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COMPACT-Magazin 09-2016

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Der amerikanische Putsch<br />

_ von Marc Dassen<br />

32<br />

Die USA gegen Erdogan: Während es zunächst so aussah, als ob der<br />

türkische Präsident den Staatsstreich vom 15. Juli selbst inszeniert<br />

hätte, mehren sich mittlerweile die Indizien, dass US-Strippenzieher<br />

am Werk waren. Offensichtlich fürchtet Washington die Annäherung<br />

zwischen Ankara und Moskau.<br />

Kampfjets der Putschisten<br />

wollten<br />

Erdogans Flugzeug<br />

abschießen.<br />

Es ist die Ruhe vor dem Sturm in den Straßen der türkischen<br />

Hauptstadt. Unzählige Menschen sitzen am 15.<br />

Juli, einem warmen Freitagabend, in den Bars, Cafés<br />

und Restaurants, entspannt, ausgelassen – endlich<br />

Wochenende. Plötzlich gelangen Gerüchte von Ohr zu<br />

Ohr. Mehrere Brücken über den Bosporus sind gesperrt,<br />

Soldaten haben Straßenbarrikaden errichtet. Panzer<br />

sind an strategischen Punkten aufgefahren. Zuerst glauben<br />

viele an einen Terroranschlag, dann – kurz nach 22<br />

Uhr – erklärt der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim:<br />

«Ein Putschversuch!» Das Militär beansprucht –<br />

wie zuvor schon so oft in der türkischen Geschichte –<br />

die Macht im Staate, verhängt das Kriegsrecht.<br />

Kurz vor Mitternacht erscheint der Präsident auf<br />

dem Display eines Smartphones, das eine Reporterin<br />

des türkischen Ablegers von CNN zitternd in die Kamera<br />

hält. Er berichtet von Verschwörern innerhalb des Militärs,<br />

ruft alle Bürger zum Widerstand auf. Recep Tayyip<br />

Erdogan, der sich gerade auf der Rückreise aus seinem<br />

Urlaub in Marmaris an der Ägäis-Küste befindet, wurde<br />

angeblich zuvor von Bombenangriffen auf sein Hotel nur<br />

knapp verfehlt. Die Putschisten hatten eine Killertruppe<br />

in sein Hotel geschickt – die kam mit ihren Hubschraubern<br />

aber 30 Minuten zu spät. Obwohl ein General das<br />

Staatsoberhaupt warnt, dass zwei Kampfjets der Putschisten<br />

in der Luft sind, um sein Flugzeug abzuschießen,<br />

entscheidet sich der Präsident für den Weiterflug<br />

nach Istanbul. Derweil streut der US-Think-Tank Stratfor<br />

per Twitter das Gerücht, Erdogan habe bereits Asyl<br />

in Deutschland beantragt. Und die US-Botschaft informiert<br />

ihre Bürger über eine «Erhebung» («uprising») in<br />

der Türkei – ein netter Ausdruck für Militärputsch.<br />

«Ein Geschenk Allahs»<br />

Erst am frühen Morgen ist klar: Der Umsturzversuch<br />

ist gescheitert. Die Verantwortlichen, die sich selbst<br />

Bewegung für Frieden in der Heimat nennen, haben<br />

sich ergeben, wurden verhaftet oder sind auf der Flucht.<br />

290 Menschen, darunter auch 24 Putschisten, wurden<br />

in dieser Nacht getötet, über 1.400 Verwundete<br />

füllen die Krankenhäuser. Allein 10.000 Militärs sitzen<br />

heute im Gefängnis. Laut Informationen der Welt<br />

lässt Erdogan nach dem Putsch drei Nachrichtenagenturen,<br />

16 Fernsehsender, 23 Radiostationen, 45 Zeitungen,<br />

15 <strong>Magazin</strong>e sowie Dutzende Verlage schlie-

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