s'Positive Magazin 02.2017
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AUSGABE 2 FEBRUAR 2017<br />
Walter Lüthi<br />
Stimmungsmacher<br />
Der Musiker, Gewerkschafter und Unternehmer<br />
erzählt aus seinem bewegten Leben.<br />
UNTER DER ERDE<br />
Wie der Blick aus dem<br />
All Erkenntnisse über<br />
das Erdinnere gibt.<br />
DIE HIGHLANDS<br />
Der Oberaargau – eine<br />
vielfältige Region mit<br />
bewegter Geschichte.<br />
RETO KLÄY<br />
Interview mit dem<br />
engagierten Sportchef<br />
des EV Zug.
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Infos und Besichtigung:<br />
MB Immobilien AG, Langenthal<br />
Telefon 062 919 01 08<br />
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MB Immobilien AG, Langenthal<br />
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Infos und Besichtigung:<br />
MB Immobilien AG, Langenthal<br />
Telefon 062 919 01 08<br />
MB Immobilien AG<br />
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Tel. 062 919 01 08 I Fax 062 919 01 09
EDITORIAL / INHALT<br />
Liebe Leserin,<br />
lieber Leser<br />
4<br />
Was und wo ist eigentlich der Oberaargau?<br />
Wo sind seine Grenzen? Was hat die<br />
Region mit dem Aargau zu tun? Und wer<br />
sind die Oberaargauer? Höchste Zeit, diesen<br />
Fragen einmal gründlich nachzugehen.<br />
Klaus Zaugg hat dies getan und ist zu<br />
interessanten und erstaunlichen Ergebnissen<br />
gelangt.<br />
In der Ausgabe 04/2016 berichteten wir<br />
über Beizensterben im Oberaargau. In dieser<br />
Ausgabe erzählt uns der Unterhaltungsmusiker,<br />
Gewerkschafter und Unternehmer<br />
Walter Lüthi, wie es in früheren Jahren in<br />
den Tanzsälen der Gasthäuser so abging.<br />
Und wir erfahren, weshalb Huttwil heute<br />
eine Randregion ist und wie dies zu ändern<br />
wäre.<br />
Bald ist es 50 Jahre her, seit erstmals<br />
ein Mensch einen Fuss auf den Mond gesetzt<br />
hat. Bemannte Marsmissionen sind in<br />
Vorbereitung, auch wenn es wohl noch eine<br />
Weile dauert, bis es so weit sein wird.<br />
So weit wir Menschen auch in den Weltraum<br />
vorgedrungen sind, so erstaunlich ist<br />
es, dass wir über das Innere unserer Erde<br />
nur mutmassen können. Denn um restlose<br />
Gewissheit zu erlangen, welche Geheimnisse<br />
unser Planet unter seiner Oberfläche<br />
verbirgt, müssten wir weit in ihn hineinbohren<br />
können. Doch dies ist so schwierig,<br />
dass dagegen ein Spaziergang auf dem<br />
Mars wie ein Kindergeburtstag erscheint.<br />
Nach dem heutigen Stand der Technik ist<br />
eine Bohrung zum Erdmittelpunkt ein<br />
Ding der Unmöglichkeit. Bisher wurden<br />
nur 12 von 6400 Kilometern überwunden.<br />
Viel Spass beim Lesen!<br />
Ihr Bruno Wüthrich<br />
IMPRESSUM<br />
Herausgeber: one X Services<br />
Redaktion: Bruno Wüthrich,<br />
Klaus Zaugg<br />
Layout: tnt-graphics AG,<br />
8305 Dietlikon,<br />
www.tnt-graphics.ch<br />
Auflage: 69 000 Exemplare<br />
Druck: LZ Print,<br />
Luzerner Zeitung AG<br />
Versand: Die Post<br />
Inserate-Annahme und Redaktion:<br />
inserate@spositive.ch<br />
12<br />
4 WALTER LÜTHI<br />
Sein Herz schlägt für Schlager<br />
und Volksmusik, aber<br />
auch für die Rechte der Arbeiter.<br />
Der ehemalige Präsident<br />
der Gewerkschaft Bau<br />
und Holz im Gespräch.<br />
12 DAS ERDINNERE<br />
Eine Reise ins Innere der<br />
Erde ist unmöglich. Trotzdem<br />
gelingen den Forschern<br />
immer wieder Erkenntnisse<br />
über die Beschaffenheit unseres<br />
Planeten.<br />
20 WUSSTEN SIE SCHON<br />
Warum Vögel nicht an die<br />
Füsse frieren und welches<br />
der am häufigsten verwendete<br />
Baustoff für Häuser ist.<br />
22 GRENZLAND<br />
Die unbekannte bekannte<br />
Region Oberaargau ist nur<br />
schwer zu definieren, hat<br />
eine interessante Geschichte<br />
und eine grosse kulturelle<br />
Vielfalt.<br />
28 INTERVIEW<br />
Sportchef Reto Kläy will<br />
mit dem EV Zug den NLA-<br />
Titel gewinnen – unter<br />
anderem in Einbezug<br />
innovativer Methoden.<br />
34 DIE SEITE DER LESER<br />
Leserbriefe.<br />
20<br />
22<br />
28<br />
s’Positive 2 / 2017 3
WALTER LÜTHI<br />
Musikant,<br />
Gewerkschafter,<br />
Unternehmer<br />
Walter Lüthi spielt seit den 50er Jahren in<br />
verschiedenen lokalen Bands. Doch auch<br />
politisch ist er eine Grösse. Nicht zuletzt durch<br />
seinen Einsatz für die S-Bahn nach Huttwil.<br />
TEXT: KLAUS ZAUGG UND BRUNO WÜTHRICH<br />
Er machte Tanz- und Stimmungsmusik, er war «Büezer»<br />
und später Unternehmer, er engagierte sich in der Gewerkschaft<br />
und für den Erhalt der S-Bahn von Huttwil<br />
nach Bern und sie nannten ihn den «kleinen Hubacher»,<br />
in Anspielung auf den SP-Titanen Helmut Hubacher. Wir<br />
haben Walter Lüthi (75) dazu überredet, uns aus seinem Leben zu<br />
erzählen. Ein Leben im Oberaargau.<br />
s’Positive: Sie personifizieren ein Stück Oberargauer Musikgeschichte.<br />
Walter Lüthi: Wir wollen nicht übertreiben.<br />
Sie spielten seit 1958 in zahlreichen Formationen. Mit den Teddy<br />
Jungs, mit EL-MA-RO, mit den lustigen Rohrbachern, dem<br />
Arietta-Quintett und jahrelang mit «Resi & Wädi» schliesslich<br />
im Trio «Resi, Wädi & René.»<br />
Es gab in dieser Zeit im Oberaargau sehr viele Tanzbands. Die Calimeros,<br />
die Juwela aus Madiswil, Rialto aus Langenthal, die Tornados<br />
aus Burgdorf, die Edelstones aus Ufhusen und die Marita aus<br />
Wys sachen.<br />
Schwelgt in Erinnerungen:<br />
Im Interview<br />
erzählt Walter Lüthi<br />
Anekdoten aus<br />
seinem spannenden<br />
Leben.<br />
4 s’Positive 2 / 2017
s’Positive 2 / 2017 5
WALTER LÜTHI<br />
Eine goldene Zeit des Rock’n’Rolls.<br />
Nein. Wir spielten und sangen die gängigen<br />
Schlager, Tiroler-Musik und Schweizer<br />
Volksmusik, noch nicht Rock. Es war moderne<br />
Volksmusik. Meinten wir jedenfalls. Wir<br />
kopierten den Oberkrainer-Stil von Beny<br />
Rehmann und Slavko Avsenik, wir sangen<br />
die Seemannslieder von Fredy Quinn, die<br />
Schlager der blauen Jungs, wir spielten Dixie<br />
und Bahama Blues.<br />
Waren Sie gut?<br />
Das müssen Sie andere fragen. Res Christen,<br />
unser Trompeter der Lustigen<br />
Rohrbacher war überall, wo er dabei<br />
war, auch der Beste. Er kannte<br />
Beny Rehmann, und bat ihn,<br />
doch mal bei uns reinzuhören.<br />
Beny kam dann tatsächlich einmal<br />
ins Häbernbad um uns zuzuhören.<br />
Er ermunterte uns, so<br />
weiterzumachen.<br />
Waren Sie jedes Wochenende unterwegs?<br />
Fast. Pro Monat dürften es schon drei Wochenenden<br />
gewesen sein. Wir waren alle<br />
Lehrlinge und wir fühlten uns wie Könige,<br />
wenn wir eine Gage von 50 Franken oder<br />
gar mehr erhielten. Das war für die damalige<br />
Zeit sehr viel Geld. Wir hatten immer<br />
Geld, manchmal habe ich fast den Eindruck,<br />
mehr als heute…<br />
Sie waren vor allem Rhythmus-Gitarrist<br />
und Sänger. Wo haben Sie das Gitarrenspiel<br />
gelernt?<br />
Es hat indirekt etwas mit der Heilsarmee zu<br />
tun.<br />
Mit der Heilsarmee?<br />
Ja, in gewisser Weise. Paul Althaus aus Eriswil<br />
war 1958 der Gittarist bei den Teddy-<br />
Jungs. Er zeigte die Gitarrengriffe. Er hatte<br />
das Gitarrenspiel bei der Heilsarmee erlernt.<br />
Davon konnte ich nun profitieren.<br />
Und wie lernten Sie die Schlager?<br />
Wenn einer von uns auf neue Musik aufmerksam<br />
wurde, besorgten wir uns das<br />
Band und hörten es ab. Oft bekamen wir<br />
auch die Noten dazu vom damaligen Musikhaus<br />
Etter in Huttwil oder vom Musikhaus<br />
Ernst in Oftringen. Dann spielten und sangen<br />
wir die Stücke spontan nach. Später, als<br />
es Computer gab, wurde das Lernen etwas<br />
MIt der Band «Die<br />
Lustigen Rohrbacher»<br />
war Walter Lüthi –<br />
hinten rechts mit<br />
der Gitarre – einige<br />
Jahre unterwegs.<br />
«Wir spielten in den Tanzsälen<br />
der Wirtschaften. Wir bekamen<br />
die Einnahmen aus dem Verkauf<br />
der Tanzbändel, der Wirt verdiente<br />
Geld mit den Getränken.»<br />
einfacher und es ging auch ohne Tonband.<br />
Res Schürch hat während gut 30 Jahren die<br />
Musikstücke in Noten umgearbeitet, die uns<br />
dann bei der Formation «Resi & Wädi» und<br />
«Resi, Wädi & René» eine unbezahlbare Hilfe<br />
waren. Ohne seine Noten hätten wir nicht<br />
spielen können.<br />
Und wo machten Sie Musik?<br />
Damals hatten viele Wirtschaften<br />
einen Tanzsaal. Die Wirte<br />
fragten, ob wir spielen möchten.<br />
Der Tanzsaal wurde uns zur Verfügung<br />
gestellt und unsere Einnahmen<br />
erzielten wir mit den<br />
Eintritten, aus dem Verkauf der<br />
Tanzbändeli. Der Wirt verdiente<br />
Geld mit dem Verkauf der Getränke.<br />
Damals waren die Wirte<br />
noch unternehmungslustiger. Wenn einer<br />
einen beheizbaren Tanzsaal hatte, versuchte<br />
er, Anlässe zu organisieren. Wir spielten auch<br />
an Maskenbällen in den Kantonen Solothurn,<br />
Aargau und Luzern. Es war die Zeit, als die<br />
Tänzerinnen und Tänzer punkt Mitternacht<br />
zur Demaskierung auf die Stühle standen.<br />
Wir mussten gerade bei unseren Fastnachts-<br />
Gastspielen diskret sein, entdeckten wir doch<br />
bei der Demaskierung immer wieder Damen<br />
und Herren aus Huttwil und Um gebung.<br />
Von der Musik konnten Sie leben?<br />
Nein. Was wir einnahmen, investierten wir<br />
in unsere Instrumente und in die Soundanlage.<br />
Noch in den 1980er Jahren waren<br />
die Verstärker gross wie Kühlschränke und<br />
es knisterte und knatterte. Wir holten die<br />
Instrumente und Verstärker beim Musikhaus<br />
Ernst in Oftringen auf Kredit, und zahlten<br />
dann nach und nach die Rechnung aus unseren<br />
Gagen. Er vertraute uns und wir enttäuschten<br />
ihn nie. Wir spielten auch mal für<br />
Speis und Trank. Einmal kamen wir von einem<br />
Auftritt im Bündnerland zurück und<br />
hielten auf dem Hirzel. Wir sagten dem Wirt:<br />
Wir möchten gerne etwas essen und trinken<br />
und machen dir dafür ein wenig Musik. Ach,<br />
das waren Zeiten. Die spontane Fete ging bis<br />
in die Morgenstunden.<br />
Und die Tanzsäle waren voll?<br />
Meistens gut besetzt. Ausser, wenn am gleichen<br />
Datum eine der ganz grossen Bands wie<br />
die Calimeros oder die Tornados in der Nähe<br />
spielten. Am besten lief es, wenn schon um<br />
6 s’Positive 2 / 2017
«Das waren noch Zeiten»: Walter Lüthi erinnert sich.<br />
acht Uhr die Post abging. Dann blieben die<br />
Leute.<br />
Erinnern Sie sich noch, wie viele Zuschauer<br />
zu Ihrem ersten Anlass kamen?<br />
Das weiss ich nicht mehr. Wir begannen ja<br />
auch nicht mit eigenen Anlässen, sondern<br />
wurden zunächst für Hochzeiten oder nach<br />
Theateraufführungen gebucht. Danach kamen<br />
meistens die Vereine und Wirte auf uns<br />
zu.<br />
Es gab damals viele Tanzbands im<br />
Oberaargau. Waren das Konkurrenten?<br />
Oh ja! Man redete nicht miteinander und wir<br />
hatten grossen Respekt vor den grossen<br />
Bands. Man sprach sich auch nicht ab. Weder<br />
über die Auftrittsorte noch über die Termine.<br />
Wir waren keine der ganz grossen Bands.<br />
Wir mussten die Auftritte nehmen, die man<br />
uns offerierte. Nur die Grossen konnten sich<br />
ihre Auftritte aussuchen.<br />
Welches war euer grösster Auftritt?<br />
Wir hatten einmal einen grossen Auftritt<br />
beim Eidgenössischen Schützenfest in Basel.<br />
Auch da durften wir Tanzbändeli verkaufen.<br />
Doch wir vergassen, die Bändeli beim Musikhaus<br />
Otto Etter abzuholen. Also musste<br />
einer von uns nach Huttwil zurückfahren<br />
und die Bändeli holen. Es traf unsern Schlagzeuger,<br />
und der fehlte halt dann bei den<br />
ersten Songs.<br />
Wie seid ihr gereist?<br />
Zu fünft mit allen Instrumenten und Anlagen<br />
mit einem VW-Bus. Meistens fuhr unser<br />
Schlagzeuger Franz Kiefer aus Aarwangen<br />
oder ich.<br />
Gab es auch Auftritte im Ausland?<br />
Ja, die gab es. Wir reisten oft mit Reisegesellschaften<br />
oder Vereinen und hatten<br />
unsere eigenen Instrumente dabei. Einmal<br />
reisten wir als Formation «Lustige Rohrbacher»<br />
mit der Musikgesellschaft Rohrbach<br />
nach Mayrhofen im Zillertal. Wir bestellten<br />
hierfür zwei internationale Wagons, in die<br />
wir die Uniformen und die Instrumente verluden.<br />
Verladen wurden aber auch Unmengen<br />
an Getränken. Die Wagons wurden dann<br />
mit einer alten VHB-Güterlok von Rohrbach<br />
nach Langenthal gefahren und dort an den<br />
Zug angehängt. In Jenbach bei Innsbruck<br />
mussten wir noch einmal alles umladen. In<br />
Mayrhofen hatte dann nicht nur die Musikgesellschaft<br />
einen grossen Auftritt. Auch wir<br />
als «Lustige Rohrbacher» kamen zum Zug.<br />
Wir retteten damals sogar den Anlass. Eigentlich<br />
hätte eine berühmte Tirolermusik<br />
auftreten sollen. Aber die waren bei ihrer<br />
Ankunft so betrunken, dass sie nicht mehr<br />
spielen konnten.<br />
Eine indiskrete Frage: Wie war das eigentlich<br />
mit den Frauen? Wir gehen davon aus,<br />
dass Musiker damals ganz schön sexy waren.<br />
Für Frauen hatten wir meistens gar keine<br />
Zeit. Aber wir hatten unsere weiblichen Fans.<br />
Einige von uns lernten ihre Frauen auch tatsächlich<br />
beim Musik machen kennen. Meine<br />
Frau lernte ich bei einem Tanzanlass im Restaurant<br />
zu den Alpen in Eriswil kennen.<br />
Ansonsten waren wir seriös, denn wir hatten<br />
vertragliche Verpflichtungen zu erfüllen.<br />
Darauf haben wir immer geachtet. Und<br />
gottseidank haben uns unsere Frauen unterstützt.<br />
Musikantenfrauen sind grosszügig.<br />
Ihr habt also nicht «wüst» getan.<br />
Nein, wir hatten uns meistens im Griff. Wir<br />
hatten ja Musik zu machen. Wenn sich einer<br />
von uns ausnahmsweise vergass und sich<br />
hinter der Bühne mit einer Dame angeregt<br />
s’Positive 2 / 2017 7
WALTER LÜTHI<br />
unterhielt, dann holten wir ihn umgehend<br />
zurück. Andernfalls hätte der Wirt reklamiert.<br />
Sie haben im Oberaargau nicht nur Musik<br />
fürs Volk gemacht. Sie haben auch als Gewerkschafter<br />
fürs Volk geschaut.<br />
Ja, ich setzte mich für die Büezer ein. Ich<br />
hatte meine Eltern früh verloren und meinen<br />
Vater und meine Mutter nie gekannt. Auch<br />
wenn gut zu mir geschaut wurde, so musste<br />
«Klassenkampf-Romantik<br />
gab es nicht. Wir haben vor<br />
über 40 Jahren für die Rechte<br />
der Büezer gekämpft und das<br />
war auch nötig.»<br />
ich doch früh lernen, für mich zu schauen.<br />
Ich war in Huttwil Präsident der Gewerkschaft<br />
Bau und Holz (heute Unia – die Red).<br />
Das waren andere Zeiten. Alleine die Sägerei<br />
Lanz in Rohrbach bot um die 300 Arbeitsplätze.<br />
Die Eisenbahn fuhr jeden Tag von Eriswil<br />
aus einen Sonderkurs und hielt kurz vor<br />
07.00 Uhr auf der Höhe der Sägerei auf offener<br />
Strecke, damit die Arbeiter aussteigen<br />
und von dort aus zur Arbeit gehen konnten.<br />
Da gab es wohl auch noch die Romantik<br />
des Klassenkampfes.<br />
Romantik würde ich das nicht nennen. Wir<br />
haben vor über 40 Jahren für unsere Rechte<br />
gekämpft und das war nötig. Ich war mehrere<br />
Male als Gewerkschaftsvertreter der<br />
Region bei den Lohnverhandlungen in Zürich<br />
dabei. Wir tagten in Fünfsternhotels und<br />
alleine der äussere Rahmen war beeindruckend.<br />
Ich reiste mit dem Zug an, die Firmeninhaber<br />
kamen mit den grossen Autos.<br />
Ich denke, dass wir unsere Sache nicht<br />
schlecht gemacht und gut argumentiert haben.<br />
Der Arbeitsfrieden ist nur dann gewährleistet,<br />
wenn die Arbeiter mit ihrem Lohn<br />
zufrieden sind. Wir holten einmal eine Erhöhung<br />
des Stundenlohnes um einen Franken<br />
heraus. Dies war für die<br />
damalige Zeit, Ende der 1950er<br />
Jahre, enorm, denn die Monatslöhne<br />
lagen bei rund 1000 Franken.<br />
Aber wir konnten auch<br />
nichts daran ändern, dass in<br />
Huttwil und Umgebung in der<br />
Stunde 20 bis 30 Rappen weniger<br />
bezahlt wurden als in Burgdorf<br />
oder Langenthal.<br />
Das war die Zeit, als die SP<br />
noch für die Büezer da war.<br />
Sie sagen es. Damals waren wir auch politisch<br />
aktiv und stellten jeweils in Huttwil<br />
drei oder sogar vier von damals elf Gemeinderäten.<br />
Sie waren selbst Geschäftsmann. Normalerweise<br />
sind Geschäftsleute weder in der<br />
Gewerkschaft noch in der SP. Wenn Sie<br />
mit den Arbeitgebern, zu denen Sie selbst<br />
gehörten, höhere Löhne aushandelten,<br />
mussten sie ja diese selbst auch bezahlen.<br />
So ist es. Auch ich hatte mich an die Gesamtarbeitsverträge<br />
zu halten. Ich war ja selbst<br />
nicht immer Geschäftsmann, sondern zuvor<br />
ebenfalls Arbeiter. Schon mein damaliger<br />
Chef sagte jeweils zu mir, dass es sehr wichtig<br />
sei, dass die Arbeiter zufriedenen seien.<br />
Nur so könne ein Betrieb vorwärts machen.<br />
Walter Lüthi hatte auch unkonventionelle Ideen: Etwa den SP-Express nach Huttwil.<br />
Heute haben es die Gewerkschaften<br />
schwerer.<br />
Auch damals waren nicht alle Arbeiter eines<br />
Betriebes gewerkschaftlich organisiert.<br />
Wenn ich jeweils von den Verhandlungen mit<br />
den Arbeitgebern zurückkehrte, waren es<br />
bezeichnenderweise jene, die nicht bei der<br />
Gewerkschaft waren, die sich als erste über<br />
die Ergebnisse informieren wollten.<br />
Wir erinnern uns, dass Sie einmal die SP-<br />
Genossen nach Huttwil geholt haben.<br />
Ich war damals Präsident der SP Huttwil und<br />
wir wurden angefragt, ob wir in Huttwil den<br />
kantonalen SP-Parteitag organisieren könnten.<br />
Das war kein einfaches Unterfangen.<br />
Wir rechneten mit über 500 Teilnehmern.<br />
Wohin mit den Autos? Also organisierten wir<br />
den SP-Express von Bern über Ramsei nach<br />
Huttwil.<br />
Den SP-Express?<br />
Wir organisierten einen Sonderzug, der von<br />
Bern über Ramsei nach Huttwil fuhr und die<br />
Genossinnen und Genossen konnten an verschiedenen<br />
Orten zusteigen. Als ich diesen<br />
Zug bestellte, wurde ich gefragt, ob ich noch<br />
bei Sinnen sei und wisse, was das kosten<br />
werde? Ja, ich wusste es. Etwas mehr als<br />
4000 Franken. Aber wir wagten es trotzdem.<br />
Wir brachten das Geld durch den Ticketverkauf<br />
mehr als nur herein und im Zug verkauften<br />
wir auch noch Essen und Getränke.<br />
Nachdem alles gut über die Bühne gegangen<br />
war, bekam ich von EBT-Direktor Charles<br />
Kellerhals eine handgeschriebene Dankeskarte.<br />
Das SP-Urgestein Helmut Hubacher kam<br />
offenbar auch. Man nannte Sie nachher<br />
jedenfalls den «kleinen Hubacher».<br />
Ja, er kam auch zu diesem Parteitag. Ich<br />
lernte ihn durch meine Tätigkeit als Gewerkschafter<br />
kennen und schätzen. Er war ein<br />
SP-ler und Gewerkschafter der alten Garde.<br />
Wie kamen Sie eigentlich dazu, mit Bundesrat<br />
Willi Ritschard im Hotel zum Mohren<br />
zu speisen?<br />
Ich war mit ihm bekannt und er rief mich<br />
eines Tages an und sagte, er sei mit seiner<br />
Frau auf der Durchreise und wolle in Huttwil<br />
etwas essen. Aber bitte keinen Empfang, kein<br />
Brimborium, keine Musik. Also reservierte<br />
ich im Hotel Mohren (heute kleiner Prinz /<br />
die Red.) drei Plätze zum Nachtessen. Es<br />
kam dann schon etwas Nervosität auf, als ich<br />
mit dem Bundesrat und seiner Gattin eintraf.<br />
Wir assen Bratwurst mit Rösti und es<br />
schmeckte allen. Der hohe, aber private Besuch<br />
blieb etwa zwei Stunden.<br />
Sie arbeiteten über 30 Jahre bei der Möbelfabrik<br />
Meer und machten sich 1993<br />
selbständig. Aebi und Meer, die grossen,<br />
weitherum berühmten Möbel fabriken in<br />
Huttwil verfielen dem Konkurs. Warum<br />
das?<br />
8 s’Positive 2 / 2017
ZUSATZINFOS<br />
Feuerfeste Musik<br />
Am 11. März 1998, einem Mittwoch,<br />
wurde das Restaurant<br />
«Krone» in Rohrbach durch<br />
einen Brand zerstört. Dieses<br />
Brandunglück hätte beinahe<br />
das vorzeitige Ende des Duos<br />
«Resi & Wädi» bedeutet. Walter<br />
Lüthi und Res Schürch, seit<br />
1992 ein Duo, sollten am Samstag<br />
im Kronensaal zum Tanz<br />
aufspielen. Weil sie am vorausgegangenen<br />
Wochenende bereits<br />
im Kanton Aargau musiziert<br />
hatten, luden sie auf dem<br />
Rückweg ihre Musikanlage (Instrumente,<br />
Verstärker, Keyboard<br />
etc.) gleich in der Krone ab. Alles<br />
wurde ein Raub der Flammen.<br />
Res Schürch hatte zum<br />
Glück wenigstens sein Akkordeon,<br />
das ihm einst seine Eltern<br />
geschenkt hatten, mit nach<br />
Hause genommen.<br />
Die unersetzlichen Noten<br />
Alles in allem ein Fall für die<br />
Versicherung. Aber im Feuer<br />
war auch der Aluminium-Koffer<br />
mit den Noten von mehr als<br />
150 Musikstücken geblieben.<br />
Das gesamte Repertoire des<br />
Duos. Walter Lüthi erinnert<br />
sich: «Res Schürch hatte im<br />
Laufe der Jahre über 150 Stücke<br />
für uns auf Papier gebracht<br />
und wir spielten nach diesen<br />
Vorlagen. Wären sie verbrannt,<br />
dann hätten wir wahrscheinlich<br />
aufgehört.» Eine Spezialität des<br />
Duos waren ja gerade «Oldies»,<br />
die alten Schlager.<br />
Die ganze Angelegenheit liess<br />
Res Schürch und Walter Lüthi<br />
keine Ruhe. «Wir wollten einfach<br />
nicht wahrhaben, dass wir<br />
unser Repertoire verloren hatten.<br />
Was, wenn der Koffer mit<br />
den Noten nicht verbrannt<br />
war? Einige Kollegen von der<br />
Feuerwehr Rohrbach durchsuchten<br />
für uns am darauffolgenden<br />
Sonntag den<br />
Brandplatz. Und tatsächlich<br />
fanden sie den Koffer. Er war<br />
angeschwärzt. Aber zu unserer<br />
grossen Freude waren die Noten<br />
im Koffer unbeschädigt.»<br />
Walter Lüthi vergisst diese Begebenheit<br />
noch aus einem anderen<br />
Grund nicht: Zu seiner<br />
Pensionierung schenkten ihm<br />
Res und Heidi Schürch ein<br />
ganz besonderes Andenken:<br />
Die beim Brand verkohlte Gitarre,<br />
eingeschweisst in einen<br />
Schaukasten. «Wir durften über<br />
dreissig Jahre lang im Keller<br />
der Garage von Res und Fritz<br />
Schürch üben und unsere Instrumente<br />
einlagern. Dafür<br />
möchte ich mich bei dieser Gelegenheit<br />
einmal bedanken.»<br />
Und so konnten «Resi & Wädi»<br />
noch über ein Jahrzehnt weitermachen,<br />
bald darauf als Trio<br />
zusammen mit René Schär.<br />
Fortan hiess die Formation<br />
«Resi, Wädi & René». Die drei<br />
Musiker kamen zu einem Auftritt<br />
in Paul Stuckis populärer<br />
TV-Sendung «Musigstubete».<br />
«TeleBärn» zeichnete die<br />
Sendung auf der Lueg auf.<br />
Die drei Musikanten nahmen<br />
2009 auch eine CD auf («Ein<br />
Herz voller Musik»), die im<br />
Rössli zu Auswil getauft wurde.<br />
Vor zwei Jahren trat Walter<br />
Lüthi zum letzten Mal auf. Er<br />
spielt heute nach wie vor in der<br />
Musikgesellschaft Rohrbach<br />
und engagiert sich bei den<br />
Naturfreunden Huttwil für das<br />
Naturfreundehaus «Ämmital»<br />
auf der Höchschwendi hinter<br />
dem Ahorn.<br />
Resi, Wädi und René auf der CD<br />
«Ein Herz voll Musik».<br />
Ein besonderes<br />
Geschenk von Res<br />
und Heidi Schürch:<br />
Die beim Brand der<br />
Krone komplett<br />
verkohlte Gitarre.<br />
Es waren viele Faktoren dafür verantwortlich.<br />
Aber in erster Linie gelang die Umstellung<br />
von teuren Qualitätsmöbeln auf billige<br />
Massenproduktion nicht. Auch deshalb, weil<br />
die dafür notwendigen Investitionen die<br />
Finanzkraft der Unternehmen über stiegen.<br />
Sie restaurierten in den Räumlichkeiten<br />
der ehemaligen Möbelfabrik Aebi diese<br />
Qualitätsmöbel. Heute führt ihr Schwiegersohn<br />
diese Tradition weiter (Fiechter<br />
& Lüthi GmbH). So leben die traditionsreichen<br />
Meer-Möbel im Kleinen weiter.<br />
So ungefähr. Bei uns kann man Möbel reparieren<br />
und restaurieren lassen und darunter<br />
sind immer wieder Möbel der Firmen Meer<br />
und Aebi. Wir verkaufen aber auch neue<br />
Möbel.<br />
Sie kämpften vergeblich für die Erhaltung<br />
der S-Bahnstrecke von Huttwil über Ramsei<br />
nach Bern. Trotzdem dürfte Sie die<br />
Eröffnung des neuen Bahnhofes in Huttwil<br />
freuen.<br />
Ja natürlich freue ich mich sehr über den<br />
neuen Bahnhof. Auch die Busverbindungen<br />
in die Dörfer sind eine Bereicherung und<br />
sehr wichtig. Aber nun zeigt sich erst recht,<br />
was wir Huttwiler versäumt haben. Es betrübt<br />
mich, dass wir von der Hauptstadt abgehängt<br />
worden sind. Eine direkte S-Bahn-<br />
Verbindung nach Bern für die Pendler, also<br />
für jene, die im Raum Bern arbeiten, wäre<br />
für die Attraktivität von Huttwil als Wohnort<br />
sehr, sehr wichtig. Andere Gemeinden hätten<br />
um einen solchen Anschluss engagierter<br />
gekämpft und hätten nicht so schnell aufgegeben.<br />
Ist es mehr als Eisenbahn-Nostalgie?<br />
Oh ja. Wir hatten die S-44. Von Huttwil über<br />
Ramsei, Burgdorf und Hindelbank nach<br />
Bern. Also einen direkten Anschluss. Wir<br />
konnten in Huttwil ein- und in Bern aussteigen.<br />
Klar können wir weiterhin über Lan-<br />
s’Positive 2 / 2017 9
WALTER LÜTHI<br />
genthal nach Bern fahren. Aber dann müssen<br />
wir umsteigen. Huttwil wird so zur<br />
Randregion von Langenthal gemacht. Der<br />
immense Wert eines direkten S-Bahn-Anschlusses<br />
an Bern wurde in Huttwil immer<br />
unterschätzt. Es spielt sehr wohl eine Rolle,<br />
ob bereits im Berner Bahnhof an der Anzeigetafel<br />
Huttwil steht. Huttwil ist dann nicht<br />
nur mit dem Zentrum verbunden. Huttwil<br />
ist dann dem Zentrum auch näher. Ohne<br />
diesen direkten S-Bahn-Anschluss, bei dem<br />
man ohne Umsteigen sitzen bleiben kann,<br />
sind wir buchstäblich eine Rand region. Da<br />
hilft der Slogan «Huttwil mitten drin» wenig.<br />
Es wird ohne S-Bahn-Anschluss nicht einfacher,<br />
die mehr als 100 neuen Leerwohnungen<br />
zu besetzen.<br />
Hätte denn dieser S-Bahn-Anschluss gerettet<br />
werden können?<br />
Ja! Ja! Und deshalb ist es so schade. Begründet<br />
wurde es damit, dass auf dieser Strecke<br />
niemand mehr mit der Bahn reisen würde.<br />
Doch wir haben Zählungen durchgeführt.<br />
Bereits in Huttwil stiegen um die 40 Leute<br />
Walter Lüthi kämpft weiter für eine direkte<br />
Eisenbahnverbindung Huttwil–Bern.<br />
in diese S-Bahn zu, in Sumiswald waren es<br />
schon über 100 und ab Burgdorf waren fünf<br />
Wagen besetzt. Das Bedürfnis war unbestritten.<br />
Die Bahn hatte viel Geld in den Ausbau<br />
dieser Strecke investiert und die Argumente,<br />
die schliesslich gegen den weiteren Betrieb<br />
des Teilstückes Huttwil bis Sumiswald vorgebracht<br />
wurden, waren nicht überzeugend.<br />
Es hiess, der Tunnel vor der Station Grünen<br />
müsse aus Sicherheitsgründen geschlossen<br />
oder für eine Million saniert werden. Alles<br />
nicht wahr. Inzwischen fahren wieder Züge<br />
durch den Tunnel nach Sumiswald. Es wäre<br />
möglich, die S-Bahn-Verbindung erneut aufzunehmen.<br />
Ich habe den Kampf noch nicht<br />
aufgegeben.<br />
Warum ging diese S-Bahn-Verbindung<br />
verloren?<br />
Es ging ums Geld. Der Beitrag der Gemeinde<br />
Huttwil an den öffentlichen Verkehr ist<br />
beim Busbetrieb kleiner als beim Bahnbetrieb.<br />
Dabei hat man unterschätzt, welche<br />
Bedeutung ein direkter S-Bahn-Anschluss<br />
wirklich hat.<br />
ZUSATZINFOS<br />
Von der Bedeutung der Eisenbahn<br />
Die Zeiten ändern sich. Aber<br />
gewisse Dinge bleiben über<br />
die Jahre gleich. Beispielsweise<br />
die Bedeutung der Eisenbahn.<br />
Im Jahr 1939 verfasste<br />
Alfred Pernet im Auftrage der<br />
Bahnverwaltung eine Denkschrift<br />
zum 50-jährigen Bestehen<br />
der Langenthal–Huttwil-<br />
Bahn. Sie betrieb damals die<br />
Linien Huttwil–Langenthal,<br />
Huttwil–Sumiswald–Ramsei,<br />
Huttwil–Wolhusen und Huttwil-Eriswil.<br />
Seine Schlussfolgerungen aus<br />
dem 56-seitigen Bericht zeigen,<br />
dass es schon seine Logik<br />
hat, dass in Huttwil<br />
50 Millionen in einen<br />
neuen Bahnhof investiert<br />
worden sind.<br />
Und sie zeigen auch,<br />
dass das Engagement<br />
für die Eisenbahn<br />
(wie das von Walter<br />
Lüthi) sehr wohl seine<br />
Richtigkeit hat.<br />
Damals wie heute.<br />
«Es ist heute müssig<br />
zu fragen, wie Huttwil<br />
ohne seine Bahnen<br />
wohl aussehen<br />
möchte. Sicher wäre<br />
es nie geworden, was<br />
es heute ist. Jeder<br />
Ort entwickelt sich<br />
gemäss seinen Verkehrsmöglichkeiten<br />
und Anschlussverhältnissen<br />
an<br />
die Umwelt. Ein gewerblicher<br />
oder industrieller Aufstieg ohne<br />
Eisenbahn ist nicht denkbar.<br />
Wir wissen, dass bald<br />
nach der Eröffnung der Langenthal–Huttwil-Bahn<br />
in Huttwil<br />
eine starke Bautätigkeit<br />
einsetzte und jahrelang anhielt.<br />
Aus den Geschäftsberichten<br />
geht hervor, dass besonders<br />
das Jahr 1895 ein Rekordjahr<br />
der Bautätigkeit war.<br />
1889 standen an der Bahnhofstrasse<br />
nur wenige vereinzelte<br />
Häuser. ... Im ganzen waren es<br />
damals 615 Häuser. Was ist<br />
seither neu dazugekommen?<br />
Jeder kann sie selbst sehen,<br />
die schönen Quartiere auf dem<br />
Fiechtenfeld, der Hofmatt, der<br />
Uech, der Hub, an der Luzernstrasse.<br />
Heute (1939 – die<br />
Red.) zählt Huttwil 1054 Häuser,<br />
wovon 439 oder zwei<br />
Fünftel erst nach der Bahneröffnung<br />
entstanden sind. Nahezu<br />
die Hälfte des Städtchens<br />
sehr jungen Datums ist. Im<br />
Jahre 1889 betrug das Grundsteuerkapital<br />
5,238 Millionen.<br />
Heute beträgt es 24,638 Millionen.<br />
Walter Lüthi strebt eine Aufwertung von Huttwil mit Hilfe der S-Bahn an.<br />
Die Bahn als Wachstumsmotor<br />
Verkehrsunternehmungen wie<br />
die Eisenbahn befruchten alle<br />
Zweige des Wirtschaftslebens,<br />
beleben Handel und Wandel<br />
und eröffnen dem Unternehmungsgeist<br />
reiche Aussichten.<br />
Aus einer auf solche Weise aktivierten<br />
Wirtschaft fliessen<br />
der Allgemeinheit neue Einnahmen<br />
in Form von Steuern<br />
jeder Art zu, die das ausgelegte<br />
Aktienkapital reichlich verzinsen,<br />
und hier liegt der Lohn<br />
des Opferwillens, nicht in der<br />
Dividende. Es genügt, dass ein<br />
solcher Betrieb, der ganz öffentlichen<br />
Zwecken dient, sich<br />
selber erhalte. Im Augenblick,<br />
da unter Umständen ein Umbau<br />
unserer Bahn zur Notwendigkeit<br />
wird, mag diese Feststellung<br />
wohl am Platze sein.»<br />
Die Geschichte scheint sich zu<br />
wiederholen. Oder ist es bloss<br />
ein Zufall, dass in Huttwil gerade<br />
in diesen Zeiten überaus<br />
rege Wohnungen gebaut werden,<br />
da 50 Millionen in den<br />
Neubau des Bahnhofes investiert<br />
wurden? Schelme sagen,<br />
in Huttwil sei so viel gebaut<br />
worden, dass wohl nur jede<br />
Wohnung bewohnt werde,<br />
wenn man das bedingungslose<br />
Gratiswohnen einführe. Aber<br />
das sind wirklich Schelme.<br />
10 s’Positive 2 / 2017
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WISSEN<br />
Wie weit sind wir auf dem Weg<br />
ZUM MITTELPUNKT<br />
DER ERDE?<br />
12 s’Positive 2 / 2017
Das Innere der Erde<br />
birgt noch immer<br />
viele Geheimnisse.<br />
TEXT: BRUNO WÜTHRICH<br />
Die tiefste Bohrung ins Erdinnere erreichte<br />
1989 die Tiefe von 12 300 Meter.<br />
Begonnen wurde das Bohrprojekt<br />
1970 auf der russischen Halbinsel Kola.<br />
Bei einem mittleren Erdradius von<br />
6370 Kilometer ist die Bohrtiefe lediglich ein Kratzen<br />
an der Oberfläche. Zum Vergleich: Die Distanz<br />
bis zum Erdmittelpunkt ist rund 100 Kilometer<br />
länger als die Luftlinie von Bern nach New York<br />
City. Es geht also ganz schön weit hinein. Und es<br />
wird sehr, sehr heiss. Ein weiterer Vergleich: Stellen<br />
wir uns die Erde als Apfel vor, dann hätten<br />
wir es bisher nicht einmal fertiggebracht, auch<br />
nur die Schale zu durchstossen. «Der Weg zum<br />
Erdkern bleibt uns für immer verborgen», sagt<br />
der Geochemiker Jürgen Koepke. «Wir werden<br />
eher ferne Planeten erreichen als das, was tief<br />
unter unseren Füssen liegt.» In Gedanken können<br />
Wissenschaftler aber zum Erdmittelpunkt<br />
reisen. Sowohl vom Weg als auch vom Ziel bestehen<br />
klare Vorstellungen. Dank raffinierter<br />
Methoden werden unserem Planeten erstaunliche<br />
Geheimnisse entlockt. Weitere aufsehenerregende<br />
Einblicke werden folgen.<br />
DIE ERSTEN VIER KILOMETER<br />
«Sie stehen jetzt am tiefsten Punkt der Erde»,<br />
steht auf einem Schild, 3612 Meter unter der<br />
Erdoberfläche. Kein Mensch ist jemals tiefer<br />
ins Erdreich vorgedrungen. Zum Vergleich:<br />
Von Zermatt zum Matterhorngipfel hinauf sind<br />
es gut 2800 Meter Höhenunterschied, also<br />
rund 800 Meter weniger. Dieser tiefste Punkt<br />
befindet sich im südafrikanischen Mponeng.<br />
Dort schuften in der Tiefe rund 4000 Arbeiter.<br />
Damit es die Männer so tief unter der Erdoberfläche<br />
aushalten, werden pro Tag hunderte<br />
Tonnen Eis produziert, mit Salz vermischt und<br />
in die Goldmine gepumpt, um die Temperatur<br />
von 55 auf 28 Grad zu senken. Die Mine verbraucht<br />
so viel Strom wie eine Stadt mit 400 000<br />
Einwohnern. Unmengen an Wasser werden hier<br />
durch Rohre gepumpt, und durch das Tunnel-<br />
Labyrinth heult die Belüftung. 380 Kilometer an<br />
Tunnels wurden bereits ins Gestein gefräst –<br />
knapp 50 Kilometer mehr, als beim gesamten<br />
Woher wollen wir wissen, wie es im Innern<br />
der Erde aussieht? Die tiefste je gemachte<br />
Bohrung ins Erdinnere erreichte gerade mal<br />
12 Kilo meter. Die Distanz bis zum Mittelpunkt<br />
derErde beträgt jedoch 6400 Kilometer.<br />
Foto: shutterstock.com/Vadim Sadovski<br />
s’Positive 2 / 2017 13
WISSEN<br />
nur Granit. Dieser wies allerdings eine höhere<br />
Dichte auf als weiter oben, und damit<br />
hatte niemand gerechnet. Dies zeigte den<br />
Forschern, dass keine noch so ausgeklügelte<br />
Theorie über das Innere der Erde eine Bohrung<br />
ersetzen kann. Geplant war, dass das<br />
Bohrloch in Kola auf mehr als 30 Kilometer<br />
Tiefe reichen sollte, also bis an den Rand des<br />
Erdmantels, in den Bereich der Moho. Doch<br />
die hohen Temperaturen bis zu 180 Grad, mit<br />
denen niemand gerechnet hatte, machten der<br />
Bohrung nach 12,2 Kilometern den Garaus.<br />
Das Bohrmaterial, unter anderem Aluminium,<br />
war für solche Temperaturen einfach<br />
nicht geschaffen. Dennoch bleibt die Kola-<br />
Bohrung bis heute eine enorme technische<br />
Leistung.<br />
Bei Vulkanausbrüchen werden nebst Magma auch Stücke vom Mantelgestein<br />
ausgespuckt, die den Forschern wertvolle Informationen liefern.<br />
U-Bahn-System von New York City. Was sind<br />
schon 3,6 Kilometer im Angesicht von 6400<br />
Kilometern bis zum Erdmittelpunkt? Man<br />
frage die Arbeiter. Die werden Auskunft geben<br />
können.<br />
Die hohen Temperaturen von<br />
bis zu 180 Grad, mit denen niemand<br />
gerechnet hatte, machten<br />
der Bohrung nach 12,2 Kilometern<br />
den Garaus.<br />
DIE NÄCHSTEN 46 KILOMETER<br />
Die meisten Erkenntnisse über das Erdinnere<br />
gewinnen Forscher, indem sie Erdbeben<br />
auswerten. Bis zu 50 seismische Erschütterungen<br />
werden täglich weltweit gemessen.<br />
Jedes Beben erzeugt eine Reihe von Schallwellen,<br />
die den gesamten Erdkörper durchziehen.<br />
Ihre niedrigen Frequenzen verunmöglichen<br />
es dem menschlichen Ohr, sie zu<br />
hören. Aber die Messstationen rund um den<br />
Globus regis trieren ihre Laufzeiten, Echos<br />
und Streuungen. Dank ihnen erhalten die<br />
Forscher Aufschluss über die Dichte und die<br />
Art des Gesteins, die sie durchlaufen.<br />
Der kroatische Meteorologe und Geophysiker<br />
Andrija Mohorovicic (1857 – 1936)<br />
machte 1909 eine interessante Entdeckung.<br />
Nach dem Beben von Pokupsko (nahe Zagreb)<br />
vom 8. Oktober 1909 ergaben Messungen<br />
mit dem Seismographen, dass einige<br />
P- und S-Bebenwellen von unterhalb einer<br />
Tiefe von 50 Kilometern später eintrafen als<br />
erwartet. Dafür gab es nur eine Erklärung:<br />
Das tiefer gelegene Gestein musste dichter<br />
(fester) sein, als das Material darüber.<br />
Diese Erkenntnis warf die bisherigen Vermutungen<br />
über den Haufen. Bis anhin beschäftigten<br />
sich die Wissenschaftler lediglich<br />
mit der Erdkruste, also mit der Oberfläche<br />
unseres Planeten. Doch wenn man 30 bis 50<br />
Kilometer ins Erdinnere vordringen<br />
könnte, würde man auf eine<br />
vollkommen andere Schicht treffen<br />
– den Erdmantel. Die Grenze<br />
zwischen der Kruste und dem<br />
Mantel wird heute Mohorovicic-<br />
Diskontinuität – oder kurz Moho<br />
– genannt.<br />
Doch nicht immer gelingt es,<br />
aus seismischen Messungen die<br />
richtigen Schlüsse zu ziehen. So<br />
zum Beispiel auf der russischen<br />
Halbinsel Kola. Dort zeigten Erdbebenwellen<br />
in einer Tiefe zwischen drei und sechs<br />
Kilometern auffällige Veränderungen. Die<br />
Forscher schlossen daraus, dass anstelle von<br />
Granit , wie es weiter oben vorkommt, eine<br />
schwerere Basaltschicht vorhanden sein<br />
muss. Erst bei einer Bohrung stellte man<br />
fest: Es gab keinen Basalt. Sondern immer<br />
WEITERE 250 KILOMETER<br />
Die Entfernung zwischen Europas West- und<br />
Amerikas Ostküste nimmt jedes Jahr um zehn<br />
Zentimeter zu. Während sich also der Atlantik<br />
kontinuierlich vergrössert, schrumpft auf<br />
der anderen Seite des Globus der Pazifik.<br />
Indien verschiebt sich allmählich unter das<br />
Himalaja-Gebirge. Ein Teil des oberen Erdmantels<br />
ist deshalb für die Wissenschaft sehr<br />
interessant. Dort befindet sich eine Art Motor,<br />
der Kontinente verschiebt und Erdbeben<br />
erzeugt. Man nennt diesen Bereich Asthenosphäre.<br />
Sie beginnt etwa 100 Kilometer unter<br />
der Erdoberfläche und dürfte etwa 200<br />
Kilometer dick sein.<br />
Da sich die darauf liegende Erdkruste<br />
bewegt, wissen die Forscher, dass die Asthenosphäre<br />
nicht aus starrem Gestein bestehen<br />
kann. Sie vermuten eine zähe Masse,<br />
unter welcher – in tieferen Schichten – ein<br />
hoher Druck existieren muss. Zusammen mit<br />
der Restwärme, die noch von der Erdentstehung<br />
übriggeblieben ist, bewirkt dieser<br />
Druck, dass sich Gesteinsmaterial erhitzt. Es<br />
dehnt sich aus und steigt empor, wodurch<br />
nicht nur die Asthenosphäre in Bewegung<br />
gerät, sondern auch die auf ihr liegenden<br />
Kontinentalplatten.<br />
Geraten bei solchen Verschiebungen zwei<br />
grosse Erdplatten gegeneinander, bebt die<br />
Erde. Die Entladung der auftretenden Spannungen<br />
liefert den Forschern nützliche Daten<br />
aus dem Erdinneren.<br />
Daten sind jedoch nicht alles, was die Wissenschaft<br />
benötigt. Gebraucht wird auch<br />
handfestes Material, das man betrachten und<br />
analysieren kann. Geliefert wird dieses bei<br />
Vulkanausbrüchen, bei denen Stücke von<br />
Mantelgestein mitgerissen und ausgespuckt<br />
werden.<br />
DIE NÄCHSTEN 2700 KILOMETER<br />
Eine Vulkaneruption in Brasilien förderte vor<br />
zwei Jahren einen winzigen Diamanten an<br />
die Oberfläche. Wissenschaftler fanden<br />
Foto: shutterstock.com/KalypsoWorldPhotography<br />
14 s’Positive 2 / 2017
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Zurzeit ist eine Tiefenbohrung geplant.<br />
«Ein Stück vom Erdmantel heraufzuholen,<br />
wäre ein geologischer<br />
Schatzfund wie das Mondgestein»,<br />
sagt ein beteiligter Forscher.<br />
darin das Mineral Ringwoodit. Zuvor hatte<br />
man dieses nur in Meteoriten gefunden.<br />
Weil Diamanten wie auch Ringwoodit nur<br />
unter grossem Druck entstehen können, gehen<br />
die Forscher davon aus, dass das Fundstück<br />
aus rund 500 Kilometern Tiefe stammt<br />
– aus der Übergangszone zwischen dem<br />
oberen und unteren Erdmantel. Doch der<br />
drei Millimeter grosse Krümel enthielt auch<br />
1,4 Prozent Wasser. Und dies war die eigentliche<br />
Sensation.<br />
Die Entdeckung deutet darauf hin, dass<br />
es in der unteren Übergangszone des Erdmantels<br />
riesige Mengen von eingeschlossenem<br />
Wasser geben könnte. Im Gestein des<br />
Erdmantels könnte sogar dreimal so viel<br />
Wasser gebunden sein wie in allen Ozeanen<br />
zusammen. Doch es braucht nicht immer<br />
Vulkanausbrüche, manchmal fördert die<br />
Erde auch auf unspektakuläre Weise interessantes<br />
Material aus ihrem Innern zutage.<br />
Zum Beispiel Serpentinite, welche unter<br />
anderem auch in den Schweizer Alpen gefunden<br />
werden. Serpentinit ist umgewandeltes<br />
Magma-Gestein, das aus ultrabasischem<br />
Tiefengestein hervorging. Vor Millionen<br />
von Jahren noch zum Erdmantel unter<br />
dem Ozean gehörend,<br />
wird es durch tektonische<br />
Prozesse nach<br />
oben gehoben.<br />
Im arabischen Hadjar-Gebirge,<br />
im Oman,<br />
findet man derartiges<br />
Material. Für Wissenschaftler<br />
eine Fundgrube.<br />
Aber das Gestein ist<br />
Millionen von Jahren alt<br />
und stark verwittert.<br />
Zudem wurde es mit der Zeit mit einer grösseren,<br />
unbekannten Menge von Kohlenmonoxyd<br />
versetzt. Die Forscher wünschen sich<br />
deshalb, einmal frisches, unbelastetes Mantelmaterial<br />
untersuchen zu können. Nötig<br />
dafür ist eine Tiefenbohrung! Eine solche<br />
Bohrung wird derzeit geplant.<br />
Einer der beteiligten Forscher, der Brite<br />
Damon Teagle sagt: «Ein Stück vom Erdmantel<br />
heraufzuholen, wäre ein geologischer<br />
Schatzfund wie das Mondgestein.»<br />
Doch wie wollen die Forscher verhindern,<br />
dass sie nicht wie bei der Kola-Bohrung auf<br />
halbem Weg zum Erdmantel steckenbleiben?<br />
Sie machen sich eine geologische Besonderheit<br />
zunutze: Die Moho liegt zwar<br />
unerreichbare 30 – 60 Kilometer tief unter<br />
Das japanische<br />
Schiff Chikyu<br />
besitzt einen<br />
130 Meter hohen<br />
Bohrturm.<br />
dem Festland der Kontinente, aber an manchen<br />
Stellen findet man sie nur vier Kilometer<br />
unter dem Meeresboden. Die Bohrung<br />
soll deshalb von einem Schiff aus erfolgen.<br />
Auf der ganzen Welt gibt es nur ein Schiff,<br />
das sich für dieses Projekt eignet. Die «Chikyu»<br />
aus Japan. Sie verfügt über einen 130<br />
Meter hohen Bohrturm, in dem ein Elektromotor<br />
das bis zu zehn Kilometer lange Bohrgestänge<br />
antreibt.<br />
Die Forscher hoffen, an der Grenze zwischen<br />
Erdkruste und Erdmantel mehr als nur<br />
Erkenntnisse über altes Gestein zu gewinnen.<br />
Existiert unter dem gigantischen Druck<br />
der Masse und in grosser Hitze vielleicht gar<br />
Leben? Ausgeschlossen ist es nicht. Auf dem<br />
Meeresboden wurden schon Bakterien gefunden,<br />
die mehr als 120 Grad aushalten.<br />
Andere Mikroben halten elf Kilometer unter<br />
Wasser einen Druck von 1000 Bar aus. Mehr<br />
noch: Sie brauchen ihn sogar, um existieren<br />
zu können.<br />
IN 3000–5000 KILOMETERN TIEFE<br />
Die Grenzschicht zwischen unterem Erdmantel<br />
und äusserem Erdkern wird «D-<br />
Schicht» genannt. Sie ist rund 200 Kilometer<br />
dick und liegt in ungefähr 3000 Kilometer<br />
Tiefe. Druck und Temperatur steigen hier<br />
drastisch an. Experten sprechen von 5000<br />
Grad Celsius. Hier beginnt das Gestein flüssig<br />
zu werden.<br />
Es besteht vor allem aus den Elementen<br />
Nickel und Eisen. In dieser elektrisch leitenden<br />
Flüssigkeit, die kaum zäher als Wasser<br />
ist, können sich durch Fliessbewegungen<br />
elektrische Ströme verstärken und Magnetfelder<br />
ausbilden. Hier entsteht das Erdmagnetfeld.<br />
Der äussere Erdkern reicht bis in<br />
eine Tiefe von etwa 5150 Kilometern.<br />
Wie geht man vor, etwas zu erkunden,<br />
an das man nie herankommen<br />
wird? Die Wissenschaftler versuchen gar<br />
nicht erst, dem Erdkern möglichst nahe<br />
zu kommen, sondern erkunden ihn vom<br />
Weltraum aus. Sie profitieren dabei von den<br />
jüngsten Erkenntnissen der Astrophysik.<br />
Drei Satelliten der europäischen Weltraumorganisation<br />
ESA umkreisen die Erde<br />
derzeit im Verbund. Jeder ist ausgerüstet mit<br />
mehreren Sensoren, die das Magnetfeld der<br />
Erde im Visier haben. Die Mission «Swarm»<br />
(Schwarm) soll bis Ende 2017 laufen.<br />
Eine erste Zwischenbilanz zeigt, dass sich<br />
das Magnetfeld, das unseren Planeten vor<br />
kosmischer Strahlung und Sonnenstürmen<br />
schützt, sich allmählich abschwächt. Rätselhaft<br />
ist jedoch, dass dies nicht für jede Region<br />
gilt. Zum Beispiel im südlichen Indischen<br />
Ozean wird das Magnetfeld stärker. Die Vorgänge<br />
tief im Erdinneren, an der Grenze<br />
zwischen Mantel und Kern, sind für die Wis-<br />
Foto: wikipedia.com/Gleam<br />
16 s’Positive 2 / 2017
WIR BESCHRIFTEN:<br />
BESCHRIFTUNGEN<br />
FAHRZEUGE<br />
FASSADEN<br />
WERBETAFELN<br />
SCHAUFENSTER | BANNER<br />
ROLLUPS | WANDTATTOOS<br />
BEACHFLAGS | PVC-KLEBER<br />
Langenthal<br />
062 530 00 50<br />
www.xseh.ch
WISSEN<br />
ZUSATZINFOS<br />
Erkenntnisse aus dem Weltraum<br />
Mit Hilfe von Satelliten wurden in<br />
den letzten Jahren die ersten –<br />
noch unvollständigen – dreidimensionalen<br />
Vermessungen des Erdmagnetfeldes<br />
gemacht. Das<br />
Swarm-Trio soll alle bisher bekannten<br />
Daten hinsichtlich der Qualität<br />
sowie der zeitlichen und räumlichen<br />
Genauigkeit toppen. Die von<br />
den Satelliten gelieferten Messungen<br />
von Stärke, Ausrichtung und<br />
Schwankungen des Erdmagnetfelds<br />
sowie Messungen der elektrischen<br />
Feldstärke bilden die Basis, um<br />
verschiedene Quellen des Erdmagnetfelds<br />
unterscheiden und in<br />
Modellen erklären zu können.<br />
Durch die Kombination mit Daten<br />
anderer Weltraummissionen wie<br />
Cluster (ESA), CHAMP (Deutschland)<br />
oder STEREO (USA) erhoffen<br />
sich die Wissenschaftler neue Erkenntnisse<br />
zur Entwicklung des<br />
Erdmagnetfeldes und seinen komplexen<br />
Wechselwirkungen mit<br />
der Ionosphäre, den oberen<br />
Atmosphärenschichten, der solaren<br />
Partikelstrahlung (Sonnenwind)<br />
sowie deren möglichen<br />
Einfluss auf das Klima.<br />
Mit Hilfe von<br />
Satelliten wird das<br />
Innere der Erde<br />
erforscht.<br />
senschaftler immer noch mysteriös. Ihre Vorstellung:<br />
Je näher sich Material am Erdmittelpunkt<br />
befindet, desto grösserem Druck ist es<br />
ausgesetzt, und desto dichter ist es. Der<br />
Dichteunterschied zwischen Erdmantel und<br />
Kern ist vermutlich sogar grösser als der<br />
zwischen Luft und Erdoberfläche.<br />
DER FESTE, INNERE ERDKERN<br />
An der Grenze vom äusseren zum inneren<br />
Erdkern ist es offenbar noch um 1000 Grad<br />
heisser, als die Wissenschaft lange Zeit<br />
angenommen hatte. Französische Forscher<br />
fanden dies bei einem Experiment<br />
heraus. Dabei wurde ein Eisenteilchen<br />
mit zwei spitzen Diamanten mit einem<br />
Druck zusammengepresst, der zwei Millionen<br />
Mal höher ist als der Luftdruck<br />
auf der Erde. Gleichzeitig erhitzte ein<br />
Laser das Eisenteilchen so lange, bis es<br />
schmolz. Dies geschah bei einer Temperatur<br />
von rund 4800 Grad. Der Schmelzpunkt<br />
von Eisen liegt normalerweise bei<br />
1538 Grad. Einen weiteren Anstieg<br />
hätte die Apparatur nicht verkraftet.<br />
Hochrechnungen ergaben indes, dass<br />
an der Grenze zwischen äusserem und<br />
innerem Erdkern Temperaturen von<br />
6300 Grad herrschen müssen.<br />
Bei dieser Temperatur und einem<br />
Druck wie an der Erdoberfläche von 1<br />
Bar wäre Eisen ein Gas. Im Mittelpunkt<br />
der Erde (in 6378 Kilometern Tiefe)<br />
herrschen jedoch 3,5 Millionen Bar<br />
Druck, und selbst bei einer Temperatur<br />
von 5000 Grad bilden Nickel und Eisen<br />
dann eine feste Metallkugel, die rotiert.<br />
Doch ganz so homogen, wie man<br />
lange Zeit annahm, ist diese Kugel<br />
nicht. Bei der von US-Forschern durchgeführten<br />
Analyse von Erdbeben-Nachschwingungen<br />
kam heraus, dass die<br />
Verlaufsform der Wellen sich innerhalb<br />
des Kerns verändern. Daraus lässt sich<br />
schliessen, dass nur im unmittelbaren<br />
Zentrum eine homogene Kugel existiert.<br />
Der restliche innere Erdkern muss anders<br />
strukturiert sein.<br />
Nichts in der Erde ist von Dauer. Wenn<br />
eines Tages der flüssige Brei im äusseren<br />
Erdkern erstarrt sein wird, wird unser Planet<br />
kein schützendes Magnetfeld mehr<br />
haben. Bis dahin kommt es auch in höher<br />
gelegenen Erdzonen immer wieder zu Umwandlungsprozessen.<br />
Gesteine werden in<br />
tiefere Lagen befördert, um Millionen Jahre<br />
später wieder aufzutauchen. Neue Gebirge,<br />
Schluchten und Täler werden entstehen. Ob<br />
der Mensch dann noch existieren wird?<br />
Quellen:<br />
PM, Ausgabe 07/2016,<br />
planet-wissen.de, ESA<br />
Foto: shutterstock.com/AzmanMD<br />
18 s’Positive 2 / 2017
Campus Perspektiven I Schwarzenbach Dörfli 6 I 4953 Schwarzenbach (Huttwil)<br />
Campus Perspektiven I Schwarzenbach Dörfli 6 I 4953 Schwarzenbach (Huttwil)<br />
EISSAISONENDE<br />
Sonntag, 12. März 2017<br />
Sonntag, 12. März 2017<br />
9:00 - 15:00<br />
9:00 - 15:00<br />
FREIER<br />
FREIER<br />
EISLAUF<br />
EISLAUF<br />
Das letzte Mal<br />
Das letzte Mal<br />
in dieser Saison!<br />
in dieser Saison!<br />
11:00<br />
11:00<br />
PLAUSCHMATCH<br />
PLAUSCHMATCH<br />
Huttu High Flyers vs. SV Heimisbach<br />
Huttu High Flyers vs. SV Heimisbach<br />
16:00 - 17:00<br />
16:00 - 17:00<br />
SCHAULAUFEN<br />
SCHAULAUFEN<br />
Skating Club Huttwil<br />
Skating Club Huttwil<br />
RESTAURANT<br />
RESTAURANT<br />
Campus Perspektiven<br />
Campus Perspektiven<br />
ab 10:00<br />
ab 10:00<br />
SPORTBAR<br />
SPORTBAR<br />
300er Club<br />
300er Club
WUSSTEN SIE SCHON?<br />
DER AM MEISTEN VERWENDETE BAUSTOFF<br />
Lehm ist Weltmeister<br />
Mehr als ein Drittel aller Menschen weltweit<br />
wohnen in Häusern, die aus Lehm gebaut<br />
sind. Ob Siedlungen in Marokko wie Aït-Ben-<br />
Haddou (Bild), die Pueblos der Indianer in<br />
Mexiko, die vielstöckigen Häuser im Jemen<br />
oder die Rundbauten in der chinesischen<br />
Provinz Fujian – überall wurde und wird<br />
Lehm als Baustoff verwendet. Selbst die<br />
gros se Moschee von Djenné in Mali mit einer<br />
Innenfläche von 3200 Quadratmetern ist aus<br />
Lehmziegeln gebaut.<br />
In Europa erlebt dieses preiswerte, ökologisch<br />
unstrittige und im grossen Umfang<br />
zur Verfügung stehende Naturmaterial seit<br />
WUSSTEN<br />
SIE SCHON?<br />
geraumer Zeit eine Renaissance. Es gibt<br />
Lehm putz, Lehmfarben, Lehmwände und<br />
sogar Dämmplatten aus Lehm. Diese Rückbesinnung<br />
auf den vielseitigen Baustoff hat<br />
mit den interessanten Eigenschaften des<br />
Materials zu tun. Weil Lehm viel Feuchtigkeit<br />
aufnehmen und auch dosiert wieder<br />
abgeben kann, reguliert es die Luftfeuchtigkeit<br />
in Wohnräumen. Er absorbiert Gerüche<br />
und bindet Schadstoffe, er speichert die<br />
Wärme des Tages und gibt sie in<br />
der Nacht wieder ab. Zudem<br />
schützt Lehm mit seinem<br />
Feuchtigkeitsgehalt von etwa<br />
fünf Prozent das verbaute Holz. Denn<br />
weil pflanzliche und tierische Schädlinge<br />
einen Wassergehalt von 8–16 Prozent benötigen,<br />
wird ihnen mithilfe von Lehm die Lebensgrundlage<br />
entzogen. Lehm ist ausserdem<br />
elektrostatisch neutral und zieht deshalb<br />
keine Schmutz- oder Staubpartikel an.<br />
Einziger Nachteil: Lehm ist nicht wasserfest<br />
und muss deshalb vor Wasser geschützt<br />
werden. Die klassische Variante: Offenporiger<br />
Kalkputz lässt das Regenwasser<br />
ablaufen und entlässt<br />
gleichzeitig die Raumluftfeuchte<br />
ins Freie.<br />
1<br />
20 s’Positive 2 / 2017
BARFUSS IM WINTER<br />
Vögel frieren nicht an den Füssen<br />
Vögel haben von Natur aus kalte Füsse. Das<br />
ist, auf einen einfachen Nenner gebracht, der<br />
Grund, weshalb Vögel auch im Winter nicht<br />
an ihre Füsse frieren. Während wir Menschen,<br />
wenn wir im Winter in der Kälte herumstehen,<br />
trotz warmer Socken und isolierenden<br />
Schuhen bald einmal an die Füsse<br />
frieren, bekommen Amseln und Blaumeisen<br />
keine Frostbeulen, wenn sie barfuss im<br />
Schnee und auf Eis herumlaufen. Vögel empfinden<br />
die Aussenkälte nicht als störend und<br />
frieren nicht auf zugefrorenen Teichen fest.<br />
Im Vogelorganismus herrscht ein enormes<br />
Temperaturgefälle. Oben sorgt das dichte<br />
Gefieder für wohlige Temperaturen bis 40<br />
Grad. Die Fusssohlen weisen jedoch dank<br />
dem sogenannten Wundernetz nicht einmal<br />
1 Grad auf. Im Wundernetz sorgen viele feine<br />
Blutgefässe im Gegenstromprinzip dafür,<br />
dass das Blut, das vom Herzen kommt, für<br />
die Füsse abgekühlt wird. Gleichzeitig wird<br />
2<br />
das kühle Blut, das von den Füssen kommt,<br />
vom absteigenden Blut wieder erwärmt.<br />
Das funktioniert, weil die Blutgefässe in<br />
den Beinen vielfältig und trickreich miteinander<br />
vernetzt sind. Die Bezeichnung «Wundernetz»<br />
ist also zutreffend. Hinzu kommt,<br />
dass Vögel an den Füssen weniger Nerven<br />
haben. Da der Frost an den Füssen für Vögel<br />
nicht gefährlich ist, muss das Nervensystem<br />
sie nicht vor Erfrierungen warnen.<br />
KEIN ALKOHOL IM SPIEL<br />
Wie entstehen «Nebensonnen»?<br />
Fotos: Shutterstock.com/Ivoha, Aleksandrov Ilia, cdbr225<br />
Ganz schön perfid, wenn man ein oder zwei<br />
Gläser getrunken hat, und dann doppelt,<br />
sondern sogar dreifach sieht. Oder wenn<br />
man sich, völlig nüchtern, auf einem anderen<br />
Planeten wähnt, weil plötzlich drei Sonnen<br />
am Himmel stehen. Wie kann das sein?<br />
Die beiden Zusatzsonnen erscheinen bei<br />
einem speziellen Lichteffekt jeweils in einem<br />
Winkel von 22 Grad links und rechts von der<br />
echten Sonne, leuchten aber deutlich schwächer.<br />
Diese Nebensonnen entstehen, wenn<br />
sich das Sonnenlicht an Eiskristallen in der<br />
Atmosphäre bricht und spiegelt. Dünne, hexagonal<br />
geformte Eisplättchen richten sich<br />
in ruhiger Luft waagerecht aus und wirken<br />
dann wie Prismen: An der Seite des Prismas<br />
tritt das weisse Sonnenlicht ein und an der<br />
übernächsten wieder aus. Dabei wird es je<br />
nach Wellenlänge in einem bestimmten Winkel<br />
gebrochen, so dass die Nebensonnen<br />
einen Farbverlauf erhalten, der an einen<br />
Regenbogen erinnert. Das Phänomen kann<br />
überall auf der Welt auftreten und ist meistens<br />
bei leichter Schleierbewölkung zu sehen.<br />
Manchmal zeigt sich auch nur eine Nebensonne.<br />
Die englische Bezeichnung für das<br />
Phänomen lautet «Sun Dogs»: Sonnen, die<br />
wie zwei Hunde rechts und links nicht von<br />
der echten Sonne weichen.<br />
3<br />
s’Positive 2 / 2017 21
OBERAARGAU<br />
VOM IMPERIUM<br />
zum Verwaltungsbezirk<br />
Oberaargau? Einem Fremden diesen<br />
Begriff zu erklären ist überaus<br />
schwierig. Wie soll denn<br />
einer verstehen, dass eine Gegend,<br />
die einen Kanton in ihrem<br />
Namen trägt (Aargau) mit diesem Kanton<br />
nichts zu tun hat? Das ist so, als ob es einen<br />
Landesteil «Oberbern»gäbe, der aber mit<br />
Bern nichts am Hut hätte.<br />
Die einfachste Erklärung: Der Oberaargau<br />
besteht aus dem Verwaltungskreis<br />
Oberaargau. Bis 2009 bestand er aus den<br />
beiden bernischen Amtsbezirken Wangen<br />
und Aarwangen. Die heute zum Verwaltungskreis<br />
Oberaargau gehörenden Gemeinden<br />
Eriswil, Huttwil, Walterswil und Wyssa-<br />
chen sind «umgezont» worden: Sie gehörten<br />
vorher zum Amtsbezirk Trachselwald und<br />
damit zum Verwaltungskreis Emmental.<br />
Diese «Umzonung» ist ein erster Hinweis<br />
darauf, wie schwierig es ist, den Oberaargau<br />
zu definieren. Es gibt zwei weitere Beispiele<br />
für die Schwierigkeit, zwischen Oberaargau<br />
und dem Emmental zu unterscheiden. Im<br />
Schwingen ist das Bernbiet in die Gaue Oberland,<br />
Mittelland, Seeland, Emmental, Jura<br />
und Oberaargau aufgeteilt. Zum oberaargauischen<br />
Schwingerverband gehören die<br />
Schwingklubs von Herzogenbuchsee, Burgdorf,<br />
Kirchberg, Langenthal, Huttwil, Niederbipp<br />
und Limpach. Burgdorf, das Tor zum<br />
Emmental? Ja, so ist es. Deshalb dürfen die<br />
Mitglieder des Schwingklub Burgdorf für<br />
den emmentalischen oder den oberaargauischen<br />
Gauverband ins Sägemehl steigen. Im<br />
Volk der Schwinger gilt: Wer sich vom Emmental,<br />
von Oberburg her Burgdorf nähert,<br />
befindet sich im Emmental. Wer Burgdorf<br />
Richtung Zürich verlässt, befindet sich im<br />
Oberaargau.<br />
Das Eidgenössische Schwingfest von 2013<br />
war ein gemeinsames Werk der Emmentaler<br />
und der Oberaargauer – von aussen wurde<br />
es jedoch als ein Fest der Emmentaler wahrgenommen.<br />
Ein «Doppel leben» zwischen<br />
Oberaargau und Emmental fristet seit allen<br />
Zeiten Huttwil im oberen Tal der Langeten.<br />
Huttwil gehörte zum Amtsbezirk Trachsel-<br />
Fotos: Marcel Bieri<br />
22 s’Positive 2 / 2017
Der Oberaargau ist ein<br />
unbekanntes Wesen:<br />
Auf der Spur von Menschen<br />
und Geschichten in den «Highlands»<br />
der Schweiz. TEXT: KLAUS ZAUGG<br />
Blick auf die Alpen:<br />
Von Wiedlisbach<br />
ins Bipperamt,<br />
Oberaargau.<br />
wald, also politisch zum Emmental. Auch im<br />
Poststempel hiess es: «Das Blumenstädtchen<br />
im Emmental». Inzwischen gehört Huttwil<br />
zum Verwaltungsbezirk Oberaargau.<br />
Wir ahnen: den Oberaargau auf den Verwaltungsbezirk<br />
Oberaargau einzugrenzen,<br />
wäre etwa so sinnvoll, wie den Kanton<br />
Schwyz als ganze Schweiz auszugeben.<br />
Der Oberaargau bildet keine «ethnische<br />
Einheit» wie das Emmental oder das Berner<br />
Oberland und der Oberaargau ist auch kein<br />
Sehnsuchtsort wie das Emmental. Es gibt wie<br />
selbstverständlich den Emmentaler und den<br />
Oberländer. Aber den Oberaargauer? Es gibt<br />
nur wenig Gemeinsamkeiten zwischen einem<br />
Bauern aus dem oberen Tal der Langeten<br />
und einem Industriearbeiter aus Niederbipp.<br />
Wenn einer sagt, er sei Emmentaler<br />
oder Oberländer, leuchtet bei seinem Gegenüber<br />
Verständnis in den Augen auf. Aber mit<br />
dem Begriff «Oberaargauer» stiften wir eher<br />
Verwirrung. Aargauer sind wir ja nicht.<br />
Was also ist der Oberaargau? Um eine<br />
Antwort zu finden, müssen wir tief in die<br />
Geschichte eintauchen und viel Literatur<br />
durchforsten. In der grossen Gesamtdarstellung<br />
des Kantons Bern gibt uns Hans-Rudolf<br />
Schmid eine gute Definition:<br />
«Der Oberaargau gehört – wir sagen es<br />
gleich – zum Kanton Bern. «Aargau» – das<br />
war in alten Zeiten ein viel weiterer Begriff<br />
als heute. Er war einstmals der Gau der Aare,<br />
das Einzugsgebiet unseres grössten Mittellandgewässers,<br />
das an der Grimsel entspringt<br />
und bei Koblenz dem Rhein zufliesst.»<br />
Wow! Von der Grimsel bis nach Koblenz.<br />
Ein mächtiger, grosser «Gross-Oberaargau».<br />
Beinahe ein Imperium. Wir Oberaargauer<br />
dürfen uns also fast fühlen wie die Briten,<br />
die einst auch ein weltumspannendes Imperium<br />
besassen und nun auf eine Insel reduziert<br />
werden. Wir lesen bei Hans-Rudolf<br />
Schmid weiter: «Noch im Mittelalter hat man<br />
die Gegend von Thun zum Aargau gerechnet,<br />
später wenigstens noch Burgdorf und<br />
Fraubrunnen. Ein so grosses Gebiet mochte<br />
freilich eine Unterscheidung zwischen<br />
s’Positive 2 / 2017 23
OBERAARGAU<br />
ZUSATZINFOS<br />
Das Geheimnis hinter den stattlichen Bauernhöfen<br />
Warum gibt es in keiner anderen<br />
Landesgegend so viele<br />
stattliche, mittelgrosse Bauernhöfe<br />
wie im Emmental und<br />
im Oberaargau, die das Landschaftsbild<br />
derart prägen?<br />
Die Antwort auf diese Frage<br />
finden wir im alten Erbrecht,<br />
das den Hof stets dem jüngsten<br />
Sohn um billigen Preis zusprach.<br />
Nicht dem ältesten –<br />
denn wenn der älteste den Hof<br />
hätte übernehmen können,<br />
war der Vater noch lange nicht<br />
alt genug, um sich ins Stöckli<br />
zurückzuziehen. Die älteren<br />
Geschwister wurden durch<br />
meist schäbige Auszahlungen<br />
abgefunden und gingen. Oder<br />
sie zogen es vor, als ledige<br />
Söhne oder Töchter zeitlebens<br />
als Knechte oder Mägde auf<br />
dem Hof zu arbeiten. Bedingt<br />
war dieses Erbrecht durch die<br />
Bewirtschaftungsart der Höfe.<br />
Der Getreidebau und die oft<br />
steilen Zufahrten zu den Bauernhäusern<br />
verlangten unbedingt<br />
«den Zug». Also das Halten<br />
von Pferden oder Zugochsen.<br />
Wäre der Boden durch<br />
Erbteilung zu stark zerstückelt<br />
worden, so hätten die zu<br />
kleinen Bauerngüter keine<br />
Zugtiere mehr zu halten<br />
erlaubt. Die gründliche<br />
und intensive<br />
Bearbeitung des<br />
Die typischen<br />
stattlichenBauernhöfe<br />
prägen das Landschaftsbild<br />
im<br />
Emmental und<br />
Oberaargau.<br />
Bodens wäre vernachlässigt<br />
und dadurch seine Ertragsfähigkeit<br />
bedeutend herabgemindert<br />
worden.<br />
Auswanderung gefördert<br />
Es lag im Interesse einer richtigen<br />
Bewirtschaftung, den<br />
Hof in einem gewissen Umfang<br />
zu erhalten, ihm Getreide,<br />
Kartoffelland, Matten und<br />
Heuwiesen sowie etwas Wald<br />
zu sichern, damit die Arbeitskraft<br />
das ganze Jahr hindurch<br />
genügend Betätigung fand und<br />
die Existenz gesichert<br />
war. Den Ausweg,<br />
den man anderorts<br />
durch die<br />
Einführung<br />
einer Hausindustrie<br />
(Heimarbeit),<br />
wie<br />
der Uhrmacherei<br />
im Jura<br />
oder der Stickerei<br />
und Weberei in<br />
der Ostschweiz fand,<br />
lag dem Oberaargauer und<br />
dem Emmentaler nicht. Dazu<br />
war und ist er zu sehr Landwirt<br />
mit Leib und Seele. Entweder<br />
Bauer oder Industriearbeiter.<br />
Die starke Bevorzugung des<br />
jüngsten Sohnes hatte auch<br />
Nachteile. Die älteren Geschwister<br />
waren zur Auswanderung<br />
in Gegenden gezwungen,<br />
wo sie Arbeit in der sich<br />
im vorletzten Jahrhundert<br />
rasch entwickelnden Industrie<br />
fanden. Heute haben mehr als<br />
ein Drittel aller Schweizer ihre<br />
Wurzeln im Emmental oder im<br />
Oberaargau. Aber nicht alle<br />
fanden ihr Glück in der Fremde.<br />
Viele kehrten verarmt in<br />
die Heimat zurück und die Folge<br />
war eine drückende Armenlast<br />
der Heimatgemeinden. Die<br />
Lösung der Armenfrage beschäftigte<br />
den bernischen<br />
Staat in den 1800er Jahren<br />
stark. 1898 wurde schliesslich<br />
entschieden, dass die Unterstützung<br />
der Armen, die vor<br />
ihrer Rückkehr mindestens<br />
zwei Jahre ausserhalb des<br />
Kantons gelebt hatten, vom<br />
Staat (also vom Kanton) bestritten<br />
werden sollte. Heute<br />
gibt es eine noch einfachere<br />
Lösung: Nicht mehr die Heimat-,<br />
sondern die Wohnortsgemeinde<br />
ist für die Sozialfürsorge<br />
zuständig.<br />
Das Schweizerische Zivilgesetzbuch,<br />
das am ersten<br />
Januar 1916 in Kraft trat, hat<br />
das Erbvorrecht des jüngsten<br />
Sohnes ausser Kraft gesetzt.<br />
24 s’Positive 2 / 2017
Der vielfältige<br />
Oberaargau.<br />
Links: Huttwil. Rechts<br />
oben: Rohrbach,<br />
Niederauswil;<br />
unten Reisiwil.<br />
«Oben» und «Unten» ertragen. So reichte der<br />
Unteraargau von der Mündung der Aare in<br />
den Rhein bis hinauf zur Einmündung der<br />
Rothmurg. Dort begann der Oberaargau.<br />
Daran erinnert heute noch der Name des<br />
Flüsschens. Denn «Murg» bedeutet Grenze.<br />
Im weiten Sinne nennt man die Gegend zwischen<br />
Solothurn und Willsau, Aarburg und<br />
Burgdorf den Oberaargau. Also das Mittelstück<br />
des schweizerischen Mittellandes,<br />
dort, wo die Voralpen am weitesten gegen<br />
den Jura hinausragen.»<br />
Nun wissen wir, wo der Oberaargau zu<br />
finden ist. Und dass wir mit dem Kanton<br />
Aargau nichts zu schaffen haben. Der<br />
Oberaargau ist ein Teil des Schweizerischen<br />
Mittellandes, ist bernisch und grenzt an die<br />
Kantone Solothurn, Aargau und Luzern. Im<br />
Süden wird der Oberaargau vom Napfbergland<br />
begrenzt, im Norden vom Jura. Der<br />
höchste Punkt ist mit 1231 Metern das<br />
Höllchöpfli (Gemeinde Rumisberg) und der<br />
tiefste mit 405 Metern über Meer liegt an der<br />
Aare bei Wynau.<br />
Der Oberaargau ist Durchgangsland.<br />
Nicht nur die Aare durchzieht ihn von West<br />
nach Ost, sondern auch die Autobahn A 1<br />
und die Bahnstrecke Bern–Zürich. Die wichtigsten<br />
Zentren des Oberaargaus finden wir<br />
an dieser Bahnlinie. Die Stadt Langenthal<br />
und das Dorf Herzogenbuchsee. An beiden<br />
Orten halten Züge von Bern nach Zürich.<br />
Wir finden reichlich Literatur über das<br />
Emmental und das Oberland. Aber nur verhältnismässig<br />
wenige Beschreibungen des<br />
Oberaargaus. Eine der besten liefert uns<br />
wiederum Hans-Rudolf Schmid. Sie ist inzwischen<br />
mehr als 70 Jahre alt – und doch<br />
immer noch so treffend.<br />
VERMITTLER ZWISCHEN KULTUREN<br />
«Der Oberaargau ist ein Grenzland. Das Gebiet<br />
war also immer zugleich nach Westen<br />
und nach Osten orientiert. Denn hier haben<br />
sich zwei Kulturkreise überschnitten: Der<br />
alemannische und der burgundische, ehe die<br />
mächtige Stadt Bern das Land an sich zog.<br />
Durch seine Mittelstellung innerhalb der<br />
schweizerischen Hochebene ist der Oberaargau,<br />
auch wenn er keine grosse Stadt hervorgebracht<br />
hat, zu einem Vermittler zwischen<br />
westlicher und östlicher Lebensart und<br />
Kultur geworden. Die eigentlichen heutigen<br />
Zentren des Oberaargaus sind Herzogenbuchsee<br />
und Langenthal, zwei stattliche<br />
Dörfer und bedeutungsvolle Marktflecken.<br />
Langenthal liegt an einem Knoten von sechs<br />
Landstrassen und fünf Bahnlinien. Fleiss und<br />
Wohlhabenheit reichen sich da die Hand,<br />
und die Musen haben hier – nicht nur im<br />
hübschen kleinen Theater – ein Heim. Blühende<br />
Industrien zeugen von Unternehmergeist<br />
und Geschicklichkeit. Die Erzeugnisse<br />
Langenthals reichen von Senf bis zur Leinwand<br />
und zum Porzellan. Herzogenbuchsee<br />
ist etwas weniger gross an Umfang, aber man<br />
rühmt seine Schulen und seinen Gewerbefleiss.<br />
Das Dorf hat übrigens eine schöne<br />
alte Kirche und stämmige Gasthöfe. Und<br />
eine schöne, freundliche Landschaft, in die<br />
es eingebettet ist. Eine Landschaft mit gewässerten<br />
Wiesen, mit Obstgärten und Kornfeldern,<br />
Birken und Pappeln. Die Dörfer<br />
ringsum muten heimatlich an, lauschig sind<br />
sie versteckt zwischen den Obstbäumen und<br />
Waldzipfeln.<br />
Roggwil ist eins der schönsten Bauerndörfer<br />
der Schweiz mit seinen gewaltigen Dächern,<br />
seinen alten Nussbäumen. Gondiswil<br />
hat sein Braunkohlenlager (es wurde während<br />
des Krieges ausgebeutet). Thunstetten<br />
hat sein zierliches Schloss, und in Bad Gutenburg,<br />
wo nach der Sage die Metzger und Gerber<br />
der Stadt Bern sich vom Blut der Schlacht<br />
bei Laupen reingewaschen, springen die Forellen<br />
heute noch direkt aus dem Wasser der<br />
Langeten in die Pfanne hin ein. Rohrbach<br />
kan n sich rühmen, die älteste Pfarrei der Gegend<br />
zu sein, weiss man doch, dass es schon<br />
im Jahre 975 dort eine Kirche gab.»<br />
Dies ist eine Schilderung aus einer Vergangenheit,<br />
die weit zurück im letzten Jahrhundert,<br />
im letzten Jahrtausend liegt. Und doch<br />
immer noch zutreffend.<br />
Der Oberaargau ist, viel mehr als das Emmental,<br />
bis heute beides geblieben: Bauernland<br />
und Industriezentrum. Nicht umsonst<br />
sind hier die Ausgangspunkte des Bauerns’Positive<br />
2 / 2017 25
OBERAARGAU<br />
krieges von 1658 zu suchen, und wenn dieser<br />
Krieg auch scheiterte, so ist der Versuch des<br />
Aufstandes doch typisch für den bodenständigen<br />
bäuerlichen Menschenschlag, der seit<br />
Jahrhunderten diese Scholle bewohnt und<br />
bearbeitet. «Noch mehr als die anderen<br />
Schweizer Stämme» schreibt Pfarrer Robert<br />
Schedler in seinem «Wanderbuch für<br />
Oberaargau und Unteremmental» aus dem<br />
Jahre 1925, «tritt beim Oberaargauer eine<br />
kühle, äusserst zurückhaltende Stimmung<br />
gegen alles Fremde zutage. Er geht nur<br />
schwer aus sich heraus, hält mit seiner Meinung<br />
zurück, bis er die Dinge und Menschen<br />
erprobt und weiss, was er von ihnen zu halten<br />
hat.<br />
Er ist der Landwirt par exzellence, nirgends<br />
findet man besser bebautes Land,<br />
reichere Ernten, schöneres Vieh. Bedächtig<br />
und langsam ist er bei seinen Hantierungen,<br />
so dass es für Landesfremde fast wie etwas<br />
Phlegma aussieht. Aber ohne Ruhepausen,<br />
in gleichmässigem Tempo, stundenlang,<br />
tagelang ausharrend, bringt er viel mehr<br />
zustande als der nach einigen hitzigen Anläufen<br />
seine Kraft rasch verbrauchende<br />
Übereifrige. Nichts ist ihm bei der Arbeit<br />
Betörender Sonnenuntergang:<br />
Schwarzenbach Richtung Emmental.<br />
verhasster als ein «Zwaspli», ein zappliger,<br />
unsteter Mensch, der bald hastet, bald ruht,<br />
bald dieses beginnt und bald etwas anderes.<br />
Ruhige klug überlegte, abgemessene, aber<br />
zähe und ausdauernde Arbeit liegt in seiner<br />
Hand. Darum heftet sich an sein Schaffen<br />
der Erfolg.»<br />
KULTURELLE VIELFALT<br />
Der Oberaargau hat aber auch eine reiche<br />
Kultur. So hat hier Gotthelf fünf – wesentliche<br />
– Jahre verbracht. Heute wird kaum mehr<br />
bestritten, dass ihn die bäuerliche Welt des<br />
Oberaargaus und nicht des Emmentals zu den<br />
Klassikern der Weltliteratur inspiriert hat.<br />
Im Oberaargau ist Pedro Lenz aufgewachsen.<br />
Sein Roman «Der Goalie bin ig» ist inzwischen<br />
sogar verfilmt worden. Durch Maria<br />
Wasers Roman «Land unter Sternen» ist Herzogenbuchsee<br />
in die Weltliteratur eingegangen.<br />
In Herzogenbuchsee fand Ferdinand<br />
Hodler in schwierigen Zeiten bei seinem Onkel<br />
Friedrich Neukomm Unterschlupf. In den<br />
Buchsibergen hat Cuno Amiet sechs Jahrzehnte<br />
lang seine Wahlheimat Oschwand<br />
gemalt. «Chumm mir wei go Chrieseli gewinne»<br />
– auch Volkslieder hat der Oberaargau zu<br />
bieten. Karl Geisers Mailanderlied «S wott<br />
aber e luschtige Summer gä» ist ebenso zum<br />
Volkslied geworden wie Emma Hofers «Wenn<br />
d Schneeballe blüeit im Mai».<br />
Wie wir es auch drehen und wenden: wir<br />
werden dem Oberaargau nicht gerecht,<br />
wenn wir ihn einfach auf den Verwaltungsbezirk<br />
Oberaargau reduzieren.<br />
ZUSATZINFOS<br />
Die «Central Highlands» der Schweiz<br />
Haben Sie schon mal versucht,<br />
einem Fremden, also einem<br />
Ausländer oder gar einem<br />
Zürcher, zu erklären, wo der<br />
Oberaargau liegt? Wenn ich<br />
sage, ich sei Emmentaler, dann<br />
leuchten die Augen. Alleine<br />
mit diesem Wort zaubern wir<br />
Begriffe und Bilder ins Kopfkino<br />
unserer Mitmenschen, von<br />
Gotthelf bis Grunder, Käse und<br />
Kühen, Hügeln und Wäldern,<br />
Schwingen und SCL Tigers.<br />
Aber Oberaargau? Es ist eigentlich<br />
gar nicht möglich,<br />
kurz und bündig zu erklären,<br />
wo der Oberaargau liegt. Das<br />
Wort Aargau ist dabei störend<br />
und verwirrend zugleich. Wir<br />
werden gleich dem Aargau zugerechnet.<br />
Und das ist überaus<br />
ärgerlich und verletzt uns<br />
im Stolz. Und wenn wir sagen,<br />
es sei das Land zwischen Napf<br />
und Jura, so kommen wir auch<br />
nicht weit. Wer weiss denn<br />
schon, was der Napf überhaupt<br />
ist? Und die oberaargauischen<br />
Flüsse Oenz, Oesch<br />
und Langete helfen auch nicht,<br />
um den Oberaargau zu lokalisieren.<br />
Diese Flussnamen sind<br />
einem Fremden so unbekannt<br />
wie die Zuflüsse<br />
des oberen Xingu<br />
im Amazonas.<br />
Nun, ich habe<br />
inzwischen einen<br />
eigenen Begriff für den<br />
Oberaargau gefunden, den<br />
alle kapieren und der sich in<br />
alle Sprachen übersetzen lässt<br />
und sofort die Augen verständnisvoll<br />
leuchten lässt. Ich<br />
sage, dass ich aus dem «Zentralen<br />
Hochland» oder den<br />
«Central Highlands» der<br />
Schweiz komme. Der Fremde,<br />
der Amerikaner, der Kanadier,<br />
der Australier, der Südafrikaner,<br />
selbst der Chinese, versteht<br />
sofort: Aha, einer<br />
aus den Hügeln im<br />
Herzen der<br />
Schweiz. Und<br />
das ist es ja<br />
Markante<br />
wirklich. Zentraler<br />
als im<br />
Höhen unterschiede:<br />
Blick von<br />
Oberaargau<br />
Oberwald<br />
geht es gar<br />
Richtung Huttwil.<br />
nicht. Die Zeit,<br />
die ein Zürcher<br />
braucht, um mit<br />
dem Auto aus seiner<br />
Stadt herauszukommen,<br />
reicht uns bei weitem, um<br />
nach Frankreich zu gelangen<br />
und dort am Tisch mit erlesenen<br />
Speisen und edlen Weinen<br />
zu sitzen. In weniger als<br />
einer Stunde sind wir «z Bärn<br />
obe» (in Bern oben), «z Basu<br />
unge» (in Basel unten), «z Züri<br />
usse» (in Zürich draussen)<br />
oder «im Wäutsche hinge» (im<br />
Welschland hinten). Aber wir<br />
müssen eigentlich gar nicht<br />
weit wegfahren. Im «Zentralen<br />
Hochland» gibt es ja alles<br />
auch: Einerseits so dunkle<br />
Wälder, dass meine Freundin<br />
aus der grossen Stadt vom unheimlichen<br />
«Wolfsland»<br />
spricht und immer noch nicht<br />
sicher ist, ob es nicht doch<br />
Wölfe hat bei uns. Und andererseits<br />
Strassen, Autobahnen,<br />
Wirtshäuser, Nachtlokale, Fabriken,<br />
Freudenhäuser, Eisenbahnen<br />
und Ateliers wie im<br />
urbanen Zürich.<br />
Und dazu eine Geschichte, die<br />
weiter zurückgeht als die<br />
Gründung des römischen<br />
Reichs. Von den erratischen<br />
Blöcken, die der Rhonegletscher<br />
bei seinem Rückzug aus<br />
der Eiszeit bei Herzogenbuchsee<br />
hinterlassen hat und wo<br />
sich die Höhlenbären vor langer,<br />
langer Zeit kratzten bis<br />
zum Glatteis zu Schoren, wo<br />
in neueren Zeiten sogar die<br />
vornehmen SCB-Herren ausgerutscht<br />
und schmählich gebodigt<br />
worden sind.<br />
26 s’Positive 2 / 2017
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RETO KLÄY<br />
Reto Kläy sorgte<br />
beim SC Langenthal<br />
für viel Aufmerksamkeit.<br />
Beharrlich<br />
zum Erfolg<br />
Er war Sportchef beim<br />
SC Langenthal, als dieser<br />
2012 die NLB-Meisterschaft<br />
gewann. Jetzt versucht er<br />
beim EV Zug auf derselben<br />
Position, auch den NLA-Titel<br />
zu gewinnen. Momentan<br />
ist Reto Kläy auf Kurs.<br />
TEXT: BRUNO WÜTHRICH<br />
Reto Kläy ist der lebende Beweis dafür,<br />
dass es nicht nötig ist, eine grosse Spielerkarriere<br />
hinter sich zu haben, um ein<br />
grosser Trainer oder ein guter Sportchef zu<br />
werden. Wie er es geschafft hat, und was ihm<br />
wichtig ist, erzählt er uns im Interview.<br />
s’Positive: Sie haben seinerzeit als Sportchef<br />
in Langenthal dafür gesorgt, dass<br />
alle Blicke auf die NLB und in den Oberaargau<br />
gerichtet waren, als während der<br />
laufenden Saison 2009/10 bekannt wur<br />
de, dass auf die nächste Saison hin Jeff<br />
Campbell und Brent Kelly vom ärgsten<br />
Konkurrenten Olten nach Langenthal<br />
wechseln würden. Die beiden waren in<br />
dieser Spielzeit gemeinsam für 173<br />
Skorerpunkte verantwortlich.<br />
Reto Kläy: Ja, das war damals lustig. Ich<br />
freue mich heute noch, wenn ich die beiden<br />
sehe. Wir hatten zuvor keine Top-Ausländer,<br />
und deshalb hatte ich verschiedene Namen<br />
auf meiner Liste. Der erste, den ich anrief,<br />
war Brent Kelly. Von seinem Agenten wusste<br />
ich, dass er in Olten noch keine Vertragsofferte<br />
hatte, und wir trafen uns um die<br />
Weihnachtszeit in Rothrist. Ich erzählte ihm<br />
von unseren Plänen in Langenthal, zeigte<br />
mich überzeugt, dass es ihm bei uns gefallen<br />
würde. Kelly sagte zu. Als wir uns verabschiedeten,<br />
fragte er mich noch, ob denn Jeff<br />
Campbell nicht auch einer für den SCL wäre.<br />
Der habe nämlich auch noch keinen Vertrag.<br />
Da ich noch einen Center suchte, sass ich<br />
bereits am folgenden Tag mit dem nächsten<br />
Oltener in Rothrist.<br />
Fotos: Marcel Bieri<br />
28 s’Positive 2 / 2017
Etwas ganz anderes: Können Sie uns den<br />
Begriff «Psychoneuroimmunologie» erklären?<br />
Das ist eine Mischung von Psychologie, Immunologie<br />
und Endokrinologie. Dabei geht<br />
es um das Konstrukt Mensch und die Zusammenhänge<br />
zwischen Leib und Seele.<br />
Geht es etwas genauer?<br />
Haben Sie etwas am Herzen, gehen Sie zum<br />
Kardiologen. Bei einer Hormonstörung steht<br />
ein Besuch beim Endokrinologen an. Wir<br />
gehen also immer zum Spezialisten. Doch es<br />
gibt Zusammenhänge mit anderen Bereichen<br />
wie zum Beispiel der Psychologie und<br />
der Immunologie.<br />
Wir fragen Sie dies, weil wir wissen, dass<br />
Sie darin bewandert sind. Wie kann man<br />
dies erlernen?<br />
Durch einen Lehrgang, in dem es darum<br />
geht, diese Zusammenhänge zu verstehen.<br />
Helfen Ihnen diese Kenntnisse bei der<br />
Aufgabe als Sportchef?<br />
Ja. Ich habe mit Menschen zu tun. Da erkenne<br />
ich immer wieder Zusammenhänge. Diese<br />
Erkenntnisse erleichtern meine Aufgabe.<br />
Aber ich befasste mich auch noch mit vielen<br />
anderen Dingen wie Ernährung, Fitness und<br />
Management. All dieses Wissen hilft bei der<br />
Ausübung meines Berufes.<br />
Waren sie deshalb bereits als junger<br />
Sportchef sehr erfolgreich?<br />
Für die Leistungen auf dem Eis sind der Trainer<br />
und die Spieler verantwortlich. Natürlich<br />
kann ich als Sportchef gewisse Dinge beeinflussen.<br />
Dabei geht es auch um Bereiche, die<br />
gegen aussen direkt mit Erfolg verbunden<br />
werden. In Langenthal war ich nach dem<br />
Aufstieg in die NLB als Spieler mit dabei und<br />
erlebte, wie diese Organisation nach und<br />
nach wuchs und wie es Schritt für Schritt<br />
aufwärts ging. 2012 wurde diese Entwicklung<br />
dann mit dem Meistertitel gekrönt.<br />
Doch das ist ja eigentlich nur das Kerngeschäft.<br />
Dies gilt auch für Zug. Gegen<br />
aussen werden wir an den Erfolgen gemessen.<br />
Die erste Mannschaft ist nur die sichtbare<br />
Spitze des Eisbergs. Alles was unter der<br />
Oberfläche ist, wird nicht gesehen. Doch<br />
auch diese Bereiche wollen aufgebaut werden<br />
und müssen solide und stabil sein.<br />
Um die jungen Profis an höhere Aufgaben<br />
heranzuführen, haben wir die<br />
Academy aufgebaut und spielen auch<br />
in der NLB. Dieser Puzzlestein fehlte bisher.<br />
Sie kamen in Langnau zum Eishockey,<br />
durchliefen dort sämtliche Nachwuchsstufen.<br />
Es wird immer wieder proklamiert,<br />
dass Klubs wie die SCL Tigers die<br />
Ausbildungsklubs sein müssten. Doch in<br />
Tat und Wahrheit sind es doch Organisationen<br />
wie die ZSC Lions oder der EV Zug,<br />
die diese Rolle mit ihren Akademien inzwischen<br />
übernommen haben. Oder handelt<br />
es sich da um eine falsche Wahrnehmung?<br />
Als ich mit Eishockey begann, war Langnau<br />
wahrscheinlich der beste Ausbildungsklub<br />
überhaupt. Die Tigers haben immer noch<br />
eine gute Nachwuchsabteilung, aber da nur<br />
ein Eisfeld zur Verfügung steht, ist nicht alles,<br />
was es zum Gedeihen braucht, zur Genüge<br />
vorhanden. Durch die Academy und<br />
das NLB-Team haben wir in Zug die Möglichkeit,<br />
die eigenen Spieler bei uns zu halten<br />
und sie bei uns an die NLA heranzuführen.<br />
Ist der Erfolg der ersten Mannschaft mit<br />
Nachwuchsförderung vereinbar?<br />
Für jeden Klub in der NLA ist der Abstieg ein<br />
Horrorszenario,der Verbleib in der Liga ist<br />
enorm wichtig. Weil der Druck für gefährdete<br />
Teams so gross ist, wird es schwierig, junge<br />
Spieler einzubauen. Ich bin der Überzeugung,<br />
dass der Erfolg der ersten Mannschaft<br />
und der Einbau junger Spieler möglich sind.<br />
Doch dies geht nicht auf Knopfdruck.<br />
ZUR PERSON<br />
Reto Kläy<br />
Reto Kläy wurde am 31.<br />
August 1978 als Sohn eines<br />
Architekten geboren<br />
und wuchs in Langnau<br />
auf. Zum Eishockey kam<br />
er durch den SC Langnau.<br />
Nach zwei Jahren bei<br />
EHC Visp spielte er auch<br />
zehn Spiele für den SC<br />
Rapperswil-Jona in der<br />
Wenn ich Sie richtig verstehe, gelingt dies<br />
bei Teams mit einem grossen spielerischen<br />
Potential leichter.<br />
Das stimmt. Es braucht einen Stamm an Qualitätsspielern,<br />
um den herum die Nachwuchskräfte<br />
eingebaut werden können. Der Einbau<br />
junger Spieler erfordert manchmal trotzdem<br />
eine gehörige Portion Mut. Wir sehen dies<br />
am Beispiel des HC Davos, der in dieser Saison<br />
mit zwei sehr jungen Torhütern antritt.<br />
Wobei es sich bei den Torhütern um zentrale<br />
Figuren handelt, während junge Feldspieler<br />
in zunächst kurzen Einsätzen mit<br />
der vierten Linie noch keine entscheidende<br />
Rolle spielen.<br />
Torhüter sind natürlich sehr zentral. Und wir<br />
sahen in Davos, dass Nachwuchskräfte zu<br />
Beginn Fehler machen. Sie brauchen Einsätze,<br />
um an Sicherheit zu gewinnen. Gilles<br />
Senn und Joren van Pottelberghe zeigen uns<br />
anhand ihrer Entwicklung, dass es sich lohnen<br />
kann. Es bleibt jedoch immer ein Ab-<br />
NLA, und wechselte<br />
nach einem Jahr beim<br />
EHC Olten auf die Saison<br />
2002/03 hin zum SC<br />
Langenthal, dem er sechs<br />
Jahre als Spieler und danach<br />
fünf Jahre als<br />
Sportchef erhalten blieb.<br />
In seine Wirkungszeit fiel<br />
auch der Gewinn der NLB<br />
Reto Kläy spielte<br />
sechs Jahre<br />
lang für den SC<br />
Langenthal.<br />
Meisterschaft des SCL.<br />
Seit dem Sommer 2014<br />
ist seine neue Wirkungsstätte<br />
in gleicher Funktion<br />
beim ambitionierten<br />
A-Ligisten EV Zug. Kläy,<br />
dessen Freundin in Langenthal<br />
lebt, ist mit dem<br />
Städtchen immer noch<br />
verbunden.<br />
s’Positive 2 / 2017 29
RETO KLÄY<br />
wägen. Wenn es der Mannschaft nicht läuft,<br />
reklamieren diejenigen, die vorher den Einbau<br />
von Jungen gefordert haben, als erste.<br />
Was kann dieses Abwägen beeinflussen?<br />
Die richtigen Jungen. Man muss ihnen nicht<br />
den roten Teppich ausrollen. Eishockey ist<br />
«Man darf den Jungen nicht<br />
den roten Teppich ausrollen.<br />
Eishockey ist keine Wohlfühloase.<br />
Es braucht den Willen,<br />
den schweren Weg zu gehen.»<br />
keine Wohlfühloase. Es braucht den Willen<br />
und die Bereitschaft, den schweren Weg zu<br />
gehen und den Preis dafür zu zahlen.<br />
Fabian Haberstich und Ihr Bruder Fabio<br />
sind zwei Langnauer, die in Ihrer Organisation<br />
an höhere Aufgaben herangeführt<br />
werden.<br />
Mein Bruder besuchte mit 15 Jahren die<br />
Okanagan Hockey School Europe in Östereich<br />
und wechselte danach für drei Jahre<br />
nach Übersee. Er wäre geblieben, hätten wir<br />
ihm in Zug nicht diese Möglichkeit bieten<br />
können. Fabian Haberstich tut die Luftveränderung<br />
gut. Er merkt in Zug, was es wirklich<br />
braucht. Immer im gleichen Klub zu<br />
spielen, kann bei gewissen Spielern zu Bequemlichkeit<br />
führen.<br />
Kann sich Nachwuchsförderung überhaupt<br />
finanziell auszahlen?<br />
Sicher nicht so wie im Fussball.<br />
Doch wer Spieler ausbildet, die<br />
später in der NLA Karriere machen<br />
und zu Nationalspielern gedeihen,<br />
wird durch die Ausbildungsentschädigungen<br />
belohnt. Es geht für<br />
Ausbildner darum, möglichst viele<br />
gute Spieler auszubilden.<br />
Die Rechnung geht nicht auf,<br />
wenn ein Spieler in die NHL<br />
wechselt.<br />
Das stimmt. Wir haben kein Agreement<br />
mit der NHL. Ein solches hat Nachteile,<br />
wie man in Schweden sieht. Dort werden<br />
die Klubs bei einem Wechsel in die NHL<br />
mit 250 000 Dollar entschädigt. Im Gegenzug<br />
kann sich die NHL zu jedem Zeitpunkt<br />
bedienen. Der Schaden, der entsteht, wenn<br />
im Juli einer der besten Spieler wechselt, ist<br />
grösser, als diese Entschädigung.<br />
Sie heuerten bereits in jungen Jahren<br />
beim SC Langenthal an.<br />
Weil ich mich immer auch auf anderes konzentrierte,<br />
wurde aus mir ein mittelmässige<br />
r Spieler. Ich weiss heute, was ich falsch<br />
gemacht habe, bin aber mit meiner Karriere<br />
als Spieler im Reinen. Als ich nach dessen<br />
Aufstieg zum SCL wechselte, hatte ich bald<br />
einmal das Gefühl, dass hier etwas entsteht.<br />
Stefan Anliker war damals bereits Präsident.<br />
Eines Tages kam Geschäftsführer Heinz<br />
Schlatter auf mich zu und offenbarte mir,<br />
dass er meinen Vertrag – aus finanziellen<br />
Gründen, oder weil ich nicht ganz gut genug<br />
war – nur unter der Bedingung verlängern<br />
könne, wenn ich selbst für meine Finanzierung<br />
sorgen würde. Ich sollte Sponsoren für<br />
meine Weiterbeschäftigung finden. Ich war<br />
damals bereits nebenbei im Marketing des<br />
SCL tätig und nahm diese Herausforderung<br />
an. So wurde ich zum wahrscheinlich damals<br />
bestverdienenden Spieler der NLB.<br />
Wie kam es dazu, dass Sie Sportchef wurden?<br />
Nach dem Weggang von Heinz Schlatter kam<br />
Präsident Anliker auf mich zu und meinte,<br />
dass es einen Sportchef brauche. Damals<br />
machte mir eine hartnäckige Handgelenkverletzung<br />
zu schaffen. Ich beendete mitten<br />
in der Saison meine Karriere als Spieler und<br />
wechselte innerhalb des Klubs die Aufgabe.<br />
So wurde ich zuerst zum Assistenten des<br />
Sportchefs, obwohl es in Langenthal gar keinen<br />
Sportchef gab. Ich merkte dann schnell,<br />
dass es einiges zu optimieren gab. Ich hatte<br />
bereits in Langenthal die Idee einer Aca-<br />
Reto Kläy mit Langnau-Trainer Heinz Ehlers (ex Langenthal).<br />
Aussenansicht der Eishalle (Bossart Arena) in Zug.<br />
Reto Kläy während eines Spiels in im Schoren in Langenthal.<br />
Reto Kläy mit SC Langenthal-Geschäftsführer Gian Kämpf.<br />
30 s’Positive 2 / 2017
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demy. Doch Geld und Ressourcen waren<br />
nicht vorhanden. Um den Klub und mich<br />
selbst weiter zu bringen, bildete ich mich in<br />
Konditions- und Ernährungslehrgängen etc.<br />
weiter und landete schliesslich beim Lehrgang<br />
über Psychoneuroimmunologie.<br />
Sie veränderten in Langenthal vieles.<br />
Das Ziel einer Fördergruppe war, ausgewählte<br />
Spieler speziell zu coachen,<br />
mit ihnen Spezialtrainings durchzuführen<br />
und sie damit möglichst lange<br />
an den SCL zu binden. Yannick Blaser<br />
war der erste, den ich persönlich betreute.<br />
Ihn traf ich später in Zug wieder. Aber<br />
die Initialzündung erfolgte mit Sven Bärtschi.<br />
Er war als Lehrling beim SCL angestellt.<br />
Sven hatte damals von fast jedem anderen<br />
Klub eine Vertragsofferte, und ich sass mit<br />
ihm und seiner Mutter an einen Tisch, um<br />
zu sehen, wie es weitergehen könnte. Sven<br />
teilte uns mit, sein Ziel sei die NHL. Ich<br />
machte ihm das Angebot, ihm dabei zu helfen<br />
und ihn persönlich zu betreuen. Wir<br />
wurden uns einig und verbrachten dann<br />
viele Stunden zusammen. Vier Jahre später<br />
unterschrieb er in der NHL einen Millionenvertrag.<br />
Doch ich betreute auch weitere<br />
Spieler persönlich.<br />
Die jungen Talente wollen Spielpraxis. Die<br />
Spezialtrainings allein dürften sie nicht<br />
in Langenthal gehalten haben.<br />
Das war das Wichtigste. Wir sorgten dafür,<br />
dass diese Spieler immer auf dem höchstmöglichen<br />
Level eingesetzt wurden. Gegebenenfalls<br />
liehen wir sie nach Biel oder<br />
Langnau aus, behielten jedoch die Ausbildungseinheiten<br />
bei uns.<br />
Welches sind die Aufgaben eines Sportchefs?<br />
Viele Leute haben den Eindruck, ein Sportchef<br />
schaue sich Spieler an, schliesse Verträge<br />
ab und suche den Trainer. In meiner heutigen<br />
Tätigkeit machen diese Aufgaben etwa<br />
fünf Prozent des Zeitaufwands aus. Ich habe<br />
die Verantwortung für den ganzen Sportbereich.<br />
Dies betrifft eine NLA-, eine NLB- und<br />
diverse Nachwuchsmannschaften, inklusive<br />
die Finanz- und Budgetverantwortung. Dieser<br />
Bereich ist riesig. Klar ist die NLA-Mannschaft<br />
das Hauptthema. Aber es hängt enorm<br />
viel hinten dran.<br />
Weiterbildung ist<br />
für Reto Kläy ein<br />
ständiges Thema.<br />
Für sich selbst –<br />
und für den Klub.<br />
«Als Sportchef trage ich die<br />
Verantwortung für eine NLA-,<br />
eine NLB- und die Nachwuchsmannschaften,<br />
inklusive des<br />
Budgets und der Finanzen.»<br />
Unterscheiden Sie sich von anderen<br />
Sportchefs?<br />
Das glaube ich schon. Dies ist allein schon<br />
in meinem Aufgabenbereich begründet. Auf<br />
jeden Fall bin ich von meiner Ausbildung her<br />
breit abgestützt. Es ist nicht ausgeschlossen,<br />
dass ich deswegen in Zug gelandet bin.<br />
Ist es ein grosser Unterschied, Sportchef<br />
einer NLB- oder einer NLA-Organisation<br />
zu sein?<br />
Wenn man die Aufgabe mit Leidenschaft<br />
angeht, ist beides mit sehr viel Aufwand verbunden.<br />
Aber mein jetziger Job in Zug unterscheidet<br />
sich schon von dem in Langenthal.<br />
Die Aufgabe hier ist viel<br />
umfangreicher, es sind auch viel<br />
mehr Leute involviert. Wir operieren<br />
mit einem ganz anderen Budget<br />
und auch die Medienpräsenz<br />
ist viel grösser.<br />
Sind Sie noch oft in Langenthal?<br />
Ja, das bin ich. Meine Freundin<br />
wohnt immer noch hier. Allerdings<br />
habe ich nicht mehr so oft<br />
die Gelegenheit, mir Spiele des<br />
SCL anzuschauen, was schade ist.<br />
Bei Ihrem Wechsel von Langenthal nach<br />
Zug schien eine engere Zusammenarbeit<br />
zwischen den beiden Klubs möglich.<br />
Die Zusammenarbeit zwischen zwei ambitionierten<br />
Teams ist oft schwierig. Die Ansprüche<br />
können zu Konflikten führen. Hinzu<br />
kommen logistische Probleme, denn die<br />
Nachwuchsspieler, um die es geht, müssen<br />
hin und her geführt werden, und wissen zeitweise<br />
nicht mehr, wohin sie gehören. Das<br />
Wichtigste aber ist, dass ich nicht über das<br />
andere Partnerteam bestimmen kann. Wenn<br />
ich einen Spieler, von dem ich gerne möchte,<br />
dass der im Powerplay eingesetzt wird, nach<br />
Langenthal gebe, kann ich dies vom SCL<br />
nicht verlangen. Dort gibt es genügend Spieler,<br />
die in Überzahl eingesetzt werden können,<br />
und die Ansprüche der Fans und Sponsoren<br />
an die eigene Mannschaft sind hoch.<br />
Mit unserem eigenen NLB-Team ist dies<br />
anders. Hier kann ich mit den Coaches reden<br />
und ihnen sagen, wie ich welchen Spieler<br />
gerne eingesetzt haben möchte. Im Pflichtenheft<br />
der Coachs der Academy steht nicht<br />
ein bestimmter Tabellenrang, sondern dass<br />
sich jede Saison zwei bis drei NLA-Spieler<br />
entwickeln sollten.<br />
Deshalb ist es kein Drama, dass Ihr NLB-<br />
Team die Playoffs verpasst hat, obwohl es<br />
lange Zeit gut unterwegs war?<br />
Das ist richtig. In der Academy wird gut gearbeitet.<br />
Wir hatten sechs Spieler in der U20-<br />
Nationalmannschaft. So viele wie nie zuvor.<br />
Viele Spieler wurden bereits auf Stufe NLA<br />
eingesetzt. Das Erreichen der Playoffs wäre<br />
trotzdem gut gewesen. Wir wollen die jungen<br />
Spieler auf Sieg programmieren. Es soll<br />
ihnen nicht gleichgültig sein, ob Spiele gewonnen<br />
oder verloren werden.<br />
Der EVZ schliesst die aktuelle Qualifikation<br />
in den vordersten Positionen ab.<br />
Nächstes Jahr ist es genau zwanzig Jahre<br />
her, seit die Organisation ihren ersten und<br />
bisher einzigen Meistertitel gewann. Steht<br />
jetzt nach zwanzig Jahren der nächste<br />
Titel an?<br />
Das ist eine gute Frage (lacht). Ich rede nicht<br />
gerne über den Meister. Aber es wäre zumindest<br />
gut, wenn mal wieder eine Wachtablösung<br />
stattfinden würden.<br />
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STAPLERMAXX.ch
IN EIGENER SACHE<br />
Leserbriefe<br />
Berührend und faszinierend<br />
Herzliche Gratulation zu Ihrem Blatt. Geschichten<br />
wie jene vom Hai-Flüsterer sind<br />
berührend und faszinierend. Sie zeigen<br />
uns Menschen, welche Wunder die Natur<br />
bereitstellt. Vieles ist uns unbekannt, und<br />
im Gegensatz zu den vielen «Fake news»<br />
wahr und auf eine andere Weise geheimnisvoll.<br />
Leute, die Sinnhaftes tatsächlich<br />
machen und nicht nur davon reden, beeindrucken.<br />
Wir bringen seit bald 10 Jahren Menschen<br />
die Freude am Schreiben näher und haben<br />
selber Freude daran. Im letzten Mai und<br />
Juni zum Beispiel mit dem Schreibparcours<br />
rund um den Burgäschisee.<br />
Ich wünsche Ihnen viel Positives bei Ihrer<br />
grossartigen Arbeit.<br />
Ulrich Marbot,<br />
Präsident Verein CARDNIGHTS.ch<br />
Kompliment<br />
Wenn ich dem Briefkasten fast jeden Tag<br />
eine Menge abonnierten und unverlangten<br />
Lesestoff entnehme, gegen Ende Monat jedoch<br />
ein wenig ungeduldig aufs<br />
«s’Positive» warte, soll dies als ein Kompliment<br />
und ein Dankeschön verstanden<br />
werden.<br />
Ich lasse mich jedes Mal gerne von Ihren<br />
interessanten Beiträgen überraschen. Da<br />
sind Autoren mit Herzblut am Werk.<br />
Heinrich Gottfried Megert,<br />
Langenthal<br />
Aufgepasst auf Amphibien<br />
Sobald im Frühling in feuchten Nächten<br />
die Temperaturen wenige Grad über Null<br />
liegen, beginnen verschiedene Amphibien<br />
(Kröten, Frösche, Molche), ihre Laichplätze<br />
aufzusuchen. 70 % der zwanzig in der<br />
Schweiz lebenden Amphibienarten stehen<br />
auf der roten Liste!<br />
Sie sind zwar gesetzlich geschützt, trotzdem<br />
sind ihre Bestände bis zur Hälfte zurückgegangen.<br />
Meistens fehlen die Lebensräume,<br />
manchmal sind es Pestizide oder<br />
der Strassenverkehr, die dazu beitragen,<br />
dass immer mehr Arten verschwinden.<br />
In der Schweiz werden im Frühling an verschiedenen<br />
Orten Rettungsaktionen, sogenannte<br />
Zugstellen, durchgeführt.<br />
Seit Februar werden provisorische Fangzäune<br />
aufgestellt und Fangkübel vergraben.<br />
Freiwillige Helfer leeren die Kübel<br />
zweimal täglich (morgens und nachts) und<br />
tragen die Tiere über die Strasse.<br />
Auch im Oberaargau werden Rettungsaktionen<br />
durchgeführt.<br />
Zum Beispiel:<br />
- am Inkwilersee, Strasse Langenthal /<br />
Bleienbach (Sängeliweiher / Moosseeli)<br />
- Madiswil (Bürgisweiher),<br />
- Thunstetten / Bützberg<br />
(Byfang Schulhaus /Fussballplatz),<br />
- Niederbipp (Strasse nach Aarwangen,<br />
Strasse nach Wolfisberg Antere).<br />
Achtung: Auch zwischen Oberönz und<br />
Graswil (Aeschisee)!<br />
Nach ca. zwei Wochen beginnt der «Rückzug»<br />
in den Sommerlebensraum. Dieser<br />
wird leider vielerorts nicht mehr beachtet.<br />
Bitte beachten Sie entsprechende Signaltafeln<br />
(«Achtung Amphibienwanderung»).<br />
Schritttempo fahren, max. 30 km/h, auch,<br />
um die Helfer zu schützen, die Nachts die<br />
Tiere, die trotz der Zäune auf die Strasse<br />
gelangen, einsammeln.<br />
Béatrice Dällenbach<br />
Ihre Meinung<br />
interessiert uns<br />
Sind Sie mit etwas nicht einverstanden?<br />
Haben Sie Fragen, die auch andere Leser<br />
interessieren könnten? Oder haben Sie eine<br />
Ergänzung zu einem Artikel? Dann schreiben<br />
Sie uns. Ab der kommenden Ausgabe<br />
reservieren wir Platz für Sie.<br />
Oder möchten Sie über ein Thema, das wir<br />
noch nicht gebracht haben, mehr erfahren?<br />
Wir können Ihnen zwar keinen Artikel darüber<br />
garantieren. Aber prüfen werden wir<br />
Ihren Vorschlag ganz bestimmt.<br />
Wir wissen noch nicht, was auf uns zukommt,<br />
wenn wir die Möglichkeit zu Leserreaktionen<br />
bieten. Möglich, dass keine einzige<br />
kommt. Ebenfalls möglich, dass wir<br />
nicht alle Ihre E-Mails und Briefe publizieren<br />
können, und deshalb eine Auswahl treffen<br />
müssen. Werden Sie bitte nicht zu lang.<br />
Sonst müssten wir Ihren Beitrag eventuell<br />
kürzen.<br />
Beiträge mit beleidigenden, diffamierenden,<br />
rassistischen und sexistischen Inhalt werden<br />
nicht veröffentlicht.<br />
Wir freuen uns auf Ihr Feedback.<br />
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