PDF-Version - Berliner Mieterverein e.V.
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Foto: MieterMagazinArchiv<br />
34<br />
Extra zum Deutschen Mietertag 2011 in Berlin<br />
Die Frage ist für mich eher: Was<br />
konnten wir aus unserer Aufbruchstimmung<br />
in den 70er und 80er Jahren<br />
mit hinübernehmen in die jetzige<br />
Alltagsarbeit einer vorwiegend auf<br />
Dienstleistung orientierten Organisation.<br />
Zunächst: Bei mir persönlich<br />
ist die Ungeduld geblieben. Es<br />
fällt mir heute eher noch schwerer<br />
zu ak zeptieren, dass manche Ungerechtigkeit<br />
auf dem Wohnungsmarkt<br />
nicht unmittelbar angegangen<br />
wird. Aber trotz allen Engagements:<br />
Der Blick auf die Veränderbarkeit<br />
des Systems durch Verbandslobbyismus<br />
hat sich geändert. Er ist nüchterner<br />
geworden.<br />
MieterMagazin: Können Sie sich<br />
vorstellen, dass junge Leute, die<br />
heute eine BMVVeranstaltung besuchen,<br />
eine ähnliche Erfahrung machen<br />
wie Sie damals?<br />
Wild: Auf jeden Fall. Mieterorganisationen,<br />
aber auch Gewerkschaften<br />
oder die großen Glaubensgemeinschaften<br />
haben ihre eigene Lebenswelt.<br />
Ein nicht unwesentlicher Teil<br />
des Engagements besteht aus der<br />
Beschäftigung mit der eigenen Organisation.<br />
Das stößt diejenigen vor<br />
den Kopf, deren Beteiligungswunsch<br />
in erster Linie auf einen Punkt, einen<br />
Konflikt oder eine Sache hin gerichtet<br />
ist.<br />
MieterMagazin: Was muss sich ändern,<br />
um den Jungen von heute im<br />
Mieterbund eine Heimat zu bieten?<br />
Wild: Inzwischen ist meines Erachtens<br />
klar, dass wir verstärkt junge<br />
Mitglieder erst dann gewinnen<br />
kön nen, wenn diese Mieter eigene<br />
Haushalte gründen, die Züge einer<br />
Die langhaarigen<br />
Hitzköpfe von<br />
einst haben die<br />
Mieterorganisation<br />
verändert,<br />
die Organisation<br />
aber auch sie<br />
(hier: Deutscher<br />
Mietertag in<br />
Berlin 1979)<br />
Stetigkeit tragen – durch Arbeitsverhältnisse<br />
oder persönliche Beziehungen.<br />
Die <strong>Mieterverein</strong>e müssen dies<br />
mit ihren Beratungsformen und Kom <br />
munikationsmöglichkeiten berücksichtigen.<br />
Beim ehrenamtlichen Engagement<br />
ist die Gewinnung junger<br />
Menschen für einen Verein ganz<br />
schwierig.<br />
MieterMagazin: Wir beobachten eine<br />
Veränderung im politischen Auftreten<br />
der großen Interessenverbände.<br />
Teilen Sie die Auffassung, dass<br />
wir es heute mit einer Krise des klassischen<br />
Lobbyismus zu tun haben?<br />
Wild: Krise möchte ich das nicht<br />
nen nen. Ich glaube, dass der Einfluss<br />
der großen Wirtschaftsverbände<br />
wei terhin sehr hoch ist. Aber ihm<br />
sind durchaus Grenzen gesetzt.<br />
Nehmen wir die derzeitige Atompolitik:<br />
Durch Fukushima hat sich das<br />
Misstrauen eines großen Teils der<br />
Bevölkerung eine Bahn gebrochen<br />
und für Veränderungsdruck gesorgt,<br />
der durch die Verbände der Atomwirtschaft<br />
nicht verhindert werden<br />
konnte und auch nicht der Erfolg<br />
besonderen Engagements der Umweltorganisationen<br />
war. Es tut sich<br />
also manchmal etwas auch ohne<br />
den Verbandslobbyismus.<br />
MieterMagazin: Woran liegt das<br />
nach Ihrer Auffassung?<br />
Wild: Verbände haben eine Eigendynamik<br />
und schließen sich manchmal<br />
nach außen hin ab. Verbände<br />
brauchen aber den Druck von außen.<br />
Kann er sich nicht über die Organisationen<br />
ausdrücken, geht er<br />
an ihnen vorbei. Das muss ja nicht<br />
negativ sein.<br />
MieterMagazin: Ist es nicht schwer,<br />
einem Mieter klarzumachen, dass er<br />
mehr Miete zahlen muss, um eine<br />
globale Klimakatastrophe zu verhindern?<br />
Wild: Ich glaube, dass wir insgesamt<br />
in Deutschland die Folgen unseres<br />
eigenen Handelns noch nicht wahrgenommen<br />
haben und vielleicht<br />
auch nicht wahrnehmen konnten.<br />
Aber ich glaube, dass in unserem<br />
Lebensstil wohl Einschnitte unausweichlich<br />
werden. Unser Bestreben<br />
muss daher sein, die Veränderungen<br />
sozial ausgeglichen umzusetzen.<br />
Ich habe Verständnis dafür, dass<br />
hier auch Neid entsteht auf jene,<br />
die sich wegen ihrer wirtschaftlichen<br />
Verhältnisse trotz Investitionen<br />
in Energieeinsparung einen<br />
großen CO2Fußabdruck erlauben<br />
können.<br />
MieterMagazin: Was muss man als<br />
Interessenverband tun, um diesen<br />
Spagat zwischen global verantwortlicher<br />
Politik und lokaler Mietervertretung<br />
erfolgreich hinzubekommen?<br />
Wild: Bei uns muss ankommen, dass<br />
wir ein Teil eines Ganzen sind und<br />
dass es an mehreren Punkten einen<br />
Wech sel geben wird. Für Mieter<br />
steht sicher die Energieeinsparung<br />
und nicht der Klimaschutz im Vordergrund.<br />
Weil beides eng beieinander<br />
liegt, ist der Spagat aber nicht so<br />
groß. Wegen der Energiepreisentwicklung<br />
stehen wir doch mit dem<br />
Rücken zur Wand. Wer das jetzt<br />
nicht anpackt, kriegt später wahrscheinlich<br />
von seinen Mitgliedern<br />
Druck. Da jede eingesparte Kilowattstunde<br />
auch dem Klima zugute<br />
kommt, gibt es aus meiner Sicht<br />
keinen anderen Weg, wenn man<br />
verantwortlich für seine Kinder oder<br />
zukünftige Generationen handeln<br />
will.<br />
Interview: Armin Hentschel<br />
MieterMagazin 6/2011