COMPACT-Magazin 09-2016
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<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />
Der Große Austausch trägt beiden Perspektiven<br />
Rechnung und fasst sie zu einer umfassenden Kritik<br />
zusammen. Die Abschaffung und Ersetzung, die stattfindet,<br />
betrifft sowohl unser Rechtssystem und unsere<br />
Demokratie als auch unsere ethnokulturelle Substanz.<br />
Die Ideologie der Multikultis, die die freiheitlichdemokratische<br />
Grundordnung als Abstraktum verteidigen<br />
will, als wäre sie eine ungeschichtliche, zeitlose<br />
Größe, erweist sich mehr und mehr als falsch. Die Einwanderer<br />
bringen auch ihre Geschichte und Kultur mit,<br />
die – als Gegenmythos, Kitt und ideologischen Fluchtpunkt<br />
– letztlich die Scharia dem als fremd empfundenen<br />
westlichen System gegenüberstellt.<br />
Die kulturkonservative Rechte hegt<br />
oft eine (un-)heimliche Sympathie<br />
für den ebenso konservativen Islam.<br />
Der Islam wirkt also hier in jeder Hinsicht verstärkend<br />
und zuspitzend. Das wird von kulturkonservativen<br />
Strömungen, die oft eine (un-)heimliche Sympathie<br />
für den ebenso «konservativen» Islam hegen,<br />
leider in der Regel unter den Teppich gekehrt. Aber<br />
an einem Punkt haben sie Recht: Eine Masseneinwanderung<br />
würde auch dann zu einer Totalveränderung<br />
und Abschaffung unseres Rechtssystems und unserer<br />
kulturellen Identität führen, wenn sie nicht aus dem<br />
islamischen, sondern einem anderen außereuropäischen<br />
Kulturraum käme. De facto ist dieses Gedankenexperiment<br />
aber hinfällig, da die Flutung unseres<br />
Kontinents sich hauptsächlich in Gestalt muslimischer<br />
Massen vollzieht und dies aufgrund der demographischen<br />
Situation in den Herkunftsländern auch so bleiben<br />
wird. Der Kampf gegen die Islamisierung Europas<br />
deckt sich also mit jenem gegen die Massenimmigration.<br />
Die Bestrebungen aller islamischen Lobbygruppen<br />
in Europa zielen daher auch auf die Lockerung<br />
der Einwanderungsgesetze. Sie intendieren die Mobilisierung,<br />
Aktivierung und Ermächtigung der wachsenden<br />
islamischen Minderheit und benutzen den tief in<br />
uns eingebrannten Schuldkult als Druckmittel. Die kulturkonservativen,<br />
volksbezogenen und die islamkritischen,<br />
eher staatsbezogenen Rechten müssen in dieser<br />
Situation gegen den Großen Austausch zusammenarbeiten.<br />
Praxis Infokrieg<br />
An sich ist der Terminus Großer Austausch nicht für<br />
die direkte Informationsarbeit geeignet – er ist eher<br />
ein Meta- und Überbegriff. Zu akuten Schlagworten<br />
wie «Festung Europa» und «Remigration» bleibt er<br />
zwar stets das Fundament und markiert den Verständnishorizont,<br />
die akuten Probleme müssen aber direkt<br />
angesprochen werden. Bilder und Worte, die das Volk<br />
versteht, müssen unbedingten Vorrang haben. Ganz<br />
bewusst haben wir in Österreich den Großen Austausch<br />
daher nur einmal, in einer zentral geplanten<br />
Kampagne, thematisiert und lanciert. Gute Infoarbeit<br />
ist kein eigenwilliges «In-den-Raum-Stellen» von bisher<br />
unbekannten Begriffen. Sie ist mit einer Rolltreppe<br />
vergleichbar, die die Bevölkerung bei ihrem simplen<br />
«partypatriotischen Bewusstsein», das sich bloß auf<br />
die Symptome fokussiert, abholt und sanft auf das<br />
Niveau des identitären Problembewusstseins, auf das<br />
Sich-des-Großen-Austauschs-bewusst-Sein hebt.<br />
Mit Heidegger<br />
in den Widerstand<br />
«Die seinsgeschichtliche Epoche,<br />
in der wir uns befinden,<br />
beschreibt uns Heidegger als<br />
Ge-stell und Seinsvergessenheit,<br />
als Entzug von Sein. Das<br />
bedeutet letztlich den Verlust<br />
jeder ganzheitlichen Deutung,<br />
jeden Sinns, jeder Qualität von<br />
Dingen, Mitmenschen und damit<br />
auch einen Verlust von Volksgeist<br />
und -seele. Dagegen stellt<br />
Heidegger ein Denken des Volkes<br />
als ”nicht patriotisch, nicht<br />
nationalistisch, sondern seinsgeschichtlich”<br />
und die Heimat<br />
als ”geschichtliches Wohnen” in<br />
der ”Nähe zum Sein”.»<br />
(Martin Sellner / Walter Spatz,<br />
Gelassen in den Widerstand. Ein<br />
Gespräch über Heidegger, Verlag<br />
Antaios, 2015)<br />
Martin Heidegger (1889–1976).<br />
Foto: picture alliance / Fred Stein<br />
Im April stürmten die Identitären die<br />
Bühne des berühmten Wiener Burgtheaters.<br />
Foto: Identitäre Bewegung<br />
_ Martin Sellner, geboren 1989 in<br />
Wien, studiert Philosophie (B.A.)<br />
und Rechtswissenschaften an der<br />
dortigen Universität. Als Kopf der<br />
Identitären Bewegung (IB) in der<br />
Alpenrepublik arbeitet er an der<br />
theoretischen Fundierung der IB<br />
und ihrer Umsetzung in politische<br />
Aktivitäten. Wir freuen uns auf<br />
ihn als Redner bei der <strong>COMPACT</strong>-<br />
Konferenz «Für ein Europa der<br />
Vaterländer» am 29. Oktober in<br />
Köln. – Der Text ist eine stark<br />
gekürzte und bearbeitete Fassung<br />
des Nachworts, das Sellner für<br />
den Sammelband «Renaud Camus,<br />
Revolte gegen den Großen Austausch»<br />
(Verlag Antaios, <strong>2016</strong>)<br />
geschrieben hat.<br />
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