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Peter Piller - Weltkunst

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ler nach eigenen erkenntnisleitenden Prinzipien in Ausstellungen<br />

und Künstlerbuch-Publikationen zusammen.<br />

Mit den Veröffentlichungen ist dann ein Sammelgebiet<br />

hinreichend erschlossen bzw. „geklärt“ und gilt zum jetzigen<br />

Zeitpunkt als abgeschlossenes Archiv.<br />

Luftbilder<br />

Wohn- und Lebenskultur als Spiegel der Zeit: Im Jahr 2002<br />

übernahm <strong>Piller</strong> aus einem Firmennachlass etwa 20.000<br />

Luftaufnahmen von Einzelhäusern. Bundesweit wurden<br />

zwischen 1979 und 1983 zahlreiche Wohnsiedlungen überflogen,<br />

um großformatige Luftbilder von neuerbauten<br />

Eigenheimen herzustellen und an die Hausbesitzer zu verkaufen.<br />

Die mehrmalige Sichtung dieses Konvoluts leicht<br />

vergilbter Abzüge und Negative führte <strong>Piller</strong> aus etwa<br />

12.000 Aufnahmen zu 23 alphabetisch gekennzeichneten<br />

Sammelgebieten. In einer umfas-<br />

senden Publikation wurden diese<br />

Einsichten zusammengestellt, und<br />

damit waren die Arbeiten am Luftbilderarchiv<br />

abgeschlossen. 2<br />

<strong>Piller</strong> fokussiert seinen Blick auf<br />

das Daneben, sucht nach Ähnlichem im Nebensächlichen<br />

und entdeckt es aus der Luftperspektive heraus. Die<br />

ganze Wohn- und Lebenskultur einmal von oben betrachtet,<br />

ermöglicht Distanz zum eigentlichen Motiv: dem<br />

Eigenheim. Dadurch lassen sich die Fotos nach neuen,<br />

von <strong>Piller</strong> bestimmten strukturellen Kriterien sortieren,<br />

die die Entdeckung von ähnlichen Nebensächlichkeiten<br />

als vordergründiges, immer wiederkehrendes Motiv freilegen.<br />

Die daraus entstehenden Bild-Reihungen werden<br />

mit einem Titel versehen, der das Augenmerk auf eben<br />

dieses Detail am Rande lenkt. So zeigt beispielsweise die<br />

Folge Behelfsheime die in Gärten aufgestellten Zelte für<br />

das sommerliche Ritual des Übernachtens im Freien. In<br />

der Reihe Zungen hängen rote Bettdecken zum Lüften aus<br />

Fenstern heraus und in Schlafende Häuser sind Behausungen<br />

mit am hellen Tag heruntergelassenen Jalousien<br />

zum vermeintlichen Schutz gegen Eindringlinge während<br />

der urlaubsbedingten Abwesenheit zu sehen. Die Pfade<br />

(Abb. 1) beschreiben die gartengestalterische Kreativität<br />

vieler Hausbesitzer, sich merkwürdige Plattenwege um ihr<br />

Haus herum oder durch ihren Garten als Verbindungspfad<br />

zum Gartenhäuschen oder Komposthaufen anzulegen.<br />

Diese kleinen Details am Rande geben Aufschluss über<br />

Handlungsweisen und darüber, wie sich Menschen ihr<br />

Lebensterrain erschließen und einrichten. Die im neuen<br />

Kontext erscheinenden Luftaufnahmen werden zu Zeugnis-<br />

<strong>Peter</strong> <strong>Piller</strong><br />

sen menschlicher Gepflogenheiten, die durch ihre besondere<br />

Bündelung eine subtile Komik enthalten. Die Materialfülle<br />

macht das Nebeneinander des Immergleichen und<br />

vielerorts Wiederkehrenden gegenwärtig. <strong>Piller</strong>s deduktives<br />

Vorgehen, aus dem Allgemeinen das Einzelne herauszufiltern,<br />

lässt das zunächst nebensächlich anmutende<br />

Detail als etwas allgemein Verbindendes erscheinen.<br />

Die Bilder-Serien entfalten sich zudem wie Dokumente<br />

einer Lebenskultur und -ästhetik innerhalb einer bestimmten<br />

Zeitspanne. So repräsentieren sie den Ende der 1970er<br />

Jahre erkennbaren wirtschaftlichen Wohlstand, welcher<br />

sich im Hausbauboom insbesondere der bürgerlichen Mittelschicht<br />

manifestierte. Hinzu kommen bestimmte gestalterische<br />

Details an Haus- und Dachformen oder die neben<br />

dem Eigenheim abgestellten pastellfarbenen Autotypen<br />

(heute als Oldtimer geltend), welche die Wohn- und Lebens-<br />

Mit der Komik der endlosen Wiederholung erstellt<br />

<strong>Peter</strong> <strong>Piller</strong> ein neutrales, gleichwohl kritisch<br />

hinterfragendes Porträt der bürgerlichen Gesellschaft.«<br />

kultur im Spiegel einer vergangenen Zeit wiedergeben.<br />

Neben architektonisch-ästhetischen Besonderheiten treten<br />

weitere landschaftliche, kulturhistorische oder gesellschaftlich<br />

relevante Auffälligkeiten, worin Geschichte durch<br />

bestimmte Setzungen innerhalb einer Lebenskultur zum<br />

Vorschein kommt. Dennoch können bestimmte Handlungsweisen<br />

als überzeitliche Phänomene bis in die Gegenwart<br />

transferiert werden – Rituale des Trivialen wie das samstägliche<br />

Rasenmähen oder Autowaschen, aus denen eine<br />

ganze Phänomenologie des generationenübergreifenden<br />

Alltags entsteht.<br />

Mit dieser Komik der endlosen Wiederholung erstellt <strong>Piller</strong><br />

ein neutrales, gleichwohl kritisch hinterfragendes Porträt<br />

der bürgerlichen Gesellschaft, ohne diese dabei zu werten<br />

oder zu verurteilen. Seine aus der Dualperspektive im Kleinen<br />

entsprungene humoristische Wahrnehmung korrespondiert<br />

mit einem spezifischen Vergnügen, eine an einem<br />

Objekt bemerkte Widersprüchlichkeit zu offenbaren und<br />

die Lächerlichkeit herauszuheben. Es bleibt dem Betrachtenden<br />

überlassen, inwieweit er sich mit den vertrauten<br />

Gewohnheiten des Durchschnittsbürgers identifiziert oder<br />

sich von ihnen distanziert.<br />

Zeitungsbilder<br />

Bildjournalismus in Medien- und Nachrichtenkultur versus<br />

fotografische Authentizität: Was zunächst Produkt<br />

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