COMPACT-Magazin 09-2016
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<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />
Ein Ziel, viele Strömungen<br />
_ von Martin Sellner<br />
Müssen wir den Westen gegen den Islam verteidigen? Oder müssen wir uns vom Westen<br />
lösen, um unser kulturelles Erbe wiederzufinden? Die Identitäre Bewegung versucht,<br />
über neue Begriffe den Widerspruch zwischen diesen Positionen zu überbrücken und<br />
die Sprachhoheit der Etablierten zu durchbrechen. Der derzeit wichtigste Begriff ist der<br />
«Große Austausch».<br />
Alle Metapolitik ist ganz wesentlich eine Arbeit mit<br />
Begriffen und Bildern. Hinter Begriffen wie «Klasse»,<br />
«Menschheit», «Kapitalismus» oder «Rechtsradikalismus»<br />
stehen politische Ideologien, die, scheinbar neutral,<br />
verschiedenste Individuen und Phänomene zu einer<br />
«Sache» bündeln und mit einem Etikett versehen. Die<br />
Herrschaft über die Begriffe bedeutet die Beherrschung<br />
der Perspektive. Jede politische Bewegung, jede Partei,<br />
jede Interessensgruppe muss versuchen, ihre zentralen<br />
Ideen und ihre Sicht der Dinge in solche Sammelbegriffe<br />
zu gießen, die verknappt und vereinfacht<br />
die ganze Fülle ihrer Weltanschauung enthalten. Ein<br />
guter metapolitischer Begriff muss viele theoretische<br />
Überlegungen auf den Punkt bringen und dennoch klar<br />
verständlich sein. Er muss die richtigen Bilder evozieren,<br />
eine klare Erklärung des Geschehens und das richtige<br />
Feindbild vermitteln.<br />
Von Frankreich lernen<br />
All diese theoretischen Fragen bewegten uns von<br />
der Identitären Bewegung, als wir aus dem «Grand remplacement»<br />
des französischen Schriftstellers Renaud<br />
Camus eine Kampagne für den deutschen Sprachraum<br />
entwickelten. Bis dahin hatten wir vor allem eine positive<br />
Zielbestimmung, den «Erhalt der ethnokulturellen<br />
Identität», verfolgt. Unsere «Feindbegriffe» zergliederten<br />
sich in Masseneinwanderung, Islamisierung, Demographiekollaps<br />
und viele andere negative Erscheinungen,<br />
die wir als Bedrohung unserer Identität erkannten.<br />
Uns fehlte jedoch der entscheidende Sammelbegriff,<br />
der diese vielen Aspekte vereinen konnte. Uns fehlte<br />
das, was die Kommunisten damals im «Kapitalismus»,<br />
was die Moslems im «Westen» hatten: ein klares<br />
Feindbild. Statt Camus‘ «remplacement» wörtlicher mit<br />
«Ersetzung» zu übersetzen, wählten wir das elegantere<br />
«Austausch». Einerseits unterstreicht es die Gleichgültigkeit<br />
und Verdinglichung, mit der die Politiker ihre<br />
Bevölkerung schlichtweg gegen «Importware» austauschen.<br />
Gleichzeitig war dieser Begriff eine bewusste<br />
Anspielung auf die Phrase vom «kulturellen Austausch»,<br />
die zum Grundvokabular der BRD-Sprache gehört. Doch<br />
hinter dem Begriff steht noch mehr. Gerade als «intellektuelle<br />
Rechte» tun wir Identitären uns oft mit der<br />
Vereinfachung und Zuspitzung schwer. Eine Tendenz zu<br />
dem, was Guillaume Faye als «Metapolitik im Vakuum»<br />
bezeichnet hat, ist immer zu bemerken. Wir neigen,<br />
teils aus intellektueller Redlichkeit, teils aus akademischer<br />
Eitelkeit, zu überkomplexen Erklärungen, die kein<br />
«Mann von der Straße» mehr versteht. Das ist gefährlich.<br />
In diesem Unverständnis wuchert oft der Unsinn,<br />
der für das Scheitern der aktiven Rechten in den letzten<br />
Jahrzehnten mitverantwortlich ist.<br />
Gerade im patriotischen Lager droht man ständig in<br />
alte Erb- und Erzfeindbilder zurückzukippen, droht eine<br />
geistige Verflachung und propagandistische Banalisierung.<br />
Die plumpe Hetze gegen Fremde, simples Islam-<br />
Bashing oder gar der unausrottbare Mythos der «Jüdischen<br />
Weltverschwörung» – all diese Kurzschlüsse<br />
Spartanisch: Vorbild der Organisation<br />
ist der 2003 gegründete französische<br />
Bloc identitaire. Foto: IB<br />
Gerade als intellektuelle<br />
Rechte tun<br />
wir uns oft mit der<br />
Vereinfachung und<br />
Zuspitzung schwer.<br />
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