LANGEOOG 2008 - Psychotherapeutenjournal
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Neue Rechtsprechung des Bundessozialgerichts<br />
zum Versorgungsbedarf unterversorgter<br />
Personengruppen erwartet<br />
Bernd Rasehorn<br />
Rechtsanwalt und Justiziar der Psychotherapeutenkammer Bremen<br />
Zusammenfassung: In der psychotherapeutischen Versorgung werden noch erhebliche<br />
Versorgungsmängel für Kinder und Jugendliche und fremdsprachige Versicherte<br />
gesehen. Zur Frage der Sonderbedarfszulassung bzw. -ermächtigung von PsychotherapeutInnen<br />
zur Versorgung dieser Personengruppen sind aktuell zwei Musterverfahren<br />
vor dem Bundessozialgericht anhängig.<br />
1. Zulassung / Ermächtigung<br />
wegen Sonderbedarf<br />
Die psychotherapeutische Versorgung der<br />
Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland<br />
ist mit Einführung des Psychotherapeutengesetzes<br />
und der Zulassung Psychologischer<br />
PsychotherapeutInnen als<br />
VertragsbehandlerInnen im Rahmen der<br />
gesetzlichen Krankenversicherung ganz<br />
wesentlich verbessert worden. Neben ggf.<br />
noch nicht ausreichender Versorgung in<br />
unterversorgten Gebieten (ländliche bzw.<br />
strukturschwache Gebiete in West- und<br />
Ostdeutschland) werden insbesondere<br />
noch erhebliche Versorgungsmängel für<br />
die Behandlung von Kindern und Jugendlichen<br />
und von fremdsprachigen Versicherten<br />
mit Migrationshintergrund gesehen<br />
(vgl. zuletzt Nübling, Reisch & Reymann,<br />
2006; Gavranidou & Abdallah-Steinkopf,<br />
2007).<br />
Die gesetzlichen Möglichkeiten, die Versorgungsbedarfe<br />
unterversorgter Personengruppen<br />
abzudecken, bestehen. Gemäß<br />
§ 101 Abs. 1 Nr.3 SGB V i.V.m. den Nummern<br />
24, 25, 26 der Bedarfsplanungs-<br />
Richtlinien-Ärzte dürfen zusätzliche so genannte<br />
Sonderbedarfszulassungen erteilt<br />
werden, wenn ein nachweislicher lokaler<br />
Versorgungsbedarf oder ein besonderer<br />
18<br />
qualitativer Versorgungsbedarf vorliegt.<br />
Gemäß § 95 Abs. 1 SGB V i.V.m. § 31<br />
Ärzte-Zulassungsverordnung können über<br />
den Kreis der zugelassenen Ärzte hinaus<br />
Ermächtigungen erteilt werden, wenn eine<br />
bestehende oder drohende Unterversorgung<br />
abzuwenden oder ein begrenzter<br />
Personenkreis zu versorgen ist.<br />
Fraglich war bisher, ob bezüglich der vorstehend<br />
beschriebenen Personenkreise<br />
der Kinder und Jugendlichen sowie der<br />
MigrantInnen entsprechende lokale bzw.<br />
qualitative Versorgungsbedarfe anerkannt<br />
würden. Nach der Gesetzeslage hat der<br />
örtlich zuständige Zulassungsausschuss<br />
bei Vorliegen eines Antrages auf Sonderbedarfszulassung<br />
oder -ermächtigung von<br />
Amts wegen die notwendigen Ermittlungen<br />
zur Prüfung, ob ein ungedeckter Versorgungsbedarf<br />
besteht und wie dieser<br />
abzudecken ist, durchzuführen. Hierbei ist<br />
weitgehend ungeklärt, nach welchen Kriterien<br />
und Methoden Sonderbedarfsfeststellungen<br />
erfolgen.<br />
2. Zum Sonderbedarf für<br />
Kinder und Jugendliche<br />
Zur Frage der Maßstäbe für Sonderbedarfsfeststellungen<br />
für Kinder und Jugendliche<br />
ist beim Bundessozialgericht in Kassel das<br />
Verfahren mit dem Aktenzeichen B 6 KA<br />
14/07 R anhängig. Im vorangegangenen<br />
Berufungsverfahren hatte das Bayerische<br />
Landessozialgericht mit Urteil vom 25. Oktober<br />
2006 zum Aktenzeichen L 12 KA<br />
187/05 die Ablehnung des Antrages auf<br />
Sonderbedarfszulassung der klagenden<br />
Psychotherapeutin durch alle Vorinstanzen<br />
mit folgenden Begründungen aufgehoben:<br />
� Ein qualitativer Versorgungsbedarf<br />
könne sich auch aus dem Richtlinienverfahren<br />
(im vorliegenden Fall<br />
�<br />
Verhaltenstherapie) oder aus der Behandlungsberechtigung<br />
für Kinder und<br />
Jugendliche ergeben.<br />
Die Amtsermittlungs- und Überprüfungsverpflichtung<br />
des Zulassungs-<br />
�<br />
bzw. Berufungsausschusses sei durch<br />
mangelhafte Durchführung bzw. Auswertung<br />
schriftlicher Befragungen der<br />
im Versorgungsgebiet tätigen PsychotherapeutInnen<br />
verletzt.<br />
Die Einschätzung des Versorgungsbedarfes<br />
von Kindern und Jugendlichen<br />
muss auch die Erreichbarkeit freier<br />
Therapieplätze zu schulfreien Zeiten an<br />
Nachmittagen berücksichtigen.<br />
� Ein bestehender Sonderbedarf könne<br />
nicht mit der Begründung verneint werden,<br />
dass die Wochenarbeitszeiten der<br />
niedergelassenen PsychotherapeutInnen<br />
zu gering seien und diese in höherem<br />
Umfang zur Verfügung stehen<br />
könnten.<br />
� Trotz rechnerischer Überversorgung<br />
des Planungsbezirkes könne ein Sonderbedarf<br />
für Kinder und Jugendliche<br />
vorliegen, insbesondere, wenn für Kinder-<br />
und JugendlichenpsychotherapeutInnen<br />
keine eigene Bedarfsplanung<br />
<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 1/<strong>2008</strong>