COMPACT-Magazin 09-2016
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<strong>COMPACT</strong> Leben<br />
Verwirrende<br />
Filmtitel<br />
Hierzulande laufen US-Blockbuster<br />
oft unter dem englischen Originaltitel,<br />
so auch The Legend<br />
of Tarzan. In früheren Jahrzehnten<br />
wurden die Titel übersetzt<br />
oder völlig neu kreiert. Diese<br />
Neuschöpfungen setzten inhaltlich<br />
oft andere Schwerpunkte.<br />
Aus diesem Grunde nennt der<br />
nebenstehende Artikel alle Filme<br />
mit Originaltitel. Hier nun deren<br />
deutsche Namen (sofern sie<br />
hierzulande einen Verleih fanden)<br />
in der Reihenfolge ihrer<br />
Erwähnung im Text:<br />
■ Tarzan and His Mate (1934)<br />
(Tarzans Vergeltung)<br />
■ The Legend of Tarzan (<strong>2016</strong>)<br />
(The Legend of Tarzan)<br />
■ Tarzan the Ape-Man (1932)<br />
(Tarzan, der Affenmensch)<br />
(1943) kämpft der Dschungelkönig gegen die Nazis –<br />
und gewinnt. Regie führte Wilhelm Thiele, bekannt<br />
durch Die Drei von der Tankstelle (1930). Thiele war<br />
1933 vor Hitler in die USA geflohen.<br />
Feindbild Afrikaner – und Europäer<br />
nicht die Handlung. Erklärbar ist dies durch Edgar Rice<br />
Burroughs Herkunft: Geboren in Chicago anno 1875,<br />
zehn Jahre nach der Sklavenbefreiung, kämpfte er als<br />
junger Mann in der US-Kavalerie gegen Apachen. Auf<br />
diesem historischen Nährboden dürfte Antirassismus<br />
kaum gediehen sein.<br />
■ Tarzan, the Ape-Man (1981)<br />
(Tarzan – Herr des Urwalds)<br />
■ Tarzan Escapes (1936)<br />
(Tarzans Rache)<br />
■ Greystoke (1984)<br />
(Greystoke – Die Legende von<br />
Tarzan, Herr der Affen)<br />
■ Tarzan Triumphs (1943)<br />
(Tarzan und die Nazis)<br />
Im aktuellen Blockbuster The Legend of Tarzan<br />
gibt der Titelheld (Alexander Skarsgard) zwei weitere<br />
Eigenschaften preis: Weissmullers berühmter Urschrei<br />
ertönt kaum noch. Stattdessen schwingt Tarzan so<br />
geräuschfrei durch den Urwald wie Batman am Stahlseil<br />
durch den Asphaltdschungel. Vor allem erhält Tarzan<br />
zusätzliche Sozialkompetenz. Bei Burroughs ist er<br />
a-sozialer Einzelgänger. Okay, er paart sich mit Jane,<br />
aber weitere Varianten von Bindung blieben unerwünscht.<br />
Skarsgards Dschungelkönig hingegen ist<br />
mit einem Eingeborenenstamm befreundet, der ihn<br />
sogar als Ehrenmitglied anerkennt. So versuchte Regisseur<br />
David Yates (bekannt durch Harry-Potter-Filme),<br />
Der neue Tarzan versucht, das<br />
rassistische Image seiner Vorgänger<br />
auszumerzen.<br />
das rassistische Image der Tarzan-Epen auszumerzen.<br />
Tatsächlich stehen Afrikaner auf der Werteskala der<br />
Romanvorlagen kaum über den Dschungeltieren, eher<br />
noch darunter. Zwar ersparte sich Burroughs aggressive<br />
Diskriminierung, aber als Stammeskrieger oder<br />
Safari-Sklaven blieben Schwarze ohne Individualität<br />
und Wert. Starb einer, störte das niemanden, schon gar<br />
The Legend of Tarzan spielt auf diesen biographischen<br />
Hintergrund des Autors an, als der Verbündete<br />
des Dschungelhelden, George Washington Williams<br />
(Samuel L. Jackson), eingesteht, dass er am Indianer-<br />
Genozid beteiligt war. Ohnehin sind Denken und Sprache<br />
der Protagonisten auffallend modern. So «legitimiert»<br />
ein Mitglied des britischen Parlaments die Kolonialpolitik<br />
mit der Schaffung von Arbeitsplätzen und<br />
einer Förderung des Freihandels. Das klingt mehr nach<br />
<strong>2016</strong> als nach 1880.<br />
Wie der Urwald mit seinem ineinandergreifenden<br />
Geäst bildet in The Legend of Tarzan die gesamte Biosphäre<br />
ein Netzwerk: eine mystische Verbindung, die<br />
Menschen, Tiere und Pflanzen umfasst. Als Störenfriede<br />
gelten kolonialistische Europäer. Die reduzieren<br />
alles auf kommerziellen Nutzen, zerstören es für<br />
den Verkauf. Im Finale speit die Natur sie aus: Tarzan<br />
hetzt diverse Tierarten auf die Kolonialstadt. Eine Herde<br />
Gnus trampelt die Häuser in Grund in Boden, Krokodile<br />
holen sich den Oberschurken Rom (Christoph Waltz)<br />
bei seiner Flucht ins Wasser… Durch diesen Gut-<br />
Böse-Dualismus ist Tarzan der vielleicht letzte Großheld<br />
westlicher Populärkultur, der noch nicht an die apokalyptische<br />
Stimmung des neuen Milleniums angepasst<br />
wurde. Sind Batman oder Superman inzwischen kaum<br />
noch von den bekämpften Gangstern zu unterscheiden –<br />
Tarzan bleibt seit 80 Jahren eindeutig der «Gute», wenn<br />
auch dessen Definition ständig wechselt.<br />
Margot Robbie wurde durch die<br />
australische Seifenoper Nachbarn<br />
bekannt. Foto: Warner Bros. Entertainment<br />
Inc.<br />
«The Legend of Tarzan» startete am<br />
28. Juli in den deutschen Kinos.<br />
Foto: Warner Bros. Entertainment<br />
Inc.<br />
_ Harald Harzheim ist der<br />
Filmklassiker bei <strong>COMPACT</strong>. Ein<br />
ausführliches Porträt Maureen<br />
O’Sullivans und ihrer Interpretation<br />
der Jane findet sich in seinem<br />
Buch «Platos Höhlenkino» (2013).<br />
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