CajoBrendelLenin
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einstweilen zufrieden. An die Frage, was das denn eigentlich für eine<br />
Brille sei, kam er 1920 kaum heran.<br />
Otto Rühle, auch einer von Lenins damaligen linken Gegnern, ging<br />
bedeutend weiter, als er sich fast zwanzig Jahre später abermals mit der<br />
Leninschen Schrift über die "Kinderkrankheit" beschäftigte.<br />
An der Leninschen Arbeit rügt er nicht nur die praktischen Ratschläge und<br />
die empfohlene Taktik - die sich später tatsächlich als völlig untauglich<br />
erwiesen hat - sondern auch die von Lenin angewandte Methode. Er wirft<br />
Lenin einen Mangel an Dialektik vor, eine Unfähigkeit, "Dinge und<br />
Prozesse in ihren historischen Zusammenhänge und in ihrer dialektischen<br />
Bedingtheit zu sehen", eine Unfähigkeit "bürgerliche und proletarische<br />
Revolution als zwei historisch völlig verschiedene Kategorien<br />
auseinanderzuhalten."<br />
Nichtsdestoweniger schreibt Rühle in Bezug auf unseren Gegen stand: "So<br />
löst sich die Polemik Lenins in eitel Dunst auf. Seine Schimpferei und<br />
Polterei hat keinerlei Bezug zur Wirklichkeit. Er rennt gegen politische<br />
Gegner an, die nur in seinen Halluzinationen existieren. Er macht sich<br />
lächerlich durch einen Kampf gegen Windmühlen."[5]<br />
Uns interessiert hier weniger die - schon längst entschiedene - Frage, ob<br />
Lenin damals die westeuropäischen Verhältnisse richtig eingeschätzt hat,<br />
als jene, wie er zu seiner Einschätzung gekommen ist, worauf sie<br />
eigentlich basierte. Nicht daß er eine andere Sprache führte als seine<br />
Opponenten - wie diese selbst schon festgestellt haben - ist für uns der<br />
Angelpunkt, sondern die Frage weshalb, und die worin denn der<br />
Unterschied bestanden hat. Nicht darum, ob er sich "lächerlich" gemacht<br />
hat oder ob er "einen Kampf gegen Windmühlen" führte, handelt es sich<br />
für uns, sondern darum, was seine Schrift bedeutet, was sie ist ! Nicht -<br />
was an und für sich natürlich durchaus berechtigt wäre - von der<br />
damaligen Lage aus wollen wir sie beurteilen. Es geht uns um ihren<br />
theoretischen Gehalt. Daß Lenins Schrift der Kritik der Tatsachen erlag, ist<br />
selbstverständlich wichtig, aber leicht zu konstatieren. Es besagt jedoch