bpdigital_2_2017
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KAPITEL 3 NATUR UND UMWELT<br />
»Über Rosen läßt<br />
sich dichten,<br />
In die Äpfel muß<br />
man beißen«<br />
JOHANN WOLFGANG VON GOETHE<br />
Die Zucht alter Apfelsorten<br />
Keine zweite Frucht ist derart mythologisch<br />
aufgeladen, ist ein derartig beliebtes Motiv<br />
in den Sagen und Erzählungen der Kulturen<br />
wie der Apfel.<br />
Da wäre die Geschichte um die beleidigte<br />
Göttin Eris. Bekannt wurde diese griechische<br />
Göttin durch den »Apfel der Zwietracht«. Einst<br />
heiratete Peleus die schöne Thetis. Zu dieser<br />
Hochzeit war Eris nicht geladen, und aus Zorn<br />
und Enttäuschung darüber warf sie einen Apfel<br />
unter die Gäste. Auf diesem stand geschrieben:<br />
»Der Schönsten«. Die anwesenden Göttinnen<br />
Aphrodite, Athene und Hera verstanden diese<br />
Botschaft als auf sich bezogen und wollten den<br />
Apfel an sich nehmen. Ein fürchterlicher Streit<br />
entbrannte. Der Gottvater Zeus befahl daraufhin<br />
dem Götterboten Hermes, er möge die drei<br />
Göttinnen zu Paris führen, damit<br />
dieser den Apfel an eine der drei<br />
Göttinnen geben solle. Paris entschied<br />
sich für Aphrodite, die ihm<br />
dafür die schönste Frau der Welt<br />
versprach. Sie hielt Wort und versprach<br />
ihm Helena, die Frau des<br />
Königs von Sparta, Menelaos. Ihre<br />
Entführung löste bekanntlich den<br />
Trojanischen Krieg aus und führte<br />
zur Vernichtung Trojas.<br />
Geschichten über Äpfel gibt es<br />
viele: Die bekannteste handelt vom<br />
Sündenfall und der Vertreibung<br />
aus dem Paradies. Obwohl der Apfel<br />
in der Bibel nicht genannt wird,<br />
wird diese Frucht vom Baum der<br />
Erkenntnis damit in Verbindung<br />
gebracht. Zahlreiche bedeutende<br />
Künstler verewigten diesen biblischen<br />
Moment in Gemälden – so<br />
zum Beispiel Lucas Cranach der<br />
Ältere. Der Apfel steht für Sinnlichkeit,<br />
für Liebe (der kandierte »Liebesapfel«<br />
auf Volksfesten), für die<br />
Versuchung, für Erotik und Leidenschaft.<br />
– Der Apfel steht seit jeher<br />
für mehr als nur eine gesunde<br />
Ernährung.<br />
Geschichtlicher Abriss des<br />
Apfelanbaus<br />
Für uns ist es heute nicht vorstellbar,<br />
dass wir eine bestimmte Obstsorte<br />
während des Jahres irgendwann<br />
nicht mehr kaufen können.<br />
Ob Erdbeeren, Pfirsiche, Birnen<br />
oder Äpfel: Der moderne Supermarkt<br />
mit seinem reichen Obstangebot<br />
bietet uns das ganze Jahr<br />
über jede erdenkliche und exotische<br />
Frucht an. Doch das war längst<br />
nicht immer so.<br />
»Noch bis ins 20. Jahrhundert<br />
war das Haltbarmachen von Obst<br />
nur schwer möglich. Man konnte<br />
es dörren oder aber einkochen.<br />
Dementsprechend hatte jede Jahreszeit<br />
›ihr Obst‹ – und das galt<br />
auch für den Apfel. Über das Jahr<br />
gesehen waren unterschiedliche<br />
Apfelsorten zur Ernährung der<br />
Menschen eingeplant«, erklärt der<br />
Osterwicker Marcel Dahlke, der<br />
Rosen und alte Apfelbaumsorten<br />
züchtet.<br />
Bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts<br />
spielt die Obstzucht im Rahmen<br />
der Gartenkultur keine große<br />
Rolle. Zwar gab es Nutzgärten, in<br />
denen Kräutersträucher und auch<br />
Obstbäume standen, aber größere<br />
Gärten zur Nutzung von Obstbäumen<br />
waren selten. Und so war<br />
Obst auch eher ein exklusives Gut<br />
der wohlhabenden Bevölkerungsgruppen,<br />
wie z.B. des Adels und<br />
Klerus und später des vermögenden<br />
Bürgertums. Äpfel, die damals<br />
geerntet wurden, mussten entweder<br />
direkt verzehrt oder aber<br />
aufwendig gelagert bzw. lagerfähig<br />
umgewandelt werden.<br />
Die Zucht von Äpfeln war damals<br />
nicht nur wenig gezielt, sondern<br />
oftmals zufällig: »Reine Apfelbaumschulen,<br />
wie man sie heute<br />
kennt, gab es lange Zeit nicht.<br />
Klassische Streuobstwiesen<br />
sind selten<br />
geworden. Doch auf<br />
ihnen wachsen die<br />
gesündesten Früchte,<br />
und sie dienen dem<br />
Erhalt der Artenvielfalt.<br />
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