CajoBrendelLenin
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proletarische Revolution mit der Revolution schlechthin verwechselt hat,<br />
und zwar aus demselben Grunde:<br />
Die Auffassungen der Linken fußen auf dem geänderten Charakter der<br />
Klassengegensätze und auf den geänderten Verhältnissen in der<br />
Gesellschaft. Die aber zieht Lenin gar nicht in Betracht. Er geht bloß<br />
davon aus, daß es ein Parlament gibt, und er schreibt diesem Parlament<br />
wesentlich einen absoluten und unabänderlichen Charakter zu, ohne als<br />
sogenannter Dialektiker auch nur mit der Wimper zu zucken. Er setzt<br />
weiter voraus, daß noch immer Millionen Proletarier "für den<br />
Parlamentarismus schlechthin eintreten" (S. 427).<br />
Daß das für Deutschland 1919/1920 gar nicht zutrifft - Gorter hat es in<br />
seinem Offenen Brief betont - können wir hier bei Seite lassen. Für uns<br />
handelt es sich vor allem darum, daß Lenins Ansichten nicht darauf fußen,<br />
was die Arbeiter infolge ihrer Klassenlage im Klassenkampf zu tun<br />
gezwungen sind oder zu tun gezwungen sein werden. Er geht davon aus,<br />
was sie an Vorstellungen in ihrem Kopf haben, also nicht von dem, was sie<br />
tun müssen. sondern von ihrem Willen. Nicht die objektiven Gesetze der<br />
gesellschaftlichen Entwicklung bilden Lenins Leitfaden, sondern die<br />
subjektiven Vorurteile der Individuen.<br />
Vorurteile, Erwartungen, Hoffnungen oder Illusionen, sie bilden der Reihe<br />
nach für Lenin und seinesgleichen keine Folge jener Tatsache, daß die<br />
Ideen nun einmal hinter der sozialen Wirklichkeit zurückbleiben. Nichts<br />
findet sich bei ihm von der Auffassung, daß die Vorstellungen, welche die<br />
Menschen im Kopf haben, durch ihre Praxis, durch ihr soziales Handeln<br />
umgewälzt werden.<br />
Im Gegenteil: es ist bei ihm gerade umgekehrt. Dasjenige, was er mit rein<br />
subjektiven Maßstab als "eine richtige Praxis" begreift, erwartet er als<br />
Ergebnis des Verschwindens der Vorur teile und Illusionen. Und wo er von<br />
"Praxis" redet, da meint er in den meisten Fällen nicht die Praxis der<br />
Massen, sondern die der Partei.