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Die größte Tugend<br />

eines Gärtners ist die<br />

Geduld.<br />

EU-Verordnungen und Normierungen<br />

definieren Qualitätsstandards,<br />

und die Ware an den Obsttheken<br />

der Supermärkte wird zunehmend<br />

vereinheitlicht.<br />

»Die alten Apfelsorten sind<br />

durch eine breite Vielfalt gekennzeichnet,<br />

und jede einzelne hat<br />

ihre Vorzüge. Manche Sorten eignen<br />

sich ganz hervorragend zur<br />

Mostherstellung – wie der ›Topaz‹,<br />

der ›Kaiser-Wilhelm-Apfel‹, die<br />

›Rote Sternrenette‹ oder die ›Rubinette‹.<br />

Aus anderen Äpfeln – wie<br />

zum Beispiel dem ›Doppelten Prinz‹<br />

oder dem ›Backapfel‹ – lässt sich<br />

sehr leckeres Apfelmus machen.<br />

Schließlich gibt es hervorragende<br />

Speiseäpfel wie den ›Wohlschmecker<br />

aus Vierlanden‹. Die heutigen<br />

modernen Apfelsorten unterliegen<br />

Normen. Sie müssen eine bestimmte<br />

Größe und ein bestimmtes<br />

Gewicht haben. Es muss quasi<br />

immer der gleiche Apfel sein,<br />

damit der Kunde, der den Apfel<br />

vor sechs Wochen gekauft hat,<br />

das gleiche Produkt auch sechs<br />

Wochen später bekommen kann.<br />

Unter anderem das führte dazu,<br />

dass die alten Apfelsorten im Handel<br />

nicht zu bekommen sind. Ein<br />

anderer Grund ist eben die Haltbarkeit.<br />

Heute müssen die Äpfel<br />

einen idealen Reifegrad haben. Sie<br />

müssen auf komplizierte Art über<br />

einen langen Zeitraum gelagert<br />

werden und haben weite Transportwege<br />

hinter sich. Dafür eignen<br />

sich die alten Apfelsorten nicht«,<br />

fasst Marcel Dahlke die Gründe für<br />

das Verschwinden der historischen<br />

Apfelsorten zusammen und fügt<br />

hinzu: »Das Aussehen ist für viele<br />

Menschen von großer Wichtigkeit.<br />

Vor einiger Zeit besuchte ich mit<br />

dem zwölfjährigen Bruder meiner<br />

Lebensgefährtin eine Streuobstwiese,<br />

auf der sich alte Apfelbaumsorten<br />

befanden. Im Grunde kannte<br />

er nur die genormten Kaufhausäpfel.<br />

Also pflückte ich ihm einen<br />

Apfel, gab ihm diesen und wartete,<br />

was passieren würde. Seine Reaktion<br />

war vielsagend, denn er verzog<br />

das Gesicht und beklagte,<br />

dass der Apfel ja gar nicht glänzen<br />

würde – und er aß ihn nicht.«<br />

Vom Vorteil der alten<br />

Apfelsorten<br />

Die alten Apfelsorten mögen vielleicht<br />

optisch nicht jene Standards<br />

erfüllen, die unsere Supermarktäpfel<br />

kennzeichnen, doch sie gehören<br />

zu den artreichsten und gesündesten<br />

Äpfeln. Weltweit soll es<br />

über 30 000 verschiedene Apfelsorten<br />

geben, und allein in Deutschland<br />

liegt diese Zahl bei 2000.<br />

»Es ist schon erstaunlich, dass<br />

bei einer solchen Vielfalt fast<br />

immer nur dieselben Apfelsorten<br />

gekauft werden. Dabei haben die<br />

alten Sorten unschlagbare Vorteile«,<br />

erklärt der Landschaftsgärtner.<br />

»Manche neuen Apfelsorten werden<br />

von zunehmend mehr Menschen<br />

nicht vertragen. Ihnen wurden<br />

die sekundären Pflanzenstoffe,<br />

die Polyphenole, fast vollständig<br />

durch Zucht entfernt. Das hatte<br />

zwei Gründe: Zum einen machen<br />

diese Pflanzenstoffe den Apfel<br />

sauer, zum anderen sind sie dafür<br />

verantwortlich, dass sich das<br />

Fruchtfleisch schneller bräunt. Doch<br />

es wird eben vermutet, dass diese<br />

Polyphenole die Allergene im Apfel<br />

neutralisieren. Die alten Apfelsorten<br />

besitzen diese sekundären<br />

Pflanzenstoffe noch und sind daher<br />

für Allergiker geeignet.«<br />

Doch der Vorteil alter Apfelsorten<br />

liegt nicht nur in ihrer Verträglichkeit<br />

für Allergiker, sondern sie<br />

sind auch besonders reich an Vitaminen<br />

und Mineralien. »Es ist ja<br />

bekannt, dass die Schalen der<br />

Äpfel die meisten Vitamine enthalten<br />

– und nicht das Fruchtfleisch.<br />

Und die alten Apfelsorten haben<br />

eine weit härtere Schale als die<br />

Äpfel, die man im Supermarkt kaufen<br />

kann. Und sie sind auch reichhaltiger<br />

an Vitaminen und sekundären<br />

Pflanzenstoffen, was wiederum<br />

gut für das Herz ist«, erklärt<br />

Marcel Dahlke.<br />

Vom Rosenbaum zum<br />

Apfelbaum<br />

Äpfel gehören zur Familie der<br />

Rosengewächse – den Rosaceae.<br />

Nicht von ungefähr fokussiert das<br />

Rosenzentrum Westmünsterland<br />

seit nun zwei Jahren auf den Erhalt<br />

alter Apfelbaumsorten.<br />

»Wir sind natürlich zuallererst<br />

eine Rosenbaumschule«, erklärt<br />

Marcel Dahlke, der für die Zucht<br />

der alten Apfelbaumsorten verantwortlich<br />

ist. »Eine solche Spezialisierung<br />

auf alte Apfelbaumsorten<br />

ist sehr selten geworden. In gewisser<br />

Hinsicht sind wir Vorreiter und<br />

wollen einen Beitrag leisten, um die<br />

Vielzahl an alten Apfelsorten zu<br />

erhalten und sie an unsere Kunden<br />

weiterzugeben.«<br />

Die Liebe zu historischen Apfelsorten<br />

kommt nicht von ungefähr,<br />

sondern wurzelt in frühester Kindheit:<br />

»Es war mein Großvater, der<br />

in mir diese Leidenschaft weckte.<br />

Er hatte in seinem riesigen Garten<br />

zahlreiche Apfelbäume, und ich<br />

durfte ihm sowohl bei der Ernte<br />

der Äpfel als auch beim Rückschnitt<br />

helfen. Für mich war das immer<br />

ein herrliches Erlebnis, wenn ich in<br />

den Bäumen klettern durfte. Und<br />

ein toller Nebeneffekt war, dass es<br />

in diesen Bäumen dann auch etwas<br />

zu essen gab«, erinnert sich der<br />

junge Gärtner lachend.<br />

Diese Tradition alter Apfelsorten,<br />

die sich heute nur noch auf<br />

Streuobstwiesen befinden, gilt es<br />

zu bewahren.<br />

»Es geht uns nicht nur darum,<br />

einen gesunden und gut verträglichen,<br />

schmackhaften Apfel zu<br />

erhalten, sondern auch seinen Namen<br />

und seine Tradition. Ich kenne<br />

Großeltern, die mit leuchtenden<br />

Augen ihren Enkeln von den alten<br />

Apfelbäumen, die einst in den<br />

Gärten standen, erzählen und die<br />

sich wünschten, auch ihre Enkel<br />

könnten so einen herrlichen Apfel<br />

erleben. Und diese Möglichkeit<br />

bieten wir bei uns im Rosenzentrum<br />

Westmünsterland.«<br />

Die Liebe zu den alten Apfelsorten<br />

wurde noch größer durch<br />

die Zusammenarbeit mit Peter<br />

von Nahmen, einem bundesweit<br />

bekannten Hersteller von Apfelsäften.<br />

»Diese Kooperation hat mich<br />

enorm gepackt und führte zu<br />

dem Entschluss, ebenfalls in diesem<br />

Bereich etwas zu unternehmen.<br />

Ich habe mich auf die Suche nach<br />

jemandem gemacht, der mir diesbezüglich<br />

weiterhelfen könnte, und<br />

bin dann auch fündig geworden.<br />

Dieser Mann verfügt über eine<br />

Sammlung von rund 500 verschiedenen<br />

alten Apfelbaumsorten.<br />

Nach einigen Treffen habe ich damit<br />

begonnen, die Sorten zu<br />

sichten und zunächst von den<br />

attraktivsten Sorten Vermehrungsmaterial<br />

zu holen. Dazu schnitt<br />

ich im Januar und Februar Edelreiser,<br />

also die Jahrestriebe, ab und<br />

veredelte sie bei uns in Osterwick.<br />

Schmackhafte Apfelsäfte<br />

entstehen vor<br />

allem durch bestimmte<br />

alte Apfelsorten.<br />

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