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London Transportation Design Light Painting ... - Campus X

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Rubrickname Rubrickname<br />

Alle Dinge beginnen mit einer Vision, alle Dinge haben ihren<br />

Ursprung in der Vision, doch alle Dinge müssen dann auch noch<br />

ins Werk gesetzt werden. Alles, was ist oder entsteht oder<br />

erzeugt oder geschaffen wird, alles ist das Ergebnis des Tuns<br />

einer Spezies, die in ständiger Rebellion aus einer zur Konformität<br />

zurecht gestutzten Masse herausragt.<br />

Die University of Oregon liegt schlicht wunderbar. Über 500<br />

verschiedene Baumarten und zahllose, wild verstreute Vorlesungssäle,<br />

Labore sowie Turnhallen bilden den riesigen,<br />

parkähnlichen <strong>Campus</strong>. Per Pedes legten die Studenten jahrzehntelang<br />

die Strecken zwischen den einzelnen Einrichtungen<br />

zurück. Doch der <strong>Campus</strong> wuchs. Immer mehr Gebäude wurden<br />

gebaut - am Ende waren es über 80. Kaum durchdacht wurden<br />

diese durch neue Wege an das bestehende Netz angeschlossen.<br />

Bis es den Studenten irgendwann kaum mehr möglich war, in<br />

der Zeit zwischen den Vorlesungen rechtzeitig von Saal zu Saal<br />

zu gelangen. Man entschloss sich also, sämtliche Wege abzureißen<br />

und ein neues, angepasstes Netz anzulegen. Doch keiner<br />

der beauftragten Architekten schien ein eben solches entwerfen<br />

zu können. Über 20.000 Studenten, die ständig wechselnde<br />

Vorlesungen besuchen, all das lies sich kaum berücksichtigen.<br />

Es drohte eine Desaster. Die meisten Wege waren bereits abgerissen,<br />

die Semesterferien neigten sich dem Ende zu. Eine<br />

X-MAN: Der Querdenker<br />

oder: Ich sehe was, was du nicht siehst<br />

Ein Artikel von Jürgen Eckert, 7. Semester Personalmanagement<br />

Lösung war nicht in Sicht.<br />

Querdenker hinterfragen den Status Quo rigoros. Sie sind sich<br />

bewusst, dass unser Handeln von Gewohnheiten bestimmt<br />

wird. Von Regeln, die wir meist durch die Tatsache rechtfertigen,<br />

dass „es schon immer so gemacht“ wurde, oder „die<br />

Anderen es genauso machen“ würden. Der irische Schriftsteller<br />

Oscar Wilde hat das mal so formuliert: „Most people are<br />

other people. Their thoughts are someone else´s opinions,<br />

their lives a mimicry, their passions a quotation.“ Nun ist nicht<br />

jeder Falschfahrer und Verschwörungstheoretiker gleich ein<br />

Querdenker und einfach nur anders zu sein, ist nicht wirklich<br />

die große Kunst. Anders sein, um dabei besser zu sein, darauf<br />

kommt es an. Querdenker finden Lösungen, wo andere ihr Leben<br />

lang auf Antworten warten.<br />

Während Deutschland im Jahre 2006 unter einer Glocke voller<br />

Leichtigkeit die einzigartige Atmosphäre aufsog, feuerte Adidas<br />

eine der größten Werbekampagnen der Geschichte ab. Quer<br />

über die Münchner Autobahn hechtete ein gigantischer Oliver<br />

Kahn aus Pappe und vom Hamburger Radisson Hotel wehten<br />

zwei „+10“ Plakate mit den Konterfeis Ballacks und Podolskis,<br />

die aufgrund ihrer Größe noch in Berlin erkennbar gewesen sein<br />

dürften. Doch groß alleine reicht heute nicht. Es muss „irgendwie<br />

rocken“, darauf kommt es an - Spraying zum Beispiel. Doof<br />

nur, dass Markenkommunikation einen Absender braucht,<br />

der kein 17-jähriger anonymer Sprüher ist, sondern eine leicht<br />

auffindbare Firma mit 11 Milliarden Euro Umsatz, der man entsprechend<br />

11 Milliarden mal weniger verzeiht, Wände besprüht<br />

zu haben. Sehr smart war daher die Idee aus dem Hause Adidas,<br />

„Ballack +10“ nicht aufzusprühen, sondern in die vom Feinstaub<br />

dunkel verschmutzte Mauer mittels riesiger Schablonen zu putzen:<br />

Meister Proper goes Guerilla-Marketing.<br />

Querdenker weichen in ihrer Denkhaltung erheblich von Routinen<br />

ab. Dass dieses Verlassen eingefahrener Wege ins, bildlich<br />

gesagt, unwegsame Gelände führt, ist die logische Folge. Solange<br />

Visionäre noch in breiten Bevölkerungsgruppen als behandlungsbedürftig<br />

und nicht Vorstellbares als unmöglich gilt, geht<br />

die Stolperei wohl weiter. Man muss von etwas Mächtigem<br />

getrieben werden, um auch mal „nein“ zu sagen, wenn alle<br />

anderen „ja“ sagen und vielleicht noch viel wichtiger: „ja“ zu<br />

sagen, wenn alle anderen „nein“ sagen. Querdenker sind Visionäre<br />

und häufig genug Vordenker. Sie schießen Menschen<br />

auf den Mond, bauen Computer, obwohl wir Schreibmaschinen<br />

haben, und Autos, obwohl sich jeder mit dem Kutschenverkehr<br />

glücklich schätzt. Querdenker missachten Grenzen und Regeln.<br />

Sie haben den Mut, ihrem Herzen und ihrer Intuition zu<br />

vertrauen.<br />

Entgegen dem schallenden Gelächter der Besserwisser entschied<br />

sich Peter Kowalsky, die Vision seines Stiefvaters endlich<br />

umzusetzen. Kowalsky ist vom Weg abgewichen - und es<br />

hat sich gelohnt, wie er selbst sagt. Monatelang ist er zuvor<br />

durch die Republik gezogen. Was hatten die Wirte ihn ausge-<br />

lacht, als er mit seinem Bruder Stephan hunderte von Kneipen,<br />

Clubs und Restaurants abklapperte, damit sie sein Getränk auf<br />

den Tresen stellen. Alles vergeblich. BIO-NADE, da wird man<br />

ja gleich mit dem Finger auf Bio hingewiesen; das will doch<br />

keiner trinken. Holunder-Saft als Kultgetränk erschien in etwa<br />

so realistisch wie Ronald McDonald als Ernährungsberater.<br />

Es ist irgendwie bezeichnend, dass die „Bionadisierung“ der<br />

Gesellschaft letztlich ihren Siegeszug in der kreativen Szene begann.<br />

Heute ist die BIONADE zur omnipräsenten Marke avanciert.<br />

Zeitweise verzeichnete Kowalskys Getränk 30 Prozent<br />

Wachstum - pro Monat!<br />

Der Querdenker hat ein Titelproblem. Zu sehr wurde der<br />

Begriff auch von jenen für sich beansprucht, welche die schwarzen<br />

Kapitel unserer Geschichte geschrieben haben. Zu viele<br />

Unwürdige verleihen den inoffiziellen Titel am liebsten sich<br />

selbst. Zu schwammig definiert sich der Begriff. Jede zweite<br />

Agentur wirbt ein Querdenker zu sein, meint aber etwas anderes.<br />

Jeder dritte Trainier verspricht, aus Hans Hinterweltler<br />

einen zu formen, wohlwissend, dass es nie gelingen wird.<br />

Der Unterschied zwischen großen Worten und großen Taten<br />

offenbart sich letzten Endes dann doch, früher oder später,<br />

recht eindeutig. Action speaks louder than words. Doch diese<br />

großen Taten brauchen wir. Wir scheinen in vielerlei Hinsicht<br />

an einem derart komplexen Punkt angelangt zu sein, dessen<br />

Überwindung vernetztes Denken erfordert. Der Querdenker<br />

erfährt seine momentane Hochkonjunktur aus gutem Grunde<br />

mitten in der wirtschaftlichen Rezession. Zwar weiß auch er,<br />

dass gerade die Wirtschaft auf nicht ständig zu infrage stellenden<br />

Regeln angewiesen ist. Doch Regeln werden bekanntermaßen<br />

durch Ausnahmen bestätigt.<br />

Jonathan Ive ist Querdenker per Definition, was gewissermaßen<br />

verpflichtend sein dürfte, wenn der Arbeitgeber mit dem<br />

Slogan „Think Different“ wirbt. Ive ist Stardesigner, Senior Vice<br />

President bei Apple, seit 2006 „Commander of the Most Excellent<br />

Order of the British Empire“ und zudem noch ausgesprochen<br />

sympathisch und bescheiden. Ive ist vielleicht so etwas<br />

wie der Vorzeige-Querdenker unserer Zeit. Seine Werke werden<br />

kopiert, doch niemals erreicht. Das iBook, der Power Mac, der<br />

Mac mini, der iMac, die MacBook-Familie, der iPod, das iPhone.<br />

Als der <strong>London</strong>er mit 25 Jahren in die USA übersiedelte, waren<br />

Computer Tower-förmige, plärrende, beige Kisten. Und eigent-<br />

lich hätte es keinen Grund gegeben dies zu ändern. Doch er gab<br />

diesen Arbeitsmaschinen ein Gesicht, eine Identität, geradezu<br />

eine Persönlichkeit. Er ignoriert seit Jahrzehnten sämtliche<br />

traditionelle Konzepte des Computerdesign und wertschätzt<br />

dabei die Bionik. Ive ist ein interdisziplinär denkender Visionär,<br />

der den unbedingten Willen besitzt, aus Visionen Wirklichkeit<br />

zu machen. Er ist wichtig für Apple - und er ist wichtig für alle<br />

Querdenker. Gerüchteweise stürzt er sich über 70 Stunden<br />

pro Woche in die Arbeit. Man würde sich wünschen, es wären<br />

mehr.<br />

Die University of Oregon liegt knapp zwei Flugstunden nördlich<br />

von Jonathan Ives <strong>Design</strong>schmiede. Schließlich hatte man alle<br />

Architekten entlassen. Nach den Semesterferien trampelten<br />

die Studenten also vollkommen ungeleitet jeglicher Wege über<br />

den <strong>Campus</strong>. Nach wenigen Wochen zeichnete sich eine zuvor<br />

unvorstellbar effektive Minimalstruktur an Trampelpfaden im<br />

hohen Gras ab. Der Plan eines Querdenkers war aufgegangen,<br />

die Trampelpfade konnten nun zu Wegen gepflastert werden.<br />

32 X-PRESS | WS 09/10<br />

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