DeSS orientiert - Demenz Support Stuttgart
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Rehfeld 2001). Alles deutet darauf hin, dass<br />
sogar einfache Fertigkeiten nicht für immer<br />
erhalten bleiben. Sie müssen durch die konkrete<br />
Nutzung aktiviert werden, sonst bilden<br />
sie sich zurück – use it or lose it.<br />
4.2 Situationen meistern – reagieren<br />
Bei alltäglichen Verrichtungen benötigen wir<br />
eine gute Bewegungskoordination. Ob wir<br />
Einkäufe in die Tasche packen oder einen<br />
Ordner aus dem Regal holen: jede dieser Bewegungen<br />
wird durch das Gehirn koordiniert.<br />
Hier geht es um die optimale Zusammenarbeit<br />
von Kopf und Körper. Zur Koordination<br />
der Bewegungen tragen einzelne Leistungen<br />
bei, die für das Reagieren auf neue Situationen<br />
und für das Erlernen von neuen Bewegungen<br />
wichtig sind. Die Bewegungswissenschaft<br />
bezeichnet diese einzelnen Leistungen<br />
als Fähigkeiten und unterscheidet zwischen<br />
kinästhetischer Differenzierungsfähigkeit, Reaktions-,<br />
Kopplungs-, Orientierungs-, Gleichgewichts-,<br />
Umstellungs- und Rhythmisierungsfähigkeit<br />
(vgl. Meinel & Schnabel 2007).<br />
All diese Fähigkeiten sind von grundlegender<br />
Bedeutung – an dieser Stelle sollen ein paar<br />
vertiefende exemplarische Erläuterungen genügen:<br />
Die kinästhetische Differenzierungsfähigkeit<br />
(griech.: kin = bewegen; ästhesie<br />
= Empfi ndung) wird auch als Bewegungsgefühl<br />
bezeichnet (vgl. Hirtz 2003). Das Gefühl<br />
beruht auf der bereits beschriebenen peripheren<br />
Propriozeption der Sinnesrezeptoren<br />
im Körperinneren (Muskelspindeln, Sehnenspindeln,<br />
Gelenkrezeptoren). Zudem sind<br />
am Bewegungsgefühl der Tastsinn und das<br />
Gleichgewichtssystem und alle an der Bewegung<br />
mitwirkenden Bereiche des Zentralnervensystems<br />
beteiligt. Die Sinnesrezeptoren<br />
nehmen die äußeren Bedingungen (Kraft,<br />
Zeit und Raum) präzise wahr und der Körper<br />
kann die Bewegung während der Ausführung<br />
auf sie abstimmen. Durch Übung werden die<br />
Rezeptoren sensibler und geben dem Gehirn<br />
eine immer bessere Rückmeldung.<br />
Koordinative Fähigkeiten beanspruchen die<br />
- 13 -<br />
Bewegung<br />
Bewegungssteuerung und –anpassung. Die<br />
vom Gehirn beizutragenden Leistungen umfassen<br />
differenzierte Wahrnehmungsprozesse,<br />
Aufmerksamkeit, Bewegungsvorausnahme<br />
und Entscheidungsvermögen. Bis zum<br />
Eintritt ins Erwachsenenalter bildet sich eine<br />
persönliche „koordinative Handschrift“ im<br />
Bewegungsverhalten aus. In ihr zeigen sich<br />
die Konstitution und das Ausmaß der Bewegungserfahrung<br />
(vgl. Roth & Winter 2002).<br />
Ohne Übung lassen die koordinativen Fähigkeiten<br />
ab dem 30. Lebensjahr nach; ab dem<br />
50. Lebensjahr kommt es sogar zu Rückbildungen.<br />
Studien zeigen defi zitäre Veränderungen<br />
unter anderem in Form von Verlangsamungen<br />
und Dysregulationen. Diese<br />
Rückbildungsprozesse verlaufen jedoch von<br />
Person zu Person sehr unterschiedlich und<br />
sind stark von der Bewegungsbiografi e abhängig<br />
(vgl. Schaller 2002).<br />
Das Zusammenspiel von Körper und Gehirn,<br />
von Sensorik und Motorik, zeigt sich besonders<br />
deutlich in den koordinativen Fähigkeiten.<br />
Je mehr man sich bewegt, desto sensibler<br />
reagiert die Sensorik der verschiedenen<br />
Sinnesrezeptoren, und umso genauer kann<br />
die Bewegung daraufhin gesteuert werden.<br />
Die erfreuliche Nachricht unzähliger Studien<br />
lautet aber: jede der koordinativen Fähigkeiten<br />
lässt sich auch im Alter durch Training<br />
positiv beeinfl ussen. Sogar Leistungsverbesserungen<br />
sind aufgrund der lebenslangen<br />
Plastizität des Organismus erzielbar (vgl.<br />
Schaller 2002).<br />
Die Fähigkeiten liegen den Fertigkeiten zu<br />
Grunde und beeinfl ussen die Qualität der Alltagsfertigkeiten.<br />
Das Beispiel Gehen verdeutlicht<br />
diesen Zusammenhang. Folglich ist das<br />
Üben der Fähigkeiten zentral für die Erhaltung<br />
der Stabilität und der Entwicklung von<br />
Selbständigkeit im Alter (vgl. Kirchner 2002).<br />
Fähigkeiten sind dabei auf alle Bewegungen<br />
übertragbar, Fertigkeiten dagegen an jeweils<br />
bestimmte Bewegungen gebunden.<br />
Der Psychogerontologe Wolf Dieter Oswald<br />
betont die besondere Wirkung von Bewe-