Journalistenpreis Bürgerschaftliches Engagement Marion-Dönhoff ...
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Der Respekt vor dem Anderssein<br />
„Jetzt erst recht!“ – Teil 10 des Reigens:<br />
Im Ausländerpfarramt vermittelt<br />
Siegfried Pick zwischen den Kulturen<br />
– Er ist längst nicht mehr nur Theologe<br />
Netzwerke helfen bei der Integration. Die<br />
zwölf Helden unserer Serie haben Netzwerke<br />
gebildet oder fanden – als sie selbst<br />
Hilfe brauchten – Rückhalt in sozialen Initiativen.<br />
Der 24-jährige Kurde Resul Celik,<br />
dessen langer Weg zum Aufenthaltsrecht<br />
gestern Thema in unserem Reigen war,<br />
fand solche Hilfe bei Ausländerpfarrer<br />
Siegfried Pick. Für den Geistlichen ist Integration<br />
nur durch die Zusammenarbeit<br />
vieler Menschen möglich.<br />
BAD KREUZNACH. Das Ausländerpfarramt<br />
in der Kurhausstraße ist ein offenes<br />
Haus. Pfarrer Siegfried Pick sitzt hier in einem<br />
großen, hellen Büro. Ständig klingelt<br />
das Telefon, immer wieder kommt jemand<br />
kurz herein, stellt Fragen oder nimmt einfach<br />
Platz vor einem der zahlreichen PCs im<br />
Nebenraum. Seit einigen Monaten gibt es<br />
hier ein Internetcafé speziell für Migrantinnen,<br />
die den Umgang mit dem Computer<br />
selbstständig und unter Anleitung lernen<br />
können. Viele Menschen gehen selbstverständlich<br />
ein und aus, man kennt sich.<br />
Siegfried Pick lässt sich nicht stören, sitzt<br />
während unseres Gesprächs lässig in seinem<br />
Stuhl und sieht eigentlich überhaupt<br />
keinen Anlass dafür, dass jemand über ihn<br />
und seine Arbeit in der Stadt einen Bericht<br />
schreiben möchte. Wohl, weil das, was er<br />
tut, ihm schon so selbstverständlich erscheint,<br />
dass es keiner besonderen Erwähnung<br />
bedürfte. Schließlich macht er seine<br />
einzigartige Arbeit im Süden der Landeskirche<br />
schon 16 Jahre. Siegfried Pick ist<br />
Ausländerpfarrer und als solcher Ansprechpartner<br />
für alle Menschen, die aus<br />
fremden Ländern nach Bad Kreuznach<br />
kommen und ein neues Leben beginnen –<br />
gleichgültig welcher Konfession.<br />
Siegfried Pick hat sein ganzes Leben in der<br />
Region um Bad Kreuznach verbracht. „Eigentlich<br />
merkwürdig, als Ausländerpfarrer...“,<br />
sagt er selbst und lacht. Aber die Begeisterung<br />
für fremde Länder und Kulturen<br />
ist ihm anzumerken. Etwa, wenn er von seiner<br />
letzten Reise nach Syrien und in den Libanon<br />
erzählt. „Das waren spannende Begegnungen<br />
mit der arabischen Welt“,<br />
schwärmt er. Solche „interkulturellen Begegnungen“<br />
sind oft schwierig, weiß der Pfarrer.<br />
Es kommt leicht zu – sprachlich bedingten –<br />
Missverständnissen. Wie man damit umgeht,<br />
hat Pick in seiner langjährigen Arbeit<br />
mit Menschen aus anderen Kulturen gelernt.<br />
„Das Wichtigste ist der Respekt vor dem Anderssein“,<br />
sagt er. Keiner muss sich seiner<br />
Haltung anpassen, um Hilfe zu bekommen.<br />
Siegfried Picks Verständnis von Integration<br />
ist keines, das von Leitkultur oder Assimilation<br />
geprägt ist: In seinen Augen betrifft Integration<br />
die ganze Gesellschaft, sie ist ein<br />
Wechselspiel. „Immigranten verändern unsere<br />
Gesellschaft und sie selbst verändern<br />
sich auch.“ Integration endet für ihn nicht mit<br />
dem Erlangen der deutschen Staatsbürgerschaft.<br />
„Konflikte müssen ausgetragen,<br />
Nicht-Verstandenes muss benannt werden.“<br />
Die Bildung von Ghettos hält Pick für fatal.<br />
Zu ihm kommen verschiedene Menschen<br />
aus ganz unterschiedlichen Gründen.<br />
Siegfried Pick ist längst nicht mehr nur<br />
Theologe. „Es geht hier um den ganzen<br />
Menschen“, betont er. Zu seinen täglichen<br />
„Werkzeugen“ gehört das neue Zuwanderungsgesetz<br />
genauso wie die Bibel. Buddhisten,<br />
Muslime und Christen kommen zu<br />
ihm, auch weil sie sich in ihrer neuen<br />
Heimat in eine Gemeinde eingliedern<br />
möchten. Siegfried Pick vermittelt die Neuankömmlinge<br />
weiter: Etwa an die englisch-<br />
Serienpreis<br />
sprachige Gemeinde aus Afrika oder die<br />
kleine französische Gemeinde, die sich sogar<br />
im Ausländerpfarramt zu ihren Gottesdiensten<br />
à la française trifft. In Asylrechtsfragen<br />
ist Siegfried Pick heute Experte. Die<br />
Beratung von Migranten ist aber nur ein<br />
Teil seiner Arbeit. In der Diskussion um Islamismus<br />
trägt er mit Veranstaltungen in<br />
Bad Kreuznach zu Aufklärung und Auseinandersetzung<br />
bei. Zum Beispiel hat er einen<br />
Vortrag über die Kopftuch-Debatte organisiert.<br />
Bei aller Offenheit vertritt er klare Positionen:<br />
„Integration ist ein Prozess, den<br />
wir gestalten müssen, sonst kommen immer<br />
wieder gesellschaftliche Probleme wie<br />
in den 90er-Jahren auf.“ Nach 30 Jahren<br />
„Integrationsverweigerungspolitik“ wird,<br />
so Pick, das Zusammenleben mit Ausländern<br />
heute endlich gefördert. Dafür setzt er<br />
sich nicht nur in seiner Arbeit als Ausländerpfarrer<br />
ein: Er ist außerdem im rheinlandpfälzischen<br />
Arbeitskreis Asyl aktiv und<br />
macht dort die landesweite Öffentlichkeitsarbeit.<br />
„Die gesetzlichen Bedingungen werden<br />
verschärft und die Rechte von Flüchtlingen<br />
eingeschränkt“, meint Pick. Neben<br />
aller Ernsthaftigkeit bedeutet seine Arbeit<br />
für ihn auch Erfüllung. „Die Tätigkeit mit<br />
vielen Menschen macht mir viel Spaß“,<br />
sagt Pick. Am Ende ist es auch für einen<br />
Ausländerpfarrer gut, an einem Ort verwurzelt<br />
zu sein, meint er. Nur so entwickelt<br />
sich ein kontinuierliches Arbeiten.<br />
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