br />

Zum Dossier<br />

«Nach dem Brexit»<br />

Deutschland soll raus<br />

aus der EU und sich den<br />

freien Völkern Europas<br />

anschließen – für ein neues freies Europa ohne<br />

amerikanische Einflüsse. Kevin Interrante, per<br />

Facebook-Kommentar<br />

Jedes europäische Land ist in einer Individualität<br />

zu erhalten und weiter zu führen. Ein vereintes<br />

Europa – Ja! Aber kein vereintes Europa<br />

für die Großkonzerne. Es wird Zeit, alle Großkonzerne<br />

zu annullieren und wieder dem Volke<br />

zuzuführen. Diese Konzernführer, diese Verbrecher,<br />

müssen alle vor den Kadi.<br />

Kurt Liebisch, per Facebook-Kommentar<br />

Demokratie? Volksentscheide? Faire Wahlen?<br />

In Deutschland? Wann? Gauck hat es doch gesagt:<br />

Das Problem sind nicht die Eliten, das<br />

Problem ist momentan die Bevölkerung. Und<br />

die Rassisten der Konformistenpresse blasen<br />

ins selbe Horn. Ekelhaft!<br />

Direkter Demokrat, per Website-Kommentar


<strong>COMPACT</strong> Intern<br />

Österreich liest mit. Foto: billard-weingartner.at<br />

5. Konferenz für Souveränität | <strong>2016</strong> * <strong>COMPACT</strong> spricht Klartext. Foto: <strong>COMPACT</strong><br />

Islam<br />

Gefahr für Europa<br />

Sonder-Ausgabe Nr. 10 | 8,80 EUR (D) · spezial.compact-online.de<br />

Ab soforf im Handel!<br />

Deutschland hört zu. Foto: <strong>COMPACT</strong><br />

9,90 Euro (A), 13 sFr (CH)<br />

<strong>COMPACT</strong> in Wien<br />

<strong>COMPACT</strong> in Köln<br />

Grundwissen: Koran, Scharia und Dschihad als akute Bedrohung unserer Freiheit<br />

Geschichte: Raubzüge und Kolonisierung unter der grünen Fahne des Propheten<br />

Gegenwart: Warum der Islam mit unserem Grundgesetz nicht vereinbar ist<br />

Zukunft: Wie wir das Abendland und unsere Werte verteidigen können<br />

<strong>COMPACT</strong> in Berlin<br />

Bislang ist <strong>COMPACT</strong> nur in Deutschland<br />

am Kiosk zu kaufen. Wer in anderen Ländern<br />

lebt, muss es per Post beziehen, im Einzelversand<br />

oder im Abonnement. Nun haben wir immerhin<br />

zwei Verkaufspunkte außerhalb der<br />

Bundesrepublik etabliert.<br />

Ein ganz heißer Tipp ist das spanische Teneriffa,<br />

eine der ganzjährig sonnigen Kanareninseln.<br />

Dort betreibt Joachim Sondern – im<br />

Zweitberuf Chef der lesenswerten Plattform<br />

buergerstimme.com – ein Reformhaus, das<br />

lebhaft von deutschen Urlaubern frequentiert<br />

wird. Dort kann man sich ab September mit<br />

der neuesten Ausgabe von <strong>COMPACT</strong> versorgen<br />

und sich dann am Strand durch die Seiten<br />

fressen. Adresse: Reformhaus Botanico, Avda.<br />

Marques de Villanueva del Prado Canary Center,<br />

Local 48, 38400 Puerto de la Cruz.<br />

In Österreich wird das geschichtsträchtige<br />

Kaffeehaus Weingartner in Wien unsere<br />

erste Verkaufsstelle sein. Einen Steinwurf vom<br />

Westbahnhof in der Goldschlagstraße 6 gelegen,<br />

hält das Lokal schon seit den Zeiten der<br />

k.-u.-k.-Monarchie die Traditionen dieser Form<br />

von Gastlichkeit hoch: Man kann dort stundenlang<br />

sitzen und alle möglichen in- wie ausländischen<br />

Presseerzeugnisse studieren – und<br />

zwischendrin eine Partie Billard spielen, und<br />

zwar in der ehrwürdigen Carambolage-Version.<br />

<strong>COMPACT</strong> liegt dort selbstverständlich kostenlos<br />

zum Lesen aus, kann aber auf Nachfrage<br />

auch käuflich erworben werden.<br />

Wir planen weitere Verkaufsstellen in Österreich,<br />

haben den Kiosk-Start aber erst einmal<br />

auf 2017 vertagt: Gut Ding will Weile haben.<br />

«Für ein Europa der Vaterländer – Gegen Islamisierung<br />

und Fremdherrschaft» lautet das<br />

Motto der 5. <strong>COMPACT</strong>-Souveränitätskonferenz<br />

in Köln. Ausgerechnet in der Multikulti-<br />

Hochburg am Rhein wird ein Gipfeltreffen all<br />

jener stattfinden, die unseren Kontinent und<br />

seine historischen Nationen nicht verloren<br />

geben wollen. Erstmals treffen Vertreter der<br />

wichtigsten patriotischen Parteien im deutschsprachigen<br />

Raum zusammen: Aus Österreich<br />

reist Johannes Hübner an, der außenpolitische<br />

Sprecher der FPÖ; aus der Schweiz der<br />

Walliser Minister Oskar Freysinger (SVP), der<br />

2008 über eine Volksabstimmung das Minarettverbot<br />

in der Alpenrepublik durchsetze; aus<br />

Deutschland schließlich Björn Höcke, den viele<br />

in der AfD als Garanten einer dezidiert volksfreundlichen<br />

Orientierung sehen. Darüberhinaus<br />

bemühen wir uns um einen Redner des<br />

Front National von Marine Le Pen.<br />

Weitere Prominente haben schon in den<br />

letzten Jahren die Zuhörer begeistert: der<br />

Staatsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider,<br />

der langjährige tschechische Präsident Vaclav<br />

Klaus, die ehemalige außenpolitische Sprecherin<br />

der Duma Natalia Narotchnitskaya, der<br />

britische Publizist John Laughland und Matthias<br />

Sellner, der neue Rudi Dutschke. Von<br />

<strong>COMPACT</strong> runden der Philosoph Peter Feist<br />

und Chefredakteur Jürgen Elsässer das Tableau<br />

ab.<br />

Wir rechnen mit über 1.000 Leuten. Je früher<br />

Sie buchen, umso größer sind Ihre Aussichten<br />

auf ein garantiertes und günstiges Ticket.<br />

Apropos: <strong>COMPACT</strong>-Abonnenten können beim<br />

Kartenkauf bis zu 60 Euro sparen. Vorher abonnieren<br />

lohnt sich!<br />

Wer am 21. Juli, kurz nach der Axt-Attacke<br />

in einem Zugabteil bei Würzburg und kurz<br />

vor dem Bombenattentat von Ansbach, nicht<br />

den Weg nach Berlin-Mitte fand, der verpasste<br />

wirklich etwas. Knapp 150 Gäste waren<br />

an diesem Abend zur Vorstellung der neuen<br />

<strong>COMPACT</strong>-Spezial-Ausgabe Islam – Gefahr für<br />

Europa gekommen. Die Diskussion war spannend<br />

wie lange nicht. Zum Glück für alle Ferngebliebenen:<br />

Auf compact-online.de und You-<br />

Tube kann das Video der Veranstaltung angesehen<br />

werden. Manfred Kleine-Hartlage und<br />

Thor von Waldstein, Autoren von <strong>COMPACT</strong>-<br />

Spezial, diskutierten mit Chefredakteur Jürgen<br />

Elsässer die wichtigsten Fragen für das<br />

von Asylwahnsinn und Islamterror gebeutelte<br />

Deutschland. Wie umgehen mit dem islamistischen<br />

Wahn? Wie die eigene Kultur bewahren?<br />

Der Schlagabtausch der Referenten war<br />

für alle Zuschauer ein Genuss – und vor allem<br />

deshalb prickelnd, weil die Referenten<br />

bei aller übereinstimmenden Polemik gegen<br />

Zuwanderung und Bevölkerungsaustausch<br />

in Grundsatzfragen verschiedene Haltungen<br />

einnahmen. Während Kleine-Hartlage die islamische<br />

Kultur und ihren Expansionstrieb kritisierte<br />

und Elsässer einen Krieg des radikalen<br />

Sunnitentums gegen Europa konstatierte,<br />

bezeichnete von Waldstein den Islam als den<br />

«falschen Feind». Es sei Teil der angloamerikanischen<br />

Geostrategie, Okzident und Orient gegeneinander<br />

auszuspielen.<br />

Wer in Zukunft keine <strong>COMPACT</strong>-Live Veranstaltung<br />

verpassen will, sollte die Ankündigungen<br />

auf unserer Webseite im Auge behalten.<br />

Abonnenten haben freien Eintritt!<br />

9


<strong>COMPACT</strong> Köpfe des Monats<br />

Foto: picture alliance / AA<br />

Foto: Informationen aus Einsiedel<br />

Foto: picture alliance / dpa<br />

Karrieristin des Monats<br />

_ Sawsan Chebli<br />

Fußballer des Monats<br />

_ Michel Dinzey<br />

Was macht eigentlich<br />

_ Nadija Sawtschenko<br />

10<br />

Noch verkündet sie als Vize-Sprecherin des<br />

Auswärtigen Amtes die Politik Frank-Walter<br />

Steinmeiers. Doch vielleicht wird die 38-Jährige<br />

schon bald selbst ein Ressort leiten. Mit<br />

Berlins Regierendem Bürgermeister Michael<br />

Müller (SPD) trat Sawsan Chebli im Juli bereits<br />

zu einem gemeinsamen Sommerinterview<br />

über den Islam in Deutschland an. Immerhin<br />

dürfte Müller nach der Berlin-Wahl im<br />

September ein neues Kabinett zusammenstellen.<br />

Denkt er dabei an Chebli als Nachfolgerin<br />

von Integrationssenatorin Dilek Kolat, die<br />

in den letzten Jahren eher mit Personalquerelen<br />

im eigenen Haus als durch politische Erfolge<br />

auffiel?<br />

Die Positionen der praktizierenden Muslimin<br />

– auf das Kopftuch verzichtet sie lediglich<br />

aus Karrieregründen – würden jedenfalls<br />

gut zur durchaus wahrscheinlichen rot-grünroten<br />

Koalition an der Spree passen. «Mein<br />

Vater ist ein frommer Muslim, spricht kaum<br />

Deutsch, kann weder lesen noch schreiben, ist<br />

aber integrierter als viele Funktionäre der AfD,<br />

die unsere Verfassung in Frage stellen», verkündete<br />

sie mit Chuzpe.<br />

Irgendwie tolerant sollten Muslime gegenüber<br />

christlichen Gebräuchen wie dem Weihnachtsfest<br />

schon sein. Doch Empfehlungen an<br />

ihre Religionsgemeinschaft sind ihr offenbar<br />

nicht recht: Mit der Scharia hat Chebli kein erkennbares<br />

Problem. Die ungläubigen Eingeborenen<br />

wüssten einfach nicht, was der Begriff<br />

bedeutet: «Scharia heißt auf Deutsch: Weg<br />

zur Quelle, also der Weg zu Gott.» Demnächst<br />

steht das auf SPD-Plakaten, wetten? (fb)<br />

Toleranz und Respekt werden gerne groß<br />

geschrieben beim Zweitligisten FC St. Pauli.<br />

Wie schnell es mit diesen Werten am Millerntor<br />

vorbei sein kann, musste jetzt der einstige<br />

Star Michel Dinzey erleben. Sein früherer Verein<br />

schmiss den Mittelfeldspieler Ende Juli<br />

aus der Altliga-Mannschaft.<br />

Das Verbrechen des Kickers: Am 15. Juni<br />

unterstützte er die asylkritischen Proteste<br />

im sächsischen Einsiedel. Der Deutsch-Kongolese<br />

hatte in Chemnitz einen ehemaligen<br />

Mannschaftskollegen besucht und anschließend<br />

an einer Demonstration teilgenommen.<br />

«Ich habe nichts Rechtes gesehen, gute Gespräche<br />

geführt», sagte er anschließend der<br />

Hamburger Morgenpost. Auch ein Foto, das<br />

den Ex-Profi vor einem <strong>COMPACT</strong>-Plakat zeigt<br />

(siehe oben), postete der 43-Jährige. Umgehend<br />

ergoss sich ein Shitstorm über den einstigen<br />

Publikumsliebling.<br />

Dabei dürfte Dinzey scharfen Gegenwind<br />

gewöhnt sein – gut 20 Jahre wehte er ihm<br />

von den gegnerischen Fankurven ins Gesicht.<br />

1972 in Berlin geboren, begann Dinzey seine<br />

Profikarriere 1994 beim VfB Stuttgart. Später<br />

avancierte er zum Stammspieler unter anderem<br />

bei Hertha BSC und dem FC St. Pauli. Mit<br />

1860 München winkten ihm im Jahre 2000 sogar<br />

Einsätze in der Champions League. Doch<br />

Trainer Werner Lorant schickte ihn aufgrund<br />

von Differenzen kaum auf den Rasen. 33 Mal<br />

lief Dinzey zudem für die kongolesische Nationalmannschaft<br />

auf. Die aktuelle Hetze trifft ihn.<br />

Er habe nicht erwartet, «dass die Leute mit so<br />

einem Hass reagieren». (km)<br />

Sie ist Heldin der Ukraine. Sie ist ausgebildete<br />

Kampfpilotin. Sie ist Abgeordnete des<br />

Parlaments. Sie ist Mitglied des Europarates.<br />

Ihr Name ist Nadija Sawtschenko. – Sie ist<br />

«Verräterin des Volkes», «Putin-Agentin», «irre»<br />

und «gehört gevierteilt». Die Rede ist auch hier<br />

von Nadija Sawtschenko.<br />

Zwischen Huldigung und Verteufelung<br />

liegen nicht einmal zwei Monate. Die mittlerweile<br />

35-Jährige kämpfte im Osten der<br />

Ukraine gegen prorussische Separatisten.<br />

Darauf folgten Gefangennahme und Gerichtsverfahren<br />

in Russland. Das Urteil: schuldig der<br />

Beihilfe zum Mord an russischen Journalisten,<br />

22 Jahre Lagerhaft. Während des Prozesses<br />

trat sie mehrmals in den Hungerstreik, zeigte<br />

dem Richter ihren Mittelfinger und Wladimir<br />

Putin ihre Verachtung.<br />

Putin begnadigte sie. Im Mai <strong>2016</strong> kehrte<br />

Sawtschenko in die Heimat zurück. Man erwartete<br />

jetzt ihren Mittelfinger für Putin im<br />

Parlament. Sie aber sprach sich für das Ende<br />

des «Brudermordes» aus und schlug vor, mit<br />

den Separatisten direkt zu verhandeln – ein Tabubruch<br />

für die ukrainische Kriegspartei. Darüber<br />

hinaus beschuldigte sie die Machthaber in<br />

Kiew, den Krieg in der Ostukraine angefangen<br />

und sich an ihm eine goldene Nase verdient zu<br />

haben. Das war schlimmer als Tabubruch. Das<br />

war Majestätsbeleidigung des Präsidenten Petro<br />

Poroschenko. Der gab den «unabhängigen»<br />

Medien den Befehl: «Fass!»… Anfang August<br />

trat Sawtschenko in den Hungerstreik – nicht<br />

mehr im russischen Gefängnis, sondern in der<br />

«demokratischen» Ukraine. (pu)


<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />

Terrorists welcome<br />

_ von Jürgen Elsässer<br />

Merkel gibt Mördern Asyl: Von Paris und Brüssel über Würzburg, Reutlingen und Ansbach<br />

zieht sich die Blutspur, die vermeintliche Flüchtlinge durch friedliche Städte und<br />

Dörfer gezogen haben. Sie kamen, weil die Bundeskanzlerin Deutschland zum Multikulti-<br />

Paradies gemacht und die Grenzen geöffnet hat.<br />

Es war der Sommer der Kanzlerin – ein blutiger<br />

Sommer. Hunderte von Übergriffen auf Frauen in Freibädern<br />

und auf Polizisten in Problemvierteln konnten<br />

die Lügenmedien verschweigen und zu Einzelfällen<br />

bagatellisieren. Aber als der fundamentalistische<br />

Terror, den man zuvor nur in Fernsehaufnahmen aus<br />

Städten im Ausland gesehen hatte, Ende Juli die Bundesrepublik<br />

erreichte, gewann der Schrecken für die<br />

Deutschen eine neue, eine erfahrbare Dimension. Der<br />

Axtkiller von Würzburg, der Machetenmörder von Reutlingen,<br />

der Nagelbomber von Ansbach – sie alle waren<br />

als Flüchtlinge gekommen, sie alle waren Moslems.<br />

Die Bundeskanzlerin sah sich in keinem dieser Fälle<br />

bemüßigt, die Schreckensorte aufzusuchen und den<br />

Verletzten in den Krankenhäusern ihre Solidarität zu zeigen.<br />

Während sie vor einem Jahr ihre Amtsgeschäfte<br />

unterbrochen hatte, um in Aufnahmelagern mit den<br />

Asylbewerbern für Selfies zu posieren, blieb sie in diesen<br />

Horrortagen, als die ganze Nation in Angst und<br />

Panik war, eisern in ihrem Urlaubsort an der Uckermark.<br />

Keine Selbstkritik, nirgends<br />

Erst am 28. Juli bequemte sich Angela Merkel zu<br />

einer vorgezogenen Bundespressekonferenz nach Berlin<br />

– aber nur, um ihre Landsleute ein weiteres Mal zu<br />

verhöhnen. Erneut bekräftigte sie die Politik, durch die<br />

sie im September 2015 Deutschland zum Magneten für<br />

die weltweiten Migrationsströme gemacht hat: «Ich<br />

bin heute wie damals davon überzeugt, dass wir es<br />

schaffen, unserer historischen Aufgabe – und dies ist<br />

Sie wiederholte die<br />

verhasste Formulierung:<br />

«Wir schaffen<br />

das.»<br />

Vorgriff auf unsere Zukunft? Wehrlose<br />

Deutsche werden nach den<br />

Todesschüssen in München am<br />

22. Juli aus der Gefahrenzone<br />

eskortiert. Foto: picture alliance /<br />

SZ Photo<br />

11


1<br />

<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />

Terror-Deutschland<br />

Offiziell bestätigte islamistische Anschläge seit 2011<br />

Herford<br />

August 2014<br />

Messerattacke<br />

Essen 16.4.<strong>2016</strong><br />

Bombenattentat<br />

3 Verletzte<br />

Köln<br />

Düsseldorf<br />

Hamburg<br />

Berlin<br />

Hannover 26.2.<strong>2016</strong><br />

Messerangriff<br />

1 Verletzter<br />

Ramstein<br />

Frankfurt/M.<br />

Würzburg 18.7.<strong>2016</strong><br />

Axtangriff<br />

1 Toter, 5 Verletzte<br />

Frankfurt/M. 2.3.2011<br />

Schusswaffenangriff<br />

2 Tote<br />

Ansbach 24.7.<strong>2016</strong><br />

Bombenanschlag<br />

1 Toter, 15 Verletzte<br />

Anschläge<br />

Quelle: wikipedia <br />

geplante Anschläge<br />

Grafik: <strong>COMPACT</strong><br />

12<br />

Die zerstörte Glasscheibe eines<br />

Schaukasten eines Fotostudios, aufgenommen<br />

am 25.7.<strong>2016</strong> in der Altstadt<br />

von Ansbach (Bayern), einen<br />

Tag nach der Bombenexplosion.<br />

Foto: picture alliance / dpa<br />

Mohamed Daleel.<br />

Foto: picture alliance / AP Photo<br />

Hochglanzmagazin des Islamischen<br />

Staates. Foto: Dabiq<br />

eine historische Bewährungsaufgabe in Zeiten der Globalisierung<br />

– gerecht zu werden.» Arrogant wiederholte<br />

sie die mittlerweile im Volk verhasste Formulierung:<br />

«Wir schaffen das. Und wir haben im Übrigen<br />

in den letzten elf Monaten sehr, sehr viel bereits<br />

geschafft.» Wie müssen sich bei diesen Worten die<br />

Menschen fühlen, die in den letzten elf Monaten<br />

Opfer von Merkels Refugees-welcome-Kurs geworden<br />

sind? Die «Würde des Menschen ist unantastbar»,<br />

führt die CDU-Politikerin aus – und begründet mit diesem<br />

Grundgesetzartikel, warum man keinem Asyl verweigern<br />

dürfe. Dass auch wir Inländer ein Recht auf<br />

Würde, auf Eigentum und auf körperliche Unversehrtheit<br />

haben und sie im Amtseid geschworen hat, Schaden<br />

vom deutschen Volk abzuwenden – das kam ihr<br />

nicht über die Lippen.<br />

Bundesinnenminister Thomas de<br />

Maizière kassierte das Burka-Verbot.<br />

Wer immer gehofft hatte, in der Union würde das<br />

sture «Weiter so» ihrer Frontfrau einen Aufschrei provozieren,<br />

musste sich mit einem Sturm im Wasserglas<br />

begnügen. Die CSU attestierte ihr «Blauäugigkeit» und<br />

wiederholte ihre schon im Frühjahr zahnlos gewordene<br />

Drohung, 2017 einen eigenen Kanzlerkandidaten aufzustellen.<br />

Die Innenminister der Unions-regierten Länder<br />

brachten zwar kurzfristig einen Forderungskatalog<br />

in Umlauf, der auch ein Ende der doppelten Staatsbürgerschaft<br />

und ein Burka-Verbot umfasste – doch Bundesinnenminister<br />

Thomas de Maizière kassierte die<br />

Vorlage. Realistisch sind für ihn nur eine Aufstockung<br />

der Polizei, ein Mehr an Videoüberwachung und rigorosere<br />

Abschiebungen – Punkte, die schon oft angekündigt<br />

worden sind, ohne dass dies zu Resultaten<br />

geführt hätte.<br />

Milde für die Mörder<br />

Ausdrücklich betonte Merkel auf dieser Pressekonferenz:<br />

«Wir befinden uns in keinem Krieg oder keinem<br />

Kampf gegen den Islam.» Was aber, wenn die<br />

Anhänger des Propheten uns ihrerseits schon längst<br />

den Krieg erklärt haben? Der 17-jährige Riaz Khan<br />

Ahmadzai, der am 18. Juli in einem Regionalzug bei<br />

Würzburg mit Axt und Messer auf Mitreisende einhieb,<br />

sagte in seinem Bekennervideo: «Jeder Mudschahed<br />

wird zu Euch kommen und Euch in Euren eigenen<br />

Häusern töten. (…) Wie Ihr seht, habe ich in Eurem<br />

Land gelebt. Ich habe in Euren Häusern meinen Plan<br />

gemacht und werde Euch in Euren Häusern und auf der<br />

Straße töten, so dass Ihr Frankreich vergessen werdet.»<br />

Es wirft ein grelles Schlaglicht auf die Blindheit,<br />

wenn nicht den Verrat der politischen Klasse, dass<br />

die Frankfurter Allgemeine Zeitung dieselbe Seite,<br />

auf der sie diese Kriegserklärung des jungen Afghanen<br />

zitierte, unter anderem mit der dämlichen Frage<br />

aufmachte: «War der Angreifer von Würzburg psychisch<br />

krank oder ein überzeugter Islamist?» Letzteres<br />

ist für die Journaille offensichtlich erst dann erwiesen,<br />

wenn jemand einen Mitgliedsausweis des Islamischen<br />

Staates mit sich führt – ein Bekennervideo<br />

genügt nicht… Noch abstoßender waren nur die Kritik<br />

der grünen Politikerin Renate Künast an dem finalen<br />

Todesschuss, mit dem die Polizei den Dschihadisten<br />

schließlich gestoppt hatte, und die Islamverstehe-


<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />

rei des Bundespräsidenten im Bild-Interview zwei Tage<br />

nach Würzburg. Man müsse Lösungen suchen «auch<br />

bei der sozialen Integration, denn die Mehrheit der<br />

terroristischen Mörder kommt aus dem gesellschaftlichen<br />

Abseits», salbaderte Joachim Gauck. Dabei hat<br />

Deutschland dem Axtkiller ein Maximum an «sozialer<br />

Integration» geboten! Der minderjährige Asylbewerber<br />

war zunächst monatelang in einem früheren Kolpingheim<br />

untergebracht – die «besonders gute Unterkunft»<br />

(FAZ) kostete den Steuerzahler in seinem Fall<br />

satte 50.000 Euro. Zwei Wochen vor der Tat durfte er<br />

dann sogar noch in eine Pflegefamilie wechseln. «Alles<br />

schien sich gut zu entwickeln; er bekam eine Praktikumsstelle<br />

in einer Bäckerei, eine Lehrstelle war in<br />

Aussicht», schreibt die FAZ. Doch die Gastfreundschaft<br />

führte den Fanatiker gerade nicht an unsere Gesellschaft<br />

heran, sondern offerierte ihm eine komfortable<br />

Ruhezone zur Vorbereitung seiner Verbrechen.<br />

Die Heim-Unterbringung des späteren<br />

Axtkillers kostete den Staat<br />

50.000 Euro.<br />

Auf ähnliche Weise wurde der Anschlag in Ansbach<br />

durch falsch verstandene Rücksicht möglich<br />

gemacht. Der Asylantrag des späteren Bombenlegers<br />

Mohamed Daleel wurde im Dezember 2014 abgelehnt,<br />

weil er aus dem sicheren Drittstaat Bulgarien<br />

gekommen war. Doch zur Rückführung dorthin kam es<br />

nicht – unter anderem, weil Harald Weinberg, Nürnberger<br />

Bundestagsabgeordneter der Linkspartei, sich<br />

für sein Bleiberecht einsetzte, sodass Daleels Abschiebung<br />

im Februar 2015 ausgesetzt wurde. Erst Mitte Juli<br />

<strong>2016</strong> – also 16 Monate später! – wurde dem Syrer mitgeteilt,<br />

dass er jetzt ausreisen müsse – und auch dagegen<br />

hätte er noch einen Monat lang Zeit zum Widerspruch<br />

gehabt. Weinberg bereute übrigens auch nach<br />

der Bluttat seinen Einsatz für Daleel nicht: «Nach allem,<br />

was ich damals wusste, würde ich heute wieder so<br />

entscheiden.»<br />

Totaler Kontrollverlust<br />

Von Anfang an profitierten die Killer von der – von<br />

oben angeordneten! – Passivität des Staates. Der Würzburger<br />

Täter reiste im Juni 2015 ein, also sogar noch<br />

vor Beginn der großen Flut, und trotzdem schaffte es<br />

die Bundespolizei schon zu diesem Zeitpunkt meistens<br />

nicht, von Asylbewerbern Fingerabdrücke zu nehmen –<br />

so rutschte auch Ahmadzai durch. Personaldokumente<br />

hatte er ebenfalls nicht vorzuweisen – dennoch glaubte<br />

man seiner Angabe, dass er erst 16 Jahre alt sei. Deswegen<br />

durfte er «das für unbegleitete minderjährige<br />

Flüchtlinge übliche Prozedere» durchlaufen und gleich<br />

erhebliche Privilegien in Anspruch nehmen: «einen möglichst<br />

sofortigen Zugang zu Schule und Ausbildung,<br />

Inobhutnahme durch das Jugendamt, Unterbringung in<br />

einer speziellen Unterkunft» (FAZ, 22. Juli). Als dieser<br />

Skandal nach dem Würzburger Attentat «quälende Fragen<br />

nach der sicherheitspolitischen Lage in Deutschland»<br />

(ebenda) aufwarf, verteilte das Bundesamt für<br />

Migration und Flüchtlinge ein Placebo. «Alle Flüchtlinge<br />

in Deutschland seien mittlerweile registriert und<br />

polizeilich überprüft», wurde eine Behördensprecherin<br />

am 2. August zitiert. Das stieß tags darauf selbst dem<br />

systemkonformen Mitteldeutschen Rundfunk sauer auf:<br />

«Zweifel sind erlaubt, schließlich sprechen Landespolitiker<br />

wie Ministerpräsident [Reiner] Haseloff in Magdeburg<br />

von 100.000 oder mehr Menschen, die illegal<br />

kamen und von denen niemand weiß, wo sie leben.»<br />

Bruch des Dublin-<br />

Vertrages<br />

Das Dublin-Abkommen sieht vor,<br />

dass Flüchtlinge nur in dem Land<br />

Asyl bekommen können, in dem<br />

sie zum ersten Mal EU-Territorium<br />

betreten und einen Antrag<br />

stellen. Die Bundesregierung<br />

hält sich nicht an dieses Abkommen<br />

und schickt fast niemanden<br />

nach – zum Beispiel – Griechenland<br />

oder Italien zurück.<br />

Vertragstreu verhält sie sich<br />

nur, wenn andere Staaten von<br />

Deutschland verlangen, ihnen<br />

Asylbewerber abzunehmen, weil<br />

sie über die BRD dorthin weitergereist<br />

sind. Durch die assymetrische<br />

Auslegung des Dublin-Abkommens<br />

ist die absurde<br />

Situation entstanden, dass die<br />

Bundesrepublik im ersten Halbjahr<br />

<strong>2016</strong> mehr Asylanten von<br />

den Vertragspartnern übernahm<br />

(6.657) als an diese überstellte<br />

(1.758).<br />

Pässe? Haben die meisten Flüchtlinge<br />

sowieso nicht. Foto: picture<br />

alliance / dpa<br />

Refugees dürfen Merkel auch ganz<br />

nahe kommen. Foto: pa /dpa<br />

Internet-Video – Angreifer von Würzburg Riaz Khan Ahmadzai.<br />

Foto: picture alliance / dpa<br />

13


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<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />

9,90 Euro (A), 13 sFr (CH)<br />

Asyl. Das Chaos<br />

So kommt der Bürgerkrieg zu uns<br />

Sonder-Ausgabe Nr. 8 | 8,80 EUR (D) · spezial.compact-online.de<br />

Multikulti-Land ist abgebrannt | Dschihadisten im Flüchtlingsstrom<br />

Morde, Massaker und Migranten | Erdogan und Soros als Schlepper<br />

Die Terrorhelfer CIA und Muslimbrüder | Merkels Notstandsdiktatur<br />

<strong>COMPACT</strong>-Spezial Nummer 8 –<br />

«Asyl. Das Chaos.» Foto: <strong>COMPACT</strong><br />

«Die Terroristen<br />

sind keine Flüchtlinge.»<br />

Heiko Maas<br />

Früher nannte man so etwas eine<br />

Invasion. Grenzdurchbruch in Mazedonien<br />

am 7. September 2015.<br />

Foto: picture alliance / dpa<br />

Wie jemand «polizeilich überprüft» werden kann,<br />

der keine Personaldokumente vorzuweisen hat, ist<br />

ohnedies ein Rätsel. Das traf im Januar <strong>2016</strong> auf satte<br />

77 Prozent der Asylforderer zu – so die FAZ mit Verweis<br />

auf die Bundespolizei. Eine besondere Schwachstelle<br />

sind die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, die<br />

als besonders schutzbedürftig eingestuft und deshalb<br />

mit Samthandschuhen angefasst werden. Dabei ist es<br />

gerade diese Gruppe, die nach Angaben des Schweriner<br />

Innenministers Lorenz Cafier (CDU) «immer wieder<br />

durch Gewalt und Straftaten» auffalle – der Würzburger<br />

Mordbube war nur der bis dato schlimmste Fall.<br />

Im April meldete das Bundesinnenministerium, dass<br />

8.629 minderjährige Asylbewerber vermisst werden –<br />

keiner weiß, wie viele davon in illegale Kriminalität<br />

und Prostitution gezwungen wurden oder sich dem IS<br />

angeschlossen haben. Der Verfassungsschutz warnt<br />

jedenfalls schon seit Längerem, dass die Teenager<br />

«ein häufiges Ziel von Anwerbeversuchen islamistischer<br />

Extremisten» sind. «In den vergangenen Monaten<br />

seien mehr als 300 Fälle registriert worden», resümierte<br />

die FAZ am 20. Juli.<br />

Die Schlepperkönigin<br />

Die Hauptverantwortliche dieser falschen Toleranzpolitik<br />

ist die Bundeskanzlerin. Sie hat die Richtlinienkompetenz<br />

über ihre Minister – und deshalb geht auf<br />

ihr Konto, dass unsere Grenzen so durchlässig wurden.<br />

Besonders verheerend für die Sicherheitslage war,<br />

dass sie am 4. September 2015 den förmlichen Verzicht<br />

auf alle Einreisekontrollen anordnete – in der Folge<br />

konnten Dschihadisten noch leichter ins Land kommen.<br />

So waren drei der acht IS-Attentäter, die am 13.<br />

November 2015 in Paris 130 Menschen töteten und 352<br />

verletzten, über das dank Merkel sperrangelweit geöffnete<br />

Einfallstor in Südosteuropa eingereist. Trotzdem<br />

verkündete Bundesjustizminister Heiko Maas damals<br />

dreist, es gebe «keine Verbindung zwischen Terror und<br />

Flüchtlingen».<br />

Nicht anders war es bei der Anschlagsserie am 22.<br />

März <strong>2016</strong> in der belgischen Hauptstadt, mit 35 Toten<br />

und über 300 Verletzten: «Zumindest drei der Attentäter<br />

von Brüssel sind als Flüchtlinge getarnt über die Balkanroute<br />

in die EU eingereist», meldete die Kronen Zeitung<br />

am 31. März. Später wurde klar, dass noch mehr Killer<br />

sich als Asylbewerber kostümiert hatten. «Die IS-Terroristen,<br />

so glauben die französischen Ermittler inzwischen,<br />

reisten mehrheitlich als syrische Flüchtlinge<br />

getarnt auf der sogenannten Balkanroute in die Europäische<br />

Union», referierte die Welt am 6. April den Ermittlungsstand.<br />

Auch dieses Mal versuchte Maas abzuwiegeln:<br />

«Die Terroristen sind keine Flüchtlinge», erklärte er.<br />

Als Organisator fungierte in beiden Fällen Salah<br />

Abdeslam, der Bruder eines der Selbstmordbomber<br />

vom 13. November. Er pendelte immer wieder zwischen<br />

Griechenland und den späteren Anschlagsorten<br />

hin und her. Am 8. und 9. September fuhr er zum Beispiel<br />

gezielt von Belgien nach Budapest und parkte<br />

dort unweit des Ostbahnhofes, wo sich zu diesem Zeitpunkt<br />

Tausende von Syrern und anderen angeblichen<br />

Flüchtlingen in Erwartung der Weiterreise nach Mitteleuropa<br />

gesammelt hatten. Das Datum steht in unmittelbarer<br />

Verbindung mit dem Wegfall der deutschen<br />

Grenzkontrollen, den Merkel vier Tage zuvor verfügt<br />

hatte. Abdeslam erkannte offensichtlich, dass diese<br />

Situation günstig war, um mordlustige Dschihadisten<br />

zu schleusen. Erwiesen ist jedenfalls, dass er auf dem<br />

Rückweg Mohamed Belkaid und Nadschim Lachraoui<br />

im Auto hatte: den angeblichen Logistiker der Pariser<br />

Anschläge und einen der Attentäter vom Brüsseler<br />

Flughafen.<br />

Das Verblüffende: Die Killer wiesen sich beim<br />

Betreten von Schengen-Europa zumeist mit gefälschten<br />

Pässen als Syrer aus. Auf diese Idee hatte sie Merkel<br />

höchstpersönlich gebracht: Sie ordnete bereits in<br />

den letzten Augusttagen 2015 an, dass Flüchtlinge<br />

aus diesem Bürgerkriegsland unter Bruch des Dublin-<br />

Abkommens auf jeden Fall in Deutschland einreisen<br />

könnten und nicht in den Staat, wo sie zuerst in die EU<br />

gekommen waren, zurückgeschoben werden dürften.<br />

14<br />

Aber die Schuld der Bundeskanzlerin ist noch größer.<br />

Es stimmt nämlich nicht, wie die Leitmedien<br />

behaupten, dass man die gefälschten Personaldokumente<br />

nicht hätte entdecken können – weil es sich<br />

dabei gar nicht um Fälschungen handelte, sondern um<br />

originale Blankopässe, von denen der IS und die verbündete<br />

al-Nusra-Front schon 2015 insgesamt 3.800


Ausgabe 12/2015 | 4,95 EUR<br />

www.compact-online.de<br />

<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />

Geld gibt es in Germoney auch, wenn die Fahne falsch herum<br />

hängt. Foto: picture alliance / AP Photo<br />

gestohlen hatten. Dabei wird geflissentlich übergangen,<br />

dass man die Inhaber dieser Papiere sehr wohl<br />

hätte identifizieren können, denn: «Die Nummern der<br />

gestohlenen Pässe sind den Behörden bekannt und<br />

zur Fahndung ausgeschrieben. Die Informationen gab<br />

Griechenland bereits im Juni in das Schengeninformationssystem<br />

(SIS) ein» (Berliner Zeitung, 24.9.2015).<br />

Hätte die Bundeskanzlerin also Anfang September die<br />

Grenzkontrollen nicht aufheben und stattdessen jedes<br />

Ausweisdokument der Einreisenden überprüfen lassen,<br />

hätten durch SIS-Abgleich alle verdächtigen Personen<br />

sofort festgenommen und eingesperrt werden können.<br />

Nur weil das nicht geschah, konnten die Gotteskrieger<br />

durchschlüpfen und auf ihre Stunde warten.<br />

Merkel contra Sicherheit<br />

Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen<br />

gab Mitte April zu, dass man die Situation «zunächst<br />

falsch eingeschätzt» habe: Man habe es «für unwahrscheinlich<br />

gehalten, dass der IS den Flüchtlingsstrom<br />

nutzen» werde. Maaßen weiter: «Wir dachten, das<br />

Risiko sei schlichtweg viel zu hoch. Mittlerweile wissen<br />

wir: Was den IS angeht, müssen wir eben auch<br />

dazulernen.» Das «islamistisch-terroristische Potential»<br />

in der Bundesrepublik beziffert er auf 1.100 Personen,<br />

hinzu kämen 8.650 Salafisten.<br />

Maaßen warnte schon damals vor Anschlägen auch<br />

bei uns: «Deutsche Städte werden in einem Zusammenhang<br />

mit anderen Metropolen wie Paris, London<br />

oder Brüssel genannt.» Der Axtschlächter von Würzburg<br />

und der Bombenleger von Ansbach zeigen, wie<br />

Recht er mit dieser Warnung hatte. Mittlerweile ist<br />

auch klar, «dass beide Männer mehrfach Kontakte zu<br />

Personen hatten, die mutmaßlich dem Islamischen<br />

Staat (IS) angehören, und dass sie bei der Ausführung<br />

ihrer Anschläge bis in deren Einzelheiten hinein<br />

gesteuert wurden» (FAZ, 6. August).<br />

Die Chefs von Bundespolizei und BND, Dieter<br />

Romann und Gerhard Schindler, hatten, zusammen mit<br />

Maaßen, schon im letzten Herbst ein Ende der naiven<br />

Refugees-welcome-Politik gefordert. «Aufstand gegen<br />

Merkel?» fragte Die Welt Ende Oktober. «Sicherheitsbehörden<br />

warnen wegen der Flüchtlingskrise vor totalem<br />

Kontrollverlust. Sie halten den Kurs der Kanzlerin<br />

für brandgefährlich – und fordern die Schließung der<br />

Grenzen.» Jan Fleischhauer, einer der wenigen Realisten<br />

bei Spiegel-Online, erzählt das Trauerspiel weiter:<br />

«Im Kanzleramt hörte man sich ihre Sorgen an, aber<br />

man hatte immer neue Gründe, warum eine Abriegelung<br />

nicht möglich sei. Die Lage in Griechenland.<br />

Technisch nicht machbar. Zum Schluss hieß es, wenn<br />

Deutschland seine Grenze dichtmache, hätte das einen<br />

Krieg auf dem Balkan zur Folge. Wer einen der drei<br />

obersten Sicherheitsexperten in diesen Wintertagen<br />

traf, konnte ihre Verzweiflung mit Händen greifen.»<br />

Selbst nach dem blutigen Sommer will die Rautenfrau<br />

nicht auf ihre Sicherheitsexperten hören. «Nach<br />

unserer Auffassung – nach meiner Auffassung, aber<br />

auch nach Auffassung der [EU-]Kommission – ist eine<br />

Zurückweisung eines Asylsuchenden nicht möglich»,<br />

verkündete sie apodiktisch auf der Pressekonferenz am<br />

28. Juli. «Damit ist eine Auffassung vom Tisch, die<br />

im Oktober vorigen Jahres auf vier dichtbeschriebenen<br />

Seiten von Fachleuten des Bundesinnenministeriums<br />

ausgearbeitet worden war, allerdings nicht als<br />

offizielle Position des Hauses. Die Autoren kamen ausdrücklich<br />

zu dem Schluss, dass auch die Dublin-Verordnung<br />

die Zurückweisung in einen sicheren Drittstaat<br />

zulasse», kommentierte die FAZ. Das war gegenüber<br />

der Kanzlerin sehr höflich formuliert.<br />

Tatsächlich sind solche Zurückweisungen laut Dublin-<br />

Vertrag, vor allem aber gemäß Grundgesetz keineswegs<br />

nur zulässig, sondern zwingend vorgeschrieben, wenn<br />

ein Antragsteller aus einem sicheren Drittstaat – und das<br />

sind ausnahmslose alle an unseren Grenzen – kommt.<br />

Nur wer auf dem Luft- oder Seeweg deutsches Territorium<br />

erreicht, kann demnach Asyl beantragen. Deswegen<br />

gingen einige der damaligen Eingaben aus dem Innenministerium<br />

auch wesentlich weiter, als es die Merkel-<br />

Presse heute noch wahrhaben will. Wörtlich hieß es in<br />

einem der sogenannten Non-Papers, verfasst von einem<br />

«hochrangigen Sicherheitsmann aus dem Bundesapparat»<br />

(Die Welt), in Bezug auf Abweisungen an der Grenze:<br />

«Die Bundespolizei ist hierzu nach dem Aufenthaltsrecht<br />

verpflichtet; gegenteilige Weisungen der Bundesregierung<br />

sind rechtswidrig.» Ein weiterer «hochrangiger<br />

Beamter», dessen Namen das Blatt ebenfalls nicht preisgab,<br />

argumentierte ähnlich: «Entgegenstehende Weisungen<br />

sind rechtswidrig und führen zur Strafbarkeit (…)<br />

wegen Anstiftung oder Beihilfe zur illegalen Einreise von<br />

Ausländern (…).» Damit wurden die Polizisten zur Meuterei<br />

aufgerufen; allerdings wäre das eine Meuterei im<br />

Sinne des Recht – gegen eine Regierungschefin, die den<br />

Rechtsbruch notorisch gemacht hat.<br />

Strafbares Verhalten<br />

Die kriminelle Kanzlerin<br />

Meuterei<br />

Wie Pegida ist die Polizei?<br />

Berufsverbot<br />

Hexenjagd auf Pirincci<br />

Superwaffen<br />

Putin siegt in Syrien<br />

DFB-Skandal<br />

Der falsche Zwanziger<br />

Dossier: Für die Festung Europa<br />

Beiträge der der <strong>COMPACT</strong>-Freiheitskonferenz<br />

«Ist Angela Merkel eine Schleuserin?»<br />

betitelte der Passauer<br />

Strafrechtler Holm Putzke seine<br />

mehrseitige Expertise, die durch<br />

eine auszugsweise Veröffentlichung<br />

der FAZ Anfang November<br />

2015 besonderes Gewicht<br />

erhielt. Putzke beantwortet die<br />

Frage mit einem Vergleich: «Entweder<br />

erfüllen Personen, die<br />

ab dem 5. September Flüchtlinge<br />

nach Deutschland befördert<br />

haben, nicht den Tatbestand<br />

des Einschleusens von Ausländern»,<br />

dann wären Hunderte<br />

von entsprechenden Verfahren<br />

vor deutschen Gerichten einzustellen.<br />

«Oder all jene haben<br />

sich ebenfalls strafbar gemacht,<br />

die bei der unerlaubten Einreise<br />

Hilfe geleistet haben, darunter<br />

die Bundeskanzlerin.» Und weiter:<br />

«Angela Merkels Entschluss,<br />

zusammen mit Österreich die<br />

EU-Abreden über das Weiterreiseverbot<br />

von Flüchtlingen außer<br />

Kraft zu setzen, stellt sich zweifellos<br />

als eine solche Förderung<br />

dar, wenn es nicht sogar konkludent<br />

als Aufforderung zur<br />

unerlaubten Einreise zu verstehen<br />

war, was ebenfalls strafbar<br />

wäre, nämlich nach Paragraph<br />

111 Absatz 1 des Strafgesetzbuches<br />

(STGB).»<br />

<strong>COMPACT</strong> 12/2015. Foto: <strong>COMPACT</strong><br />

Nach eigenen Angaben «wird»<br />

der Islamische Staat auch Europa<br />

erobern. Foto: Dabiq<br />

15


<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />

Sie kommen als Türkei-Touristen<br />

_ von Karel Meissner<br />

16<br />

Überläufer des Islamischen Staates berichten von einer geheimen Killerstruktur<br />

namens Emni, die auf unserem Kontinent in Lauerstellung<br />

liegt. Aus dem Untergrund heraus rekrutieren sie Konvertiten, die den<br />

Sicherheitsbehörden noch nicht aufgefallen sind.<br />

Für einsame Wölfe<br />

«Wie könnt Ihr dort [im Westen]<br />

in Ruhe schlafen, während wir<br />

hier gebombt werden von den<br />

Amerikanern. (…) Nehmt Bomben,<br />

sprengt sie in die Luft. Oder<br />

stecht sie ab mit dem Messer.<br />

Und wenn Ihr das nicht könnt,<br />

dann spuckt denen wenigstens<br />

ins Gesicht.» (Aufruf von Emni-<br />

Chef Abu Muhammad al-Adnani<br />

an Muslime in westlichen Ländern,<br />

November 2014)<br />

Al-Adnani gehört zum engsten Führungszirkel<br />

des IS. Foto: YouTube<br />

_ Karel Meissner lebt als IT-<br />

Spezialist in Birmingham.<br />

Bis zu 220 Passagiere kann eine<br />

Boeing 737 von der Türkei nach<br />

Deutschland transportieren.<br />

Foto: Turkish Airlines<br />

«Etwa 1.200 Jugendliche aus Deutschland befinden<br />

sich in Syrien. In den sogenannten German Camps werden<br />

diese Jugendlichen noch mehr radikalisiert und<br />

an Waffen ausgebildet. Viele kämpfen auf der Seite<br />

des IS. Viele davon kommen als Schläfer zurück nach<br />

Deutschland. Sie sind eine tickende Zeitbombe unter<br />

uns.» Dieser Weckruf kommt nicht von einem der vermaledeiten<br />

Rechtspopulisten oder einem Ausländerhasser.<br />

Der Autor ist türkischer Mitbürger und Abgeordneter<br />

der CDU im hessischen Landtag: Ismail Tipi.<br />

Am 15. Juli, direkt nach dem Blutbad in Nizza und noch<br />

vor den Anschlägen in Deutschland, versuchte er uns<br />

wachzurütteln.<br />

«Sie sind eine tickende Zeitbombe<br />

unter uns.» <br />

Ismail Tipi<br />

Zwei Wochen später veröffentlichte keine deutsche<br />

Zeitung, sondern die New York Times (NYT) ein<br />

umfangreiches Interview mit einem der jungen IS-<br />

Kämpfer aus der Bundesrepublik, der mittlerweile in<br />

einem Hochsicherheitsgefängnis in der Nähe von Bremen<br />

einsitzt. Dieser Harry Sarfo wohnte bis vor einem<br />

Jahr noch in der Hansestadt, reiste dann aber in die<br />

Levante, um sich dem Heiligen Krieg anzuschließen.<br />

Nur wenige Tage, nachdem er auf IS-kontrolliertem<br />

Gebiet angekommen war, tauchten Gesichtsmasken<br />

tragende Mitglieder des Geheimdienstes der Terrormiliz<br />

auf, die ihm mitteilten, dass Europäer nicht mehr<br />

nach Syrien kommen sollten. Sie würden dringender<br />

in ihren Heimatländern gebraucht. «Er informierte uns<br />

ganz offen darüber, dass der IS in europäischen Staaten<br />

sehr viele ”Schläfer” habe, die auf Befehl jederzeit<br />

zu Anschlägen (…) bereit seien,» erklärte Sarfo. «In<br />

England, Deutschland und Frankreich sollten gleichzeitig<br />

eine Vielzahl von Anschlägen stattfinden.»<br />

Drahtzieher bleiben anonym<br />

Die Maskierten gehörten zu einer IS-Einheit mit dem<br />

arabischen Namen Emni, die von Propagandachef Abu<br />

Muhammad al-Adnani geführt wird. Ihm unterstellt sind<br />

sogenannte Leutnants, die mit der Planung von Angriffen<br />

in verschiedenen Weltregionen beauftragt sind.<br />

Nach Angaben Sarfos, aber auch weiterer Gefangener<br />

hat Emni sowohl die Anschläge im November 2015 in<br />

Paris verübt als auch die Koffer-Bomben gebaut, die im<br />

März in Brüssel explodiert sind. Auch der Überfall auf<br />

eine Ferienanlage im tunesischen Sousse im Sommer<br />

2015 gehe auf das Konto von Emni. Laut Sarfo befinden<br />

sich viele der von al-Adnani nach Europa geschickten<br />

Kämpfer im Untergrund. Sie suchen nach potenziellen<br />

Selbstmordattentätern, die sich von der IS-Propaganda<br />

angezogen fühlen. Die Verbindung zu den Ausgewählten<br />

werde über «saubere Leute» hergestellt, die zum<br />

Islam konvertiert sind, aber noch keine nachweisbaren<br />

Kontakte zu radikalen Gruppen gehabt haben. «Die<br />

im Untergrund lebenden Drahtzieher nehmen keinen<br />

direkten Kontakt zu potenziellen Attentätern auf, damit<br />

sie bei deren Gefangennahme nicht aufgespürt werden<br />

können», erläuterte Sarfo gegenüber NYT.<br />

Zu den Methoden der Einschleusung erklärte Sarfo,<br />

dass der IS kampfwillige Deutsche als All-Inclusive-<br />

Urlauber mit Rückflugticket in einen Badeort im Süden<br />

der Türkei reisen lässt; von dort aus würden sie von<br />

Schmugglern nach Syrien gebracht und in wenigen<br />

Tagen militärisch ausgebildet. «Bei ihrer Rückkehr<br />

nach Frankreich oder Deutschland können sie angeben,<br />

sie hätten nur ihren Urlaub in der Türkei verbracht»,<br />

erläuterte Sarfo. Westliche Geheimdienste<br />

gehen nach Angaben der NYT davon aus, dass Emni<br />

auf diese Weise mindestens 28 potentielle Attentäter<br />

auf der ganzen Welt verteilt habe, die auf einen Einsatzbefehl<br />

warten. Zu dieser – scheinbar – geringen<br />

Zahl kommen noch radikalisierte Einzelpersonen, die<br />

auf eigene Faust und ohne direkte Verbindung zu Emni<br />

Terror verbreiten sollen. Sie finden Anregungen in dem<br />

eBook Wie man im Westen überlebt. Ein Handbuch<br />

für Mujahideen, das im März 2015 über das Netz verbreitet<br />

wurde. Erklärt wird unter anderem, wie man Alltagsgegenstände<br />

– Messer, Äxte, Autos – als tödliche<br />

Waffen benutzt.


<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />

Requiem für Jolanta<br />

_ von Martin Müller-Mertens<br />

In Reutlingen starb eine vierfache Mutter unter den Machetenhieben eines Asylforderers.<br />

Die Behörden verharmlosen die Tat, die Antifa schüchtert Trauernde ein, die Staatsanwaltschaft<br />

droht allen, die an ihrer Version zweifeln.<br />

Die Welt ging an einem Sonntagabend unter. Am 24.<br />

Juli klingelte Wladyslaw Majka bei den Kindern von<br />

Jolanta Kijak in der polnischen Kleinstadt Dabrowa Tarnowska.<br />

Gemeinsam mit Polizisten musste der Chef der<br />

Sozialbehörde GOPS eine grausame Nachricht überbringen:<br />

Ihre Mutter lebt nicht mehr. Der Asylant Mohamad<br />

Halef zerhackte sie nur Stunden zuvor im fernen<br />

Reutlingen mit einer 60 Zentimeter langen Machete.<br />

Majka kannte Jolanta – wie viele andere in dem<br />

12.000-Einwohner-Ort in der südlichen Wojewodschaft<br />

Kleinpolen. «Der Moment, in dem ich es den Kindern<br />

mitteilen musste, war einer der schlimmsten in meinem<br />

Leben», zitierte ihn die Zeitung Dziennik Polski.<br />

«Die Familie hat ein sehr enges Verhältnis. Mama war<br />

ihre ganze Welt.» Nun steht Dabrowa Tarnowska unter<br />

Schock. Er habe in den Medien von der Tragödie gehört,<br />

aber «nie gedacht, dass Jola betroffen sein könnte»,<br />

meinte ein Nachbar.<br />

Jolantas Weg<br />

Nur Tage zuvor hatten die Kinder ihre Mutter in der<br />

Heimat verabschiedet – sie ahnten nicht, dass es kein<br />

Wiedersehen geben würde. Jolanta fuhr zurück ins<br />

deutsche Reutlingen, wo die 45-Jährige das Geld für<br />

ihre Familie verdiente. Die Not hatte die tapfere Frau<br />

ein Jahr zuvor in die Fremde gezwungen: Vier Kinder<br />

musste Jolanta versorgen – acht, 19, 22 und 23 Jahre<br />

alt. Zuvor war die Familie «durch Höhen und Tiefen<br />

gegangen», beschreiben es örtliche Medien. Zwei Ehen<br />

scheiterten. Eine Zeit lang hielt sie sich mit Gelegenheitsjobs<br />

über Wasser. «Aber immer hat sie das Wohl<br />

der Kinder im Auge behalten. Jola war eine großartige<br />

Mutter», meint Majka. Später lebte sie in Baden-Württemberg,<br />

fand eine Anstellung zunächst als Putzfrau,<br />

schließlich als Küchenhilfe im Dönerrestaurant Mangal<br />

unweit des Reutlinger Bahnhofes. Bekannte schildern,<br />

dass sie am liebsten alle vier Kinder zu sich holen<br />

wollte. Am 15. August sollte zumindest die jüngste<br />

Tochter zur Mutter ziehen, hier die Schule besuchen.<br />

Chronik einer Hinrichtung<br />

Am letzten Tag ihres Lebens ging Jolanta wie<br />

immer zur Arbeit – und Mohamad Halef beschloss,<br />

eine Frau zu schlachten. Um 16:25 Uhr erreichten die<br />

Polizei erste Notrufe. Den Hergang der Tat beschreiben<br />

die Ermittler im kühlen Amtsdeutsch. Demnach kam<br />

es zwischen Jolanta und ihrem Mörder «aus bislang<br />

ungeklärter Ursache zum Streit, in dessen Verlauf das<br />

Opfer vom Tatverdächtigen durch eine Machete tödlich<br />

im Kopfbereich verletzt wurde. In der Folge schlug<br />

der Asylbewerber am Federnseeplatz mit der Machete<br />

die Scheiben eines Pkw Citroën ein, in dem sich eine<br />

51-jährige Frau sowie ein 41-jähriger Mann befanden».<br />

Erst der Sohn des Mangal-Wirtes konnte den Mörder<br />

stoppen. «Es war ein Albtraum. Ich sah die Frau im Blut<br />

liegen», sagte Robert Lukowski, der seit mehreren Jahren<br />

in der Stadt lebt.<br />

Nur wenig ist über die Messer-Fachkraft bekannt.<br />

Rund ein Jahr zuvor hatte Halef in Deutschland Asyl<br />

gefordert. Angeblich stammt er aus Syrien. Auch die<br />

115.000-Einwohner-Stadt südlich von Stuttgart inszenierte<br />

damals den Willkommensrausch. «Die Flüchtlinge<br />

brächten Dynamik ins Gemeinwesen – gute Dynamik»,<br />

zitierte die Südwest Presse im Oktober 2015 eine<br />

Helferin. Vermutlich interessierte sich Halef nicht für<br />

den arabischen Reutlingen-Rundgang, den die ehrenamtliche<br />

Stadtführerin Salima Fellous regelmäßig<br />

organisiert. Vielleicht stand ihm auch kein «passgenauer<br />

Wohnraum» in Aussicht, den die linke Kommunalabgeordnete<br />

Jessica Tatti zur gleichen Zeit für<br />

die Neusiedler verlangte.<br />

Die Hoffnung hatte sie nie aufgegeben:<br />

«Zeit für einen Wechsel…»<br />

schrieb Jolanta im September 2015<br />

neben dieses Facebook-Bild.<br />

Foto: Facebook<br />

Trauer in Reutlingen.<br />

Foto: Maciej Wieteska<br />

«Jola war eine<br />

großartige Mutter.» <br />

Wladyslaw Majka<br />

17


«Ich habe das erste Mal in meinem<br />

Leben einen Mörder gesehen», sagt<br />

Anwohner Marco Greco. Wenige<br />

Minuten nach der Tat wurde Halef<br />

von der Polizei festgenommen.<br />

Foto: picture alliance / dpa<br />

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Die Die verschwiegenen Morde Morde der der Zuwanderer | Auf | Auf dem Weg zum Bürgerkrieg<br />

<strong>COMPACT</strong>-Spezial Nr. 7 «Asyl. Die<br />

Flut» Foto: <strong>COMPACT</strong><br />

Bald nach seiner Ankunft fiel Halef in der Asylunterkunft<br />

unangenehm auf, soll Mitbewohner beklaut<br />

haben. Zwei Mal wurde er verlegt. Zuletzt logierte der<br />

21-Jährige in einem Einzelzimmer in der ehemaligen<br />

Ypernkaserne, die die Stadt für die Unterbringung von<br />

65 Illegalen hergerichtet hatte. Auch der Polizei war<br />

der Bereicherer bereits bekannt – «wegen verschiedener<br />

Delikte, unter anderem wegen Körperverletzung,<br />

Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz sowie<br />

Eigentumsdelikten».<br />

Doch warum messerte Mohamad Halef an diesem<br />

Tag die vierfache Mutter aus Polen? Einen islamistischen<br />

Anschlag schließen die Ermittler aus. Tatsächlich<br />

gibt es bislang keine Hinweise etwa auf einen<br />

Allahu-akbar-Schlachtruf. Allerdings existieren durchaus<br />

Indizien, dass die Bluttat politisch-korrekt verharmlost<br />

werden soll. «Nach derzeitigem Sachstand handelt<br />

es sich bei der Tötung der Frau um eine Beziehungstat»,<br />

meldeten Polizei und Staatsanwaltschaft in<br />

einer gemeinsamen Presseerklärung. Eine Affäre mit<br />

dem Opfer habe der Mörder in ersten Vernehmungen<br />

eingeräumt. Zudem könnte bei Halef eine «psychische<br />

Erkrankung» vorliegen. Ein Sprecher des Reutlinger<br />

Polizeipräsidiums behauptete zudem, der Täter habe<br />

mit seinem Opfer in der Döner-Gaststätte gearbeitet.<br />

«Es war ein Albtraum. Ich sah die<br />

Frau im Blut liegen.» Robert Lukowski<br />

öffentlich geäußert würden. Demnach werde die «Verbreitung»<br />

von «unwahrem Inhalt» «bei Bekanntwerden<br />

auf strafrechtliche Relevanz geprüft und gegebenenfalls<br />

ein Ermittlungsverfahren eingeleitet», hieß es<br />

ganz im Duktus von Zensurminister Heiko Maas. Diese<br />

Anweisung wurde umgesetzt: Die vorgegebene These<br />

von der sogenannten Beziehungstat findet sich in der<br />

gesamten deutschen Medienberichterstattung wieder.<br />

Gestörte Trauer<br />

Zum zentralen Gedenkmarsch am darauffolgenden<br />

Wochenende lud lediglich die polnische Gemeinde ein<br />

– nicht jedoch die Stadt. Fast erleichtert berichtete die<br />

örtliche Presse, dass sich statt der erwarteten 500<br />

nur 150 Teilnehmer eingefunden hätten. Die Reutlinger<br />

Nachrichten, eine Regionalausgabe der Südwest<br />

Presse, diffamierte den Umzug als «nicht frei von nationalistischen<br />

Zielen». Das Infoportal Tübingen-Reutlingen<br />

machte «auch polnische NationalistInnen» aus.<br />

Auch die örtliche Antifa trommelte ihre Fußtruppen<br />

zusammen, um Trauerfeiern und Gedenkmärsche etwa<br />

der Bürgerinitiative Grenzgänger Neckar Alb zu stören.<br />

Sekundiert wurden sie von der örtlichen Politik. «Das<br />

war eine Beziehungstat und hatte keinen politischen<br />

Hintergrund», diktierte der Kreisvorsitzende der Linken<br />

Rüdiger Weckmann das Verdikt. Auch SPD-Stadträtin<br />

Edeltraut Stiedl war zur Antifa-Kundgebung geeilt. Der<br />

örtliche General-Anzeiger wartete mit einer namentlich<br />

nicht genannten Lehrerin auf, der zufolge syrische<br />

Schulkinder völlig verstört seien und sich aus Angst vor<br />

«Faschisten» nicht mehr auf die Straße trauten.<br />

18<br />

Recht ungewöhnlich für eine Presseerklärung, stießen<br />

Polizei und Staatsanwaltschaft bereits am Nachmittag<br />

des 25. Juli unmissverständliche Drohungen für<br />

den Fall aus, dass Zweifel an der offiziellen Version<br />

Nun wäre nicht von vornherein auszuschließen,<br />

dass sich Jolanta kurzzeitig auf eine Liaison mit dem<br />

deutlich jüngeren Halef eingelassen hätte. Die polnische<br />

Boulevardzeitung Super Express – die sich


<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />

unter anderem durch die Veröffentlichung von Skandalen<br />

einen Namen gemacht hat – glaubt jedoch nicht<br />

an die Version von Polizei und deutscher Politik. Bereits<br />

am 26. Juli zitierte das Blatt Rafal Sobczaks vom Warschauer<br />

Außenministerium. Nach dessen Angaben verfügt<br />

die deutsche Polizei über detaillierte Kenntnisse<br />

zum Motiv des Täters, verschweigt die Fakten aber<br />

mit Verweis auf das Persönlichkeitsrecht. Die Zeitung<br />

Fakt recherchierte die Vorgeschichte des Mordes. Ihr<br />

zufolge war Halef arbeitslos, lungerte jedoch regelmäßig<br />

mit Landsleuten in dem Lokal herum. Immer<br />

wieder soll er Jolanta belästigt haben. Wiederholt<br />

schmissen ihn angeblich Imbiss-Mitarbeiter deshalb<br />

raus, schließlich bekam er sogar Hausverbot. Gut möglich,<br />

dass sich der Asylforderer deshalb in seiner sogenannten<br />

Ehre gekränkt fühlte.<br />

«Die Probleme sind das Resultat von<br />

Multikulti-Politik.» Innenminister<br />

Blaszczak<br />

Wenige Tage nach der Bluttat servierte Bild eine<br />

weitere Lüge: Demnach sei das Opfer schwanger<br />

gewesen, schreibt das Blatt – obwohl die Obduktion<br />

bereits zuvor das Gegenteil bewiesen hatte. Zugleich<br />

präsentierte die Springer-Zeitung eine rührselige Liebesgeschichte<br />

zwischen Täter und Opfer. Der in Reutlingen<br />

lebende Pole Paul Owedyk erinnerte sich zwar,<br />

dass Jolanta tatsächlich öfter mit einem Syrer telefonierte.<br />

Doch dabei soll es sich um einen Kollegen<br />

– und damit gerade nicht um Halef – gehandelt<br />

haben. Jolanta beschrieb er als «fröhlich, freundlich<br />

und immer lächelnd». Hinweise auf Probleme konnte<br />

er nicht erkennen.<br />

Zweifel aus Warschau<br />

Nicht nur polnische Medien interessieren sich für<br />

den Fall. Auch die Staatsanwaltschaft des Landes<br />

ermittelt – offenbar traut die Warschauer Justiz angesichts<br />

der möglichen Vertuschungen den baden-württembergischen<br />

Kollegen nicht über den Weg. Jedenfalls<br />

erklärten sowohl Vize-Justizminister Zbigniew<br />

Ziobro als auch die Generalstaatsanwaltschaft, dass<br />

die offizielle Version der Bluttat nicht der Wahrheit entspreche.<br />

Die EU-kritische Oppositionspartei Kukiz’15<br />

forderte, den Mörder nach Polen auszuliefern, damit er<br />

seine Strafe nicht in einem «deutschen Luxusgefängnis»<br />

absitzen kann. Mittlerweile wird in Polen eine<br />

Petition vorbereitet. Damit soll die Regierung gezwungen<br />

werden, in diesem Fall juristisch gegen deutsche<br />

Medien vorzugehen, da diese vorsätzlich Falschinformationen<br />

verbreiteten.<br />

Doch weshalb halten die schwäbischen Behörden<br />

stur an ihrer Version einer Beziehungstat fest? Ein Verdacht<br />

drängt sich auf: Der brutale Messermord soll<br />

als tragischer Einzelfall, keinesfalls jedoch als Teil der<br />

zunehmenden Gewaltausbrüche muslimischer Asylbetrüger<br />

im Gedächtnis bleiben. Eine Schönfärberei,<br />

die in Polen Verärgerung auslöste. Aus Sicht von Innenminister<br />

Mariusz Blaszczak gibt es «keinen Zweifel<br />

daran, dass die Probleme, mit denen sich jetzt unsere<br />

Nachbarn rumschlagen, das Resultat einer jahrzehntelangen<br />

Migrationspolitik sind, das Resultat von Multikulti-Politik».<br />

Polen in Deutschland<br />

Wie viele Polen heute in der<br />

Bundesrepublik leben, ist aufgrund<br />

unterschiedlicher Definitionen<br />

von Polen und deutschen<br />

Aussiedlern in den Statistiken<br />

nur ungenau zu erfassen.<br />

2013 lebten in Deutschland<br />

6<strong>09</strong>.855 Menschen, die ausschließlich<br />

die polnische Staatsbürgerschaft<br />

hatten. Der größte<br />

Teil kam als Arbeitsmigranten.<br />

Mittlerweile siedeln sich aber<br />

auch zunehmend Polen in von<br />

Leerstand betroffenen grenznahen<br />

Orten in Brandenburg und<br />

Vorpommern an.<br />

Stadtzentrum von Reutlingen.<br />

Foto: Stadtverwaltung Reutlingen<br />

Keine politischen Korrektheiten: Auf<br />

ihrer Trauerkundgebung erinnerten<br />

die Reutlingen Polen auch an die<br />

Schlacht am Kahlenberg – den Sieg<br />

eines deutsch-polnischen Heeres<br />

während der Zweiten Wiener Türkenbelagerung<br />

1683.<br />

Fotos: Maciej Wieteska<br />

19


<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />

Alles Amok – oder was?<br />

_ von Marc Dassen<br />

Thomas Salbey mit <strong>COMPACT</strong>-Redakteur Marc Dassen. – Blick auf<br />

das OEZ-Parkdeck. Foto: <strong>COMPACT</strong><br />

20<br />

Neun Tote und kein Einzeltäter: Das Blutbad in München wurde von<br />

Staat und Medien fein säuberlich von den islamistischen Anschlägen<br />

in derselben Woche separiert. Der Mörder sei ein rechtsradikaler<br />

Deutsch-Iraner gewesen, will man uns einreden. Eine Spurensuche<br />

vor Ort verstärkt meine Zweifel.<br />

Die spaßen nicht.<br />

Foto: picture alliance / dpa<br />

Nachbarn und<br />

Bekannte bezeichnen<br />

Ali als «guten<br />

Menschen».<br />

München, 22. Juli: Wieder einmal soll es ein Einzeltäter<br />

gewesen sein, wieder einmal ein Depressiver.<br />

Dabei hatte es zunächst ganz andere Berichte gegeben:<br />

Bis in die späten Abendstunden gingen die Behörden<br />

von einer «Terrorlage» aus. Tausende Polizisten, dazu<br />

die Sondereinheiten GSG9 und die österreichische<br />

Cobra, waren im Einsatz, Feldjäger der Bundeswehr<br />

standen in Reserve – es war die vielleicht größte Operation<br />

der Sicherheitsorgane seit Bestehen der Bundesrepublik.<br />

Kein Wunder: Hunderte Zeugen hatten von<br />

mehreren Schützen mit «Langwaffen», also Gewehren,<br />

auch in der Innenstadt berichtet. CNN telefonierte mit<br />

einer Zeugin, die am Tatort Allahu-akbar-Rufe gehört<br />

haben wollte. US-Präsident Barack Obama hielt eine<br />

Ansprache. Und das alles wegen des Amoklaufs eines<br />

verstörten Teenagers – so die offizielle Version, auf die<br />

sich Staat und Medien in den frühen Morgenstunden<br />

des 23. Juli festlegten?<br />

Es gab einfach zu viele Widersprüche in der Story,<br />

die mich nicht ruhen ließen. Ich musste los, mir selbst<br />

ein Bild machen. Ich fuhr nach München.<br />

Falsche Fährte nach rechts<br />

Die Tür des Aufzuges öffnet sich mit einem leisen<br />

Quietschen. Ich trete ein, fahre in den fünften Stock,<br />

um dort den wohl berühmtesten Augenzeugen im Fall<br />

München zu interviewen: Thomas Salbey – der Baggerfahrer,<br />

der von seinem Balkon aus mit dem mutmaßlichen<br />

Amokläufer auf dem Oberdeck eines Parkhauses<br />

gestritten, sogar eine Bierflasche nach ihm geworfen<br />

hat. Noch während der Fahrstuhl aufwärts rumpelt,<br />

fällt mir wieder ein, was der angebliche Amokläufer<br />

Ali David Sonboly zu Salbey sagte: «Jetzt muss ich ’ne<br />

Waffe kaufen…» Moment mal: Hatte er nicht gerade<br />

eine Pistole in der Hand? Ebenso rätselhaft der Satz:<br />

«Ich habe nichts getan.» Wie konnte er das behaupten,<br />

wo er doch gerade neun Menschen hingerichtet hatte?<br />

War er verwirrt? Ich frage auch Salbey. «Der hatte<br />

die Ruhe weg», erzählt er mir.<br />

Später stehe ich wieder vor dem Klingelbrett im Erdgeschoss,<br />

da fällt mir der Name M. A. Shehab auf. Als<br />

die Reporter von Spiegel TV bei ihm waren, erzählte<br />

er ihnen, dass ihm der Mann auf dem Parkdeck «normal»<br />

vorgekommen sei. Ich klingele. Zweimal. Dreimal.<br />

Kein Glück. Auch in den kommenden Tagen öffnet<br />

mir keiner. Durch Zufall erfahre ich von einer Nachbarin,<br />

dass er rund 48 Stunden nach den Ereignissen<br />

«bei Nacht und Nebel» ausgezogen ist. Ein wichtiger<br />

Zeuge ist verschwunden.


<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />

Sind der kaltblütige Killer vor dem McDonalds und<br />

der verpeilte Teenager auf dem Parkhausdach überhaupt<br />

ein und dieselbe Person? Nachbarn und Bekannte<br />

bezeichnen Ali, der in seiner Nachbarschaft Zeitungen<br />

austrug, als «guten Menschen» – nett, bestens erzogen<br />

und hilfsbereit. In psychiatrischer Behandlung war<br />

er dennoch: wegen Depressionen und Angstzuständen,<br />

die von jahrelangen Misshandlungen durch Migrantenkids<br />

herrührten.<br />

Es dauerte nicht lange, da wurde der Deutsch-Iraner<br />

als Rechtsextremist bezeichnet. Die Frankfurter<br />

Allgemeine Zeitung wollte das aus «Sicherheitskreisen»<br />

erfahren haben. «Der Täter von München war ein<br />

Rassist mit rechtsextremistischem Weltbild», hieß es<br />

da. Adolf Hitler und Anders Breivik seien seine Idole<br />

gewesen, er selbst soll sich als «Arier» gesehen haben.<br />

Die zuständige Staatsanwaltschaft München I widersprach:<br />

«Eine rechtsextreme Motivation» könne «nach<br />

derzeitiger Erkenntnislage nicht bestätigt werden»,<br />

sagte ihr Sprecher Florian Weinzierl.<br />

Auch die von Bild und anderen Medien verbreitete<br />

Behauptung, dass bei Ali das «Breivik-Manifest»<br />

gefunden worden sei, in dem der norwegische Massenmörder<br />

seine Tat vor genau fünf Jahren rechtfertigte,<br />

musste das Landeskriminalamt später dementieren.<br />

Nicht einmal das Gerücht, der Junge habe selbst<br />

ein Manifest verfasst, bewahrheitete sich.<br />

Das Schweigegebot<br />

Zurück am Tatort, stehe ich vor der McDonalds-<br />

Filiale. Hier soll Ali mit gezogener Pistole aus der Toilette<br />

gekommen und fünf Menschen routiniert erschossen<br />

haben, bevor er auf die Straße trat und drei weitere<br />

Jugendliche in den Tod schickte. Das Mordwerkzeug:<br />

Eine halbautomatische Glock17 – laut Polizei eine aufbereitete<br />

«Theaterwaffe» aus der Slowakei, bestellt<br />

im sogenannten Darknet. Von Waffenkundigen erfahre<br />

ich, dass eine solche «kastrierte» Pistole nur mit größtem<br />

Aufwand wiederhergestellt werden kann, wenn<br />

überhaupt. Selbst dann lässt sie nur Einzelschüsse zu,<br />

kein Dauerfeuer. Wo hat der erstaunlich zielsichere<br />

18-Jährige – mit 57 Kugeln traf er neun Mal tödlich, 16<br />

Menschen wurden verletzt – das Schießen und Töten<br />

überhaupt gelernt? Durch Computerspiele? Während<br />

eines Aufenthalts im Iran, wie manche Medien nun<br />

berichten?<br />

Augenzeugen zu den tödlichen Minuten vor dem<br />

Schnellrestaurant finde ich keine – die McDonalds-Filiale<br />

ist komplett verrammelt, die Zentrale des Konzerns<br />

wimmelte mich telefonisch ab. Stattdessen begebe ich<br />

mich auf das berühmte Parkhausdach. Auf den vielen<br />

Videos von dort ist der mutmaßliche Täter kaum zu erkennen.<br />

Mit dem Schützen vor dem McDonalds hat der<br />

Typ kaum Ähnlichkeit. Körperbau und Gang passen nicht,<br />

der rote Rucksack ist nicht zu sehen. Umso merkwürdiger,<br />

dass die Bild-Zeitung plötzlich ein hochauflösendes<br />

Foto vom Parkdeck nachlieferte, das den Amokläufer<br />

allerdings nur von hinten zeigt. Jetzt passt scheinbar<br />

alles. Doch woher kommt dieses Foto? Warum nahm<br />

man nicht eins, dass sein Gesicht zeigt? Gerne hätte<br />

ich die Familie dazu befragt und sie gebeten, ihn auf<br />

den Videos zu identifizieren: Unmöglich. Sie alle werden<br />

nach Morddrohungen von der Polizei abgeschirmt.<br />

Auf einem der Videos vom Parkdeck sieht man, wie<br />

Ali seelenruhig umherschlendert und dann von der Polizei<br />

beschossen – und anscheinend sogar getroffen –<br />

wird. Der Mann in Schwarz hält sich den Bauch, während<br />

er hektisch das Weite sucht. Hier verliert sich<br />

seine Spur für mehr als zwei Stunden. Später wird es<br />

heißen, er habe es irgendwie geschafft, die Polizisten<br />

auszutricksen, versteckt in einer der vielen Tiefgaragen<br />

in der Nähe.<br />

Eine Zeugin schwört, dass der Tote<br />

vor ihrem Haus Rechtshänder war<br />

– der Killer aber schoss mit links.<br />

Am nächsten Tag fahre ich ins Olympia-Einkaufszentrum<br />

(OEZ). Dort war am meisten geschossen worden,<br />

auch wenn es nur einen Toten gab – aber viele<br />

Verletzte. Was mir sofort auffällt: An Eingang jedes<br />

einzelnen der zwei Dutzend Geschäfte in Schussweite<br />

befinden sich Kameras. Was auch immer hier passiert<br />

ist, wurde lückenlos aufgezeichnet. Warum hat man<br />

der Öffentlichkeit bisher nicht einmal ein Standbild<br />

gezeigt, um zu verifizieren, ob es tatsächlich nur einen<br />

Täter gab, der das Blutbad anrichtete? Ich beschließe,<br />

in allen Läden rund um den Tatort nachzufragen, und<br />

Mit einer solchen Waffe soll Ali<br />

David Sonboly (Bild oben) gefeuert<br />

haben. Fotos: Facebook; picture alliance<br />

/ dpa<br />

Dieses nachgereichte Bild soll Sonboly<br />

auf dem Parckdeck zeigen. Wie<br />

die Bild-Zeitung an die ominöse<br />

Aufnahme kam und wer tatsächlich<br />

abgebildet ist, bleibt unklar.<br />

Foto: Screenshot bild.de<br />

21


<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />

Falsche Spuren<br />

Dank Internet wurde die offizielle<br />

Version von vielen Menschen<br />

sehr schnell angezweifelt.<br />

Einige der umstrittenen Punkte<br />

konnten aber geklärt werden.<br />

Geister-Video: In dem Clip,<br />

der die Schüsse vor McDonalds<br />

zeigte, sah es für viele so aus,<br />

als ob der Täter aus dem Nichts<br />

ins Bild springt – sie vermuteten,<br />

er sei nachträglich eingebaut<br />

worden. Doch eine Recherche<br />

von Fachleuten bei quer-denken.tv<br />

bewies: Das war nur bei<br />

schlecht aufgelösten Kopien der<br />

Fall, nicht im Original-Video.<br />

Falsche Schuhe: Es kursierte<br />

ein Foto des Selbstmörders, das<br />

ihn mit weißen Schuhen zeigt –<br />

nicht mit schwarzen wie auf den<br />

Videos. Doch das Bild stammt<br />

vom April <strong>2016</strong>.<br />

Falsche Fotos: Einige besonders<br />

blutrünstige Aufnahmen<br />

waren Jahre alt und stammten<br />

nicht aus dem OEZ, sondern<br />

aus einem südafrikanischen Einkaufszentrum<br />

nach einem Feuerüberfall.<br />

Viele andere Punkte sind aber<br />

weiter ungeklärt. Wir informieren<br />

Sie über compact-online.de<br />

und auf unserem YouTube-Kanal.<br />

beginne in der Parfümerie Douglas direkt vor den Rolltreppen<br />

zum Untergeschoss. Schon aus der Ferne sehe<br />

ich die abweisende Miene des Geschäftsführers. Als<br />

ich mich noch vorstelle, fällt er mir ins Wort: «Nein,<br />

wir geben keine Auskunft, ok?», raunt er. «Wissen Sie<br />

was hier los war?», fährt er mich an. «Nein», gebe ich<br />

zu, «deshalb bin ich ja hier». Das Gespräch ist beendet,<br />

ich werde des Ladens verwiesen.<br />

Diese Szene wiederholt sich in den nächsten<br />

Stunden etwa 20 Mal. Ein junger Typ, Mitarbeiter in<br />

einem Café ganz in der Nähe, will gerade ansetzen,<br />

als sein Chef ihn beiseite schiebt: «Wir äußern uns<br />

nicht dazu.» Als ich das Gespräch mit dem Leiter eines<br />

Modegeschäfts beginne und ihn frage, ob er etwas<br />

gesehen hat, blickt er mich schweigend an. «Ich war<br />

hier», sagt er und wirkt dabei wie traumatisiert. Als<br />

ich ihn frage, was er gesehen hat, flackert unverkennbar<br />

Angst in seinen Augen auf, die Mundwinkel zittern.<br />

«Ich kann dazu nichts sagen.» – «Kann nicht, will nicht<br />

oder darf nicht?», frage ich frech. Er antwortet nicht.<br />

Ich bin schon fast wieder weg, da höre ich ihn flüstern:<br />

«Ich kann nur sagen, es war anders, aber mehr…» Er<br />

verstummt.<br />

Der Tote von der Isar<br />

Ich beschließe, zur nahegelegenen Henckystraße zu<br />

laufen, wo sich der angeblicher Amokläufer erschossen<br />

hat. Hier treffe ich Gabriele M., die genau gesehen<br />

haben will, wie er abdrückte. Als ich mir im achten<br />

Stock zeigen lasse, von wo genau sie alles beobachtet<br />

hat, stelle ich verdutzt fest, dass Bäume die Sicht<br />

auf den Tatort verdecken.<br />

Auf Videos und Bildern erkennt man, dass der<br />

Mann, der da in seinem Blut liegt, ein blaues T-Shirt<br />

mit weißer Aufschrift trägt. Aber der Täter von McDonalds<br />

und vom OEZ-Parkhaus war ganz in Schwarz.<br />

Wie passt das zusammen? Auffällig ist: Stunden bevor<br />

die Polizei den Selbstmord in der Henckystraße gemeldet<br />

hatte, wollte sie die Leiche des Attentäters «in<br />

einer Nebenstraße an der Isar» gefunden haben, ebenfalls<br />

mit einem Kopfschuss. Das meldete der Radiosender<br />

RTF1 mit Bezug auf eine Pressekonferenz der<br />

Polizei um 22:35 Uhr. Man beachte: Die Isar ist fünf<br />

Kilometer von der Henckystraße entfernt. Und: Von<br />

diesem Toten war später nie mehr die Rede. Wäre<br />

interessant zu wissen, was er für ein T-Shirt trug…<br />

Die Polizei versuchte die Sache mit dem Kleiderwechsel<br />

von Ali später damit zu erklären, dass es eine<br />

«Eigenart» von ihm gewesen sei, zwei T-Shirts übereinander<br />

zu tragen…<br />

Der Tote in der Henckystraße trägt<br />

ein blaues T-Shirt, der Schütze auf<br />

den Videos ein schwarzes.<br />

Noch etwas lässt mich daran zweifeln, dass der<br />

tote Deutsch-Iraner der Mehrfachmörder von McDonalds<br />

und OEZ war: Der Schütze auf den Videos ist<br />

Linkshänder. Doch Maria S., eine Anwohnerin in der<br />

Henckystraße, schwört mir gegenüber Stein und Bein,<br />

dass sie gesehen hat, wie die Polizei dem Selbstmörder<br />

die Waffe aus der rechten Hand nahm.<br />

Die südafrikanische Blutspur.<br />

Foto: Screenshot Daily News<br />

29.1.2015<br />

Am Abend des 22. Juli in der Innenstadt:<br />

Polizisten führen einen weiteren<br />

Verdächtigen ab. Mittlerweile<br />

gilt Sonboly jedoch als Einzeltäter.<br />

Foto: Getty Images<br />

22<br />

_ Marc Dassen ist Redakteur bei<br />

<strong>COMPACT</strong> und war vom 30. Juli bis<br />

5. August in München unterwegs,<br />

besuchte die Tatorte, sprach mit<br />

der Polizei, mit Augenzeugen und<br />

Anwohnern. In Kürze wird es auf<br />

<strong>COMPACT</strong>-TV auch einen Filmbeitrag<br />

zum Fall München geben.


<strong>COMPACT</strong> Politik<br />

Moscheen und Migranten<br />

_ von Martin Müller-Mertens<br />

Geradezu ehrfürchtig lauschte Bundespräsident<br />

Joachim Gauck am<br />

22.10.2012 Imam Dursun Atak in<br />

der Sehitlik-Moschee.<br />

Foto: picture alliance / dpa<br />

Bis zu 100 Gebetshäuser machen Berlin zur deutschen Islam-Hauptstadt. Hinter ihren<br />

Mauern tummeln sich türkische Chauvinisten, Kopfab-Imame und Hass-Prediger – mit<br />

Unterstützung der Politik.<br />

Die Inszenierung wirkte perfekt: In weißer Hose und<br />

blauem Blazer posierte Franziska Giffey am 8. Juli vor<br />

dem Gebäude der Dar-as-Salam-Moschee. Bilder zeigen<br />

sie lächelnd unter anderem mit Imam Mohamed<br />

Taha Sabri. «Heute war ich zu Gast beim Ramadan-<br />

Fest für Flüchtlinge», freute sich die SPD-Bürgermeisterin<br />

des Berliner Problembezirks Neukölln später bei<br />

Facebook. Doch insbesondere in sozialen Netzwerken<br />

hagelte es Schelte wegen ihrer Pilgertour zum Fastenbrechen.<br />

«Ein Albtraum. Eine demokratische Politikerin<br />

bei Salafisten», hieß es etwa. Auch die ansonsten<br />

Islam-affine Hauptstadtpresse übte sich in vorsichtigem<br />

Stirnrunzeln. «Warum besuchte Franziska Giffey<br />

eine Radikalen-Moschee?», fragte die auflagenstärkste<br />

Boulevard-Zeitung B.Z.. Giffeys Amtsvorgänger und<br />

langjähriger Förderer Heinz Buschkowski verlangte verärgert<br />

die Löschung eines Facebook-Profils, auf dem die<br />

Neuköllner SPD mit ihm, dem bundesweit bekannten<br />

Urgestein, warb: «Ich stehe für eine klare Trennungslinie.<br />

Politischer Islam ist keine Religion, sondern eine<br />

Machtideologie.»<br />

Giffey war nicht die erste prominente Besucherin<br />

jener Einrichtung, die sich in den letzten Jahren<br />

geschickt zur Bühne für deutsche Muslimophile gemausert<br />

hatte. Erst im Mai diskutierte die einstige Grünen-Vorsitzende<br />

Claudia Roth in den Räumlichkeiten<br />

über einen angeblichen «Rechtsruck in Deutschland<br />

entlang des antimuslimischen Rassismus». Dabei weiß<br />

die Gemeinde genau, wie sie ihren Kollaborateuren<br />

verbal entgegenkommen muss. Im Juli lud das sogenannte<br />

Begegnungszentrum zehn schwule Führungskräfte<br />

ein. «Islam meets LGBTI», freute sich die Lobbyorganisation<br />

Leadership, deren Funktionärin (und<br />

frühere Brandenburger Verfassungsschutz-Präsidentin)<br />

Winfriede Schreiber die Moderation des Abends<br />

übernahm. Ende 2015 heftete Berlins Regierender Bürgermeister<br />

Michael Müller (SPD) Imam Sabri sogar den<br />

Landesverdienstorden an die Brust.<br />

Doch abseits derartiger PR-Veranstaltungen wird<br />

offenbar Klartext gesprochen. Tatsächlich ist die harmlos<br />

als «Begegnungsstätte» firmierende Moschee an<br />

der Neuköllner Flughafenstraße kein Außenposten<br />

des Salafismus. Der Verfassungsschutz bringt die<br />

Gemeinde jedoch mit der Islamischen Gemeinschaft<br />

in Deutschland (IGD) in Zusammenhang, die wiederum<br />

der fundamentalistischen Muslimbruderschaft zugeordnet<br />

wird. 2014 predigte dort der saudische Kleriker<br />

Mohammed al-Arifi, nach dessen Auffassung Gläu-<br />

Die Sehitlik-Moschee in Berlin. Der<br />

Name ist von dem Wort Sehit (Märtyrer)<br />

abgeleitet. Foto: <strong>COMPACT</strong><br />

«Politischer Islam<br />

ist keine Religion,<br />

sondern eine<br />

Machtideologie.» <br />

Heinz Buschkowski<br />

23


24<br />

Er fühlt sich sichtlich wohl: Bundesjustizminister<br />

Heiko Maas mit<br />

Moschee-Vorstand Ender Cetin<br />

(l) und DITIB-Vertreter Süleyman<br />

Kücük am <strong>09</strong>.01.2015. Foto: picture<br />

alliance / dpa<br />

Reda Seyam (oben) und Denis Cuspert.<br />

Fotos: YouTube; picture alliance<br />

/ dpa<br />

«Die arrangierte<br />

Ehe ist ja keine<br />

Zwangsehe.»<br />

Ahmadiyya-Gemeinde<br />

bige «kein Leben ohne Dschihad» führen können. Solche<br />

Positionen sind Programm: «Erst im März haben<br />

sich dort Ultra-Hardliner getroffen, gehen immer wieder<br />

aus und ein. Muslimbrüder und weitere radikale<br />

Islamisten machten dort Vorgaben für hiesige Muslime»,<br />

berichtet die SPD-Politikerin Sigrid Herrmann-<br />

Marschall.<br />

Imame in der Black Box<br />

1928 eröffnete im Bezirk Wilmersdorf das erste<br />

mohammedanische Gotteshaus der Stadt. Errichtet<br />

wurde es von der Lahore-Ahmadiyya-Bewegung, die<br />

seit Ende des Ersten Weltkriegs in Europa missioniert.<br />

Doch erst seit etwa Mitte der 1980er Jahre nimmt<br />

die Zahl der Moscheen in Berlin stetig zu. Waren es<br />

zunächst vor allem unauffällige Gebetsräume in Hinterhöfen,<br />

entstehen seit 2005 zunehmend Prunkbauten mit<br />

Kuppeln und Minaretten. Über ihre Anzahl gibt es keine<br />

seriösen Statistiken. Selbst das offizielle Stadtportal<br />

berlin.de beruft sich lediglich auf Angaben der Nachrichtenagentur<br />

dpa und nennt «rund 80 Moscheen und<br />

Gebetsräume». Andere Berichte gehen von etwa 100<br />

Gemeinden aus. Rund 90 Prozent sind sunnitisch. Allein<br />

die Türkisch-Islamische Union (DITIB), ein Ableger der<br />

staatlichen Religionsbehörde in Ankara, betreibt 20.<br />

Wie viele der etwa 250.000 Berliner Mohammedaner<br />

an Freitagsgebeten teilnehmen, ist ebenfalls unklar.<br />

Die Internetplattform moscheebesuche.de geht von<br />

knapp 25.000 regelmäßigen Besuchern pro Woche aus.<br />

Was sich hinter den Mauern der frommen Trutzburgen<br />

abspielt, ist für Außenstehende kaum zu erfahren.<br />

«In der einen oder anderen Moschee kümmert man<br />

sich einen feuchten Kehricht um das deutsche Recht»,<br />

resümiert etwa der Islamwissenschaftler Mathias<br />

Rohe. Der Professor der Universität Erlangen-Nürnberg<br />

verfasste 2015 im Auftrag der Berliner Justizverwaltung<br />

eine Studie über islamische Friedensrichter in<br />

der Hauptstadt. Die Ahmadiyya-Gemeinde gewährt in<br />

einer Selbstdarstellung unfreiwillig einen Einblick in<br />

ihr Denken: «Die arrangierte Ehe ist ja keine Zwangsehe,<br />

man muss das immer unterscheiden. Es ist ja auch<br />

nicht ungestattet, auch selbst ’n Vorschlag zu bringen.»<br />

2008 hatte die Organisation im Stadtteil Heinersdorf<br />

gegen massiven Widerstand der Anwohner die erste<br />

Moschee auf dem Gebiet der früheren DDR eröffnet.<br />

Erdogans Kasernen<br />

Mit der Islamisierung Deutschlands wächst auch<br />

die Macht der Imame. So ließ es DITIB beim Bau ihrer<br />

2004 eröffneten Sehitlik-Moschee auf eine regelrechte<br />

Kraftprobe mit den Behörden ankommen. Statt<br />

der genehmigten 28,6 Meter messen die beiden Minarette<br />

37,1 Meter. Während deutsche Häuslebauer ihr<br />

mühsam erspartes Eigenheim jedoch bereits wegen<br />

weniger Zentimeter Abweichung von der Baugenehmigung<br />

wieder abreißen müssen, beließ es der zuständige<br />

Bezirk Neukölln in diesem Fall bei einem geminderten<br />

Bußgeld von 80.000 Euro. Die Minarette waren<br />

nicht die einzige Provokation des Neubaus: Der Innenraum<br />

des 1.500 Menschen fassenden Gebäudes wurde<br />

nach Angaben der Berliner Zeitung mit Elfenbein und<br />

Rückenplatten von Schildkröten geschmückt – Material,<br />

das gemäß Washingtoner Artenschutzabkommen<br />

nicht eingeführt werden darf.<br />

Dabei genoss der Bau besonderes Augenmerk von<br />

Seiten der Türkei, deren Rechtsvorgänger Osmanisches<br />

Reich das Gelände zum Anlegen eines Diplomatenfriedhofs<br />

erhielt. Noch vor Eröffnung stattete der damalige


<strong>COMPACT</strong> Politik<br />

Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan der Moschee<br />

höchstpersönlich einen Besuch ab. Kein Wunder: Von<br />

ihm stammt der Ausspruch «Die Moscheen sind unsere<br />

Kasernen, die Minarette unsere Bajonette.» Kritik<br />

von den deutschen Kuffar-Politikern hatte er nicht zu<br />

befürchten. Ganz im Gegenteil: «Die Moschee ist ein<br />

architektonisches Bauwerk, auf das Berlin noch in 50<br />

Jahren stolz sein kann», schwärmte Neuköllns damalige<br />

Baustadträtin Stefanie Vogelsang. Immerhin: Die<br />

Errichtung eines noch größeren Gebetszentrums lehnte<br />

die CDU-Politikerin drei Jahre später aus baurechtlichen<br />

Gründen ab. Mit deutscher Prominenz schmückt<br />

sich Ankaras Außenstelle ebenfalls gerne. Im Januar<br />

2015 nahm Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) auf<br />

einem Gebetsteppich in der Sehitlik-Moschee Platz –<br />

ausgerechnet nach dem Terror gegen das Pariser Satiremagazin<br />

Charlie Hebdo. Auch Bundespräsident Joachim<br />

Gauck weilte bereits im Schatten ihrer Minarette.<br />

Keinen Anstoß nahmen die Politiker am nach wie vor<br />

existierenden Friedhof. In sorgsam gepflegten Ehrengräbern<br />

ruhen hier die Gebeine von Cemal Azmi und<br />

Bahaettin Sakir, Hauptorganisatoren des Genozids an<br />

den Armeniern im Jahre 1915. Beide hatten bis zu ihrer<br />

Ermordung 1922 im Berliner Exil gelebt.<br />

Terror-Fabriken<br />

Nicht nur die türkische Großmachtpolitik verfügt an<br />

der Spree über gefestigte Strukturen. Auch der Salafismus<br />

hält in manchen Gemeinden die Zügel straff in<br />

der Hand. Der Verfassungsschutz geht von etwa 700<br />

Anhängern in Berlin aus, von denen 380 als gewaltbereit<br />

gelten. Zugerechnet werden der von Saudi-<br />

Arabien gesponserten Strömung die al-Nur-Moschee<br />

in Neukölln, die as-Sahaba-Moschee im Wedding,<br />

die Ibrahim-al-Khalil-Moschee in Tempelhof und die<br />

Moschee des Fussilet 33 in Moabit: Gebetshäuser, die<br />

wiederholt Nachschub für den Terror in Syrien lieferten.<br />

Reda Seyam, der die as-Sahaba-Moschee mit aufbaute,<br />

beteiligte sich nach Aussagen seiner ersten Ehefrau<br />

Doris Glück bereits 1994, im bosnischen Bürgerkrieg,<br />

an Kriegsverbrechen gegen Christen. Inzwischen<br />

fungiert er wohl als Bildungsminister des Islamischen<br />

Staates (IS). Auch der Imam der Ibrahim-al-Khalil-<br />

Moschee, Abdel Qader D., soll für Dschihad-Banden<br />

in der Levante rekrutiert haben.<br />

Der heutige IS-Kämpfer Denis<br />

Cuspert radikalisierte sich in der<br />

al-Nur-Moschee.<br />

Insbesondere die in einem unscheinbaren Plattenbau<br />

beheimatete al-Nur-Moschee gilt als regelrechte<br />

Kaderschmiede für Kopfabschneider. 2003 verdächtigte<br />

die Polizei einen Tunesier, in dem Gebäude Kämpfer<br />

auszubilden. 20<strong>09</strong> reisten mehrere Besucher zum Dschihad<br />

nach Pakistan. Der Konvertit Denis Cuspert hörte<br />

dort seit 2010 regelmäßig Predigten – mittlerweile<br />

treibt der einst als Rapper Deso Dogg aufgetretene<br />

40-Jährige beim IS sein Unwesen. Wiederholt lud das<br />

Gotteshaus Gastprediger ein, darunter den deutschen<br />

Salafistenführer Pierre Vogel und den ägyptischen<br />

Hass-Scheich Abdel Moez al-Eila – dieser propagierte<br />

im Februar 2015 in Berlin prompt das angebliche Recht<br />

auf Vergewaltigungen. Im Jahr zuvor bat Terror-Imam<br />

Abu Bilal Ismail in der al-Nur-Moschee öffentlich um<br />

die Vernichtung der Juden «bis auf den Letzten».<br />

Erst als Videos dieser Ausfälle die Öffentlichkeit<br />

schockierten, leitete Berlins Innenverwaltung Anfang<br />

2015 ein Verbotsverfahren gegen den al-Nur-Moscheeverein<br />

ein. Doch mittlerweile scheint der Vorstoß im<br />

Sande verlaufen zu sein. Einzelheiten der Prüfung sind<br />

nicht bekannt. Im Januar verweigerte Innenstaatssekretär<br />

Bernd Krömer (CDU) gleich zwei Mal die Antwort<br />

auf entsprechende parlamentarische Anfragen.<br />

Dschihad an der TU<br />

Mitte März beschloss die Technische<br />

Universität Berlin die<br />

Schließung des bisherigen moslemischen<br />

Gebetsraumes auf<br />

ihrem Gelände. «Ein staatlicher<br />

Universitätscampus ist für<br />

die aktive Religionsausübung<br />

in Formen von Gottesdiensten,<br />

Messen und Freitagsgebeten<br />

der falsche Ort», begründete<br />

die Hochschule ihren Schritt.<br />

Nach Angaben von Studenten<br />

waren die Predigten an der TU<br />

nahezu ausschließlich auf arabisch<br />

gehalten und vielfach von<br />

universitätsfremden Gläubigen<br />

besucht worden. Auch Humboldt-Universität<br />

und Freie Universität<br />

teilten mit, dass es in<br />

ihren Gebäuden keine Gebetsräume<br />

gebe und auch in Zukunft<br />

nicht geben werde. Islamische<br />

Gruppen haben mit wiederholten<br />

öffentlichen Gebeten vor dem<br />

TU-Hauptgebäude gegen die<br />

Entscheidung protestiert – bislang<br />

jedoch ohne Erfolg.<br />

In der Neuköllner Karl-Marx-Straße<br />

sind solche Bilder Alltag.<br />

Foto: picture alliance / dpa<br />

Deutschland zeigen sie den Allerwertesten:<br />

Muslimisches Protestgebet<br />

vor der TU Berlin. Foto: picture<br />

alliance / NurPhoto<br />

Berlin unterm Halbmond<br />

Wichtige Moscheen in Berlin<br />

REINICKENDORF<br />

PANKOW<br />

SPANDAU<br />

CHARLOTTENBURG-<br />

WILMERSDORF<br />

MITTE<br />

FRIEDRICHSHAIN-<br />

KREUZBERG<br />

STEGLITZ-ZEHLENDORF<br />

TREPTOW-<br />

TEMPELHOF-<br />

KÖPENICK<br />

SCHÖNEBERG<br />

NEUKÖLLN<br />

Quelle: Google Maps<br />

Grafik: <strong>COMPACT</strong><br />

25


<strong>COMPACT</strong> Politik<br />

Feuer und Steine<br />

_ von Martin Müller-Mertens<br />

Vor den Septemberwahlen in Berlin: Selbsternannte Antifaschisten<br />

terrorisieren Bürger, Polizisten, AfD-Anhänger und sonstige Andersdenkende.<br />

Vor allem Brandstiftungen halten die Stadt in Atem.<br />

Seit September<br />

2015 gilt die Gegend<br />

auch offiziell<br />

als «kriminalitätsbelasteter<br />

Ort».<br />

Das Tageslicht scheuen Berlins<br />

Linksradikale häufig. Auf dieser<br />

Demonstration am 9.7.2015 hat<br />

der Schwarze Block auch den SPD-<br />

Abgeordneten Tom Schreiber im<br />

Visier. Foto: picture alliance / dpa<br />

Der Angriff begann kurz nach 21:00 Uhr. Am Wismarplatz<br />

im Szenebezirk Friedrichshain starteten 3.500<br />

Linksradikale und deren Sympathisanten am 9. Juli<br />

ihre «Kiezdemo gegen Verdrängung». Die Stimmung<br />

sei «aggressiv und polizeifeindlich» gewesen, hieß es<br />

von Seiten der Ordnungshüter. Steine, Flaschen und<br />

Pyrotechnik hagelten immer wieder auf die 1.800 eingesetzten<br />

Beamten. Auch «Fußtritte und Faustschläge»<br />

musste die Polizisten über sich ergehen lassen. Am<br />

Ende sprach die Behörde von der «aggressivsten und<br />

gewalttätigsten Demonstration der zurückliegenden<br />

fünf Jahre in Berlin». 123 Beamte blieben verletzt<br />

zurück. Der Terror verteilte sich anschließend in der<br />

ganzen Stadt: Noch in derselben Nacht gingen überall<br />

Autos in Flammen auf.<br />

Die Initialzündung für die Krawalle dürfte der 13.<br />

Januar <strong>2016</strong> gewesen sein: Um Falschparker aufzuschreiben,<br />

begab sich ein Beamter der Berliner Polizei<br />

in die Rigaer Straße. Für die Uniformierten ist die<br />

Gegend am Rande von Friedrichshain schon lange Feindesland.<br />

Gleich mehrere damals leerstehende Gebäude<br />

in dieser Ecke Ostberlins wurden 1990 besetzt – ein Teil<br />

bildet bis heute das wichtigste verbliebene Territorium<br />

der linksextremen Szene. In Gangmanier beherrschen<br />

ihre Aktivisten hier Hauseingänge und Bürgersteige.<br />

Seit September 2015 gilt die Gegend auch offiziell<br />

als «kriminalitätsbelasteter Ort». An jenem Wintertag<br />

eskalierte die Situation. Vermummte stießen den<br />

Beamten zu Boden und verschwanden im Haus Rigaer<br />

94, in dessen Hinterhof ein linksradikales Wohnprojekt<br />

sowie im Vorderhaus die Untergrund-Kneipe Kadterschmiede<br />

residieren. Am Abend rückten 550 Polizisten<br />

an, einschließlich Sondereinsatzkommando und Hubschrauber.<br />

Offenkundig eine Revanche-Aktion, sicher<br />

auch mit Blick auf die Landtagswahl am 18. September.<br />

Doch die Polizei wurde fündig: Eisenstangen, Steine,<br />

Grillanzünder für Brandanschläge und Krähenfüße zum<br />

Aufschlitzen von Reifen präsentierte die Behörde einen<br />

Tag später der Presse.<br />

Für Antifa und andere Linksradikale bildete die<br />

Durchsuchung den Anlass für eine neue Serie der<br />

Gewalt. Ende Januar schlug in der Rigaer Straße<br />

ein Müllsack neben Streifenpolizisten auf die Pflastersteine.<br />

«Der Verfolgungsdruck entlud sich», verharmloste<br />

die linksgestrickte Tageszeitung Taz den<br />

Anschlag. Als die Polizei im Juni Teile des Gebäudes<br />

zeitweise räumte – unter dem durchaus vorgeschobenen<br />

Grund des Brandschutzes – fanden die Beamten<br />

neben drei Schlagstöcken auch eine Pistole.<br />

26<br />

Angriffsziel Berlin: Immer wieder terrorisieren<br />

selbstermächtigte Antifaschisten und Autonome die<br />

Hauptstadt. Lange waren es vor allem die Rituale um<br />

den 1. Mai, die für regelmäßigen Ausnahmezustand<br />

und Krawalltourismus sorgten. 20<strong>09</strong> ging die sogenannte<br />

Revolutionäre Demonstration bereits nach<br />

zwei Minuten in einem Steinhagel gegen die Poli-


zei unter. Bodo Pfalzgraf, Landeschef der Deutschen<br />

Polizeigewerkschaft, erkannte einen «klaren Mordanschlag»<br />

des als besonders militant bekannten Schwarzen<br />

Blocks auf zwei Beamte. Der blutige Feiertag markierte<br />

jedoch zugleich das Ende der traditionellen Mai-<br />

Randale – und seit 2010 blieb es friedlich. Stattdessen<br />

ist die Szene zu einer Art Guerillataktik übergegangen.<br />

Hauptstadt der Brandanschläge<br />

Insbesondere das Abfackeln von Autos entwickelte<br />

sich zum Markenzeichen der politisch kostümierten<br />

Banden. So registrierte die Polizei zwischen 2008<br />

und 2015 insgesamt 1.829 Brandanschläge mit teilweise<br />

mehreren ausgebrannten Fahrzeugen, 492 Fälle<br />

stuften die Ordnungshüter als politisch motiviert ein.<br />

Bekennerschreiben rechtfertigten die Taten als Kampf<br />

gegen die – tatsächlich voranschreitende – Gentrifizierung,<br />

also die Verdrängung von Bewohnern und sozialen<br />

Milieus der Innenstadtquartiere durch Luxussanierungen,<br />

Eigentumswohnungen und Mietsteigerungen.<br />

Die völlige Wahllosigkeit der Brandstiftungen<br />

sorgte auch szeneintern früh für Kritik. Sind es doch<br />

nicht nur vermeintliche Klassenfeinde in den Nobelvierteln,<br />

deren Karossen ausbrennen. Mittlerweile<br />

kann jeder Berliner Opfer eines Feuerüberfalls werden.<br />

Die Taz spekulierte damals über eine «Entpolitisierung<br />

der radikalen Linken, die ihren Anspruch, im ”Herz<br />

der Bestie” zuzulangen, aufgegeben hat und nun vor<br />

der eigenen Haustür kehrt». Dennoch erreichte die Zahl<br />

der Anschläge im ersten Halbjahr 2011 mit allein 500<br />

Fahrzeugen ihren Höhepunkt. «Deutschlands Hauptstadt<br />

brennt lichterloh, ohne Erklärung», titelte nun<br />

sogar die New York Times. Die Polizei gründet die Sonderkommission<br />

Feuerschein. Doch die Politik spielte<br />

das Thema herunter. «Wer jetzt schnelle Lösungen verspricht,<br />

will nur billig Wahlkampf machen», wandte<br />

sich der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit<br />

(SPD) gegen Forderungen der damals oppositionellen<br />

CDU nach einem härteren Vorgehen. Der Kreuzberger<br />

Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele<br />

(Grüne) verharmloste die Anschläge gar als ein<br />

«Prestigegerangel zwischen denen, die das machen,<br />

und der Polizei».<br />

Sturmtruppen für Multikulti<br />

Jahrelang hatte das linksradikale Milieu an der<br />

Spree seine Wunden geleckt. 2003 fasste die Antifaschistische<br />

Linke Berlin (ALB) im Szeneblatt Arranca<br />

das Dilemma zusammen: «Was nicht gelang war, die<br />

Zerfallsprozesse der Antifa-Bewegung Ende der 90er<br />

Jahre aufzuhalten.» Doch ein Dezennium später war<br />

die Zeit des Katzenjammers vorbei: Für die linksradikale<br />

Szene Berlins waren die Brandschatzungen wie<br />

ein Jungbrunnen.<br />

Die Asylflut gab den Krawallos einen weiteren<br />

Schub. Nachdem sogenannte Lampedusa-Flüchtlinge<br />

2013 den Kreuzberger Oranienplatz besetzt hatten, mobilisierte<br />

die linksradikale Szene immer wieder gewaltbereite<br />

Demonstranten, um Räumungen zu verhindern.<br />

Als ein Jahr später die von Asylforderern besetzte Ger-<br />

Tagelang belagerten Linksradikale<br />

im Juni die Polizei nach der teilweisen<br />

Räumung der Rigaer Straße 94.<br />

Foto: picture alliance / ZUMA-<br />

PRESS.com<br />

Auch dieses Hostel in Berlin-Hohenschönhausen<br />

wurde von Antifa-<br />

Aktivisten attackiert. In der Herberge<br />

fand am 13.3.<strong>2016</strong> eine<br />

AfD-Wahlparty statt.<br />

Foto: picture alliance / dpa<br />

«Deutschlands<br />

Hauptstadt brennt<br />

lichterloh, ohne<br />

Erklärung.»<br />

«New York Times»<br />

27


<strong>COMPACT</strong> Politik<br />

Das Leiden<br />

der Anwohner<br />

Nach eigenen Angaben führen<br />

die Linksradikalen in der<br />

Rigaer Straße einen Kampf für<br />

die Bewohner des Kiezes. «Auch<br />

die Solidaritätsbekundungen aus<br />

der Nachbarschaft haben uns<br />

bestärkt», heißt es in einer Stellungnahme.<br />

Im Berliner Tagesspiegel<br />

spricht dagegen ein früherer<br />

Nachbar Klartext. «Ich kam<br />

als Freund, der mit Wohlwollen<br />

sah, dass es in Berlin eine lebendige<br />

Haubesetzerszene gibt»,<br />

heißt es in dem Text. «Ich ging,<br />

sieben Jahre später, persönlich<br />

zermürbt, politisch desillusioniert<br />

und mit einem ungeheuren<br />

Groll auf das ungeheure Maß an<br />

Dumpfbatzentum, das uns dort<br />

alltags begegnete. Schlaflose<br />

Nächte, Gepöbel, mutwillige<br />

Zerstörungswut haben mich aus<br />

dem Kiez getrieben. Kot, Scherben,<br />

Kotze – das ist, was mir<br />

in Erinnerung bleibt vom Leben<br />

als Nachbar des alternativ autonomen<br />

Wohn- und ”Kulturprojekts”<br />

Rigaer 78.»<br />

Polizisten in der Rigaer Straße.<br />

Foto: picture alliance / dpa<br />

Feuer und Flamme für diesen Staat:<br />

Das alte Autonomenmotto setzen<br />

linksradikale Täter an den Autos der<br />

Berliner um. Wie hier in der Nacht<br />

zum 27.5.<strong>2016</strong>. Foto: picture alliance<br />

/ dpa<br />

hart-Hauptmann-Schule kurzzeitig geräumt werden<br />

sollte, randalierten Aktivisten auf den Besuchertribünen<br />

der Bezirksverordnetenversammlung.<br />

Vor allem Kritiker der Multikulti-Religion gerieten<br />

nun ins Visier. Im Februar <strong>2016</strong> schlugen Antifa-Terroristen<br />

die Fensterscheiben der Kreuzberger Kneipe<br />

Stadtklause ein und verspritzten Bitumen in den Gastraum.<br />

Das angebliche Verbrechen des Wirtes: In der<br />

Lokalität hatten sich Mitglieder des AfD-Bezirksverbandes<br />

zu einem Parteitag getroffen. Bereits im<br />

August 2015 hatte die Antifa Nordost «weitere Aktionen<br />

gegen die Lichtenberger AfD-Kneipe Zum Bären»<br />

angekündigt. Am 22. Oktober 2015 brüstete sich die<br />

rotlackierte SA, die Friedrichshainer Kneipe Zum Igel<br />

«komplett entglast» zu haben.<br />

Die Seite antifa-berlin.info veröffentlichte mittlerweile<br />

eine ganze Sammlung von Trophäenberichten<br />

über die Attacken auf Gasthäuser. Auch Empfehlungen<br />

für Angriffe sind den Machwerken zu entnehmen.<br />

So sei klar, «dass es sehr wirkungsvoll sein kann, eine<br />

freundliche Kommunikation zu suchen und die Eskalationsleiter<br />

danach (…) empor zu schreiten». Bei Lokalen,<br />

die sich den Befehlen der Linksfaschisten widersetzen,<br />

«scheint uns hier die Zeit der freundlichen Worte nun<br />

vorbei zu sein…»<br />

Morddrohungen gegen Politiker<br />

Dabei entlädt sich die Gewalt nicht mehr nur gegen<br />

tatsächliche oder vermeintliche Rechte. Auch der SPD-<br />

Abgeordnete Tom Schreiber gehört mittlerweile zu den<br />

Feindbildern der Szene. Seit 2006 beschäftigt er sich<br />

im Berliner Abgeordnetenhaus unter anderem mit dem<br />

Thema Extremismus – gelegentliche Drohungen von<br />

Neonazis und Rockern inklusive. Auf Twitter hatte<br />

der Politiker die anhaltenden Autobrandstiftungen als<br />

das «hässliche Gesicht der #Linksautonomen #Szene»<br />

bezeichnet. Die Antifa reagierte mit unmissverständlichen<br />

Drohungen: «Pass bloß auf, Tom» und «#Tom-<br />

Lodernde Flammen<br />

Anzahl der Brandanschläge auf Autos und Bezirke mit den meisten<br />

Vorfällen<br />

besonders betroffene<br />

Gebiete<br />

403<br />

CHARLOTTENBURG-<br />

WILMERSDORF<br />

92<br />

243<br />

24<br />

Quellen: Wikipedia, Statista<br />

249<br />

MITTE<br />

FRIEDRICHSHAIN-<br />

KREUZBERG<br />

davon eindeutig politisch<br />

motiviert<br />

2011 2012 2013 2014 2015<br />

Grafik: <strong>COMPACT</strong><br />

DuArschloch» zierten Berliner Häuserwände. Innensenator<br />

Frank Henkel (CDU) wurde sogar mit Mord<br />

gedroht. «Bei Räumung (…) eine Million Sachschaden<br />

und Henkel im Kofferraum!», schrieben Rigaer-Sympathisanten<br />

auf indymedia.de – eine Anspielung auf<br />

die in einem Kofferraum gefundene Leiche des 1977<br />

von der Roten Armee Fraktion ermordeten Arbeitgeberpräsidenten<br />

Hanns Martin Schleyer.<br />

Die Zeit der freundlichen Worte<br />

scheint uns vorbei. «antifa-berlin»<br />

Die heimlichen Hauptquartiere der Schläger: die<br />

Kneipen Kadterschmiede sowie Abstand in der Rigaer<br />

Straße. Keine der beiden Spelunken verfügt über eine<br />

Gaststättenerlaubnis, wie eine parlamentarische Anfrage<br />

Schreibers im März zu Tage förderte. Versuche<br />

der Polizei, die Kadterschmiede zu räumen, scheiterten<br />

im Juli an einem fehlenden Gerichtstitel. Das Bezirksamt<br />

unter Bürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne)<br />

– die bereits die Besetzungen des Oranienplatzes<br />

und der Gerhart-Hauptmann-Schule wohlwollend duldete<br />

– sieht offenbar keinen Grund zum Handeln. «Es<br />

wurden vom zuständigen Bezirksamt Friedrichshain-<br />

Kreuzberg bisher keine Kontrollen durchgeführt», heißt<br />

es in der Antwort der Senatsinnenverwaltung.<br />

23<br />

242<br />

53<br />

179<br />

38<br />

28<br />

Besonders pikant: Der Hausbesitzer plant, in leerstehenden<br />

(!) Wohnungen der Rigaer 94 und in der<br />

Absturz-Pinte Kadterschmiede Wohnraum und Werkstätten<br />

für Asylbewerber zu schaffen. Das aber lehnen<br />

die Linken, die ansonsten immer «Refugees welcome»<br />

plakatieren, scharf ab. Sie wollen selbst bestimmen,<br />

wen sie bei sich aufnehmen wollen – eine Haltung, die<br />

sie bei anderen frech als rassistisch geißeln.


«Kaischi hat das Lebenswerk<br />

von Axel Springer verjuckelt»<br />

_ Interview mit Peter Bartels<br />

Viel Freude haben die Aktionäre des<br />

Axel-Springer-Verlages, hier 2013,<br />

derzeit nicht an ihrem schlingernden<br />

Auflagen-Flaggschiff.<br />

Foto: picture alliance / dpa<br />

Der Niedergang der «Bild-Zeitung» ist dramatisch. Unter Chefredakteur Kai Diekmann<br />

stürzte ihre Auflage von über vier auf unter zwei Millionen ab. Einer seiner Vorgänger an<br />

der Spitze des Boulevard-Blattes zieht jetzt gnadenlos Bilanz.<br />

Ihr Buch liest sich weitgehend wie eine Abrechnung<br />

mit Kai Diekmann, Ihrem Nachfolger in der<br />

Chefredaktion zwischen 2001 und 2015. Was hat<br />

Diekmann – Spitzname «Kaischi» – denn falsch<br />

gemacht?<br />

So ziemlich alles. Wobei er eigentlich ganz gut losgelegt<br />

hat: Er hat in seinem ersten Quartal ordentlich<br />

Plus gemacht, wurde damals jedenfalls an den Auflagenkontrolldienst<br />

IVW gemeldet. Er nahm das angeblich<br />

zum Anlass, durch die Redaktion zu trompeten:<br />

«Jetzt haben wir’s geschafft!»<br />

Kaischi, Teens und Twens<br />

Also, was waren seine entscheidenden Fehler?<br />

Viele. Er fing schon früh an, eigentlich sofort, ein Blatt<br />

für Leute zu machen, die er nicht hatte. Wenn Du ein<br />

Massenblatt machst, dann machst Du ein Blatt für die<br />

Masse, nach Möglichkeit die Mehrheit der Masse. Und<br />

diese Mehrheit bei Bild ist immer «älter». Sie fängt bei<br />

30, vielleicht 35 an, frühestens. Diekmann aber hat fast<br />

immer ein Blatt für jüngere Leser gemacht, manchmal<br />

wie für Schülerzeitungsleser. Es reicht nicht, wenn man<br />

ab und zu eine Rentengeschichte bringt und sich danach<br />

leicht angeekelt zurücklehnt: «So, jetzt habe ich mal<br />

was für die alten Säcke getan, Schnauze.» Die «Alten»<br />

wittern das. Im Übrigen: Vor 50 denkt in Deutschland<br />

eh keine Sau an Rente. Die, die es betrifft, haben längst<br />

Rente, den anderen geht´s am Arsch vorbei. Mit 40 wird<br />

man bekanntlich nie alt, höchstens die anderen.<br />

Wollen Sie sagen, Bild hatte und hat keine jungen<br />

Leser, keine unter 35?<br />

Natürlich hat Bild auch immer junge Leser gehabt –<br />

pro Tag sogar mehr als Bravo pro Woche, lange Zeit.<br />

Teenager hießen die früher. Das bedeutet aber nicht,<br />

dass diese Gruppe relevant für die Auflage war. Teens<br />

und Twens kauften das Blatt nämlich nicht. Die lesen<br />

es nur, weil es auf dem Tisch rumliegt, von Mama für<br />

Papa gekauft.<br />

Vorbild Salafistenbart: Kai Diekmann<br />

2014 während der Verleihung<br />

des Deutschen Radiopreises.<br />

Foto: picture alliance / Eventpress<br />

MP<br />

Der Quatsch bei<br />

«Bild» wird quätscher,<br />

bis er<br />

quietscht.<br />

29


<strong>COMPACT</strong> Politik<br />

nicht mal mehr der Prince of Wales, wenn man sie ihm<br />

vorliest. Und der hat bekanntlich große Öhrchen. Aber<br />

der Quatsch wird quätscher, bis er quietscht. Und die<br />

neue Chefredakteurin Tanit Koch macht weiter: The<br />

same procedure as every day, my dear Kaischi.<br />

Kaischi, Steini und Wulffi<br />

30<br />

Eigentlich trifft sich Friede Springer<br />

lieber mit Angela Merkel. Zur<br />

Gedenkfeier für Guido Westerwelle<br />

fühlte sie sich aber auch<br />

zwischen Klaus Wowereit und dem<br />

damaligen Deutsche-Bank-Chef<br />

Jürgen Fitschen wohl. Foto: picture<br />

alliance / Eventpress<br />

Fortsetzung folgt!<br />

In der nächsten Ausgabe von<br />

<strong>COMPACT</strong> setzen wir das Interview<br />

mit Peter Bartels fort. Dann<br />

erfahren Sie, was er über die<br />

Lügenpresse denkt, wer bei Bild<br />

den Chefredakteur bestimmt,<br />

welche Unternehmensgrundsätze<br />

jeder Mitarbeiter unterschreiben<br />

muss – und warum<br />

in der Leserschaft Sozis meistens<br />

in der Mehrheit waren. Last<br />

but not least finden Sie im Oktober-Heft<br />

eine Bewertung von Kai<br />

Diekmanns Nachfolgerin im Bild-<br />

Chefsessel, Tanit Koch.<br />

Bild-Zeitung vom 2. Oktober 1989.<br />

Foto: Bild / Repro <strong>COMPACT</strong><br />

Also hat Diekmann ein Blatt gemacht für Leser,<br />

die es zwar manchmal gelesen, aber nicht<br />

gekauft haben?<br />

So in etwa; natürlich muss man das Themenspektrum<br />

so breit wie möglich fächern. Und natürlich interessiert<br />

Mama oder Papa, was andere Mamas und Papas für<br />

Sorgen mit ihren schönen Töchtern oder schicken Söhnen<br />

haben. Aber Du kannst kein Blatt für diese junge<br />

Zielgruppe machen, wenn Du weißt, dass 90 Prozent<br />

Deiner Leser eben der Jugend nur noch zugucken können<br />

– und wollen.<br />

Mit «Refugees welcome» ist Diekmann<br />

gnadenlos auf die Schnauze<br />

gefallen.<br />

Zumal der Sound, die Schreibe für junge Leser<br />

sicher anders klingt…<br />

Wenn der Chefredakteur ein Blatt für die falsche Altersgruppe<br />

macht, ist er immer auch in Versuchung, die falsche<br />

Sprache zu benutzen. Wenn ich für 25-Jährige<br />

schreibe, muss ich auch reden wie 25-Jährige. Das verstehen<br />

die älteren Herrschaften aber nicht, wollen es<br />

auch nicht verstehen. Vor allem, wenn der «RedakteurIn»<br />

exaltiert auf jung mimt, mit Anglizismen keult, weil<br />

er glaubt, das ist modern, chic – jung eben… Dumm<br />

nur, dass die meisten «Alten» dieses typisch britische<br />

«sophisticated» Englisch weder kapieren noch kapieren<br />

wollen; die einen hatten ein bisschen Merkel-<br />

Russisch, die anderen etwas Pumpernickel-Englisch,<br />

ansonsten eben Ruhrpott, Bayern, Sachsen. Im Übrigen:<br />

Diekmanns jaulende Anglizismen-Zeilen versteht<br />

Zum Glück für den Leser macht «Bild» ja in<br />

großem Stil Politik – Kommentare, Interviews,<br />

Berichte, vieles sogar exklusiv!<br />

Diekmanns nächster Fehler: Kaischi hat nie begriffen,<br />

dass Politik in einem Massenblatt verminter Bereich<br />

ist. Die Leute sagen zwar bei jeder neuen Marktforschung:<br />

«Politik ist gaaanz wichtig.» Aber tatsächlich<br />

interessiert es sie einen feuchten Kehricht – von Oberlehrern,<br />

Bürgermeistern, Gewerkschaftern mal abgesehen.<br />

Bei der Masse kommt Politik in Wahrheit unter<br />

«ferner liefen». Andrea Berg ist wichtig, Herbert Grönemeyer,<br />

der «Alpen-Elvis» Gabalier, Klatsch und Tratsch –<br />

Trash, nicht Politik. Aber so ist das nun mal: Wenn einer<br />

Schweineschnitzel will, kann ich ihm kein Hammelkotelett<br />

verkaufen. Es ist nicht wichtig, was dem Chefredakteur<br />

gefällt – dem Leser muss es gefallen.<br />

Aber Politik betrifft doch alle Menschen…<br />

Boulevard-Leser nur bei Wahlen… Das hat seinen guten,<br />

meinetwegen schlechten Grund: Kaufleser sind schnelle<br />

Leser. Die Zeitung tischt ihnen ein politisches Problem<br />

auf, der Leser schluckt es – vielleicht – zwei, drei Tage.<br />

Aber keine Monate, wie bei Diekmanns Pleite-Hellenen,<br />

die einfach nicht genug Steuern von ihren Griechen<br />

«griechen» (Bild). Nach ein, zwei Polit-Stories haben die<br />

Leser «fertig». In der wirklichen Politik geht es aber dann<br />

erst los: Plenum, Debatten, «McCarthy-Talkshows», keifend,<br />

knurrend, hufescharrend, bis in die Nacht… Und<br />

ein strichlippiger Steinmeier schwafelt, ohne ein einziges<br />

Wort zu sagen, Tagesschau und Heute-Journal<br />

zu… Und am nächsten Tag labert Bild seine letzten Leser<br />

auch noch anderthalb Bleiwüsten-Seiten lang mit einem<br />

französischen Lambretta-Präsidenten voll. Und der eitle<br />

Kaischi enthüllt nicht mal, dass der Figaro das Resthaar<br />

des Präsidenten fünfmal täglich kämmen, legen und föhnen<br />

muss, dafür aber 9.000 Euro Staatsknete kassiert…<br />

Vorwärts in den Untergang<br />

Verkaufte Auflage in Millionen<br />

4,71<br />

2,65<br />

Quelle: IVW <br />

3,88<br />

2,16<br />

3,10<br />

1,70<br />

«Bild»<br />

«Bild am Sonntag»<br />

1,85<br />

1998 2004 2010 <strong>2016</strong><br />

1,01<br />

Grafik: <strong>COMPACT</strong>


<strong>COMPACT</strong> Politik<br />

Trotzdem hat «Bild» auch früher, wie unter Kai<br />

Diekmann später, Politik gebracht und gemacht…<br />

Noch mal: Wenn irgendein Sozi-Verteidigungsminister<br />

mit einer Gräfin irgendwo im Mittelmeer plantscht,<br />

dann ist das auch und gerade für Bild «Politik». Und<br />

natürlich ist es toll, wenn ein niedersächsischer Ärmelschoner<br />

namens [Christian] Wulff à la Dürrenmatts<br />

«Grieche sucht Griechin» plötzlich mit einer schönen<br />

Blondine auftaucht. Dann ist das für ein Massenblatt<br />

sogar ganz große «Politik», schließlich droht der Ärmelschoner<br />

Präsident zu werden, wird es dank Muttchen<br />

tatsächlich… Nein, «richtige» Politik hat nur ein Mal<br />

für längere Zeit Auflage gemacht. Und das war die<br />

Wiedervereinigung, die bekanntlich von Mai 1989 bis<br />

Mai 1991 dauerte…<br />

Kaischi, Mutti und Friede<br />

255 Seiten für 19,95 Euro. ISBN:<br />

3864452821 Foto: Kopp Verlag<br />

Besonders dramatisch war der Absturz von «Bild»<br />

letztes Jahr, als die Zwei-Millionen-Grenze nach<br />

unten durchbrochen wurde…<br />

Kai Diekmann hat drei Schallmauern durchbrochen:<br />

vier Millionen, drei Millionen, zwei Millionen. Darum<br />

nenne ich ihn «Undertaker»: Er ist der Totengräber von<br />

Bild. Sein vorerst letzter Fehler begann, als er 2015<br />

anfing, dem Mainstream in den Arsch zu kriechen und<br />

seine Leser erst zu beschimpfen, dann zu vertreiben.<br />

Weit über eine Million nicht registrierter Flüchtlinge<br />

fluteten die von Honeckers Musterschülerin Merkel<br />

geöffneten Grenzen. Und Diekmann sagt «Welcome!»,<br />

sogar in extra 40.000 auf Arabisch gedruckten Blöd-<br />

Zeitungen – und verschenkt sie an Moslems, die nicht<br />

lesen können, weil sie´s nicht gelernt haben.<br />

Dieser Spruch «Say it loud, say it clear, refugees<br />

are welcome here!» – ist der von «Bild»?<br />

Keine Ahnung. Aber der Spruch «Wir schaffen das» ist<br />

von Moslem-Muttchen Merkel. Diesen Spruch kannte<br />

sie aus der DDR. «Das schaffen wir» schalmeiten<br />

damals ZK und Neues Deutschland unisono zu allen<br />

Fünfjahresplänen. Und Diekmann wieselte der Wessi-<br />

Version eilfertig hinterher: «Jawoll, wir schaffen das!»<br />

Jeder sah in der Tagesschau die Heerscharen junger,<br />

schicker Männer mit Smartphone am gepiercten Ohr.<br />

«Da kommen die, die unsere Renten retten. Fast alles<br />

Ingenieure, Ärzte, Akademiker», so oder so ähnlich ließ<br />

Diekmann wider besseres Wissen seine Redakteure<br />

schreiben. Jeder Deutsche wusste sehr, sehr bald: 80<br />

Prozent haben nicht mal drei Schuljährchen im Tornister.<br />

Aber «das Kaischi» startete die Aktion «Refugees<br />

welcome». Und ist damit gnadenlos auf die Schnauze<br />

gefallen! Er fand sogar die Türken toll, bis «Erdowahn»<br />

auch die Dogan-Holding anfing windelweich zu prügeln,<br />

an der doch Springer so schön beteiligt ist.<br />

Irgendwann fing Bild dann an, die Montagsspaziergänge<br />

von Pegida in Dresden zu kritisieren… Da liefen<br />

Tausende durch die Stadt, und Diekmann glaubte<br />

ausgerechnet den Reportern, deren Väter wegen genau<br />

solcher Spaziergänger die ganze, schöne DDR verloren<br />

hatten. Schlimmer: Er nannte diese Spaziergänger bald<br />

nur noch Dunkeldeutsche, Pack, Nazis. Weihnachten<br />

sangen sie an der Elbe nicht «Stille Nacht», sie «grölten»!<br />

Nazis eben… Bild riss sie aus Facebook raus,<br />

brachte Schlagzeilen und Doppelseiten, stellte sie an<br />

den Bild-Pranger, um zu «beweisen», was für Schwachmaten<br />

da ihre Wut, ihre Angst raus stammelten, von<br />

wegen Migranten-Invasion. Aber: Das waren alles<br />

Leser, vor allem auch Bild-Leser! Und für so ein Blatt<br />

sollten sie auch noch fast zwei Mark – 90 Cent – bezahlen?<br />

Wenn meine Frau mir in den Arsch tritt, tut es<br />

ebenfalls weh, aber es kostet wenigstens kein Geld!<br />

Es war einfach instinktlos, was Diekmann da mit seiner<br />

Redaktion gemacht hat. Die Herren Großverdiener<br />

haben vertrieben, wovon sie lebten – ihre Gehaltszahler,<br />

die Leser!<br />

Aber wenn’s doch aus der Sicht des Mainstream<br />

und der «Bild» tatsächlich alles nach Pack aussah?<br />

Sogar SPD-Chef Sigmar Gabriel hat´s doch<br />

gesagt…<br />

Ob Gabriel oder Diekmann – sie müssen vorerst mit<br />

dem Volk leben, das sie haben – Pack hin, Pack her.<br />

Gabriel kriegt seine Quittung nächstes Jahr. Diekmann<br />

hat die ersten beiden finalen Quartals-Quittungen<br />

schon kassiert. Man wird sehen, wie lange Friede<br />

[Springer] zusieht, wie einer das Lebenswerk ihres<br />

Mannes verjuckelt.<br />

Wissen Sie, wenn ich die Welt retten will, werde<br />

ich Gandhi. Oder vielleicht Papa Theresa. Wenn ich ein<br />

linkes Blatt machen will, dann mache ich die Alpen-<br />

Pravda Süddeutsche oder den Spiegel. Wenn ich Bild<br />

machen will, dann muss ich ein Blatt für die Mitte<br />

machen – etwas rechts, etwas links, ansonsten Mitte.<br />

Die Deutschen waren nie links oder rechts, sie waren<br />

immer sowohl als auch. Konservativ.<br />

Gut gelaunt: Peter Bartels deckt die<br />

Geheimnisse von «Bild» auf.<br />

Foto: Peter Bartels<br />

Diekmann ist der<br />

Totengräber von<br />

«Bild».<br />

_ Peter Bartels ist seit 50<br />

Jahren Journalist und war 17<br />

Jahre bei «Bild». 1974 wurde<br />

er Unterhaltungschef in der<br />

Hamburger Zentralredaktion<br />

und begann seinen Aufstieg im<br />

Springer-Konzern. Von 1989 bis<br />

1991 war er zusammen mit Hans-<br />

Hermann Tiedje Chefredakteur<br />

von «Bild» – in der spannenden<br />

Zeit der Wiedervereinigung, als<br />

das Blatt noch fünf Millionen<br />

Auflage hatte. Im Frühjahr ist sein<br />

Buch «Bild – Ex-Chefredakteur<br />

enthüllt die Wahrheit über den<br />

Niedergang einer einst großen<br />

Zeitung» erschienen (Kopp Verlag,<br />

255 Seiten, 19,95 Euro). – Das<br />

Interview wurde von Arne Fischer<br />

geführt.<br />

31


Der amerikanische Putsch<br />

_ von Marc Dassen<br />

32<br />

Die USA gegen Erdogan: Während es zunächst so aussah, als ob der<br />

türkische Präsident den Staatsstreich vom 15. Juli selbst inszeniert<br />

hätte, mehren sich mittlerweile die Indizien, dass US-Strippenzieher<br />

am Werk waren. Offensichtlich fürchtet Washington die Annäherung<br />

zwischen Ankara und Moskau.<br />

Kampfjets der Putschisten<br />

wollten<br />

Erdogans Flugzeug<br />

abschießen.<br />

Es ist die Ruhe vor dem Sturm in den Straßen der türkischen<br />

Hauptstadt. Unzählige Menschen sitzen am 15.<br />

Juli, einem warmen Freitagabend, in den Bars, Cafés<br />

und Restaurants, entspannt, ausgelassen – endlich<br />

Wochenende. Plötzlich gelangen Gerüchte von Ohr zu<br />

Ohr. Mehrere Brücken über den Bosporus sind gesperrt,<br />

Soldaten haben Straßenbarrikaden errichtet. Panzer<br />

sind an strategischen Punkten aufgefahren. Zuerst glauben<br />

viele an einen Terroranschlag, dann – kurz nach 22<br />

Uhr – erklärt der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim:<br />

«Ein Putschversuch!» Das Militär beansprucht –<br />

wie zuvor schon so oft in der türkischen Geschichte –<br />

die Macht im Staate, verhängt das Kriegsrecht.<br />

Kurz vor Mitternacht erscheint der Präsident auf<br />

dem Display eines Smartphones, das eine Reporterin<br />

des türkischen Ablegers von CNN zitternd in die Kamera<br />

hält. Er berichtet von Verschwörern innerhalb des Militärs,<br />

ruft alle Bürger zum Widerstand auf. Recep Tayyip<br />

Erdogan, der sich gerade auf der Rückreise aus seinem<br />

Urlaub in Marmaris an der Ägäis-Küste befindet, wurde<br />

angeblich zuvor von Bombenangriffen auf sein Hotel nur<br />

knapp verfehlt. Die Putschisten hatten eine Killertruppe<br />

in sein Hotel geschickt – die kam mit ihren Hubschraubern<br />

aber 30 Minuten zu spät. Obwohl ein General das<br />

Staatsoberhaupt warnt, dass zwei Kampfjets der Putschisten<br />

in der Luft sind, um sein Flugzeug abzuschießen,<br />

entscheidet sich der Präsident für den Weiterflug<br />

nach Istanbul. Derweil streut der US-Think-Tank Stratfor<br />

per Twitter das Gerücht, Erdogan habe bereits Asyl<br />

in Deutschland beantragt. Und die US-Botschaft informiert<br />

ihre Bürger über eine «Erhebung» («uprising») in<br />

der Türkei – ein netter Ausdruck für Militärputsch.<br />

«Ein Geschenk Allahs»<br />

Erst am frühen Morgen ist klar: Der Umsturzversuch<br />

ist gescheitert. Die Verantwortlichen, die sich selbst<br />

Bewegung für Frieden in der Heimat nennen, haben<br />

sich ergeben, wurden verhaftet oder sind auf der Flucht.<br />

290 Menschen, darunter auch 24 Putschisten, wurden<br />

in dieser Nacht getötet, über 1.400 Verwundete<br />

füllen die Krankenhäuser. Allein 10.000 Militärs sitzen<br />

heute im Gefängnis. Laut Informationen der Welt<br />

lässt Erdogan nach dem Putsch drei Nachrichtenagenturen,<br />

16 Fernsehsender, 23 Radiostationen, 45 Zeitungen,<br />

15 <strong>Magazin</strong>e sowie Dutzende Verlage schlie-


<strong>COMPACT</strong> Politik<br />

Lynchmobs ziehen durch die Straßen, fordern die<br />

Todesstrafe für Verräter. Erdogan will das Volk, zum Entsetzen<br />

des Westens, sogar darüber abstimmen lassen.<br />

Noch in der Nacht des Putsches rief Erdogan, seine Anhänger, wie<br />

hier in Ankara, zum Kampf gegen die Putschisten auf.<br />

Foto: Tumay Berkin / Reuters<br />

ßen. Auch 2.800 Richter werden kurzerhand entlassen,<br />

knapp 20.000 Lehrer suspendiert und 45.000 Beamte in<br />

den kommenden Tagen als Mitverschwörer festgesetzt.<br />

Akademiker dürfen das Land nicht mehr verlassen.<br />

Der Putsch schlug laut Medienberichten vor allem<br />

deshalb fehl, weil die Aktion «vorgezogen» werden<br />

musste, «sodass nicht alle Teile des Plans rechtzeitig<br />

aktiviert» werden konnten (FAZ). Die regierungstreuen<br />

Geheimdienstler hatten laut Spiegel schon am<br />

«Freitagnachmittag um 16 Uhr (…) von den Umsturzplänen<br />

erfahren» und damit genug Zeit, Gegenmaßnahmen<br />

vorzubereiten. Ursprünglich wollten die Putschisten<br />

erst am Samstag um vier Uhr morgens losschlagen,<br />

mussten aber, weil der Plan durchgesickert<br />

war und Verhaftungen drohten, überhastet handeln.<br />

Außerdem wurde ihr Nachschub über den Flughafen<br />

Sirnak durch den dortigen Erdogan-treuen Gouverneur<br />

vorsorglich blockiert.<br />

Trotz der bald anrollenden Verhaftungswelle stellt<br />

sich die Opposition nach dem Putschversuch demonstrativ<br />

auf Erdogans Seite. Die vier größten Parteien<br />

im türkischen Parlament (Erdogans AKP, die kemalistische<br />

CHP, die nationalistische MHP und die kurdische<br />

HDP) unterzeichnen eine Erklärung gegen die Aufwiegler.<br />

Deutsche Medien wie der Spiegel fürchten dagegen<br />

eine «islamische Konterrevolution» und sehen<br />

Erdogan als «Diktator» beim Aufbau einer «lupenreinen<br />

Autokratie». Kleinlaut müssen die Spiegel-Redakteure<br />

aber zugeben, dass der Putsch vor allem deshalb<br />

scheiterte, weil «das Volk den Putschisten die Gefolgschaft»<br />

versagte.<br />

Inside-Job oder US-Komplott<br />

«War der Putsch nur inszeniert?», fragt die Wirtschaftswoche,<br />

stellvertretend für alle Zweifler, und<br />

gibt gleich die Antwort: Eher unwahrscheinlich. «Unter<br />

den mutmaßlichen Rädelsführern sollen fünf Generäle<br />

und 28 Oberste sein, die mit Erdogan unter einer Decke<br />

hätten stecken müssen» und jetzt langjährige Haftstrafen<br />

erwarten. Der Schuldige ist für Erdogan schnell<br />

ausgemacht: Fethullah Gülen. Der Prediger, ehemaliger<br />

Verbündeter und heutiger Erzfeind des türkischen<br />

Potentaten, soll mit Hilfe der CIA und seines weitverzweigten<br />

Netzwerkes – der Hizmet-Bewegung – die<br />

Fäden gezogen haben. Gülens Organisation islamistischer<br />

Schulungsanstalten ist weltumspannend, auch<br />

in Deutschland gibt es Kaderschmieden in vielen großen<br />

Städten. Für Erdogan ist Gülen der Anführer einer<br />

«Terrororganisation», eines Staates im Staat. Ministerpräsident<br />

Yildirim erklärte, dass jedes Land, das Gülen<br />

unterstütze, sich im Krieg mit der Türkei befinde: eine<br />

klare Botschaft an die USA.<br />

Hin und wieder hat der «Spiegel»<br />

recht. Foto: spiegel-online.de<br />

«War der Putsch<br />

nur inszeniert?» <br />

«Wirtschaftswoche»<br />

Fethullah Gülen im Juli <strong>2016</strong> in seinem<br />

US-amerikanischen Exil. Schätzungen<br />

von 2008 gingen davon aus,<br />

dass zehn bis 15 Prozent der Türken<br />

Sympathien für seine Bewegung<br />

hegten. Foto: picture alliance /<br />

AP Images<br />

Nach dem erfolglosen Coup auf dem Zenit von<br />

Macht und Ansehen beschreibt Erdogan die Ereignisse<br />

am nächsten Tag als ein «Geschenk Allahs». Jetzt<br />

könne er dafür sorgen, dass «unsere Streitkräfte (…)<br />

gesäubert werden». Die Verhaftungslisten lagen schon<br />

länger in der Schublade. Viele seiner fundamentalistischen<br />

Anhänger dürsten jetzt nach blutiger Rache,<br />

33


<strong>COMPACT</strong> Politik<br />

34<br />

Der NATO-Dolchstoß<br />

Türkische Medien verdächtigen<br />

auch die NATO-Untergrundarmee<br />

Gladio als Drahtzieher<br />

des Putsches. Sie wurde von den<br />

USA während des Kalten Krieges<br />

in Europa aufgebaut und verübte<br />

auch in der Türkei immer<br />

wieder Anschläge und politische<br />

Morde unter falscher Flagge, um<br />

die Anti-NATO-Opposition auszuschalten.<br />

Der Chef des Polizeigeheimdienstes<br />

Bülent Orakoglu<br />

sah eine «neue Form von Gladio»<br />

hinter dem Umsturz am Werk.<br />

Der Journalist Özcan Tikit kommentierte<br />

beim Sender Habertürk,<br />

dass «ein Vertrauensverhältnis<br />

mit den westlichen Institutionen»<br />

erst dann wiederhergestellt<br />

werden kann, wenn<br />

«Gladio in der Türkei (…) aus<br />

dem Weg geräumt» worden ist.<br />

Militärputsch im Jahre 1980.<br />

Foto: picture alliance / AP Photo<br />

_ Marc Dassen ist Redakteur bei<br />

<strong>COMPACT</strong>. In Ausgabe 8/<strong>2016</strong><br />

recherchierte er die Strategien<br />

von Bundeswehr und NATO im<br />

Cyberkrieg und deren Bedeutung<br />

im Konflikt mit Russland.<br />

Erdogan-treue Demonstranten fordern<br />

die Todesstrafe für Gülen.<br />

Foto: picture alliance / ZUMA-<br />

PRESS.com<br />

Der Beschuldigte bestreitet gegenüber dem Spiegel,<br />

«irgendetwas mit diesem schrecklichen Putschversuch<br />

zu tun» zu haben. Gülen lebt seit 1999 im amerikanischen<br />

Exil auf einem prächtigen Anwesen in Saylorsburg,<br />

Pennsylvania. Nach Einschätzung des Autors<br />

F. William Engdahl ist der Prediger «ein Agent, der zu<br />

100 Prozent von der CIA gesteuert wird». «Ich habe eine<br />

Botschaft nach Pennsylvania: Du hast genug Landesverrat<br />

begangen. Komm zurück in Dein Land, wenn Du<br />

Dich traust», rief Erdogan seinem Gegenspieler Tage<br />

später zu, verlangte von den Amerikanern dessen sofortige<br />

Auslieferung. 85 Kisten mit Unterlagen, die Gülens<br />

Mittäterschaft belegen sollen, hat die Regierung in<br />

Ankara nach Washington gesandt – doch die Obama-<br />

Regierung zweifelt an den Beweisen, verweigert die<br />

Kooperation. Weil dadurch die Beteiligung der US-<br />

Geheimdienste ins Scheinwerferlicht gelangen könnte?<br />

«Komm zurück in Dein Land, wenn<br />

Du Dich traust!» Erdogan zu Gülen<br />

Arbeitsminister Süleyman Soylu äußerte, weitergehend<br />

als Erdogan, explizit den Verdacht, die USA<br />

könnten hinter dem Coup stecken. Es wäre keineswegs<br />

das erste Mal: Vielen Türken ist der Satz «Your boys<br />

have done it» (Deine Jungs haben es geschafft) noch<br />

im Ohr. Der fiel nach dem Putsch 1980, als der damalige<br />

Chef der türkischen CIA-Filiale Paul Bernard Henze<br />

vom Weißen Haus zu seinem Erfolg bei der Beseitigung<br />

der Demokratie beglückwünscht wurde.<br />

Die AKP-nahe Zeitung Yeni Safak sieht in dem pensionierten<br />

US-General John F. Campbell den Mastermind<br />

des Umsturzversuches. Der habe mit Hilfe der<br />

CIA «mehr als zwei Milliarden Dollar» über eine Bank<br />

in Nigeria an das «militärische Personal unter den<br />

Putschisten in der Türkei» transferiert. Das Geld, welches<br />

an ein «80-köpfiges Spezialteam der CIA» verteilt<br />

wurde, soll dazu gedient haben, «Putsch-freundliche<br />

Generäle zu überzeugen». Campbell habe seinen<br />

türkischen Kontaktmännern seit Mai «mindestens zwei<br />

geheime Besuche» abgestattet.<br />

Albtraum der Atlantiker<br />

Sollte die CIA oder das Pentagon tatsächlich mitgemischt<br />

haben, könnte die Türkei ihre NATO-Mitgliedschaft<br />

kündigen. Das Land ist seit 1952 Mitglied und<br />

stellt die zweitgrößte Armee des Bündnisses. Außerdem<br />

ist der Luftwaffenstützpunkt Incirlik seit 25 Jahren<br />

zentrales Drehkreuz für den Nahostkrieg der US-<br />

Allianz. Ein Austritt der Türken wäre aus Sicht der<br />

US-Geostrategen ein Desaster. Die Türkei als «Bollwerk<br />

gegenüber Russland, gegenüber Iran» (Spiegel)<br />

stünde auf der Kippe. Der ehemalige Maoist und Chef<br />

der türkischen Heimatpartei, Dogu Perincek, als politischer<br />

Gefangener unter Erdogan mit Sicherheit nicht<br />

dessen Gefolgsmann, ist der Ansicht, dass sich in der<br />

Putschnacht die Geheimstrukturen der NATO in der Türkei<br />

offenbart haben und nun «zerschmettert» worden<br />

seien. Er beobachte seit einiger Zeit, dass sich die Türkei<br />

aus dem transatlantischen Lager löse.<br />

Tatsächlich konnte man kurz vor dem Putsch erste<br />

Anzeichen für eine Annäherung zwischen Ankara und<br />

Moskau beobachten: Schon Ende Juni <strong>2016</strong> entschuldigte<br />

sich Erdogan bei Putin für den Abschuss eines<br />

russischen Kampfjets im syrisch-türkischen Grenzgebiet<br />

im November 2015, der zu einer Eiszeit zwischen<br />

beiden Staaten geführt hatte. Mittlerweile<br />

macht der türkische Präsident die Putschisten für den<br />

damaligen Aggressionsakt verantwortlich. Anfang<br />

Juli folgte dann die nächste Offerte an die slawische<br />

Supermacht: Außenminister Mevlüt Cavusoglu stellte<br />

den Russen die Mitbenutzung der Luftwaffenbasis<br />

Incirlik in Aussicht – was er wenig später halbherzig<br />

wieder dementierte. In Washington dürften die Alarmglocken<br />

geschrillt haben.<br />

Nach dem Putschversuch war der russische Präsident<br />

der Erste, der sich öffentlich hinter Erdogan<br />

stellte. Anfang August trafen sich die zwei in Moskau.<br />

Bei dieser Gelegenheit untermauerten beide ihren<br />

guten Willen. Russische Sanktionen sollen aufgehoben,<br />

die wirtschaftliche Zusammenarbeit vertieft, das<br />

Gaspipeline-Projekt Turkstream wieder aufgenommen<br />

werden. Zu allem Überfluss wollen Ankara und Moskau<br />

in Zukunft auch ihre Angriffe auf den Islamischen Staat<br />

(IS) koordinieren – eine mittlere Sensation, da die Türkei<br />

bisher beim Aufbau des IS und dessen Versorgung<br />

tatkräftig mitgeholfen hat. Die offenkundigen Differenzen<br />

über Syriens Staatschef Baschar al-Assad – Moskau<br />

stützt ihn, Ankara will ihn stürzen – wurden ausgeklammert.<br />

Der Tagesspiegel stellte die Frage, «ob<br />

hier eine neue Allianz», eine «neue türkische Außenpolitik»<br />

im Entstehen begriffen ist. In Washington und<br />

Brüssel knirscht man hörbar mit den Zähnen.


Ritterschlag für den Prinzen<br />

_ von Philipp Huemer<br />

Diese Pose muss er geübt haben:<br />

Kurz während einer Pressekonferenz<br />

am 15.1.<strong>2016</strong>. Foto: picture alliance<br />

/ dpa<br />

Österreichs Außenminister Sebastian Kurz hat sich trotz seiner Jugend Respekt im Kreis<br />

seiner Amtskollegen verschafft und insbesondere Angela Merkel das Fürchten gelehrt:<br />

Während sie offene Grenzen und Willkommenskultur zum alternativlosen Dogma verklärt,<br />

zeigt er realpolitisch gangbare Wege zur Schließung der Schlepperrouten auf – und setzt<br />

sie sogar durch.<br />

Der Spott war anfangs groß, als Sebastian Kurz<br />

im Dezember 2013 mit 27 Jahren als jüngster Außenminister<br />

in der Geschichte Österreichs vereidigt wurde.<br />

Nur wenige trauten dem Jungspund, der drei Jahre<br />

zuvor noch mit einem «Geil-o-mobil» und dem Slogan<br />

«Schwarz macht geil» für die konservative Österreichische<br />

Volkspartei (ÖVP) durch den Wiener Wahlkampf<br />

getourt war, das anspruchsvolle Navigieren<br />

in der internationalen Politik und die damit verbundene<br />

Repräsentanz- und Diplomatiefunktion zu. Doch<br />

die Spötter sind mittlerweile verstummt, fast überall<br />

erhält er Anerkennung und Respekt.<br />

Bis dato hatte Kurz das Amt des Integrationsstaatssekretärs<br />

bekleidet und sich in dieser Funktion vor allem<br />

um die im Land lebenden Muslime bemüht. Er gründete<br />

ein Dialogforum Islam und verwies bei kritischen<br />

Fragen in Hinblick auf die desaströse Entwicklung der<br />

Einwanderungspolitik stets auf die dafür zuständige<br />

Innenministerin, seine Parteikollegin Johanna Mikl-<br />

Leitner. Geschickt erweckte er den Eindruck, die Probleme<br />

der aktuellen Masseneinwanderung hätten mit<br />

den seit langem zu beobachtenden Multikulti-Missständen<br />

nichts zu tun, um dadurch den Begriff Integration<br />

positiv zu besetzen.<br />

Umso größer war für viele die Überraschung, als<br />

Kurz im Zuge des Ansturms auf Europa im Sommer<br />

2015 klare und deutliche Worte für das Versagen der<br />

europäischen und österreichischen Politik fand und insbesondere<br />

die deutsche Willkommenseuphorie von<br />

Kanzlerin Angela Merkel deutlich kritisierte. Hatte er<br />

sich im Juni und Juli noch ausgewogen geäußert und<br />

bedeckt gehalten, wurden seine Töne im Weiteren<br />

immer schärfer. Für einen ersten Skandal sorgte er im<br />

Oktober 2015, als er in einem Interview mit dem österreichischen<br />

Radiosender Ö1 die Forderung nach einem<br />

Grenzzaun erhob und anschließend gegen die medialen<br />

und politischen Attacken souverän verteidigte, da<br />

«Europa mit den Flüchtlingsströmen überfordert» sei. In<br />

Bei seiner Vereidigung als Außenminister<br />

war Kurz für die meisten<br />

Österreicher ein unbeschriebenes<br />

Blatt. Foto: Profil<br />

«Schwarz macht<br />

geil».<br />

Sebastian Kurz 2010<br />

35


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<strong>COMPACT</strong> Politik<br />

Richtung seiner zahlreichen Kritiker bemerkte er: «Ich<br />

kann nicht nachvollziehen, warum manche Politiker<br />

mit Worthülsen noch immer am Problem vorbeireden.<br />

Denn es ist jetzt schon fünf Minuten nach zwölf.»<br />

Das Bemerkenswerte ist, dass Kurz diese Worte<br />

schon in einer Zeit äußerte, als Merkels Dogma «Wir<br />

schaffen das!» noch weitaus stärker war als aktuell.<br />

Und: Er beschränkte sich nicht darauf, Symptome zu<br />

kritisieren, sondern attackierte das derzeitige Asylsystem<br />

ganz grundsätzlich. Kurz betonte, dass die<br />

«unbeschränkte Aufnahme von Flüchtlingen in Mitteleuropa<br />

(…) kein nachhaltiges Modell» sei. «Es hat<br />

dazu geführt, dass sich immer mehr Menschen auf den<br />

Weg gemacht haben und die Probleme immer größer<br />

geworden sind. Wir dürfen nicht wegsehen, wenn Leid<br />

geschieht, aber für mich bedeutet das, dass wir vor Ort<br />

helfen müssen.»<br />

Der neue Balkanbund<br />

Im Februar <strong>2016</strong> zeigte Sebastian dann, dass er, im<br />

Gegensatz zu bloßen «Polterern» wie beispielsweise<br />

dem CSU-Politiker Horst Seehofer, seinen Worten auch<br />

Taten folgen lässt. Durch die Einberufung einer Westbalkan-Konferenz<br />

im Februar <strong>2016</strong> gelang es ihm, die<br />

Regierungen in Südosteuropa gegen den ungebremsten<br />

Migrantenzustrom zusammenzuführen und sie bei der<br />

Verteidigung ihrer Grenzen zu unterstützen. Mazedonien<br />

kam hier eine Schlüsselrolle zu, da dessen Grenze<br />

zu Griechenland in Idomeni und anderswo im Frühjahr<br />

<strong>2016</strong> immer wieder von gewaltbereiten Asylforderern<br />

angegriffen wurde. Die Konferenz beschloss unter Führung<br />

von Kurz, dem Vorbild Viktor Orbáns in Ungarn zu<br />

folgen und – angesichts der Untätigkeit der Europäischen<br />

Union und der ungebremsten Willkommenskultur<br />

Deutschlands – mit eigenständigen Maßnahmen Druck<br />

auszuüben. Die Balkanroute wurde in der Folge wesentlich<br />

undurchlässiger und wenig später auch tatsächlich<br />

geschlossen. Seither ist für jedermann offensichtlich,<br />

dass es durchaus Möglichkeiten gibt, den Migrationsdruck<br />

zu mindern, auch wenn in Berlin das Durchwinken<br />

als «alternativlos» bezeichnet wird.<br />

«Personifikation des patriotischen<br />

Coming-out in Österreich».<br />

<br />

Der «Freitag» über Kurz<br />

Spätestens als Kurz dann wenige Wochen später in<br />

der ARD-Talkshow Anne Will den in gewohnter Inquisitionsmanier<br />

auftretenden Heiko Maas souverän vorführte<br />

und ihn «wie einen Schuljungen» (Die Presse)<br />

dastehen ließ, wurde er international zum Symbol<br />

für eine klare und rational begründete Wende in der<br />

Die Siedler kommen<br />

Asylanträge und Anerkennung<br />

von Flüchtlingen in Österreich<br />

17.503<br />

4.133<br />

28.064<br />

2013 2014 2015<br />

Quelle: BMI, Asylstatistik<br />

Grafik: <strong>COMPACT</strong><br />

9.038<br />

88.340<br />

14.413<br />

Asylanträge<br />

Anerkennung von Flüchtlingen<br />

Heute stehen die Türken bereits hinter<br />

den Toren Wiens. Hier während<br />

einer Demonstration am 16.7.<strong>2016</strong><br />

gegen den gescheiterten Militärputsch.<br />

Foto: picture alliance / Herbert<br />

P. Oczeret / APA / picturedesk.com<br />

37


<strong>COMPACT</strong> Politik<br />

Gegen Erdogans<br />

Einmischung<br />

«Die Behauptung des türkischen<br />

Präsidenten, dass in Österreich<br />

Menschen mit türkischen Wurzeln<br />

in ihrem Recht auf freie<br />

Meinungsäußerung beschnitten<br />

würden, ist schärfstens zurückzuweisen.<br />

Ich sehe in diesen<br />

Aussagen den Versuch, Emotionen<br />

in einem fremden Land zu<br />

schüren und Stimmungsmache<br />

zu betreiben. Der Umstand, dass<br />

in Österreich das Recht auf freie<br />

Meinungsäußerung, Versammlungs-<br />

und Demonstrationsrecht<br />

auch für Minderheiten und politisch<br />

Andersdenkende gilt, ist ja<br />

genau der Unterschied zur Situation<br />

in der Türkei. Diese demokratischen<br />

Grundrechte sind mir<br />

als Sozialdemokraten besonders<br />

wichtig und ich werde sie auch<br />

für jene verteidigen, deren politische<br />

Meinung ich nicht teile.»<br />

Bundeskanzler Christian Kern<br />

(SPÖ), 31. Juli <strong>2016</strong><br />

_ Philipp Huemer, 21 Jahre alt,<br />

studiert Geschichte an der Universität<br />

Wien.<br />

Angela Merkels Gäste marschierten<br />

2015 zumeist durch Österreich.<br />

Foto: picture alliance / dpa<br />

Flüchtlingspolitik. Für die linkslastige Wochenzeitung<br />

Freitag avancierte er zur «Personifikation des patriotischen<br />

Coming-out in Österreich», und die österreichische<br />

Zeitschrift Profil betitelte ihn als «Prinz Eisenherz».<br />

Vorbild Australien<br />

Einen weiteren Schritt in diese Richtung setzte<br />

Kurz im Juni <strong>2016</strong>, als er sich offen dafür aussprach,<br />

Teile der australischen Grenzsicherungskampagne «No<br />

way!» auch in Europa zu übernehmen. Damit hatte der<br />

Slogan, mit dem ein Jahr zuvor identitäre Gruppen in<br />

vielen Ländern gegen die Überflutung Europas protestiert<br />

hatten, die europäische Realpolitik erreicht. Kurz<br />

stellte einen Aktionsplan vor, der die Errichtung von<br />

EU-Schutzzonen in den jeweiligen Herkunftsländern,<br />

die Aufstellung eines gemeinsamen Grenzschutzkorps<br />

aus Polizei und Militärkräften sowie eine enge Kooperation<br />

mit Drittstaaten wie beispielsweise Libyen<br />

umfasste. Besonders provokativ war die vom ihm vorgeschlagene<br />

Insellösung: Demnach sollen Patrouillen<br />

Bootsflüchtlinge abfangen und entweder zur sofortigen<br />

Rückkehr zwingen oder bis zu deren Abschiebung<br />

auf Inseln, zum Beispiel im Mittelmeer, festsetzen.Was<br />

folgte, war große Empörung, die für den Außenminister<br />

jedoch keineswegs überraschend kam: «So wie im<br />

Vorjahr, als ich früh darauf aufmerksam gemacht hatte,<br />

dass es keine unbeschränkte und unkontrollierte Aufnahme<br />

geben könne. Schließlich wurde es gemeinsame<br />

Regierungspolitik.»<br />

An diesem Vorstoß zeigte sich eine weitere Facette<br />

des gerade 30-Jährigen: Er ist zwar grundsätzlich<br />

bemüht, in der Öffentlichkeit das Bild eines nüchternen<br />

und pragmatischen Realpolitikers zu vermitteln,<br />

schreckt aber auch nicht davor zurück, bewusst mit<br />

Reiz- und Schlagwörtern zu spielen, um eine mediale<br />

Reaktion hervorzurufen und in weiterer Folge eine<br />

breite Debatte auszulösen, die Grundsätzliches berührt.<br />

Als ihn die Neue Zürcher Zeitung auf das fortwährende<br />

Sterben im Mittelmeer ansprach, konterte er korrekt:<br />

«Man muss das Sterben im Mittelmeer verhindern,<br />

aber die europäische Politik hat es nicht verhindert,<br />

sondern begünstigt.» Für ihn steht fest, dass «die Willkommenskultur<br />

und die unbeschränkte Aufnahme von<br />

Menschen» ein Fehler war, der sich keinesfalls wiederholen<br />

dürfe.<br />

Außen hui, innen pfui?<br />

Nichtsdestotrotz hat die Politik von «Prinz Eisenherz»<br />

auch eine Schattenseite, die nicht unerwähnt<br />

bleiben soll. Denn als «Minister für Europa, Integration<br />

und Äußeres» ist er eben nicht nur für das Ausland,<br />

sondern auch für Teile der Innenpolitik zuständig.<br />

Und hier ist Kurz trotz aller Kollisionen mit der Realität<br />

weiterhin darum bemüht, sein Aufgabengebiet «Integration»<br />

fleckenlos zu halten und von der schmutzigen<br />

Migrationsdebatte abzugrenzen.<br />

Kurz will Migranten im Mittelmeer<br />

abfangen und auf Inseln festsetzen.<br />

Seine diesbezüglichen Phrasen und Pläne unterscheiden<br />

sich nicht von denen, die er in seiner Zeit<br />

als Staatssekretär von sich gegeben hat. So verspricht<br />

der für August <strong>2016</strong> geplante Integrationsbericht eine<br />

«Strategie gegen Radikalisierung» und damit Abhilfe<br />

gegen den verstärkten Zulauf von Migranten zum Salafismus.<br />

Dass diese Entwicklung bereits seit Jahren im<br />

Gange ist und die immer häufigeren Terroranschläge<br />

nicht am Beginn, sondern am Ende dieses Prozesses<br />

stehen, scheint den Minister nicht zu beeindrucken.<br />

Anstatt einzusehen, dass alle Strategien, Maßnahmenpakete<br />

und Expertenkomitees um Jahre zu spät kommen,<br />

wird weiterhin an wohlklingenden Floskeln festgehalten<br />

sowie den Futtertrögen zahlreicher Vereine,<br />

religiöser Einrichtungen und selbsternannter Experten<br />

ungebremst Steuergeld zugeführt. Kurz‘ Leitvision<br />

eines «Islams europäischer Prägung» ist illusionär,<br />

sein «Vorbild Frankreich» längst im blutigen Morast<br />

des Dschihad versunken.<br />

38<br />

Doch es bleibt abzuwarten, inwiefern sich Sebastian<br />

Kurz auch in der Innenpolitik den Realitäten stellen<br />

wird. Seine deutlichen Worte in Richtung österreichischer<br />

Erdogan-Anhänger und die Einbestellung des türkischen<br />

Botschafters nach deren provokanten Machtdemonstrationen<br />

sollten zwar nicht überbewertet werden.<br />

Aber der Mann hat bewiesen, dass er bei einer<br />

krisenhaften Zuspitzung nicht vor offener Konfrontation<br />

und politisch unkorrekten Vorschlägen zurückschreckt –<br />

und ist deshalb noch für eine Überraschung gut.


<strong>COMPACT</strong> Politik<br />

«Kurz ist isoliert»<br />

_ Interview mit Harald Vilimsky/Johannes Hübner<br />

Die österreichische Regierung hat trotz vereinzelter Ankündigungen nichts Wesentliches<br />

an ihrer Einwanderungspolitik geändert – so der Standpunkt der Freiheitlichen aus dem<br />

Munde zweier Spitzenpolitiker. Aber wenn der FPÖ-Mann Norbert Hofer im Oktober<br />

Bundespräsident wird, könnte Vieles in Bewegung kommen.<br />

Die österreichische Regierung hat an der Schließung<br />

der Balkanroute mitgewirkt, Außenminister<br />

Sebastian Kurz will Illegale im Mittelmeer<br />

abfangen und auf Inseln unterbringen, die Asylzahlen<br />

sind stark gefallen. Was hat die FPÖ überhaupt<br />

noch zu kritisieren?<br />

Vilimsky: Die Regierung ist getrieben durch Panik<br />

angesichts unserer Erfolge. Verbal versucht man die<br />

FPÖ zu kopieren, doch real passiert wenig bis nichts,<br />

schließlich ist Österreich eingebunden in die EU-Strukturen.<br />

Und Kurz hat noch vor nicht allzu langer Zeit<br />

gesagt: «Der Islam gehört zu Österreich.» Und: «Der<br />

durchschnittliche Zuwanderer ist höher gebildet als<br />

der durchschnittliche Österreicher.»<br />

Hübner: Das Einzige, was real geschehen ist, war<br />

die Schließung der Balkanroute. Letztlich war das ein<br />

Alleingang von Kurz, aus Angst vor den Wahlerfolgen<br />

der FPÖ, das muss man anerkennen.<br />

Vilimsky: Kurz ist isoliert, ein einsamer Rufer in der<br />

Wüste der ÖVP. Und beide Regierungsparteien sprechen<br />

sich für Alexander Van der Bellen als Bundespräsidenten<br />

aus, der die Asyl- und Einladungspolitik ins<br />

Extreme überziehen will.<br />

Aber Van der Bellen wird‘s ja nicht, sondern Ihr<br />

Kandidat, Norbert Hofer (siehe Infobox). Was<br />

könnte er auf diesem hoch angesehenen, aber<br />

eher repräsentativen Posten bewirken?<br />

Hübner: In der Außenpolitik kann er nur nachvollziehen,<br />

was der Außenminister macht. Dabei kann ich<br />

mir vorstellen, dass das Duo Kurz-Hofer durchaus harmoniert.<br />

Bei dramatischen Fehlentwicklungen kann<br />

er aber Flagge zeigen: Als zum Beispiel Ungarn letztes<br />

Jahr wegen seines Grenzzauns von der EU isoliert<br />

wurde, hätte er demonstrativ nach Budapest fahren<br />

können.<br />

Vilimsky: Der Bundespräsident ist in erster Linie eine<br />

moralische Instanz, um die Regierung zu motivieren<br />

und zu mahnen. Norbert Hofer würde es nicht zulassen,<br />

dass unsere Gesetze oder die Verträge von Schengen<br />

und Dublin mittels einer Politik der offenen Grenzen<br />

gebrochen würden. Und falls die Regierung das<br />

Freihandelsabkommen TTIP durchwinken will, würde er<br />

sicherlich vorher eine Volksbefragung einfordern und<br />

das entsprechende Gesetz nur unterschreiben, wenn<br />

der politische Souverän das will.<br />

Nach dem Brexit – der Öxit?<br />

Ohne die wirtschaftsliberalen Briten wird die<br />

EU noch dirigistischer. Ist jetzt nicht die Zeit für<br />

einen Öxit, für eine Rückkehr zur EFTA?<br />

Vilimsky: Vorsicht, der Brexit ist noch nicht vollzogen.<br />

Da kann noch viel passieren. Und innerhalb der EU<br />

sind die Dinge in Bewegung: Wenn 2017 Marine Le<br />

Pen in Frankreich, Geert Wilders in den Niederlanden<br />

und H.C. Strache in Österreich die Regierung bilden,<br />

bestehen ganz andere Möglichkeiten für eine Reform<br />

der EU im Sinne der Völker. Wir brauchen ein «Europa<br />

à la carte», wie Frau Le Pen sagt, wo die Nationalstaaten<br />

selbst bestimmen, welches Ausmaß an Zusammenarbeit<br />

sie wollen.<br />

Hübner: Wobei eine grundlegende Reform der EU in<br />

ihren jetzigen Institutionen angesichts des Einstimmigkeitsprinzips<br />

nicht vorstellbar ist. Dafür müsste der Zerfallsdruck<br />

steigen – aber er steigt ja auch, vor allem<br />

durch die Osteuropäer.<br />

Welche Rolle spielt die Zusammenarbeit FPÖ-<br />

AfD? Man hört recht wenig in letzter Zeit…<br />

Vilimsky: Es gab Mitte Juni das spektakuläre Treffen<br />

von Strache mit Frauke Petry auf der Zugspitze, da<br />

waren über 50 Journalisten. Und kurz darauf hatten wir<br />

in Wien einen großen Kongress unter dem Titel «Patriotischer<br />

Frühling», da waren Strache, Le Pen und Marcus<br />

Pretzell. Die Kooperation ist sehr gut! Jetzt brauchen<br />

wir die Zusammenfassung aller drei EU-kritischen<br />

Fraktionen im Straßburger Parlament in einer.<br />

Hübner: Ich war vor Kurzem auf dem Parteitag der AfD<br />

in Rheinland-Pfalz und war begeistert. Diese Aktivisten,<br />

die dem BRD-System trotzen, haben meinen vollen<br />

Respekt.<br />

FPÖ-Kandidat vorn<br />

Am 2. Oktober wird die Stichwahl<br />

wiederholt, die über den<br />

nächsten Bundespräsidenten<br />

Österreichs entscheidet. Der<br />

FPÖ-Kandidat Norbert Hofer und<br />

der Grüne Alexander Van der<br />

Bellen, der auch von der konservativen<br />

ÖVP und der sozialdemokratischen<br />

SPÖ unterstützt<br />

wird, stellen sich dem Votum<br />

des Volkes.<br />

«Schon zum drittem Mal führt<br />

der FPÖ-Kanditat in einer aktuellen<br />

Gallup-Umfrage für Österreich<br />

(600 Befragte vom 10. bis<br />

11. August (…). Betrachtet man<br />

aber die Mittelwerte, so hat<br />

Hofer 52 Prozent und VdB 48 %<br />

– diese Werte sind seit Wochen<br />

stabil. Die Wahrscheinlichkeit,<br />

dass Hofer gewinnt, ist also größer<br />

als jene, dass Van der Bellen<br />

ein neuerlicher Sieg gelingt.<br />

Die Themenlage – Terror, Flüchtlinge,<br />

Türken-Streit – ist wie<br />

gemacht für den FPÖ-Kandidaten.»<br />

(ö24.at, 11.8.<strong>2016</strong>)<br />

Vilimsky, Hübner, Elsässer bei Kaffee,<br />

Mineralwasser und Säften.<br />

Foto: A. Höferl<br />

Hofer wird eine<br />

Volksabstimmung<br />

über TTIP einfordern.<br />

_ Harald Vilimsky ist<br />

Generalsekretär der FPÖ und<br />

Abgeordneter im EU-Parlament.<br />

_ Johannes Hübner ist Abgeordneter<br />

im Nationalrat und außenpolitischer<br />

Sprecher der Partei. Er<br />

wird auf der <strong>COMPACT</strong>-Konferenz<br />

«Für ein Europa der Vaterländer»<br />

am 29. Oktober in Köln referieren.<br />

39


<strong>COMPACT</strong> Politik<br />

ab-in-den-tod.de<br />

_ Interview mit Reinhard Rade<br />

Der Reiseveranstalter Unister stieg mit Hilfe von Google zum Giganten<br />

der Tourismusbranche auf. Eine verhängnisvolle Geschäftsverbindung?<br />

Mitte Juli starb Firmengründer Thomas Wagner bei einem<br />

mysteriösen Flugzeugabsturz. Reinhard Rade kannte den Unternehmer<br />

persönlich.<br />

lers vermitteln zu lassen. Der Deal platzte, weil die<br />

Gegenseite absolut unglaubwürdig wirkte – mein<br />

Freund lehnte ab. Als er das Hotel verließ, warteten<br />

schon die nächsten, um bei den dubiosen Finanzberatern<br />

vorstellig zu werden – Abgesandte von Thomas<br />

Wagner. Der Unister-Chef stimmte nach einigem Hin<br />

und Her der dubiosen Geldbeschaffung zu.<br />

Das Venedig-Komplott<br />

Kreditgeber war besagter Diamantenhändler, ein<br />

gewisser Levi Vass.<br />

So wird behauptet. Ob er tatsächlich so heißt und ob es<br />

ihn überhaupt gibt, sei dahingestellt. Über den Mann<br />

findet man nichts, nicht einmal im Internet, wo man<br />

sonst alles findet. Im Bereich krimineller Kapitaltransaktionen<br />

oder Geheimdienstoperationen, denn darum<br />

ging es hier, ist das allerdings nicht ungewöhnlich.<br />

40<br />

Unister-Chef Thomas Wagner im<br />

Juli 2012. Zu diesem Zeitpunkt<br />

beschäftigte die Holding 1.600 Mitarbeiter.<br />

Foto: picture alliance / dpa<br />

Alle Personen<br />

waren bis zur<br />

Unkenntlichkeit<br />

verbrannt – aber<br />

nicht die Geldscheine.<br />

Den Namen Unister kannte nicht jeder, aber über<br />

ab-in-den-urlaub.de hat wohl halb Deutschland<br />

schon gebucht – Persönlichkeiten wie Reiner<br />

Calmund und Michael Ballack hatten schließlich<br />

dafür geworben. Wie ist Ihre Verbindung zu<br />

der Firma?<br />

Ich bin seit Ende 2012 persönlich befreundet mit Daniel<br />

Kirchhof, der mit Thomas Wagner die Firma gegründet<br />

hat, die Thomas bis zu seinem Tod leitete. Im Jahr<br />

2012 wurde Kirchhof wegen des Verdachts unerlaubter<br />

Versicherungsgeschäfte und Steuerbetrugs in U-<br />

Haft genommen, ich stellte mit einer meiner Firmen<br />

einen Teil der Kaution für seine Freilassung, weil Unister<br />

beziehungsweise Thomas Wagner diesbezüglich<br />

nichts unternahmen. Ich habe danach Unister beraten<br />

und kannte deshalb viele Interna, auch den Streit<br />

zwischen Thomas und Daniel. Im Juli erfuhr ich, dass<br />

Thomas Wagner zur Abwendung oder Vorbereitung der<br />

Insolvenz zu illegalen, ja abenteuerlichen, Schritten<br />

greifen wollte.<br />

Von Kirchhof?<br />

Nein, über einen anderen Bekannten. Der war Ende<br />

Juni in Hannover im Hotel Luisenhof gewesen, um<br />

sich einen Kredit eines israelischen Diamantenhänd-<br />

Jedenfalls hat der Deal Thomas Wagner den<br />

Kopf gekostet.<br />

Zunächst war sein Geld futsch. Wagner flog am 13.<br />

Juli mit einer Privatmaschine nach Venedig, im Koffer<br />

1,5 Millionen Euro in bar. Auf diese Garantiesumme<br />

sollte er von Vass oder dessen Emissären angeblich<br />

15 Millionen bekommen, ebenfalls in bar, als tilgungslosen<br />

Kredit. Tatsächlich wurden die Koffer in der Lagunenstadt<br />

ausgetauscht, doch Wagner musste hinterher<br />

entdecken, dass in dem, den er erhalten hatte, nur<br />

die oberste Lage aus echten Scheinen bestand – der<br />

Rest waren Blüten. Er ging zur Polizei und erstattete<br />

Anzeige. Als er am nächsten Tag zurückflog, stürzte<br />

die Piper PA-32R hinter der slowenischen Grenze ab.<br />

Er und Oliver Schilling sowie der Finanzvermittler Beck<br />

und der Pilot lagen tot in den Trümmern – drumherum<br />

verstreut 10.000 Schweizer Franken.<br />

Ihnen kommt der Absturz seltsam vor…<br />

Ursache soll die Vereisung des Kleinflugzeugs gewesen<br />

sein. Doch seltsam ist: Wenn ein solches Problem<br />

aufgetreten wäre, hätte der Pilot ganz einfach in den<br />

Sinkflug gehen und wärmere Luftzonen erreichen können<br />

– es war ja Hochsommer! Was hinderte ihn daran?<br />

War da noch mehr kaputt? Aus dem Unfallbericht der<br />

slowenischen Behörden geht das nicht hervor.<br />

Noch seltsamer: Alle Personen sind angeblich bis<br />

zur Unkenntlichkeit verbrannt gewesen – aber was<br />

nicht verbrannt war, das waren die mitgeführten Firmenunterlagen<br />

und die Geldscheine. Schnell wurden<br />

die Leichen ins Krematorium gebracht – wenn man<br />

über Autopsien noch etwas hätte ermitteln können, ist<br />

das jedenfalls jetzt nicht mehr möglich. Nicht einmal<br />

die Identität der Toten ist aus meiner Sicht wirklich klar.


<strong>COMPACT</strong> Politik<br />

Könnte Wagner, nachdem seine Hoffnung auf<br />

Geldbeschaffung geplatzt war, den Flugzeugabsturz<br />

nicht auch in suizidaler Absicht provoziert<br />

haben?<br />

Thomas Wagner neigte nicht zu Depression und Verzweiflung.<br />

Er war ein Hasardeur – das soll nicht negativ<br />

klingen! – und balancierte immer mit Lust am Abgrund.<br />

Sein Problem war ein ganz anderes: Er setzte gern<br />

auch auf Mittel und Methoden, die andere erpresserisch<br />

nennen. Aber manche Leute oder Organisationen<br />

lassen sich nicht erpressen, oder jedenfalls nicht<br />

auf Dauer.<br />

Der Deal mit Google<br />

Wen meinen Sie?<br />

Wagner könnte Google erpresst haben, bewusst oder<br />

unbewusst, jedenfalls nach meiner Einschätzung, und<br />

dadurch in große Gefahr geraten sein. Unister war<br />

Googles größter Kunde in Europa und Google hat<br />

durch diese Geschäftsbeziehung gleich doppelt kassiert:<br />

Zum einen hat Wagner seit 2005/2006 Werbeanzeigen<br />

bei Google geschaltet, im Umfang von addiert<br />

ungefähr einer Milliarde Euro. Zum anderen aber hat<br />

Google mit Unister über dieses Anzeigengeschäft die<br />

Google-Preise auch für alle Mitbewerber in den Himmel<br />

getrieben.<br />

Wie geht so was?<br />

Google ist ja eine Suchmaschine. Normalerweise werden<br />

die Treffer bei einer Suchanfrage generisch angezeigt,<br />

das heißt in der Reihenfolge der bisherigen Besucherzahlen<br />

auf der jeweiligen Seite. Sie können Ihre<br />

Seite aber auch ganz an die Spitze setzen lassen –<br />

indem Sie Google dafür bezahlen.<br />

Das ist ein normaler Vorgang. Auch <strong>COMPACT</strong><br />

hat schon Google-Anzeigen gebucht, es war<br />

schweineteuer, und wir standen trotzdem nie<br />

ganz oben.<br />

Ja, denn die Rangplätze werden von Google im Life-<br />

Auktionsverfahren vergeben. Wenn TUI für die erste<br />

Position, beziehungsweise die darauf eingehenden<br />

Klicks, 50.000 Euro am Tag bietet, und ab-in-denurlaub.de<br />

60.000 Euro, landet TUI eben nur auf Platz<br />

2. Eine solche Auktion ist aber nur dann fair, wenn<br />

alle Auktionsgewinner gleich bezahlen müssen – also<br />

vor oder mit der Veröffentlichung. So ist das auch in<br />

den Google-Geschäftsbedingungen festgelegt. Unister<br />

hat aber von Anfang an nicht sofort bezahlt, sondern<br />

sich zuerst einen Monat, dann drei Monate, schließlich<br />

sogar sechs Monate Zeit gelassen. Stellen Sie<br />

sich vor, was <strong>COMPACT</strong> erreichen könnte, wenn es<br />

bei allen politischen Suchanfragen immer als erstes<br />

von Google angezeigt würde, aber die Rechnungen<br />

für diese Werbung erst ein halbes Jahr später bezahlt<br />

werden müssten! Bis dahin hättet Ihr mit Hilfe dieser<br />

Annoncen so viele Abos eingefahren, dass Ihr die<br />

Außenstände schließlich locker bedienen könntet. Das<br />

war das Erfolgsmodell von Unister. Die Google-Manager<br />

haben geschäumt über den Zahlungsverzug, aber<br />

gute Miene zum bösen Spiel gemacht, denn indem<br />

Unister die Werbepreise für die gesamte Tourismusbranche<br />

an die Decke trieb, konnte der Internetriese<br />

auch von allen anderen mehr verlangen. Dank dieser<br />

Entwicklung verdienen übrigens alle Reiseveranstalter<br />

heutzutage im Kerngeschäft nach Abzug der Werbekosten<br />

– wie für Google – praktisch kein Geld mehr.<br />

Es war also ein profitabler Deal, für beide Seiten.<br />

Aber Sie hatten vorher gesagt, Wagner habe<br />

möglicherweise Google, bewusst oder unbewusst,<br />

erpresst?<br />

Immer, wenn ich in den Geschäftsräumen von Unister<br />

war, machten sich dort eine Menge Leute an den<br />

Computern zu schaffen, die keine Firmenangehörigen<br />

In der Lagunen-Stadt könnte sich<br />

das Schicksal der Unister-Chefs entschieden<br />

haben. Foto: picture alliance<br />

/ Daniel Kalker<br />

Unister hat Anzeigen<br />

im Umfang von<br />

ungefähr einer<br />

Milliarde Euro bei<br />

Google geschaltet.<br />

Mit prominenten Werbepartnern<br />

– hier Fußballmanager Reiner Calmund<br />

– erreichte Unister ein Millionenpublikum.<br />

Foto: fluege.de<br />

41


<strong>COMPACT</strong> Politik<br />

NSA und Google<br />

«Nach Prism lautet Muscular<br />

das neue Stichwort der Stunde<br />

in puncto NSA-Skandal. Der<br />

Begriff bezeichnet ein geheimes<br />

Projekt, in dem der US-amerikanische<br />

Geheimdienst direkt<br />

die Datenleitungen der Datenzentren<br />

von Yahoo und Google<br />

anzapft. (…) Wie es die NSA<br />

jedoch geschafft hat, auf den<br />

Datenverkehr zwischen den Serverzentren<br />

zuzugreifen, ist unbekannt.<br />

Die Unternehmen schützen<br />

diese durch ein eigenes<br />

Kabelnetzwerk, um Zugriff von<br />

außen zu verhindern. Offenbar<br />

hat der Geheimdienst in Kooperation<br />

mit den britischen Government<br />

Communications Headquarters<br />

(GCHQ) eine Möglichkeit<br />

gefunden, in diese unbemerkt<br />

einzubrechen. Google und<br />

Yahoo betonten gegenüber (…),<br />

dass sie nichts von den Eingriffen<br />

gewusst hätten.» (netzwelt.<br />

de, 31.10.2013)<br />

Google-Geschäftsführer Sundar<br />

Pichai im Jahre 2014.<br />

Foto: Maurizio Pesce, CC BY 2.0,<br />

flickr.com<br />

waren. Wenn ich bei den Schilling-Brüdern nachfragte,<br />

hieß es: Das sind Experten von Google, die optimieren<br />

unsere Prozesse. Was das genau bedeutete, habe ich<br />

nie herausbekommen. Fakt ist jedenfalls: Diese Fachleute<br />

hat angeblich Google bezahlt, nicht Unister. Die<br />

Amerikaner hatten ein riesiges Interesse an diesem<br />

Kunden.<br />

Wagner saß ihnen gegenüber am längeren Hebel.<br />

Das zeigte sich im Frühjahr <strong>2016</strong>: Mittlerweile waren<br />

die Schulden von Unister so hoch geworden, dass<br />

Google die Reißleine zog – Wagner durfte keine Anzeigen<br />

mehr schalten. Doch nach zwei Wochen kroch<br />

Google zu Kreuze und räumte dem Leipziger Unternehmen<br />

wieder alle Vorrechte ein. Die kurzzeitige Eiszeit<br />

hatte den Amerikanern mehr geschadet als den Deutschen.<br />

In dieser Situation muss Wagner erkannt haben,<br />

welche Macht er über Google hat. Meine Vermutung:<br />

Er hat den Web-Giganten entweder unter Druck gesetzt<br />

und Geld verlangt, um damit seine viel größeren Schulden,<br />

etwa beim Versicherer HanseMerkur, zu bedienen,<br />

oder Google ist durch Wagners eigene Insolvenzplanungen<br />

irritiert worden, weil damit ein Auffliegen des<br />

illegalen «auction-riggings» drohte.<br />

Das amerikanische Interesse<br />

Das ist eine Vermutung. Und, selbst wenn sie<br />

stimmt: Deswegen bringt man doch keinen um!<br />

Um Himmels Willen, das habe ich nicht behauptet.<br />

Google ist ein Unternehmen der Privatwirtschaft, die<br />

bringen niemanden um. Das kann nur eine Regierung<br />

oder ein Geheimdienst machen.<br />

Welcher?<br />

Nun befinden wir uns weiter im Bereich der Spekulation.<br />

Aber das dürfen wir ja, denn alle anderen Medien<br />

spekulieren beim Tod von Thomas und Oliver auch nur<br />

herum. Wenn wir über Google reden, reden wir jedenfalls<br />

über die US-Geheimdienste. Spätestens seit den<br />

Enthüllungen von Edward Snowden ist bekannt, dass<br />

Google Daten weitergibt. Und als Drehscheibe für<br />

Informationen ist Google überdies ein Instrument amerikanischer<br />

Softpower. Würde das Unternehmen vernichtet,<br />

wäre das ein schwerer Schlag für Dienste wie<br />

CIA und NSA, für die US-Hegemonialpolitik überhaupt.<br />

Wenn wir über Google reden, reden<br />

wir jedenfalls über die US-Geheimdienste.<br />

Aber wenn Wagner mit Google gebrochen hätte,<br />

hätte das doch nicht Google vernichtet!<br />

Sicher nicht, wenn man nur das bilaterale Geschäft<br />

betrachtet, also nur den reinen Geldfluss. Aber Wagner<br />

hätte auspacken können, was die Grundlage der so<br />

erfolgreichen Unister-Google-Verbindung war, nämlich<br />

die meines Erachtens gesetzwidrige Bevorzugung der<br />

Leipziger im Auktionsverfahren um die besten Anzeigenplätze,<br />

was den freien Wettbewerb in der Tourismusbranche<br />

zerstört und die Konkurrenten durch Preistreiberei<br />

in die roten Zahlen getrieben hat. Eine solche<br />

Information wäre eine scharfe Waffe für die EU-Kommission<br />

gewesen, die ohnedies ein Kartellverfahren<br />

gegen Google betreibt. Mit Hilfe von Wagner hätte<br />

Brüssel das Verfahren erfolgreich abschließen und die<br />

Cyber-Krake des Großen Bruders zerschlagen können,<br />

zumindest auf dem europäischen Markt.<br />

Gut, jetzt haben wir genug spekuliert. Was bleibt<br />

an Fakten?<br />

Nach dem Tod von Wagner habe ich keine Traueranzeige<br />

von Google gesehen. Dabei war er der wichtigste<br />

Kunde in Europa, seit etwa zehn Jahren. Finden<br />

Sie diese Sprachlosigkeit nicht seltsam?<br />

Überreste der Piper PA-32 in einem<br />

Wald etwa 50 Kilometer westlich<br />

der slowenischen Hauptstadt<br />

Ljubljana. Fotos: picture alliance /<br />

dpa<br />

42<br />

_ Reinhard Rade, Anfang<br />

der 1990er Jahre bei den<br />

Republikanern aktiv, hat sich<br />

seit Langem aus der Politik<br />

zurückgezogen. Heute betreibt<br />

der Leipziger ein erfolgreiches<br />

Exportunternehmen und verkauft<br />

unter anderem Hubschrauber und<br />

Immobilien. – Interview: Jürgen<br />

Elsässer


<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />

Dossier _ Seite 44–52<br />

Die neue Protestjugend<br />

Hip, konservativ, rebellisch – jetzt kommen die Identitären! In Österreich haben sie schon<br />

1.000 aktionshungrige Mitglieder, ihr Chef ist ein neuer Rudi Dutschke. Damit sie nicht<br />

auch Deutschland erobern, hat sich jetzt der Verfassungsschutz eingeschaltet. Aber was<br />

wollen die Dunkelmänner gegen einen Widerstand tun, den man tanzen kann?<br />

Foto: identitaere-bewegung.de<br />

43


«Wir stehen in der Tradition der Rebellion»<br />

_ Interview mit Martin Sellner<br />

44<br />

Sie ist der neue Stern am Himmel des Jugendprotestes, und mittlerweile<br />

greifen ihre Aktionen von Österreich auf Deutschland über<br />

– die Identitäre Bewegung. Mit gewagten, aber immer gewaltfreien<br />

Aktionen stemmen sich die Aktivisten gegen Islamisierung und<br />

Heimatverlust. Martin Sellner ist einer ihrer Sprecher.<br />

«Europa verteidigen»: Unter diesem<br />

Motto demonstrierten die Identitären<br />

am 11. Juni in Wien.<br />

Foto: Identitäre Bewegung<br />

«Der Begriff des<br />

Ibsters, des identitären<br />

Hipsters, ist<br />

in den Medien<br />

angekommen.»<br />

Die Identitäre Bewegung (IB) macht durch spektakuläre<br />

Aktionen von sich reden. Anfang August<br />

hat sie das Parteibüro der Grünen zugemauert,<br />

im April sind Sie höchstpersönlich mit Bergsteigerausrüstung<br />

auf das Burgtheater gekraxelt<br />

und haben ein Transparent gegen die Multikulti-Heuchler<br />

angebracht. Was bringt das?<br />

Es bringt uns in erster Linie in die Medien und damit ins<br />

Gespräch. Wenn ich mit zehn Aktivisten einen ganzen<br />

Tag lang Flugzettel verteile, bekommen wir vielleicht<br />

ein paar tausend Stück los. Mit einer spektakulären<br />

Aktion erreichen wir auf einen Schlag Millionen. Die<br />

Mauer vor der Grünen-Zentrale war auf der Titelseite<br />

der Kronen Zeitung, die in Österreich eine Reichweite<br />

von 2,8 Millionen Lesern hat! Zwar stellen uns die<br />

Medien fast immer verzerrt dar, aber für die heutigen,<br />

mündigen Konsumenten reicht ein Mausklick, um vom<br />

Hetzartikel direkt auf unsere Seite und auf den «Mitmachen»-Button<br />

zu kommen. Die IB ist die lautstarke<br />

und aktivistische Avantgarde der schweigenden, kritischen<br />

Masse. In unseren Aktionen können die an den<br />

Rand gedrängten Patrioten, die heute die gesellschaftlichen<br />

Verlierer sind, auch einmal Sieger sein und sich<br />

freuen, wie die Multikultis veräppelt werden. Die Leute<br />

lieben uns dafür! Jede Aktion bringt uns einen Schub<br />

neuer Interessenten, Spenden und Kontakte.<br />

Mittlerweile habt Ihr 1.000 aktionshungrige Mitglieder<br />

– damit lässt sich manches bewirken, in<br />

einer kleinen Republik. Aber in welcher Tradition<br />

sehen Sie sich? Seid Ihr revoltierende Studenten<br />

wie die 1968er, nur andersrum? Wenn<br />

ich Sie auf Demonstrationen reden höre, kommen<br />

Sie mir manchmal vor wie Rudi Dutschke!<br />

Die IB ist im Moment sicher das schillerndste Phänomen<br />

der europäischen Politik. Jeder sieht darin etwas<br />

anderes, und oft sagt das Urteil mehr über die Urteilenden<br />

selbst aus als über uns. Und auf eine gewisse<br />

Art und Weise ist das nur logisch, denn wir sind die<br />

geschichtliche Reaktion auf eine jahrzehntelange<br />

Lebenslüge. Der stickige Dogmatismus, die neurotischen<br />

Sprech- und Denkverbote der Etablierten haben<br />

uns erschaffen – und wir werden sie abschaffen. Als<br />

Kraft des Aufbruchs, der Kritik und der freien Rede<br />

gegen verstockte geistige Prüderie stehen wir durchaus<br />

in der Tradition vergangener Protestbewegungen.<br />

Wir – und nicht das Lieblingskind der Medien, die antideutschen<br />

«Antifanten» – revitalisieren die Tradition<br />

der Rebellion, denn: Echte Kritik, die aufs Ganze geht,


<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />

das hat auch Dutschke verstanden, kommt immer nur<br />

aus den an den Rand gedrängten Teilen der Gesellschaft.<br />

Heute sind Patrioten die am meisten unterdrückte,<br />

verleumdete, verlachte und verfolgte politische<br />

Gruppe. Hier sammelt sich also notwendig alles<br />

authentische kritische Potential, und hier würden<br />

heute vielleicht auch Leute wie Dutschke dazustoßen.<br />

Ibster und Volk<br />

Wobei ich nicht verstehe, warum Ihr Euch «identitär»<br />

nennt. Der Ursprung der IB liegt ja in Frankreich,<br />

und da ist identitaire ein muttersprachlicher<br />

Begriff. Auf Deutsch ist das aber ein<br />

Fremdwort – also gerade nichts Eigenes.<br />

Ja, ich gestehe, «identitär» erscheint als Begriff oft<br />

eher als Hypothek. Versuchen Sie einmal, den Begriff in<br />

eine Demo-Parole einzubauen! Griffig klingt das nicht.<br />

Aber gleichzeitig hat genau dieser etwas exotische<br />

Klang und der französische Ursprung des Begriffs in<br />

Deutschland einen wichtigen und unersetzlichen<br />

Nebeneffekt: Das Befremden gegenüber dem Eigenen<br />

ist hierzulande längst zur Massenneurose geworden.<br />

Indem unsere Bewegung einen Begriff und ein Symbol<br />

verwendet, die beide nicht direkt und exklusiv einer<br />

nationalen Tradition zuzuordnen sind, umgeht sie diese<br />

Neurose und schafft einen neuen, unbesetzten Raum,<br />

in dem sich die aufgestaute Sehnsucht nach nationaler<br />

Identität entfalten kann. Im Übrigen verstehen wir<br />

Wörter am Ende auch weniger durch ihren Gehalt als<br />

durch ihren Gebrauch – sowie durch die Bilder und<br />

Gefühle, die man damit verbindet. Wenn es die Leute<br />

schaffen, die ganzen Anglizismen zu verstehen, werden<br />

sie sich auch an den Begriff «identitär» gewöhnen<br />

– dafür werden wir schon sorgen. Der Begriff des<br />

«Ibster», des identitären Hipsters, ist übrigens mittlerweile<br />

auch in den Medien angekommen.<br />

ist und war immer das Volk und die Kultur. Das Volk<br />

ist die politische Schutzmacht des Einzelnen vor der<br />

entfesselten Globalisierung, es ist der Solidaritätsraum,<br />

in dem Menschen bereit sind, Vermögen aufzuteilen,<br />

zusammenzuarbeiten und gemeinsame Ziele<br />

zu definieren und durchzusetzen. Das wissen die globalistischen<br />

Eliten genau: Mit der sogenannten Befreiung<br />

des Einzelnen von Kultur und Tradition schaffen<br />

sie eine atomisierte Masse verkrüppelter Solitronen,<br />

die sich über Marken und schnelllebige Trends Identität<br />

«kaufen» sollen. Dieses feingemahlene Humankapital<br />

kann dann ganz nach Belieben um den Globus<br />

geschickt werden: moderne Arbeitsdrohnen, wurzellos,<br />

geschlechtslos, geschichtslos und leicht beherrschbar.<br />

Das ist der Betrug von Multikulti und Individualismus:<br />

Sie versprechen uns absolute Freiheit und führen uns<br />

in die totale Abhängigkeit.<br />

Identitäten und Grenzen<br />

Welche Identität und Tradition will die IB eigentlich<br />

verteidigen oder wiederherstellen? Die<br />

regionale der Steirer, Tiroler, Bayern und so<br />

weiter? Die «klein-österreichische»? Die «großdeutsche»?<br />

Die habsburgische? Die abendländisch-europäische?<br />

Alle. Und sogar noch mehr. Das Großartige an unserem<br />

Ansatz ist, dass wir die klassischen alten Konflikte, die<br />

es im rechten Lager gab, durch den identitären Ansatz<br />

einfach aushebeln. Indem wir erkennen, dass die regionale,<br />

die nationale und die europäische Ebene nicht<br />

konkurrieren, sondern sich ergänzen, überwinden wir<br />

sowohl Separatismus als auch Nationalismus und Globalismus,<br />

die jeweils eine Ebene verabsolutieren. Es<br />

Erhältlich beim Verlag Antaios für<br />

19 Euro. Foto: Verlag Antaios<br />

IB-Vordenker Renaud Camus. Foto:<br />

Verlag Antaios<br />

Martin Sellner während einer<br />

Demonstration. Am 29. Oktober<br />

wird er auch bei der <strong>COMPACT</strong>-Konferenz<br />

in Köln sprechen. Foto: Identitäre<br />

Bewegung<br />

«Mit der sogenannten Befreiung des<br />

Einzelnen von Kultur und Tradition<br />

schaffen die Eliten verkrüppelte<br />

Solitronen.»<br />

Wie hängt individuelle Identität mit Tradition,<br />

Herkunft und Heimat zusammen? Die Postmodernen<br />

behaupten, das sei ein Gegensatz…<br />

Das ist ja der große Betrug! Der Einzelne ist gerade<br />

in seiner persönlichen Freiheit immer auf die Umgebung<br />

und das Kollektiv angewiesen. Der Mensch<br />

wird nur in und durch die Gemeinschaft zum selbstbewussten<br />

Individuum. Freiheit braucht immer Grenzen<br />

und eine sichere Basis. Nie war das deutlicher als<br />

heute. Jede gesund entwickelte Identität bezieht sich<br />

daher immer auch auf eine größere Gruppe, und das<br />

45


<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />

46<br />

Die größten<br />

Aktionen der IB<br />

9.2.2013<br />

Kirchenbesetzung, Wien<br />

Ein von Linksextremisten und<br />

illegalen Einwanderern besetztes<br />

Gotteshaus wird von identitären<br />

Aktivisten «gegenbesetzt».<br />

15.11.2015<br />

Grenzdemo, Spielfeld<br />

Mehr als 1.200 Österreicher blockieren<br />

die Grenze mit einer<br />

symbolischen Menschenkette.<br />

6.4.<strong>2016</strong>, Blutausschüttung, Graz<br />

Identitäre klettern auf das Dach<br />

der Parteizentrale der Grünen,<br />

befestigen ein Banner mit der<br />

Aufschrift «Islamisierung tötet»<br />

und lassen Kunstblut herunterfließen.<br />

14.4.<strong>2016</strong><br />

Bühnenbesetzung, Wien<br />

In der linksdominierten Universität<br />

wird ein Pro-Asyl-Stück<br />

gezeigt. 40 Aktivisten kapern<br />

die Bühne und entrollen ein<br />

Transparent mit der Aufschrift<br />

«Heuchler».<br />

27.4.<strong>2016</strong><br />

Theaterbesteigung, Wien<br />

Besagtes Stück von der Uni soll<br />

am renommierten Burgtheater<br />

noch einmal aufgeführt werden.<br />

Die Identitären erklimmen die<br />

25 Meter hohe Fassade und hissen<br />

ein noch größeres «Heuchler»-Banner.<br />

21.7.<strong>2016</strong><br />

Anti-Stasi-Aktion, Berlin<br />

Go-In im Büro der Amadeu-Antonio-Stiftung:<br />

Die Identitären verleihen<br />

einen «Schandpreis» an<br />

deren Leiterin Anetta Kahane,<br />

der diese für ihr Wirken als Meinungszensorin<br />

bei Facebook<br />

«ehrt».<br />

1.8.<strong>2016</strong><br />

Maueraktion, Wien<br />

Nachdem eine Kundgebung vor<br />

der grünen Parteizentrale verboten<br />

wurde, mauern Aktivisten<br />

in einer nächtlichen Blitzaktion<br />

deren Eingang zu.<br />

_ Martin Sellner, geboren 1989,<br />

wird von der «Wiener Zeitung»<br />

unter der Schlagzeile «Jung, hip,<br />

rechtsextrem» präsentiert, für<br />

die «Huffington Post» ist er das<br />

«lächelnde Gesicht der Neuen<br />

Rechten» (mehr zu ihm auf Seite<br />

49). – Das Interview führte Jürgen<br />

Elsässer.<br />

ist kein Widerspruch, Bayer, Deutscher und Europäer<br />

zu sein. Von der regionalen Verwurzelung – dem Dialekt,<br />

den Vereinen und Familienverbänden, der Dorfgemeinschaft<br />

– über die Sprache, den Staat und das<br />

Volk bis hin zur europäischen Völkerfamilie – es ist<br />

alles Teil einer Identität, die verschiedene Dimensionen,<br />

aber keine Brüche hat. Als wir bei unserer Demo<br />

im Juli in Wien mit Tschechen, Franzosen, Italienern,<br />

Ungarn, Serben und Polen auf die Straße gegangen<br />

sind, wurde aus dieser Theorie eine handfeste Tatsache.<br />

Die Jugend Europas verteidigt gemeinsam alle<br />

Ebenen ihrer Identität, weil wir heute alle gemeinsam<br />

unter Attacke stehen. Wir bilden eine Phalanx gegen<br />

die Kräfte, die den Einzelnen gegen die Gemeinschaft,<br />

die Region gegen die Nation und Europa gegen seine<br />

Staaten ausspielen wollen.<br />

«Unser gewaltfreier Protest verhindert<br />

extremistische Abirrungen.»<br />

Die Asylflut brachte den Identitären ungeahnte Bekanntheit.<br />

Foto: Identitäre Bewegung<br />

Nach Ansicht der «Huffington Post» könnte Sellner (r.) für den<br />

H&M-Katalog modeln. Foto: Identitäre Bewegung<br />

In Deutschland wird die IB angeblich nur in einigen<br />

wenigen Bundesländern durch den Verfassungsschutz<br />

beobachtet. Wie ist das in Österreich?<br />

In Österreich ebenfalls. Uns und die meisten Leute<br />

lässt das aber eher kalt. Sie sollen ruhig beobachten,<br />

bei uns ist nichts zu finden: Wir sind weder Nazis, noch<br />

Rassisten oder Extremisten, sondern ganz normale<br />

Patrioten, die ihre Meinung aktiv vertreten. Gewaltfreier<br />

Widerstand in der Tradition von Mahatma Ghandi<br />

und Martin Luther King ist eines unserer obersten Prinzipien<br />

– und genau damit verhindern wir extremistische<br />

Abirrungen. Wir sammeln die verständliche Wut<br />

der Leute und leiten sie in friedlichem und kreativem<br />

Protest auf die Straße, gegen die wahren Schuldigen<br />

in unseren Parlamenten.<br />

Orbanisierung und Maidanisierung<br />

In Deutschland kommt die IB langsamer in<br />

Schwung als in Österreich. Woran mag das liegen?<br />

Wir hatten in Österreich erstens ein knappes Jahr Vorsprung<br />

und zweitens eine ganz andere Ausgangslage.<br />

In der Alpenrepublik sind die Leute generell patriotischer<br />

und widerständiger. Der ganze linksliberale<br />

Multikulti-Wahn war bei uns eigentlich immer nur ein<br />

winziges Eliteprojekt. Dieser Elite schwimmen jetzt die<br />

Felle davon, weil die Bürger rebellieren: mit der FPÖ<br />

an der Wahlzelle und mit der IB auf der Straße. In<br />

Deutschland ist die Meinungsdiktatur der Multikultis<br />

noch eine ganze Ecke extremer, daher ist es auch für<br />

eine patriotische Jugendbewegung härter. Aber allmählich<br />

kommt die IB auch dort in Fahrt. Ich glaube<br />

auch, dass der Protest in beiden Ländern unterschiedliche<br />

Wege gehen muss. Bei uns gibt es die Chance<br />

einer Orbanisierung, also eines gleitenden und sanften<br />

Übergangs aus dem Multikulti-Wahn zurück in<br />

die patriotische Normalität, wie er in Ungarn durch<br />

die Wahlsiege Viktor Orbans und seiner Fidesz-Partei<br />

angestoßen und durchgesetzt wurde. In Deutschland<br />

dagegen steuert alles eher auf eine weitere Zuspitzung<br />

zu, die wohl nicht allein mit dem Stimmzettel entschieden<br />

werden kann. Die Deutschen spüren das und gingen<br />

in Dresden und anderswo in viel größerer Zahl auf<br />

die Straße als die Menschen bei uns. Bei Euch wird<br />

für die Wende wohl eine Maidanisierung nötig sein –<br />

also die Besetzung öffentlicher Räume durch die Opposition<br />

nach dem Vorbild der ukrainischen Hauptstadt<br />

im Winter 2013/2014.


<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />

Ein Ziel, viele Strömungen<br />

_ von Martin Sellner<br />

Müssen wir den Westen gegen den Islam verteidigen? Oder müssen wir uns vom Westen<br />

lösen, um unser kulturelles Erbe wiederzufinden? Die Identitäre Bewegung versucht,<br />

über neue Begriffe den Widerspruch zwischen diesen Positionen zu überbrücken und<br />

die Sprachhoheit der Etablierten zu durchbrechen. Der derzeit wichtigste Begriff ist der<br />

«Große Austausch».<br />

Alle Metapolitik ist ganz wesentlich eine Arbeit mit<br />

Begriffen und Bildern. Hinter Begriffen wie «Klasse»,<br />

«Menschheit», «Kapitalismus» oder «Rechtsradikalismus»<br />

stehen politische Ideologien, die, scheinbar neutral,<br />

verschiedenste Individuen und Phänomene zu einer<br />

«Sache» bündeln und mit einem Etikett versehen. Die<br />

Herrschaft über die Begriffe bedeutet die Beherrschung<br />

der Perspektive. Jede politische Bewegung, jede Partei,<br />

jede Interessensgruppe muss versuchen, ihre zentralen<br />

Ideen und ihre Sicht der Dinge in solche Sammelbegriffe<br />

zu gießen, die verknappt und vereinfacht<br />

die ganze Fülle ihrer Weltanschauung enthalten. Ein<br />

guter metapolitischer Begriff muss viele theoretische<br />

Überlegungen auf den Punkt bringen und dennoch klar<br />

verständlich sein. Er muss die richtigen Bilder evozieren,<br />

eine klare Erklärung des Geschehens und das richtige<br />

Feindbild vermitteln.<br />

Von Frankreich lernen<br />

All diese theoretischen Fragen bewegten uns von<br />

der Identitären Bewegung, als wir aus dem «Grand remplacement»<br />

des französischen Schriftstellers Renaud<br />

Camus eine Kampagne für den deutschen Sprachraum<br />

entwickelten. Bis dahin hatten wir vor allem eine positive<br />

Zielbestimmung, den «Erhalt der ethnokulturellen<br />

Identität», verfolgt. Unsere «Feindbegriffe» zergliederten<br />

sich in Masseneinwanderung, Islamisierung, Demographiekollaps<br />

und viele andere negative Erscheinungen,<br />

die wir als Bedrohung unserer Identität erkannten.<br />

Uns fehlte jedoch der entscheidende Sammelbegriff,<br />

der diese vielen Aspekte vereinen konnte. Uns fehlte<br />

das, was die Kommunisten damals im «Kapitalismus»,<br />

was die Moslems im «Westen» hatten: ein klares<br />

Feindbild. Statt Camus‘ «remplacement» wörtlicher mit<br />

«Ersetzung» zu übersetzen, wählten wir das elegantere<br />

«Austausch». Einerseits unterstreicht es die Gleichgültigkeit<br />

und Verdinglichung, mit der die Politiker ihre<br />

Bevölkerung schlichtweg gegen «Importware» austauschen.<br />

Gleichzeitig war dieser Begriff eine bewusste<br />

Anspielung auf die Phrase vom «kulturellen Austausch»,<br />

die zum Grundvokabular der BRD-Sprache gehört. Doch<br />

hinter dem Begriff steht noch mehr. Gerade als «intellektuelle<br />

Rechte» tun wir Identitären uns oft mit der<br />

Vereinfachung und Zuspitzung schwer. Eine Tendenz zu<br />

dem, was Guillaume Faye als «Metapolitik im Vakuum»<br />

bezeichnet hat, ist immer zu bemerken. Wir neigen,<br />

teils aus intellektueller Redlichkeit, teils aus akademischer<br />

Eitelkeit, zu überkomplexen Erklärungen, die kein<br />

«Mann von der Straße» mehr versteht. Das ist gefährlich.<br />

In diesem Unverständnis wuchert oft der Unsinn,<br />

der für das Scheitern der aktiven Rechten in den letzten<br />

Jahrzehnten mitverantwortlich ist.<br />

Gerade im patriotischen Lager droht man ständig in<br />

alte Erb- und Erzfeindbilder zurückzukippen, droht eine<br />

geistige Verflachung und propagandistische Banalisierung.<br />

Die plumpe Hetze gegen Fremde, simples Islam-<br />

Bashing oder gar der unausrottbare Mythos der «Jüdischen<br />

Weltverschwörung» – all diese Kurzschlüsse<br />

Spartanisch: Vorbild der Organisation<br />

ist der 2003 gegründete französische<br />

Bloc identitaire. Foto: IB<br />

Gerade als intellektuelle<br />

Rechte tun<br />

wir uns oft mit der<br />

Vereinfachung und<br />

Zuspitzung schwer.<br />

47


<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />

IB-Aktivisten in der Berliner<br />

Amadeu-Antonio-Stiftung.<br />

Foto: Identitäre Bewegung<br />

Bild oben rechts: Während der IB-<br />

Demonstration am 6. Juni in Wien<br />

nahm die Polizei sieben Gegendemonstranten<br />

fest. Foto: picture<br />

alliance / Herbert Pfarrhofer / APA /<br />

picturedesk.com<br />

widersprechen unserem Grundverständnis als Identitäre<br />

und Ethnopluralisten. Wir wissen genau, dass<br />

die Masseneinwanderung Teil eines globalen Zerstörungsfeldzugs<br />

gegen alle Völker und Kulturen ist. Wir<br />

wissen genau, dass es die eigene Dekadenz und der<br />

liberalistische Werteverfall sind, die Europa erst sturmreif<br />

für die Invasion der Fremden gemacht haben. Wir<br />

wissen vor allem, dass der wahre Feind im eigenen<br />

Land sitzt: Unsere Eliten, die uns fortgesetzt verraten,<br />

unsere Intelligenz, die sich im Ethnomasochismus<br />

suhlt – das sind die eigentlichen Urheber der Misere.<br />

Dieser Prozess ist der Große Austausch. Er steht<br />

als wahres Problem hinter allen Randphänomenen. Ein<br />

Volk kann sich von wirtschaftlichen und kulturellen Krisen<br />

erholen. Die schlimmsten Fehler und Niederlagen<br />

können bereits in der nächsten Generation wiedergutgemacht<br />

werden. Der Prozess des Großen Austausch<br />

ist jedoch irreversibel. Er geht an die Substanz. Alle<br />

Debatten über Regierungsformen, Wirtschaftssysteme,<br />

über religiöse und umweltpolitische Themen erübrigen<br />

sich, wenn das «Subjekt» dieser Fragen, das Volk,<br />

nicht mehr existiert.<br />

Viele Probleme, eine Ursache<br />

Die Einigung der Patrioten<br />

48<br />

Unsere Bevölkerungsschrumpfung<br />

soll nach den<br />

Plänen der Multikulti-Strategen<br />

durch Masseneinwanderung<br />

ausgeglichen<br />

werden.<br />

Im rechten Lager wird eine Vielzahl an Problemen<br />

und Themen abgearbeitet. Von Ausländerkriminalität<br />

über Koransuren bis zum Genderwahn wechseln sich<br />

die Themen meist täglich ab. Der entscheidende Prozess,<br />

an dessen Oberfläche die vielen kleineren Probleme<br />

wie Schaum auf einer Welle auftauchen, gerät<br />

dabei oft aus dem Blickfeld – das Wegschrumpfen<br />

unserer demographischen Substanz und unsere Ersetzung<br />

durch fremde Einwandererströme. Das Defizit soll<br />

nach den Plänen der Multikulti-Strategen durch Masseneinwanderung<br />

ausgeglichen werden. Auf lange<br />

Sicht führt dies notwendig zu einem Austausch der<br />

europäischen Völker durch Fremde. Dass dabei die Kulturen,<br />

die Sprachen und Identitäten auf der Strecke<br />

bleiben werden, ist jedem klar. Es zeigt sich bereits<br />

überdeutlich in den «gekippten» Straßen, Vierteln<br />

und Städten, die nicht mehr Teil des ethnokulturellen<br />

Europas sind. Sie sind wie schwarze Löcher – in religiöser,<br />

sprachlicher, sozialer und sogar juristischer Hinsicht.<br />

No-Go-Areas, Scharia-Zonen, fremde Enklaven –<br />

sie wachsen und wachsen.<br />

Traditionell gibt es im rechten Lager einen liberaleren<br />

und einen konservativen Flügel. Heute zeigen sich<br />

diese in einer eher libertären, aufklärerischen Islamkritik<br />

und einer eher konservativen, aufklärungskritischen<br />

Kulturkritik. Die eine Seite sieht im Islam und<br />

der Islamisierung die größte Gefahr und verteidigt vor<br />

allem die westlichen, freiheitlichen Verfassungsordnungen.<br />

Die zweite wirft diesem Flügel vor, damit auch<br />

die unüberwindbaren inneren Widersprüche und Verfallstendenzen<br />

des Liberalismus zu verteidigen, die<br />

erst zum demographischen und kulturellen Niedergang<br />

geführt haben. Sie sehen das Problem also vor<br />

allem in uns selbst, in unserer Unfähigkeit zur Verteidigung<br />

und Fortführung unserer Traditionslinien. Die<br />

erste Position führt zu einem bis ins Neokonservative<br />

reichenden «Selbstverteidigungsmodus» des Liberalismus,<br />

der einen wehrhaften Staat und eine kompromisslose<br />

Leitkultur anstrebt. Die zweite Position sieht sich<br />

eher zu einer grundlegenden Kritik an der Moderne,<br />

an ihrem Universalismus, Egalitarismus und Progressivismus<br />

genötigt.


<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />

Der Große Austausch trägt beiden Perspektiven<br />

Rechnung und fasst sie zu einer umfassenden Kritik<br />

zusammen. Die Abschaffung und Ersetzung, die stattfindet,<br />

betrifft sowohl unser Rechtssystem und unsere<br />

Demokratie als auch unsere ethnokulturelle Substanz.<br />

Die Ideologie der Multikultis, die die freiheitlichdemokratische<br />

Grundordnung als Abstraktum verteidigen<br />

will, als wäre sie eine ungeschichtliche, zeitlose<br />

Größe, erweist sich mehr und mehr als falsch. Die Einwanderer<br />

bringen auch ihre Geschichte und Kultur mit,<br />

die – als Gegenmythos, Kitt und ideologischen Fluchtpunkt<br />

– letztlich die Scharia dem als fremd empfundenen<br />

westlichen System gegenüberstellt.<br />

Die kulturkonservative Rechte hegt<br />

oft eine (un-)heimliche Sympathie<br />

für den ebenso konservativen Islam.<br />

Der Islam wirkt also hier in jeder Hinsicht verstärkend<br />

und zuspitzend. Das wird von kulturkonservativen<br />

Strömungen, die oft eine (un-)heimliche Sympathie<br />

für den ebenso «konservativen» Islam hegen,<br />

leider in der Regel unter den Teppich gekehrt. Aber<br />

an einem Punkt haben sie Recht: Eine Masseneinwanderung<br />

würde auch dann zu einer Totalveränderung<br />

und Abschaffung unseres Rechtssystems und unserer<br />

kulturellen Identität führen, wenn sie nicht aus dem<br />

islamischen, sondern einem anderen außereuropäischen<br />

Kulturraum käme. De facto ist dieses Gedankenexperiment<br />

aber hinfällig, da die Flutung unseres<br />

Kontinents sich hauptsächlich in Gestalt muslimischer<br />

Massen vollzieht und dies aufgrund der demographischen<br />

Situation in den Herkunftsländern auch so bleiben<br />

wird. Der Kampf gegen die Islamisierung Europas<br />

deckt sich also mit jenem gegen die Massenimmigration.<br />

Die Bestrebungen aller islamischen Lobbygruppen<br />

in Europa zielen daher auch auf die Lockerung<br />

der Einwanderungsgesetze. Sie intendieren die Mobilisierung,<br />

Aktivierung und Ermächtigung der wachsenden<br />

islamischen Minderheit und benutzen den tief in<br />

uns eingebrannten Schuldkult als Druckmittel. Die kulturkonservativen,<br />

volksbezogenen und die islamkritischen,<br />

eher staatsbezogenen Rechten müssen in dieser<br />

Situation gegen den Großen Austausch zusammenarbeiten.<br />

Praxis Infokrieg<br />

An sich ist der Terminus Großer Austausch nicht für<br />

die direkte Informationsarbeit geeignet – er ist eher<br />

ein Meta- und Überbegriff. Zu akuten Schlagworten<br />

wie «Festung Europa» und «Remigration» bleibt er<br />

zwar stets das Fundament und markiert den Verständnishorizont,<br />

die akuten Probleme müssen aber direkt<br />

angesprochen werden. Bilder und Worte, die das Volk<br />

versteht, müssen unbedingten Vorrang haben. Ganz<br />

bewusst haben wir in Österreich den Großen Austausch<br />

daher nur einmal, in einer zentral geplanten<br />

Kampagne, thematisiert und lanciert. Gute Infoarbeit<br />

ist kein eigenwilliges «In-den-Raum-Stellen» von bisher<br />

unbekannten Begriffen. Sie ist mit einer Rolltreppe<br />

vergleichbar, die die Bevölkerung bei ihrem simplen<br />

«partypatriotischen Bewusstsein», das sich bloß auf<br />

die Symptome fokussiert, abholt und sanft auf das<br />

Niveau des identitären Problembewusstseins, auf das<br />

Sich-des-Großen-Austauschs-bewusst-Sein hebt.<br />

Mit Heidegger<br />

in den Widerstand<br />

«Die seinsgeschichtliche Epoche,<br />

in der wir uns befinden,<br />

beschreibt uns Heidegger als<br />

Ge-stell und Seinsvergessenheit,<br />

als Entzug von Sein. Das<br />

bedeutet letztlich den Verlust<br />

jeder ganzheitlichen Deutung,<br />

jeden Sinns, jeder Qualität von<br />

Dingen, Mitmenschen und damit<br />

auch einen Verlust von Volksgeist<br />

und -seele. Dagegen stellt<br />

Heidegger ein Denken des Volkes<br />

als ”nicht patriotisch, nicht<br />

nationalistisch, sondern seinsgeschichtlich”<br />

und die Heimat<br />

als ”geschichtliches Wohnen” in<br />

der ”Nähe zum Sein”.»<br />

(Martin Sellner / Walter Spatz,<br />

Gelassen in den Widerstand. Ein<br />

Gespräch über Heidegger, Verlag<br />

Antaios, 2015)<br />

Martin Heidegger (1889–1976).<br />

Foto: picture alliance / Fred Stein<br />

Im April stürmten die Identitären die<br />

Bühne des berühmten Wiener Burgtheaters.<br />

Foto: Identitäre Bewegung<br />

_ Martin Sellner, geboren 1989 in<br />

Wien, studiert Philosophie (B.A.)<br />

und Rechtswissenschaften an der<br />

dortigen Universität. Als Kopf der<br />

Identitären Bewegung (IB) in der<br />

Alpenrepublik arbeitet er an der<br />

theoretischen Fundierung der IB<br />

und ihrer Umsetzung in politische<br />

Aktivitäten. Wir freuen uns auf<br />

ihn als Redner bei der <strong>COMPACT</strong>-<br />

Konferenz «Für ein Europa der<br />

Vaterländer» am 29. Oktober in<br />

Köln. – Der Text ist eine stark<br />

gekürzte und bearbeitete Fassung<br />

des Nachworts, das Sellner für<br />

den Sammelband «Renaud Camus,<br />

Revolte gegen den Großen Austausch»<br />

(Verlag Antaios, <strong>2016</strong>)<br />

geschrieben hat.<br />

49


<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />

Die Glut in der Asche<br />

_ von Alina Wychera<br />

Werte wie Heimat und Tradition sind nur etwas für Ewgiggestrige, für<br />

alte Männer? Die Jungen strampeln im Hamsterrad der Modeindustrie<br />

und wetteifern in der Selbstvermarktung? Diese Frau zeigt in Fotos<br />

und Texten, dass sich der Wind gedreht hat.<br />

Lambda – das Symbol der Identitären Bewegung, hier in einer<br />

Goldschmiedearbeit von Alina Wychera – ist der elfte Buchstabe<br />

des griechischen Alphabets. Es war das Schildzeichen der<br />

Spartaner, unter anderem in der berühmten Schlacht bei den<br />

Thermopylen 480 vor Christi, als sich 300 Krieger todesmutig einer<br />

persischischen Invasionsarmee entgegenstellten.<br />

Fotos: Alina Wychera<br />

50<br />

_ Alina Wychera alias Alina von<br />

Rauheneck ist gelernte Goldschmiedin<br />

und studiert Sprachwissenschaften<br />

an der Universität<br />

Wien. Die «Welt am Sonntag»<br />

bezeichnete die 24-Jährige halb<br />

abfällig, halb fasziniert als «identitäres<br />

Postergirl». Weitere Fotos<br />

und Texte von ihr findet man auf<br />

alina-von-rauheneck.tumblr.com<br />

Während meiner Schulzeit war ich noch eher unpolitisch.<br />

Aber die Liebe zur Heimat habe ich wohl schon<br />

immer im Herzen getragen – unsere wunderschöne<br />

Sprache, die Landschaft, Lieder, Sagen oder Bräuche.<br />

Als ich von der Identitären Bewegung hörte, die all<br />

das aktiv, aber gewaltfrei verteidigen will, wurde mein<br />

Interesse geweckt. Es gibt immer mehr Frauen, die den<br />

Mut haben, für die Verteidigung Europas aufzustehen,<br />

aktiv zu werden und Gesicht zu zeigen. Auch ich habe<br />

viel für die Bewegung geopfert und war bei nahezu<br />

jeder Aktion dabei.<br />

Auf meinem Blog sammle ich alles, was meine<br />

Seele berührt. Lyrik, Malerei, Fotografie – das Schöne<br />

zu schätzen und zu bewahren, aber auch neues zu<br />

schaffen, ist sicherlich ein identitärer Aspekt.


Mutterseelenallein (moi tout seul)<br />

Im Mondschein einsam und kalt,<br />

der Hauch einer blassen Gestalt.<br />

Ohne Schutz und ohne Halt.<br />

Im Herzen Ruinen, die Seele ein Wald.<br />

Warum läuft sie durch die Nacht?<br />

Was hat sie um den Schlaf gebracht?<br />

Sie sagt, der Tag, er hetzt sie und er brüllt,<br />

während die Nacht sie sanft in ihre Stille hüllt.<br />

Doch hört Gott Vater sie weinen, beten, schreien?<br />

Mutterseelenallein.


<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />

Noch einmal – Gottfried Benn<br />

Noch einmal weinen – und sterben<br />

mit Dir: den dunklen Sinn<br />

von Liebe und Verderben<br />

den fremden Göttern hin.<br />

Du kannst es doch nicht hüten,<br />

es bleibt doch immer nah:<br />

was nicht aus Meer und Blüten,<br />

ist nur in Qualen da.<br />

Versinken und erheben,<br />

vergessen und erspähn,<br />

die letzten Fluten geben,<br />

die letzten Gluten mähn.<br />

Das Weben ohne Masche,<br />

das Säumen ohne Sinn –<br />

die Tränen und die Asche<br />

den fremden Göttern hin.<br />

Generation «Selfie»<br />

Wer bin ich? Woher komme ich? Wo gehöre ich hin?<br />

Was macht mich aus?<br />

Wenn wir uns diese Fragen stellen, jedoch keine<br />

Antworten finden können, fehlt es uns an Sicherheit<br />

und Halt im Leben. Denn wer sich seiner Identität nicht<br />

bewusst ist, steht ziellos und verloren in der Welt, hat<br />

kein Selbstbewusstsein und neigt oft dazu, sich verleiten<br />

oder manipulieren zu lassen.<br />

Wir verspüren aber anscheinend doch alle einen<br />

Drang, uns damit auseinanderzusetzen, wer wir sind,<br />

suchen nach Reflexion – einem Spiegel, einer Kamera.<br />

Wir betrachten uns auf einem Bild und meinen dabei,<br />

uns selbst zu sehen. Doch bin das auf dem Foto wirklich<br />

ICH? Wir inszenieren unsere Bilder auf die verlogenste<br />

Art und Weise, stellen jemanden dar, der wir<br />

nicht sind, aber vielleicht gerne wären, arrangieren,<br />

retuschieren und schaffen uns somit selbst eine eigene<br />

Welt, einen Rahmen, der uns Halt und Identität bietet.<br />

Wem das allerdings noch nicht reicht, der sucht sich<br />

seine Reflexion bei Außenbetrachtern. Denn wenn wir<br />

selbst nicht wissen, wer wir sind, müssen es uns eben<br />

die anderen sagen. Eine ganze Generation persönlichkeitsloser<br />

Einheitsmenschen schreit ihre Unsicherheit,<br />

ihren Wunsch nach Zugehörigkeit und Selbstwertgefühl<br />

in die Welt hinaus. Es werden Posen kopiert und<br />

Grimassen imitiert, in einem Ausmaß, das jedwede<br />

Würde vernichtet, doch das scheint der Preis für ein<br />

bisschen Anerkennung und Bestätigung zu sein. Jeder<br />

behauptet, außergewöhnlich und möglichst individuell<br />

sein zu wollen, und doch sprechen die Taten dafür, dass<br />

wir uns nach gewissen Normen und Gemeinsamkeiten<br />

mit unseren Mitmenschen sehnen. Denn Zugehörigkeit,<br />

sei es die Nationalität, Religion, Familie oder Interessensgemeinschaft,<br />

ist Teil unserer Identität.<br />

Bei aller Verachtung für den geistlosen Selbstdarstellungskult<br />

kann man aber durchaus auch eine positive<br />

Komponente erkennen. Wir leben in einer Kultur<br />

des Selbsthasses. Wir haben regelrecht gelernt, uns<br />

selbst zu verachten, uns für unsere Identität zu schämen<br />

– eine Geisteshaltung, mit der wir uns selbst<br />

schwächen, zerstören und letztendlich vernichten. Vielleicht<br />

ist es also gerade deshalb ein zaghaftes Zeichen<br />

des in uns schlummernden Selbsterhaltungstriebes,<br />

dass wir, wenn auch auf absurde Art und Weise,<br />

wieder lernen, uns selbst zu lieben, mit uns selbst zu<br />

beschäftigen und ein gesundes Maß an Egoismus zu<br />

entwickeln. Denn nur wer selbst stark und vital ist,<br />

kann auch kämpfen und anderen helfen. Und wir können<br />

andere erst dann wertschätzen und lieben, wenn<br />

wenn wir gelernt haben, uns selbst zu lieben.<br />

52<br />

Selbst «Die Welt» findet Alina «sehr apart». Foto: Alina Wychera


<strong>COMPACT</strong> Leben<br />

Monster fressen Nerds<br />

_ von Alexander Markovics<br />

«Generation Pokemon» oder «Generation<br />

Dschihad»? Foto: picture alliance<br />

/ SZ Photo<br />

Pokemon Go: Millionen Jugendliche haben auf der ganzen Welt mit der Jagd auf Monster<br />

begonnen, die nur in ihren Smartphones existieren. Die Wirklichkeit wird ausgeblendet,<br />

der soziale Zusammenhalt bröckelt – und die ersten Toten hat es auch schon gegeben.<br />

August <strong>2016</strong>: Eine Gruppe von etwa 200 Menschen<br />

rennt wie von der Tarantel gestochen durch die Wiener<br />

Innenstadt. «Aquana, eine Minute!», gibt ein junger<br />

Mann an der Spitze der Meute durch ein Megaphon<br />

das Ziel vor. Was wie eine Schnitzeljagd wirkt,<br />

ist der neueste Hit der Pokemon-Reihe, Pokemon Go.<br />

1996 begann der Hype um die Taschenmonster aus<br />

Japan auf dem Gameboy. <strong>2016</strong> erreicht er mit weltweit<br />

über 75 Millionen Downloads in nur 19 Tagen<br />

ein neues Hoch. Ziel des Spiels ist es, 151 Pokemon<br />

aus der bekannten Videoserie mit einem sogenannten<br />

Pokeball zu fangen – über Wischbewegungen auf dem<br />

Smartphone. Um aber die kleinen Biester überhaupt<br />

zu finden, muss man sie mit der Kamera seines Mobilgerätes<br />

lokalisieren. Das macht verständlich, warum<br />

seit Kurzem immer mehr Zeitgenossen gebannt auf ihr<br />

Handy starren und etwas zu suchen scheinen…<br />

Der Clou dabei ist, dass die kleinen Biester nicht<br />

überall gleichmäßig verteilt sind, sondern durch ein<br />

vom Augmented-Reality-Entwickler Niantic entwickeltes<br />

System mittels GPS und Google Maps vom Nordpol<br />

bis zum Südpol, immer wieder neu verteilt werden<br />

und dabei nur für kurze Zeit auffindbar sind. Der ganze<br />

Erdball wird quasi zum Jagdgebiet erklärt, bestimmte<br />

Monster kann man auch nur in gewissen Gegenden<br />

der Welt finden. Durch die Platzierung von sogenannten<br />

Lockmodulen an öffentlichen Plätzen kann man<br />

schließlich für ein erhöhtes Auftauchen von Pokemon<br />

in einem kurzen Zeitraum sorgen. Die Monsterjagd<br />

wird somit zum Erlebnis, welches zu langen Spaziergängen,<br />

Wanderungen und schließlich sogar Reisen<br />

ermutigt. Darüber hinaus findet man in der eigenen<br />

Umgebung auch sogenannte Pokestops, zumeist Wahrzeichen<br />

oder öffentliche Institutionen, an denen man<br />

Pokemonaufkommen in Berlin-Mitte<br />

am 10.08.<strong>2016</strong> um 11.18 Uhr.<br />

Foto: Screenshot Pokemonradar<br />

In nur 19 Tagen<br />

wurde das Spiel 75<br />

Millionen Mal<br />

heruntergeladen.<br />

53


<strong>COMPACT</strong> Leben<br />

Pokemon, Google<br />

und NSA<br />

gratis wichtige Hilfsmittel für das Spiel erhält, wie<br />

etwa die zum Monsterfang nötigen Pokebälle. Eine<br />

wichtige Funktion haben auch Arenen, in denen man<br />

seine gefangenen Wesen gegen die anderer Spieler<br />

kämpfen lassen kann. Dazu muss man sich dem roten,<br />

blauen oder gelben Team anschließen und gemeinsam<br />

mit anderen diese Wettkampfstätten erobern.<br />

Die Smombies kommen!<br />

54<br />

«Alle [bei Pokemon Go] erhobenen<br />

Daten gehen in den Besitz<br />

der amerikanischen Firma Niantic<br />

und damit womöglich auch an<br />

Google über, sie können wieder<br />

an Dritte weitergegeben werden,<br />

nicht nur an andere Unternehmen,<br />

sondern auch an Behörden<br />

oder Geheimdienste. Ob es<br />

sich dabei nur um nicht-”personenbezogene”<br />

Daten handelt,<br />

ist eine Frage des Ver- oder<br />

Misstrauens. Die Bestimmungen<br />

sind äußerst vage und sehr<br />

subjektiv, schließen aber personenbezogene<br />

Daten ein: ”Wir<br />

könnten jegliche Informationen<br />

über Sie (oder über das von<br />

Ihnen ermächtigte Kind), die<br />

sich in unserem Besitz oder Kontrollbereich<br />

befinden, an Regierungen<br />

oder Strafverfolgungsbehörden<br />

oder private Beteiligte<br />

offenlegen (…).” (…)<br />

Die Gründer von Google, Sergey<br />

Brin und Lawrence Page, waren<br />

schon am Anfang der Entwicklung<br />

der Suchmaschine gut vernetzt.<br />

Neben anderen Sponsoren<br />

wurde ihre Forschung an der<br />

Stanford University auch von der<br />

National Science Foundation,<br />

der Nasa und der Darpa, der Forschungsbehörde<br />

des Pentagon<br />

finanziert. (…) Bekannt wurde,<br />

dass Google – die ”gute” Suchmaschine<br />

– 2003 seine Technik<br />

der NSA zur Verfügung stellte,<br />

auch kostenlos.» (Florian Rötzer,<br />

Pokemon Go und die CIA, Telepolis,<br />

1.8.<strong>2016</strong>)<br />

Ein Vorbild aus der Tierwelt hat das<br />

japanische Phantasiewesen nicht.<br />

Foto: The Pokémon Company<br />

Bild oben rechts: In den 23 Filialen<br />

der Volksbank Neuss darf das Pokomon<br />

nicht gesucht werden.<br />

Foto: picture alliance / dpa<br />

_ Alexander Markovics studiert<br />

Geschichte in Wien.<br />

Wer sich nicht die Zeit nehmen will, seine Umgebung<br />

abzugrasen, kann sich die Hilfsmittel einfach kaufen<br />

– das ist der Grund, warum die Kassen bei Nintendo<br />

klingeln. Aber auch andere wollen Reibach machen: Findige<br />

Geschäftsleute und sogar Banken auf der ganzen<br />

Welt werben damit, dass sie Lockmodule für Pokemon<br />

in ihren Räumlichkeiten installiert hätten, um so neue<br />

Kunden anzuziehen. In den USA sind schon erste Fälle<br />

bekanntgeworden, wo Kriminelle auf dieselbe Weise<br />

Spieler an entlegene Plätze gelotst und ausgeraubt<br />

haben. In Guatemala wurde einer sogar mithilfe eines<br />

Pokestops in einen Hinterhalt gelockt und erschossen.<br />

Darüber hinaus hat die Tatsache, dass man mit<br />

seiner Handykamera quasi die ganze Zeit das eigene<br />

Umfeld ausspioniert (die Daten werden dabei an den<br />

Entwickler Niantic übermittelt), das Interesse der<br />

Geheimdienste geweckt (siehe Infobox). Als Gegenmaßnahme<br />

wurde in Israel und Indonesien Pokemon<br />

Go auf Militärbasen sowie im diplomatischen Dienst<br />

verboten. Im Iran wurde es gänzlich aus der Öffentlichkeit<br />

verbannt. Auch die Bundeswehr ist alarmiert,<br />

wie die Süddeutsche Zeitung in Bezug auf eine Dienstanweisung<br />

berichtete. Befürchtet wird, dass feindliche<br />

Agenten, als Monsterjäger getarnt, Aufnahmen von<br />

militärischen Sperrbezirken machen könnten. Und<br />

wenn eigene Soldaten Pokemon Go spielen, seien sie<br />

nicht nur lokalisierbar, sondern könnten auch durch<br />

Schnappschüsse Geheimnisse aus dem Innern der<br />

Armee preisgeben.<br />

Die Bundeswehr befürchtet, dass<br />

Agenten, als Monsterjäger getarnt,<br />

militärische Einrichtungen ausspionieren.<br />

Mit den virtuellen Pokemon tauchen immer mehr<br />

ganz reale Smombies (eine Wortschöpfung aus Smartphone<br />

und Zombies) auf: Spieler, welche von der Monsterjagd<br />

so gebannt sind, dass sie ihre Umgebung komplett<br />

aus den Augen verlieren. So wurde in den Medien<br />

von Unfällen berichtet, weil Nutzer der App bei der virtuellen<br />

Hatz den Straßenverkehr nicht mehr im Auge<br />

behielten. Auf Autobahnen kam es zu Staus, nachdem<br />

sich plötzlich eine Meute von Jägern auf offener Fahrbahn<br />

versammelt hatte. In Kalifornien stürzten zwei<br />

Smombies von einer Klippe – und damit in den Tod.<br />

Virtualität frisst Realität<br />

Aber auch im «Normalbetrieb» sind die Auswirkungen<br />

des Hypes auf das soziale Zusammenleben besorgniserregend:<br />

Zwar animiert das Spiel in der Theorie<br />

zum Rausgehen und Herumspazieren, zur Monsterjagd<br />

mit anderen – und scheint damit die stubenhockenden<br />

Nerds endlich einmal unter Leute zu bringen. Doch die<br />

Praxis sieht zum Teil ganz anders aus: So ist es möglich,<br />

mit einem entsprechend präparierten Handy seinen<br />

Standort zu manipulieren und der App den Aufenthalt<br />

an jedem beliebigen Ort auf der Welt zu suggerieren.<br />

Damit kann man die Monster ganz bequem<br />

vom Sofa aus jagen. Darüber hinaus verlieren die Nutzer<br />

durch das ständige Kleben am Bildschirm den Blick<br />

und vor allem das Gespür für das echte Leben. Es mag<br />

zwar beeindruckend sein, dass viele Hamburger durch<br />

Pokemon Go zum ersten Mal den Weg zum Bismarck-<br />

Denkmal finden. Aber was bringt der Ausflug, wenn<br />

man nur dorthin geht, um ein Pikachu zu fangen – und<br />

hinterher über den Reichskanzler so wenig weiß wie<br />

zuvor? Das Holocaust Memorial Museum in Washington<br />

D.C. jedenfalls hat sich schon über den neuen Auflauf<br />

uninteressierter Klientel beschwert…<br />

Letztlich wird durch immer raffiniertere elektronische<br />

Spiele eine immer größere Anzahl an Menschen<br />

aus der Realität herausgezogen – sie ersetzen<br />

das Begreifen wirklicher Genüsse und Gefahren<br />

durch deren fade Surrogate. Aber der Sex-Clip auf dem<br />

Handy kann niemals die Berührung eines Mädchens<br />

ersetzen – und die schrecklichsten Monster auf dem<br />

Display lenken nur ab von den Selbstmordbombern<br />

und Machetenmännern, die uns bedrohen. Wie soll<br />

die «Generation Pokemon Go» der «Generation Dschihad»<br />

standhalten?


<strong>COMPACT</strong> Leben<br />

Edle Wilde<br />

_ von Harald Harzheim<br />

Der Naturbursche Tarzan verkörperte von Anfang an das Gegenbild zur westlichen Zivilisation,<br />

zunächst sogar unter Einschluss kannibalischer Essgewohnheiten. Mittlerweile<br />

kommt der Lianenschwinger politisch-korrekt rüber und darf sogar den Aufstand gegen<br />

den weißen Mann anführen.<br />

Die Qualität eines Tarzan-Filmes steht und fällt mit<br />

der Darstellung des Dschungels: Wie weit gelingt es,<br />

die Verlockung der Wildnis zu visualisieren, dem Ungebändigten<br />

einen Raum zu schaffen? Kein Zufall, dass<br />

der beste dieser Filme, Tarzan and his Mate (1934), von<br />

Chef-Designer Cedric Gibbons gedreht wurde. Auch der<br />

aktuelle Blockbuster The Legend of Tarzan (<strong>2016</strong>) kontrastiert<br />

langweilige Aufnahmen vom London des 19.<br />

Jahrhunderts mit fiebrigen Dschungeltrips: Anschnallen,<br />

liebe Zuschauer, Sie rasen mit 3-D-Brille zwischen Bäumen,<br />

fallen in tiefe Schluchten, schwingen über scharfkantige<br />

Felsen, knallen auf harte Lehmböden, tauchen<br />

in dunklen Gewässern. Die Kamera wirbelt umher, bald<br />

gibt es kein Oben und Unten mehr. Und an jeder Ecke<br />

lauern wütende Bestien, Menschenaffen, Raubkatzen,<br />

durch Computeranimation riesengroß – der Dschungel<br />

als entzäunter Jurassic Park. Wenige Sonnenstrahlen<br />

erhellen seine schattige Wirrnis, Regen und Wasserdampf<br />

lassen tropische Hitze spüren – dieser Urwald<br />

ist ein Drogentrip, eine Reise in den inneren Dschungel.<br />

Frisch, fromm, fröhlich, frei<br />

Dieser Sehnsucht des Zivilisationsmenschen nach<br />

ungezähmter Natur, nach rauschhafter Wildnis entsprang<br />

auch der erste Tarzan-Roman, geschrieben von<br />

Edgar Rice Burroughs. Er erschien 1912, in einer Zeit<br />

also, als Lebensreformer gegen die Zumutung städtischen<br />

Lebens Sturm liefen: Schluss mit Lärm, Abgasen,<br />

Rauch, enger Kleidung und tristen Mietskasernen!<br />

In den USA glorifizierte Henry D.Thoreau in Walden<br />

(1854) das Ideal vom Einzelgänger in der Waldhütte.<br />

Romane wie Rudyard Kiplings Das Dschungelbuch<br />

(1894/95) oder Henry De Vere Stacpooles Die blaue<br />

Lagune (1908) feierten die Jugend außerhalb der Zivilisation,<br />

träumten von der Robinsonade. In Deutschland<br />

zogen Aussteiger aufs Land, praktizierten FKK und<br />

Vegetarismus. Nicht nur der Körper, auch die neurotisierte<br />

Seele sollte im «Natürlichen» Heilung finden.<br />

Wie sehr diese Bestrebung seinerzeit mit Burroughs’<br />

Herrn des Dschungels in Verbindung stand, zeigt eine<br />

Tarzan und Jane als<br />

frühes Aussteigerpärchen<br />

– mit<br />

freier Liebe bis zur<br />

Erschöpfung…<br />

Im Dschungel-Camp: Der Schwede<br />

Alexander Skarsgård verkörpert den<br />

Dschungelkönig. Foto: Warner Bros.<br />

Entertainment Inc.<br />

55


<strong>COMPACT</strong> Leben<br />

180 Millionen Dollar ließ sich<br />

Warner Brothers den neuen<br />

Film kosten. Foto: Warner Bros.<br />

Entertainment Inc.<br />

Brunst und Brust: «Tarzan and<br />

his Mate» (1934) mit Johnny<br />

Weissmüller (Tarzan) und Maureen<br />

O’Sullivan (Jane): Jane wurde zur<br />

zweiten Kultfigur. Foto: MGM<br />

Bemerkung von Ernst Bloch: Der verspottete den antizivilisatorischen<br />

Naturmystiker Ludwig Klages als totalen<br />

«Tarzan-Philosophen».<br />

Dabei war die Natur in den Tarzan-Geschichten<br />

keineswegs so harmlos wie im Weltbild der Lebensreformer,<br />

sondern grausam, unerbittlich. Ein unachtsamer<br />

Schritt oder kurzes Einschlafen am falschen<br />

Platz – und schwups bist Du verschlungen. Die Biosphäre<br />

befindet sich im permanenten Blutrausch. Tarzan,<br />

Sohn des englischen Lord Greystoke und seiner<br />

Frau, die auf Kolonialmission tödlich verunglückten,<br />

wird von Menschenaffen aufgezogen. Die hämmern<br />

ihm das Gesetz des Dschungels ein. Spätere Verfilmungen<br />

präsentierten Tarzan als Vegetarier. Bei Burroughs<br />

genießt er noch rohes, blutiges Fleisch getöteter<br />

Tiere – und Menschen. Ja, richtig: Tarzan war<br />

Kannibale: Nachdem der Dschungelheld einen Stammeskrieger<br />

besiegt hatte, verspeiste er ihn, «denn hier<br />

war Fleisch, Fleisch eines Toten, und die im Dschungel<br />

herrschende Moral erlaubte es ihm, es zu verzehren».<br />

An dieser Stelle denkt man unwillkürlich an Sigmund<br />

Freuds Totem und Tabu, das im gleichen Jahr wie Burroughs<br />

Roman entstand: Aus prähistorischem Kannibalismus<br />

entstand die moderne Zivilisation, deren Triebunterdrückung<br />

neues Unbehagen auslöst.<br />

Sex mit Jane<br />

Solche Verdrängung durchzieht auch die Wirkungsgeschichte<br />

der Tarzan-Figur. Egal ob im Comic, als Animation<br />

oder Realverfilmung, der wilde Dschungelmann<br />

wurde im Laufe der Jahrzehnte zum «edlen Wilden»<br />

gezähmt. Den Rohfleischfresser ließ man schon zur<br />

Stummfilmzeit fallen: Der erste Tarzan, Elmo Lincoln<br />

(1918), wurde nie beim Essen gezeigt, während Johnny<br />

Weissmuller im frühen Tonfilm demonstrativ den Vegetarier<br />

raushängen ließ. Seine Interpretation der Figur<br />

beinhaltete noch eine weitere folgenschwere Änderung:<br />

Dem Dschungel-König wurde das Gehirn amputiert.<br />

Der Wortschatz des – in der Vorlage durchaus<br />

rationalen – Lianenschwingers reduzierte sich auf<br />

wenige Worte, auf das Sprachniveau von «Ich Tarzan,<br />

du Jane». Ein purer Instinktmensch, der sich via Schrei<br />

mitteilt… Die ihm entwendete Rationalität bekam<br />

seine Partnerin Jane zugeteilt, die ihn deshalb herumkommandieren<br />

durfte. In einem aber waren sich Brain-<br />

Jane und Instinktmensch Tarzan einig: in der radikalen<br />

Ablehnung von Zivilisation, in diesen Filmen mit Wilderern,<br />

Plünderung und Mordlust gleichgesetzt. Er und sie<br />

als frühes Aussteigerpärchen – mit freier Liebe bis zur<br />

Erschöpfung. Die Aufwertung von Jane, die sich zuerst<br />

in Tarzan the Ape-Man (1932) als zweite Kultfigur etablierte,<br />

hält bis heute an. Inzwischen gibt es sogar einen<br />

Roman (Jane: The Woman Who Loved Tarzan, 2012),<br />

der die Dschungel-Saga aus ihrer Perspektive erzählt.<br />

In «Tarzan Triumphs» (1943) kämpft<br />

der Dschungelkönig gegen die<br />

Nazis.<br />

Der zweite Weissmuller-Film, Tarzan and His Mate,<br />

quoll über vor Brunst und nackter Haut. Adam und Eva,<br />

jenseits von Gut und Böse. Die US-Zensur drehte durch,<br />

Jane-Darstellerin Maureen O’Sullivan erhielt tonnenweise<br />

Drohbriefe. Nach diesem Skandal wurde das<br />

Dschungelpaar kastriert und mit Tarzan Escapes (1936)<br />

ins Jugendprogramm strafversetzt. Dort ist es bis heute<br />

geblieben. Die animalische Urwald-Erotik lebte nur in<br />

Parodie und Underground fort, so im Zeichentrickfilm<br />

Tarzoon – Schande des Dschungels (1975), in Andy<br />

Warhols Tarzan and Jane Regained… Sort Of (1964),<br />

in Bo Dereks Tarzan the Ape-Man (1981) oder gleich<br />

im Porno-Genre (Tarzan X: Shame of Jane, 1995). Sogar<br />

bei ernsthaften Versuchen, den Dschungelhelden zu<br />

rehabilitieren, ihm den Verstand zurückzugeben – in<br />

Greystoke (1984) oder dem aktuellen The Legend of<br />

Tarzan – bleibt das Aussteigerpaar unerträglich züchtig,<br />

trotz feuchtschwüler Urwaldhitze.<br />

56<br />

Mit seiner animalischen Erotik schockte Tarzan<br />

and His Mate (1934) übrigens auch die Nazis. Die ließen<br />

ihn erst gar nicht ins Kino. Begründung: Das wilde<br />

Paar erfülle in keiner Weise den Zweck einer Ehe: das<br />

Aufziehen erbgesunden Nachwuchses. Außerdem<br />

behaupte der Film, «dass ein Urwaldmensch, ja selbst<br />

ein Affe, edelster Seelenregungen fähig und als Ehepartner<br />

würdig» sei. Ganz zu schweigen vom Sadismus<br />

der Tierkampf-Szenen! Diese Aversion beruhte<br />

aber auf Gegenseitigkeit: In dem Film Tarzan Triumphs


<strong>COMPACT</strong> Leben<br />

Verwirrende<br />

Filmtitel<br />

Hierzulande laufen US-Blockbuster<br />

oft unter dem englischen Originaltitel,<br />

so auch The Legend<br />

of Tarzan. In früheren Jahrzehnten<br />

wurden die Titel übersetzt<br />

oder völlig neu kreiert. Diese<br />

Neuschöpfungen setzten inhaltlich<br />

oft andere Schwerpunkte.<br />

Aus diesem Grunde nennt der<br />

nebenstehende Artikel alle Filme<br />

mit Originaltitel. Hier nun deren<br />

deutsche Namen (sofern sie<br />

hierzulande einen Verleih fanden)<br />

in der Reihenfolge ihrer<br />

Erwähnung im Text:<br />

■ Tarzan and His Mate (1934)<br />

(Tarzans Vergeltung)<br />

■ The Legend of Tarzan (<strong>2016</strong>)<br />

(The Legend of Tarzan)<br />

■ Tarzan the Ape-Man (1932)<br />

(Tarzan, der Affenmensch)<br />

(1943) kämpft der Dschungelkönig gegen die Nazis –<br />

und gewinnt. Regie führte Wilhelm Thiele, bekannt<br />

durch Die Drei von der Tankstelle (1930). Thiele war<br />

1933 vor Hitler in die USA geflohen.<br />

Feindbild Afrikaner – und Europäer<br />

nicht die Handlung. Erklärbar ist dies durch Edgar Rice<br />

Burroughs Herkunft: Geboren in Chicago anno 1875,<br />

zehn Jahre nach der Sklavenbefreiung, kämpfte er als<br />

junger Mann in der US-Kavalerie gegen Apachen. Auf<br />

diesem historischen Nährboden dürfte Antirassismus<br />

kaum gediehen sein.<br />

■ Tarzan, the Ape-Man (1981)<br />

(Tarzan – Herr des Urwalds)<br />

■ Tarzan Escapes (1936)<br />

(Tarzans Rache)<br />

■ Greystoke (1984)<br />

(Greystoke – Die Legende von<br />

Tarzan, Herr der Affen)<br />

■ Tarzan Triumphs (1943)<br />

(Tarzan und die Nazis)<br />

Im aktuellen Blockbuster The Legend of Tarzan<br />

gibt der Titelheld (Alexander Skarsgard) zwei weitere<br />

Eigenschaften preis: Weissmullers berühmter Urschrei<br />

ertönt kaum noch. Stattdessen schwingt Tarzan so<br />

geräuschfrei durch den Urwald wie Batman am Stahlseil<br />

durch den Asphaltdschungel. Vor allem erhält Tarzan<br />

zusätzliche Sozialkompetenz. Bei Burroughs ist er<br />

a-sozialer Einzelgänger. Okay, er paart sich mit Jane,<br />

aber weitere Varianten von Bindung blieben unerwünscht.<br />

Skarsgards Dschungelkönig hingegen ist<br />

mit einem Eingeborenenstamm befreundet, der ihn<br />

sogar als Ehrenmitglied anerkennt. So versuchte Regisseur<br />

David Yates (bekannt durch Harry-Potter-Filme),<br />

Der neue Tarzan versucht, das<br />

rassistische Image seiner Vorgänger<br />

auszumerzen.<br />

das rassistische Image der Tarzan-Epen auszumerzen.<br />

Tatsächlich stehen Afrikaner auf der Werteskala der<br />

Romanvorlagen kaum über den Dschungeltieren, eher<br />

noch darunter. Zwar ersparte sich Burroughs aggressive<br />

Diskriminierung, aber als Stammeskrieger oder<br />

Safari-Sklaven blieben Schwarze ohne Individualität<br />

und Wert. Starb einer, störte das niemanden, schon gar<br />

The Legend of Tarzan spielt auf diesen biographischen<br />

Hintergrund des Autors an, als der Verbündete<br />

des Dschungelhelden, George Washington Williams<br />

(Samuel L. Jackson), eingesteht, dass er am Indianer-<br />

Genozid beteiligt war. Ohnehin sind Denken und Sprache<br />

der Protagonisten auffallend modern. So «legitimiert»<br />

ein Mitglied des britischen Parlaments die Kolonialpolitik<br />

mit der Schaffung von Arbeitsplätzen und<br />

einer Förderung des Freihandels. Das klingt mehr nach<br />

<strong>2016</strong> als nach 1880.<br />

Wie der Urwald mit seinem ineinandergreifenden<br />

Geäst bildet in The Legend of Tarzan die gesamte Biosphäre<br />

ein Netzwerk: eine mystische Verbindung, die<br />

Menschen, Tiere und Pflanzen umfasst. Als Störenfriede<br />

gelten kolonialistische Europäer. Die reduzieren<br />

alles auf kommerziellen Nutzen, zerstören es für<br />

den Verkauf. Im Finale speit die Natur sie aus: Tarzan<br />

hetzt diverse Tierarten auf die Kolonialstadt. Eine Herde<br />

Gnus trampelt die Häuser in Grund in Boden, Krokodile<br />

holen sich den Oberschurken Rom (Christoph Waltz)<br />

bei seiner Flucht ins Wasser… Durch diesen Gut-<br />

Böse-Dualismus ist Tarzan der vielleicht letzte Großheld<br />

westlicher Populärkultur, der noch nicht an die apokalyptische<br />

Stimmung des neuen Milleniums angepasst<br />

wurde. Sind Batman oder Superman inzwischen kaum<br />

noch von den bekämpften Gangstern zu unterscheiden –<br />

Tarzan bleibt seit 80 Jahren eindeutig der «Gute», wenn<br />

auch dessen Definition ständig wechselt.<br />

Margot Robbie wurde durch die<br />

australische Seifenoper Nachbarn<br />

bekannt. Foto: Warner Bros. Entertainment<br />

Inc.<br />

«The Legend of Tarzan» startete am<br />

28. Juli in den deutschen Kinos.<br />

Foto: Warner Bros. Entertainment<br />

Inc.<br />

_ Harald Harzheim ist der<br />

Filmklassiker bei <strong>COMPACT</strong>. Ein<br />

ausführliches Porträt Maureen<br />

O’Sullivans und ihrer Interpretation<br />

der Jane findet sich in seinem<br />

Buch «Platos Höhlenkino» (2013).<br />

57


Jagd auf Phantome<br />

_ von Bernd Schumacher<br />

Das Bild täuscht: Rumgeballert wurde bei Derrick so gut wie nie.<br />

Foto: picture-alliance/ dpa<br />

58<br />

«Derrick» ist die weltweit meistverkaufte Fernsehserie aus deutscher<br />

Produktion – aber das ZDF hat jetzt wohl beschlossen, sie für immer<br />

von den Bildschirmen zu verbannen. Der Grund: Hauptdarsteller Horst<br />

Tappert war Mitglied der Waffen-SS.<br />

«Harry, hol’ schon mal den Wagen»<br />

wurde zum geflügelten Spruch.<br />

Doch der Satz ist in der Serie nie<br />

gefallen, sondern stammt wahrscheinlich<br />

aus der Vorgängerreihe<br />

«Der Kommissar».<br />

Foto: picture-alliance / dpa<br />

Das Dritte Reich ist schon lange Geschichte, aber<br />

der sogenannte Widerstand gegen dieses Phantom<br />

wächst täglich. So wurden in letzter Zeit ein 94-jähriger<br />

Wachmann, ein 95-jähriger Sanitäter und eine<br />

91-jährige Fernmelderin unter dem Beifall interessierter<br />

Kreise für 260.000fache Beihilfe zum Mord vor Gericht<br />

gezerrt. Ob die greisen Angeklagten tatsächlich tatbeteiligt<br />

waren, spielt für die bundesdeutschen Gerichte<br />

seit dem Münchner Demjanjuk-Prozess keine Rolle mehr.<br />

Hauptsache, man kann den Beklagten in irgendeinen<br />

raumzeitlichen Zusammenhang mit einem Konzentrationslager<br />

bringen – den Rest richten willfährige Richter.<br />

Nach dem Sendestart 1973 ermittelte<br />

Oberinspektor Derrick 24 Jahre lang<br />

in sage und schreibe 281 Folgen.<br />

Nun hat es, nach Hardy Krüger, zum zweiten Male<br />

eine TV-Ikone erwischt. Nicht ein Gericht, sondern<br />

eine öffentlich-rechtliche Sendeanstalt hat ein Urteil<br />

gesprochen und vermag es offenbar nicht mehr mit<br />

ihrem hohen moralischen Anspruch zu vereinbaren,<br />

dass einer ihrer beliebtesten Stars einst bei der SS<br />

diente. Die Bild-Zeitung berichtete Mitte Juli, dass<br />

das ZDF nie mehr Episoden von Derrick ausstrahlen<br />

werde, weil Hauptdarsteller Horst Tappert Mitglied der<br />

Totenkopf-Division war. «Das ZDF plant derzeit, keine<br />

Wiederholungen auszustrahlen», bestätigte auch ein<br />

Sprecher des Senders. Allerdings gebe es keine Entscheidung<br />

über eine künftige Ausstrahlung von Derrick-Wiederholungen.<br />

Schuldig bei Verdacht<br />

Die Tatsache ist seit 2013 bekannt: Tappert – genau<br />

wie Derrick-Erfinder und Drehbuchautor Herbert Reinecker<br />

– kämpfte an der Ostfront. Die 14. Kompanie<br />

des SS-Panzergrenadier-Regiments 1 wurde im Frühjahr<br />

1943 in den Raum Charkow verlegt, wo die Wehrmacht<br />

die strategisch wichtige ukrainische Metropole<br />

zurückeroberte.<br />

Tappert war damals gerade 19 Jahre alt und schob<br />

Geschosse in Geschützrohre. Über seine Zeit im Militärdienst<br />

schwieg er sich zeitlebens aus. In seinen<br />

Memoiren, die 1998 unter dem Titel Derrick und ich<br />

erschienen, bezeichnete er die Jahre als «verloren».<br />

Auch seinen Kindern scheint er nichts berichtet zu haben,<br />

Zeitzeugen haben sich nie zu Wort gemeldet. Sein<br />

Kamerad Reinecker, der bis zu seinem Tod 2007 zu ihm<br />

hielt, vermied es ebenfalls, ein Sterbenswörtchen über<br />

die gemeinsame Zeit auszuplaudern. Offenbar hatten


<strong>COMPACT</strong> Leben<br />

die beiden Freunde sich gegenseitig ein Schweigegelübde<br />

auferlegt, das sie nach dem Wahlspruch «Unsere<br />

Ehre heißt Treue» bis zum Ende befolgten. Reinecker<br />

hatte als Mitglied einer Propagandakompanie der<br />

Waffen-SS an vielen europäischen Kriegsschauplätzen<br />

gedient und setzte aus den Kampfgebieten Artikel<br />

für die Hitlerjugend-Zeitschriften Der Pimpf und Junge<br />

Welt (nicht zu verwechselns mit dem späteren Zentralorgan<br />

der Freien Deutschen Jugend in der DDR!) ab.<br />

Nach 1945 machte der Kriegsberichterstatter als<br />

Drehbuchautor Karriere. Streifen wie Canaris oder Der<br />

Stern von Afrika befassten sich in den 1950er Jahren<br />

noch mit der jüngsten Vergangenheit, doch danach<br />

wendete sich Reinecker ganz der leichteren Unterhaltung<br />

zu. Die Edgar-Wallace-Filme der 1960er Jahre,<br />

Der Kommissar in den 1970ern und Das Traumschiff<br />

in den 1980ern sind Meilensteine seines Schaffens.<br />

In diese Zeit fällt auch die Geburtsstunde von Stephan<br />

Derrick. Nach dem Sendestart 1973 ermittelte<br />

der Oberinspektor 24 Jahre lang in sage und schreibe<br />

281 Folgen, für die Erfinder Reinecker sämtlich verantwortlich<br />

zeichnete. Derrick ist bis heute die meistverkaufte<br />

Fernsehserie aus deutscher Produktion. Auf den<br />

internationalen Branchenmessen rissen Einkäufer aus<br />

100 Ländern dem ZDF die Folgen aus der Hand.<br />

«Mein Vater muss sich nach seinem<br />

Tod öffentlich diffamieren lassen!» <br />

Ralph Tappert<br />

Als vor drei Jahren die SS-Vergangenheit des Fernsehlieblings<br />

ruchbar wurde, reagierten außer dem ZDF<br />

auch Stationen in Holland, Belgien und Frankreich mit<br />

Absetzungen beziehungsweise Stopp der Wiederholungen.<br />

Doch wenn jetzt Derrick für immer unter die<br />

Zensur fallen sollte, trüge dies geradezu groteske Züge:<br />

Das Verbot betrifft dann nicht nur bestimmte politische<br />

Ansichten, sondern auch gänzlich unpolitische Unterhaltung,<br />

an deren Produktion aber einer der unkorrekten<br />

«Gedankenverbrecher» beteiligt war…<br />

«Hass» zu bekämpfen, verfallen die Zensoren in Politik,<br />

Medien und «Zivilgesellschaft» auf immer neue<br />

Mittel, missliebige Meinungen und eben auch Biographien<br />

zu diffamieren.<br />

Die Empörung der Zuschauer<br />

Umso größer war die Welle der Empörung in der<br />

Derrick-Gemeinde. Sohn Ralph Tappert gab gegenüber<br />

Bild zu Protokoll: «Mein Vater muss sich nach<br />

seinem Tod öffentlich diffamieren lassen! Eine tolle<br />

Honorierung eines Gentleman, der immer integer war.»<br />

Auch Assistent Harry alias Fritz Wepper verstand die<br />

Entscheidung des Senders nicht. «Man muss eine<br />

persönliche Vergangenheit auch immer im Verhältnis<br />

zur damaligen Zeit einordnen», erklärte er. «Ein<br />

Stück TV-Kult, das Millionen mögen, zu verdammen,<br />

weil die Geschichte eines Darstellers Fragen aufwirft,<br />

halte ich für übertrieben und eine Bevormundung der<br />

Zuschauer.» Der ehemalige ZDF-Redakteur Claus Legal<br />

ergänzte: «Ich würde aus heutiger Sicht über Horst<br />

nicht so abwertend urteilen. Er hat in seinem Leben<br />

danach längst bewiesen, dass er fest auf dem Boden<br />

des Grundgesetzes steht.»<br />

Die Derrick-Fans entfachten derweil einen regelrechten<br />

Shitstorm auf der Netzseite des ZDF. Den Tenor<br />

gaben User wie «Oldtimer» vor, der im Forum schrieb:<br />

«Diese verantwortlichen Zensoren sollten sich mal fragen,<br />

ob sie, wenn sie zur damaligen Zeit gelebt hätten,<br />

sich nicht ebenfalls dem System hätten beugen<br />

müssen. Aber das wird gar nicht bedacht. Hauptsache,<br />

das ZDF kann seine Hände immer schön in Unschuld<br />

waschen. Pfui!» Dem ist nichts hinzuzufügen.<br />

In der SS-Division Totenkopf bekleidete Tappert den Rang eines<br />

Grenadiers. Foto: Bundesarchiv, Bild 101III-Zschaeckel-189-13 /<br />

Zschäckel, Friedrich / CC-BY-SA 3.0 / Wikimedia Commons<br />

Der Denunziant<br />

Den Anfang in der Affäre Tappert<br />

machte ein teils als Politikwissenschaftler,<br />

teils als Historiker<br />

deklarierter Jörg Becker. Der<br />

freischaffende Sozialwissenschaftler<br />

hängt dem Kulturrelativismus<br />

an und eröffnete bereits<br />

mit seiner ersten Veröffentlichung<br />

Alltäglicher Rassismus:<br />

Afro-amerikanische Rassenkonflikte<br />

im Kinder- und Jugendbuch<br />

der Bundesrepublik (1977)<br />

den Reigen der hochnotpeinlichen<br />

Inquisition gegen scheinbar<br />

harmlose Schriften, die er 1978<br />

mit Die Dritte Welt im Kinderbuch<br />

fortsetzte. Diese und ähnliche<br />

Vorstöße haben mittlerweile<br />

zu Schwärzungen in Pippi<br />

Langstrumpf oder Mecki geführt,<br />

weil dort Worte wie «Neger»<br />

oder «Zigeuner» vorkommen…<br />

Der langjährige Gewerkschaftsaktivist<br />

Becker sitzt für Die Linke<br />

im Stadtrat von Solingen. Im selben<br />

Jahr 2013, in dem er der<br />

Deutschen liebsten Fernsehkommissar<br />

vom Sockel stürzte, hatte<br />

er auch versucht, das «Orakel<br />

vom Bodensee» zu beschmutzen:<br />

In seiner Biographie von Elisabeth<br />

Noelle-Neumann schilderte<br />

er die renommierte Meinungsforscherin<br />

geradezu so, als ob<br />

sie die rechte Hand von Joseph<br />

Goebbels gewesen sei.<br />

_ Bernd Schumacher ist der<br />

Sport- und Unterhaltungsexperte<br />

von <strong>COMPACT</strong>. In Ausgabe 8/<strong>2016</strong><br />

schrieb er über Götz George.<br />

Im angeblich freiheitlichsten Staat auf deutschem<br />

Boden ist die Tyrannei auf dem Vormarsch. Hexenjagd,<br />

Meinungstabus, Internet-Kontrolle – dies alles vorangetrieben<br />

ausgerechnet von den Alt-68ern, die das<br />

Establishment wegputzen wollten. Nun sind Rote und<br />

Grüne dabei, immer höhere Zäune um ihre ideologischen<br />

Spielwiesen zu errichten: Betreten verboten! Je<br />

weiter die Geschichte wegrückt, desto mutiger werden<br />

deren Zensoren. Beteuerung, Distanzierung, Selbstbezichtigung<br />

– das sind gängige Methoden der hiesigen<br />

Meinungsmacher, die stark an die schlimmsten<br />

Phasen des Kommunismus in der Sowjetunion und<br />

in China erinnern. Unter dem pauschalen Vorwand,<br />

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«Bedingt abwehrbereit»<br />

_ von Helmut Roewer<br />

Für «Spiegel»-Herausgeber Rudolf<br />

Augstein erwies sich die Verhaftung<br />

als echtes Karriere-Sprungbrett.<br />

Foto: picture alliance / Harry Flesch<br />

Geheimdienstgeschichte der BRD (III): Die «Spiegel»-Affäre 1962 – ein Abgrund an<br />

Landesverrat und ein schwerer Schlag gegen die Pressefreiheit? Der mutige Journalist<br />

Rudolf Augstein gegen den bösen Verteidigungsminister Franz Josef Strauß? Die entscheidende<br />

Rolle spielte wohl ein BND-Agent…<br />

Am 10. Oktober 1962 veröffentlichte der Spiegel<br />

unter der Überschrift «Bedingt abwehrbereit» eine<br />

Geschichte über die mangelnde Fähigkeit der Bundeswehr,<br />

einem Angriff aus dem Osten zu trotzen.<br />

Ganz unabhängig von der Frage, ob ein solcher in dieser<br />

Zeit drohte, war der Inhalt der Geschichte zutreffend,<br />

denn er war aus einer kompetenten Quelle abgeschrieben:<br />

dem deutschen geheimen Abschlussbericht<br />

der soeben zu Ende gegangenen NATO-Stabsrahmenübung<br />

Fallex ’62 (Fallex = Fall Exercise = Herbstübung).<br />

Es waren damals aufgeregte Zeiten: Die Kuba- und<br />

die Berlinkrise, gerade überstanden, hatten Ost und<br />

West an den Rand eines Dritten Weltkrieges geführt.<br />

Der Zustand der noch jungen eigenen Streitkräfte galt<br />

vielen als existenziell wichtig, das Ausplaudern von deren<br />

Schwäche als ein schlimmer Fall von Landesverrat.<br />

So nahm denn die Spiegel-Affäre ihren Lauf. Mainstream-Geschichtsdeuter<br />

wollen uns bis zum heutigen<br />

Tage glauben machen, es sei hierbei um Sein oder<br />

Nichtsein der Republik gegangen. Doch seien wir etwas<br />

bescheidener: Es ging um die Existenz einer Illustrierten<br />

und die Frage, wo sie ihre Informationen her hatte<br />

und was sie mit deren Veröffentlichung bezweckte.<br />

Der KGB im Zwielicht<br />

Wer also waren die Geheimnis-Ausplauderer hinter<br />

den Geheimnis-Ausposaunern? Darüber sind recht<br />

unterschiedliche Geschichten im Umlauf. Die Spiegel-<br />

Version eins sah so aus: Man habe nur offenes Material<br />

verwendet und daraus die richtigen Schlüsse gezogen.<br />

Das klang nicht besonders heldenhaft für ein Enthüllungsmagazin<br />

und wurde schnell vergessen, nachdem<br />

die Gefahr einer Strafverfolgung vorüber war. Spiegel-Version<br />

zwei war dementsprechend spiegeliger:<br />

Man habe die Informanten geschützt, und wenn sie<br />

nicht gestorben sind, dann schützt man sie noch heute.<br />

Dem widersprach Spiegel-Version drei: Der Informant<br />

sei der Oberst im Generalstab Alfred Martin gewesen.<br />

Das jedenfalls plauderte der Ex-Spiegel-Spitzenmann<br />

Leo Brawand in seiner Augstein-Biografie aus.<br />

Schließlich die kolportierte Version vier – sie war der<br />

Diese Ausgabe war für Franz Josef<br />

Strauß zu viel.<br />

Foto: spiegel-online.de<br />

«Wir benutzten das<br />

<strong>Magazin</strong> für einen<br />

Artikel, der Strauß<br />

bloßstellte.»<br />

KGB-Überläufer<br />

61


<strong>COMPACT</strong> Leben<br />

Dass dies womöglich doch kein reines Hirngespinst<br />

eines Geldquellen suchenden Überläufers ist, scheint<br />

ein Aktenvermerk des KGB-Vorsitzenden Wladimir<br />

Semitschastnij vom 20. September 1962 über die<br />

Auswirkungen der Berlin-Krise auf die westdeutsche<br />

Sicherheitspolitik einschließlich eines Verwendungsvermerks<br />

für die Anti-Strauß-Kampagne zu bestätigen.<br />

Doch vielleicht ist es ja so, dass der KGB-Boss gar nicht<br />

wusste, was er zu Papier brachte.<br />

Unterstellt man für einen Moment, dass es wirklich<br />

der KGB war, der hier das Steuer in Händen hielt, so<br />

müssen die Sowjets auf der Bonner Hardthöhe einen<br />

Agenten gehabt haben, der den Originalbericht des Fallex-Manövers<br />

blitzschnell beschaffte, und einen Kanal,<br />

der ihn in den Spiegel «einfilterte». War das der von<br />

Spiegel-Redakteur Brawand erwähnte Generalstabsoberst<br />

Martin?<br />

Saufgelage bei Augstein<br />

62<br />

Studenten während einer<br />

Solidaritätsdemonstration mit<br />

dem «Spiegel» am 30.10.1962 in<br />

Hamburg. Auch die übrige deutsche<br />

Presse stellte sich hinter das<br />

Nachrichtenmagazin. Foto: picturealliance/<br />

dpa<br />

Sich selbst hatte der «Spiegel» nur<br />

selten auf dem Titel. Foto: spiegelonline.de<br />

_ Helmut Roewer (*1950) war von<br />

1994 bis 2000 Chef des Thüringer<br />

Landesamtes für Verfassungsschutz.<br />

Im Jahr 2014 erschien<br />

sein Buch «Kill the Huns – Tötet die<br />

Hunnen! Geheimdienste, Propaganda<br />

und Subversion hinter den<br />

Kulissen des Ersten Weltkrieges»<br />

(Ares Verlag, 504 Seiten, 29,90<br />

Euro). – 2014/2015 konnte man in<br />

<strong>COMPACT</strong> die von ihm verfasste<br />

Serie «Meisterspione des 20. Jahrhunderts»<br />

lesen.<br />

Zeitschrift so wichtig, dass sie, wie zu lesen war, im<br />

Prozesswege dagegen stritt: Quelle sei der sowjetische<br />

KGB gewesen. Die bundesdeutsche Justiz gab<br />

dem Verdikt des Spiegel Recht, und daran werde ich<br />

mich selbstredend strikt halten.<br />

Doch ich will meiner Chronistenpflicht insofern<br />

Genüge tun, dass es eine Reihe von wenig schmeichelhaften<br />

Behauptungen geheimdienstlicher Steuerung<br />

gegeben hat. Sie stammen von Leuten, die in einschlägigen<br />

Institutionen gearbeitet haben, wie Sergej<br />

Kondraschow und Pawel Sudoplatow. Sudoplatow leitete<br />

jahrelang die aktiven Maßnahmen des NKWD/<br />

KGB, bevorzugt auch gegen Deutschland. Zu der Zeit,<br />

als die Spiegel-Affäre lief, war er nicht mehr im Dienst.<br />

Bei Kondraschow sah das anders aus. Er war 1962<br />

stellvertretender Leiter der Abteilung Desinformation.<br />

Strauß hatte öffentlich über die<br />

Bewaffnung Westdeutschlands mit<br />

Atomraketen räsoniert.<br />

Und dann gab es da noch den sowjetischen Überläufer<br />

Ilja Dschirkwelow, der 1987 vor einem Londoner<br />

Gericht als Zeuge das Folgende zum Besten gab:<br />

«Das erste Mal, als ich mit Oberst [Michail] Sitnikow –<br />

damals stellvertretender Chef der Abteilung Desinformation<br />

– zusammenarbeitete, ging es um die Kompromittierung<br />

des Verteidigungsministers der Bundesrepublik<br />

Deutschland, Franz Josef Strauß. Wir<br />

benutzten das <strong>Magazin</strong> Der Spiegel für einen Artikel,<br />

der ihn bloßstellte. Der Artikel erfüllte seinen Zweck,<br />

und Strauß musste zurücktreten.»<br />

Die Bundesanwaltschaft war nicht dieser Ansicht<br />

und nahm einen anderen Bundeswehr-Obristen fest,<br />

dessen Namen als Informanten sie ausgerechnet in<br />

einer Hausmitteilung von Spiegel-Verlagsdirektor Hans<br />

Detlev Becker entdeckt hatte: Adolf Wicht. 1943/44 war<br />

er an der Ostfront Leiter der Gruppe III (Beuteakten und<br />

Gefangenenbefragung) in der Abteilung Fremde Heere<br />

Ost unter Reinhard Gehlen gewesen. Er blieb nach dem<br />

Kriege dem Gewerbe treu und diente bei der Organisation<br />

Gehlen und dem späteren Bundesnachrichtendienst.<br />

Dort leitete er seit 1960 dessen Residentur Hamburg.<br />

Dass Wicht der Beschaffer des Geheimmaterials<br />

war, dürfte dennoch eher zweifelhaft sein, denn als<br />

BND-Resident hatte er keinen Zugang zu diesen Unterlagen.<br />

Doch wenn man nach dem Kanal sucht, der in<br />

den Spiegel hineinführte, bleibt das Auge des Betrachters<br />

irgendwie an ihm hängen, denn 1970 schied der<br />

60-Jährige aus der Bundeswehr aus, um im Folgejahr<br />

Auslandsbeauftragter des Spiegel-Verlages zu werden.<br />

Aber das wird wohl reiner Zufall gewesen sein.<br />

Doch wozu das Ganze? Blattmacher Augstein<br />

wusste genau, was er durch seinen Artikel erreichen<br />

wollte: Franz-Josef Strauß zu stürzen. Ab Ende der<br />

1950er Jahre schoss er sich auf den Verteidigungsminister<br />

ein. Der besaß alle Eigenschaften, um ihn<br />

zur Hassfigur zu stilisieren: Er war intelligent, machtgeil,<br />

ganz nach Bedarf jovial bis ruppig und von einem<br />

nicht gerade anziehenden Äußeren. Diese Merkmale<br />

wurden für die Journalisten aufs Angenehmste durch<br />

den Umstand ergänzt, dass Strauß öffentlich über die<br />

Bewaffnung Westdeutschlands mit Atomraketen räsonierte.<br />

Viele hörten das nicht gerne. So kam es zu den<br />

Anti-Strauß-Kampagnen.<br />

Das jedoch ist nur die halbe Wahrheit, denn es gab<br />

ein Vorspiel. Bei einem gemeinsamen Saufgelage in<br />

Augsteins Haus in Hamburg sagten sich beide, Strauß


<strong>COMPACT</strong> Leben<br />

und Augstein, wie es bei solchen Gelegenheiten zuweilen<br />

zu gehen pflegt, unangenehme Dinge ins Gesicht.<br />

Dem Chefredakteur wurde hierbei durch den Spiegel-<br />

Mann Horst Mahnke assistiert. Dieser machte Bemerkungen<br />

über das Dritte Reich, die Strauß auf die Palme<br />

brachten. Doch wie hätte der Bayer erst gestaunt (und<br />

vermutlich getobt), wenn er gewusst hätte, dass dieser<br />

Mahnke 1936, knapp 23 Jahre alt, als hauptamtlicher<br />

Mitarbeiter beim Sicherheitsdienst des Reichsführers<br />

SS angeheuert hatte, wo er die folgenden Jahre,<br />

bis zum Kriegsende, verblieb? Da hatte es der spätere<br />

lupenreine Antifaschist bis zum SS-Hauptsturmführer<br />

und Referatsleiter im Reichssicherheitshauptamt<br />

gebracht, zuständig für die Bekämpfung des Marxismus.<br />

Das blieb ungesagt. Indessen: Fortan agierten<br />

Strauß und Augstein wie beleidigte Diven. So schoss<br />

der ehemalige Leutnant der Sturmartillerie auf den<br />

ehemaligen Oberleutnant der Flakartillerie aus allen<br />

Rohren und bezeichnete sich hierbei ohne einen Funken<br />

von Selbstironie als das Sturmgeschütz der Demokratie.<br />

Helden, Schurken und Juristen<br />

Der Rest ist schnell erzählt. Der Verteidigungsminister<br />

verstrickte sich im weiteren Verlauf der Affäre so<br />

lange in Gesetzwidriges und Lügen, bis Bundeskanzler<br />

Konrad Adenauer ihn fallen ließ, weil es ihm nun<br />

selbst ans Leder zu gehen drohte. Dass Strauß so handelte,<br />

wie er es tat, war offenbar seinem Größenwahn<br />

geschuldet. Nur so ist erklärlich, dass er seinen militärischen<br />

Attachédienst in das exekutive Vorgehen gegen<br />

die Spiegel-Leute einspannte. Das machte aus den festgenommenen<br />

Redakteuren indes weiß Gott keine Nationalhelden,<br />

sondern zeigte lediglich, dass der Bundesverteidigungsminister<br />

mit der ihm zugemessenen Macht<br />

persönlich nicht umzugehen verstand. Seine Ablösung<br />

war folgerichtig und notwendig, und sie warf auf den<br />

zögernden Bundeskanzler ein wenig vorteilhaftes Licht.<br />

Augstein hatte sein Ziel erreicht: Der Mann, den er<br />

auf Biegen und Brechen kippen wollte, war über die<br />

Klinge gesprungen. Womit er anfangs allerdings nicht<br />

hatte rechnen können, war dies: Die deutschen Behörden<br />

handelten in einem geradezu unbeschreiblichen<br />

Maße dämlich. Augsteins Festnahme und seine mehrwöchige<br />

Untersuchungshaft war für die Aufklärung der<br />

Straftat nicht nur überflüssig wie ein Kropf, sondern<br />

sie produzierte einen Märtyrer, den es sonst so nicht<br />

gegeben hätte. Ein abgeschirmtes Ermittlungsverfahren<br />

nebst anschließender öffentlicher Anklage hätte<br />

mit Sicherheit ein geringeres öffentliches Echo erzeugt.<br />

Augsteins Festnahme war juristisch<br />

überflüssig und produzierte einen<br />

Märtyrer.<br />

Letztlich war die Affäre ein innenpolitischer Kampf<br />

mit verkehrten Fronten: Der ungesetzlich handelnde<br />

Verteidigungsminister hatte dem Spiegel erst den<br />

Nimbus der zu Unrecht verfolgten Presse verschafft,<br />

die das Blatt nicht verdient hatte. Dies wird durch<br />

die juristische Nachbearbeitung deutlich: Am 13. Mai<br />

1965 stellte der Bundesgerichtshof das Verfahren<br />

gegen Rudolf Augstein und andere ein. Das erweckte<br />

im Nachhinein den Eindruck, als sei das Vorgehen der<br />

Behörden gegen den Spiegel von Vornherein rechtswidrig<br />

gewesen. Doch so war es keineswegs, wie<br />

das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom<br />

5. August 1966 feststellte: Darin wurde die Durchsuchung<br />

der Redaktion für rechtens erklärt.<br />

Chronologie<br />

der Affäre<br />

10.10.1962<br />

Der Spiegel publiziert den Artikel<br />

«Bedingt abwehrbereit».<br />

23.10.1962<br />

Es ergehen Durchsuchungsanordnungen<br />

und Haftbefehle<br />

wegen Landesverrats gegen<br />

Spiegel-Redakteure, darunter<br />

Conrad Ahlers, Claus Jacobi und<br />

Johannes K. Engel, sowie den<br />

Herausgeber und Chefredakteur<br />

Rudolf Augstein.<br />

26.10.1962<br />

Die Polizei besetzt die Spiegel-<br />

Redaktion. Redakteur Ahlers, der<br />

den inkriminierten Artikel mitverfasst<br />

hatte, wird in Spanien<br />

verhaftet.<br />

28.10.1962<br />

Augstein stellt sich den Behörden<br />

und wird (für 103 Tage) in<br />

U-Haft genommen.<br />

19.11.1962<br />

Die fünf FDP-Minister treten aus<br />

Protest gegen Verteidigungsminister<br />

Franz Josef Strauß, der<br />

die Justiz gegen den Spiegel in<br />

Marsch gesetzt hatte, zurück.<br />

30.11.1962<br />

Strauß tritt als Verteidigungsminister<br />

zurück.<br />

Strauß und Adenauer am 9. November<br />

1962. Drei Wochen später ließ<br />

der Alte den CSU-Politiker fallen.<br />

Foto: picture-alliance / dpa<br />

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BRD-Sprech _ Einzelfall<br />

Wenn wieder einmal ein deutscher Jugendlicher<br />

türkischen oder arabischen Messerstechern zum Opfer<br />

gefallen ist, wieder einmal junge Frauen von Gruppen<br />

«südländischer» Männer sexuell belästigt oder vergewaltigt<br />

werden, wieder einmal unter dem Schlacht-<br />

Ruf «Allahu akbar» Menschen wie Vieh umgebracht<br />

werden – wenn also wieder einmal Dinge geschehen,<br />

die nicht geschehen wären, wenn die Regierenden<br />

nicht alle Warnungen in den Wind geschlagen und<br />

Millionen von Menschen aus gewalttätigen Machokulturen<br />

ins Land geholt hätten, dann schlägt in den<br />

Agitpropmedien der BRD die Stunde des «Einzelfalls».<br />

Die etablierte Journaille glaubt nämlich fest an eine<br />

Art negativer Monokausalität: An den Verbrechen von<br />

Moslems kann alles schuld sein, nur nicht der Islam,<br />

und deswegen sind solche Verbrechen «Einzelfälle», die<br />

«nichts mit dem Islam» (oder überhaupt mit dem kulturellen<br />

Hintergrund des jeweiligen Täters) zu tun haben.<br />

Die Tautologie, dass jeder einzelne Fall ein Einzelfall ist,<br />

soll uns ernsthaft als Erklärung verkauft werden.<br />

Die Linke spricht einerseits von Einzelfällen,<br />

bemüht andererseits soziale<br />

Ursachen. Das schließt sich<br />

gegenseitig aus.<br />

Wenn aber Zigtausende solcher «Einzelfälle» erkennbaren<br />

Mustern folgen, wenn immer wieder dieselben<br />

Konstellationen auftauchen, immer wieder dieselbe<br />

Mentalität erkennbar wird, die Täter immer wieder<br />

aus denselben Gruppen kommen, dann sind die Opfer<br />

solcher Gewalt eben nicht Opfer einer allgemeinen Kriminalität,<br />

wie es sie quasi als Hintergrundrauschen in<br />

jeder Gesellschaft gibt. Dann muss diese Gewaltkriminalität<br />

benennbare soziale Ursachen haben.<br />

Bis zu diesem Punkt würden vermutlich sogar<br />

besagte Agitpropmedien und staatlich alimentierte<br />

Berufs-Integranten mitgehen, die ein Interesse an der<br />

Fortexistenz von Problemen haben, mit deren Verwaltung<br />

und Beschönigung sie Karriere machen: Die Rede<br />

von den «sozialen Ursachen» gehört geradezu zu ihren<br />

Standardfloskeln. Wobei ihnen selbstredend nicht auffällt,<br />

dass derjenige, der Migrantengewalt, insbesondere<br />

die von Moslems, auf soziale Ursachen zurückführt,<br />

damit zugleich zugibt, dass es sich eben nicht<br />

um die vielzitierten «Einzelfälle» handelt, die miteinander<br />

nichts zu tun hätten und kein erkennbares Muster<br />

aufwiesen.<br />

Die Ideologieindustrie unseres Landes wird sich<br />

also für eine ihrer beiden – einander logisch ausschließenden<br />

– Ausreden entscheiden müssen. Denn<br />

eine Ausrede ist nicht nur die Rede vom «Einzelfall»,<br />

sondern – aus dem Munde staatsnaher Ideologen –<br />

auch die von den «sozialen Ursachen», nach denen<br />

sie in Wahrheit niemals forschen: Gewaltkriminalität<br />

von Moslems gebe es, weil diese arm seien, der Staat<br />

nicht genug für ihre Integration unternehme, der Kampf<br />

gegen Rechts nicht energisch genug geführt werde und<br />

die Deutschen Rassisten seien, die aus purer Böswilligkeit<br />

Migranten diskriminierten.<br />

Der politischen Linken liefert diese Gewalt (die es<br />

überhaupt nicht geben könnte, wenn ihre Theorien<br />

richtig wären) also nur den Anlass, mehr von dem zu<br />

fordern, was sie ohnehin fordert: den Ausbau des Sozialstaats<br />

auf Kosten des Steuerzahlers, mehr Planstellen<br />

und mehr Steuermittel für verdiente Genossen und<br />

deren Projekte, die Knebelung ihrer politischen Gegner,<br />

mehr Propaganda, mehr Zensur und mehr Einschüchterung<br />

und Diffamierung des eigenen Volkes. Unter den<br />

«sozialen Ursachen» von Migrantengewalt verstehen<br />

solche Ideologen mithin immer nur eines: dass man<br />

ihre Ideologie und ihre Interessen nicht hinreichend<br />

bedient hat.<br />

Und wenn diese ideologische Interpretation nicht<br />

möglich oder nicht opportun ist – dann haben wir es<br />

eben mit «Einzelfällen» zu tun.<br />

Einer der Einzelfälle: Das Axtattentat<br />

von Würzburg am 18. Juli.<br />

Foto: picture alliance / dpa<br />

Verlag Antaios, 240 Seiten, gebunden,<br />

22,00 Euro (Bestellung über<br />

antaios.de). Foto: Verlag<br />

_ Manfred Kleine-Hartlage ist<br />

Publizist und Diplom-Sozialwissenschaftler.<br />

Regelmäßig veröffentlicht<br />

er kritische Beiträge auf seinem<br />

Blog «korrektheiten.com». Sein<br />

aktuelles Buch «Die Sprache der<br />

BRD – 131 Unwörter und ihre<br />

politische Bedeutung», 2015 im Verlag<br />

Antaios erschienen, liefert die<br />

Vorlage für diese <strong>COMPACT</strong>-Serie.<br />

65


<strong>COMPACT</strong> Leben<br />

Harzheims Klassiker_ Caligula<br />

66<br />

«Caligula» (1979): Caligula (Malcolm<br />

McDowell) und die verstorbene<br />

Drusila (Therese-Ann Savoy): Der<br />

Tod sprengt die letzte Bastion des<br />

Rationalen. Foto: Filmverleih<br />

Filmplakat. Foto: Filmverleih<br />

_ Harald Harzheim ist der Filmklassiker<br />

von <strong>COMPACT</strong>-<strong>Magazin</strong>.<br />

«Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze<br />

Welt gewönne, und nähme an seiner Seele Schaden?»<br />

(Markus 8,36) Mit diesem Bibelzitat startet einer der<br />

maßlosesten Filme aller Zeiten. In zweieinhalb Stunden<br />

erzählt er, wie ein Mensch seine Seele verliert: Der<br />

römische Prinz Caligula, sensibel, naiv göttergläubig<br />

und in seine Schwester Julia Drusilla verliebt, erklimmt<br />

nach der Ermordung seines Onkels, Kaiser Tiberius, im<br />

Jahre 37 nach Christus den Thron. In einer Umgebung<br />

voller Intrige, Hass, Machtgier und leerer Wollust<br />

mutiert er zum Monster.<br />

Seit Camus’ gleichnamigem Drama<br />

ist Caligula ein Held des Absurden.<br />

Caligula steht im Zenit der Macht, da stirbt seine<br />

geliebte Drusilla an Fieber. Der Hinterbliebene trauert,<br />

heult, rast, zertrümmert den Altar der Göttin Isis, weil<br />

sie nicht geholfen hatte. Quälende fünf Filmminuten<br />

lang. Er ist allein im riesigen Palast. Allein im Universum.<br />

Dann sein fürchterlicher Schrei (Foto). Die Kamera<br />

saust via Reißzoom von der Totale auf sein verzerrtes<br />

Gesicht. Das Umfeld verschwimmt, nur noch die<br />

irren Augen und der aufgerissene Mund sind zu sehen.<br />

Caligula schreit sich die Seele aus dem Leib. Danach<br />

wird er keine mehr haben. Jetzt steigert der seelenlose<br />

Tyrann die Absurdität von Politik und Existenz ins<br />

Äußerste, parodiert das Staatswesen, ersetzt Regelung<br />

durch zynische Willkür, demütigt den Senat – bis der<br />

ihn ermorden lässt.<br />

Seit Camus’ gleichnamigem Drama ist Caligula ein<br />

Held des Absurden. Der Film basiert auf einem Drehbuch<br />

des US-Starintellektuellen Gore Vidal. Eine finstere,<br />

blutige Prominentenshow: Malcolm McDowel<br />

(Caligula), Peter O’Toole (Tiberius), John Gielgud (Nerva),<br />

Helen Mirren (Caesonia) – das Who is Who britischer<br />

Schauspielkunst. Auch bei Ausstattung und Kamera:<br />

überall erste Garde. Dann aber ließ Produzent Bob Guccione<br />

nachträglich Porno-Szenen einfügen. Folge: Fast<br />

alle Beteiligten distanzierten sich vom Endresultat. Die<br />

Presse tobte vor Wut. US-Starkritiker Roger Ebert zählte<br />

Caligula zu seinen meistgehassten Filmen. Heute, 37<br />

Jahre später, lässt sich sagen, dass die visuellen Grenzüberschreitungen<br />

nicht mehr stören, sondern die Atmosphäre<br />

des Irrsinns noch verstärken.<br />

Noch brutaler als der Film sind übrigens die Schnitt-<br />

Massaker der Jugendschützer und Filmprüftstellen. So<br />

entstanden unzählige Fassungen mit jeweils unterschiedlichster<br />

Laufzeit.


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Islam<br />

Gefahr für Europa<br />

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Grundwissen: Koran, Scharia und Dschihad als akute Bedrohung unserer Freiheit<br />

Geschichte: Raubzüge und Kolonisierung unter der grünen Fahne des Propheten<br />

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Zukunft: Wie wir das Abendland und unsere Werte verteidigen können<br />

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29. 10. <strong>2016</strong><br />

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5. Konferenz für Souveränität | <strong>2016</strong> *<br />

Für ein Europa der Vaterländer!<br />

Gegen Islamisierung und Fremdherrschaft<br />

Referenten: Björn Höcke, AfD | Oskar Freysinger, SVP | Václav Klaus** | Johannes Hübner, FPÖ | John Laughland<br />

Karl Albrecht Schachtschneider | Natalia Narotchnitskaya | Jürgen Elsässer | Peter Feist u.v.m.<br />

* In Kooperation mit dem IDC Institut de la Démocratie et de la Coopération, Paris<br />

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