PDF-Version - Berliner Mieterverein e.V.
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Foto: Walter Dick/DMBArchiv<br />
26<br />
Extra zum Deutschen Mietertag 2011 in Berlin<br />
Der Nachkriegs-Mieterbunddirektor Bertold Gramse (Mitte)<br />
verbreitete ein – nicht untypisch für die Zeit – geschöntes Bild<br />
der Mieterbewegung während der Nazi-Ära (hier: Deutscher<br />
Mietertag in Köln 1959 mit Kölns Oberbürgermeister Bu rauen<br />
und dem damaligen Mieter bund-Präsidenten Geisslreuther)<br />
organisation zu massiven Finanzierungsschwierigkeiten<br />
und lieferte<br />
den Hintergrund für eine Abspaltung<br />
und die Gründung zweier Dachorganisationen.<br />
Nach diversen Querelen<br />
bestanden ab 1924 zwei Dachverbände:<br />
Der „Reichsbund Deutscher<br />
Mieter“ mit Sitz in Berlin und der<br />
„Bund Deutscher <strong>Mieterverein</strong>e“<br />
unter Dresdner Führung. Die unterschiedliche<br />
Nähe der örtlichen <strong>Mieterverein</strong>e<br />
zu den Linksparteien und<br />
die Haltung zur „Sozialisierungsfrage“<br />
lieferten die politische Begründung<br />
für diese und viele weitere Ab <br />
spaltungen und Neugründungen.<br />
Auf örtlicher wie zentraler Ebene<br />
schieden sich die Vereine in eine<br />
kommunistische, sozialdemokratische<br />
oder bürgerliche Ausrichtung.<br />
Aus heutiger Rückschau erscheinen<br />
viele der dokumentierten Auseinandersetzungen<br />
weniger als Streit um<br />
den richtigen Mieterschutz, denn als<br />
Glaubenskämpfe über eine ebenso<br />
unscharf konturierte wie abstrakte<br />
Sozialisierungsfrage. Die Mieterbewegung<br />
war ein Abbild der ideologischen<br />
Zerstrittenheit und Kompromissunfähigkeit<br />
in der Weimarer Republik.<br />
Mit der Machtübergabe an<br />
die National sozialisten fand dieses<br />
Kapitel der noch jungen Demokratie<br />
ein jähes und verhängnisvolles Ende.<br />
Die Spaltung wurde aufgehoben und<br />
die politischen Leitungen der organisierten<br />
Mieterschaft wurden unter<br />
der Führung der Nationalso zialisten<br />
gleichgeschaltet.<br />
Niemand wird das Agieren der organisierten<br />
Mieterschaft unterm<br />
Foto: Peter Gärtner<br />
Haken kreuz als Meilenstein der<br />
Vereinsgeschichte bezeichnen. Die<br />
nach trägliche Aufarbeitung dieser<br />
Epoche durch die NachkriegsMieterbundsführung<br />
grenzt jedoch an<br />
plumpe Geschichtsfälschung: „Der<br />
in den vergangenen Jahren geschaffene<br />
Zusammenhalt der Verbände<br />
und Vereine hatte jetzt seine Bewährungsprobe<br />
zu bestehen – und<br />
bestand sie, ohne von den von jeher<br />
vertretenen Grundsätzen und Zielen<br />
das Geringste preiszugeben“, so<br />
lautete die Bilanz der Mieterarbeit<br />
im Faschismus aus der Feder des<br />
Vorsitzenden des <strong>Berliner</strong> <strong>Mieterverein</strong>s<br />
und späteren Bundesdirektors<br />
des Deutschen Mieterbundes<br />
(DMB), Bertold Gramse im Jahre<br />
1953. „Prinzipientreu“ hatte man<br />
wie viele Organisationen im Nachkriegsdeutschland<br />
dort weggesehen,<br />
wo die Vernichtung der jüdischen<br />
Bevölkerung vor aller Augen vorbereitet<br />
und durchgeführt wurde. Der<br />
Ausschluss von Juden aus den Vereinen<br />
war schon 1934 verfügt und<br />
Die Wohnungspolitik hielt für die Wohnungsnot<br />
der Nachkriegszeit und den<br />
Aufbruch in eine „Moderne“ in Ost und<br />
West die gleiche Lösung bereit: Neubau<br />
auf der grünen Wiese (hier: der Ost-<strong>Berliner</strong><br />
Bezirk Marzahn in den 80er Jahren)<br />
der Mieterschutz für Juden 1939<br />
voll ständig beseitigt worden. Sie er <br />
möglichte die „gesetzeskonforme“<br />
Vertreibung der Juden aus ihren<br />
Woh nungen, die Zusammenlegung<br />
in „Judenhäusern“ und schließlich<br />
die Deportation in die Vernichtungslager.<br />
» Zaghafter Neuanfang<br />
im Westen, verordnetes<br />
Absterben im Osten «<br />
Nachdem aus der Reichshauptstadt<br />
jener „Schutthaufen bei Potsdam“<br />
(Bertold Brecht) geworden war, begannen<br />
in den britischen und amerikanischen<br />
Besatzungszonen ab<br />
1945 schnell und „routinemäßig“<br />
(Karl Führer) die ersten Wiederaufbauversuche<br />
der Mieterbewegung.<br />
Die französischen Militärbehörden<br />
beäugten diese wie alle politischen<br />
Aufbrüche in ihren Hoheitszonen<br />
argwöhnisch – ein Zustand, der bis<br />
zur Gründung der Bundesrepublik<br />
1949 anhielt. Östlich der Elbe, in der<br />
sowjetischen Besatzungszone, wurden<br />
die wenigen dokumentierten<br />
Aufbaubestrebungen mit Verweis<br />
auf die profaschistischen Umtriebe<br />
vor dem Krieg unterdrückt. Im Grun<br />
MieterMagazin 6/2011