bpdigital_2_2017
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Die größte Tugend<br />
eines Gärtners ist die<br />
Geduld.<br />
EU-Verordnungen und Normierungen<br />
definieren Qualitätsstandards,<br />
und die Ware an den Obsttheken<br />
der Supermärkte wird zunehmend<br />
vereinheitlicht.<br />
»Die alten Apfelsorten sind<br />
durch eine breite Vielfalt gekennzeichnet,<br />
und jede einzelne hat<br />
ihre Vorzüge. Manche Sorten eignen<br />
sich ganz hervorragend zur<br />
Mostherstellung – wie der ›Topaz‹,<br />
der ›Kaiser-Wilhelm-Apfel‹, die<br />
›Rote Sternrenette‹ oder die ›Rubinette‹.<br />
Aus anderen Äpfeln – wie<br />
zum Beispiel dem ›Doppelten Prinz‹<br />
oder dem ›Backapfel‹ – lässt sich<br />
sehr leckeres Apfelmus machen.<br />
Schließlich gibt es hervorragende<br />
Speiseäpfel wie den ›Wohlschmecker<br />
aus Vierlanden‹. Die heutigen<br />
modernen Apfelsorten unterliegen<br />
Normen. Sie müssen eine bestimmte<br />
Größe und ein bestimmtes<br />
Gewicht haben. Es muss quasi<br />
immer der gleiche Apfel sein,<br />
damit der Kunde, der den Apfel<br />
vor sechs Wochen gekauft hat,<br />
das gleiche Produkt auch sechs<br />
Wochen später bekommen kann.<br />
Unter anderem das führte dazu,<br />
dass die alten Apfelsorten im Handel<br />
nicht zu bekommen sind. Ein<br />
anderer Grund ist eben die Haltbarkeit.<br />
Heute müssen die Äpfel<br />
einen idealen Reifegrad haben. Sie<br />
müssen auf komplizierte Art über<br />
einen langen Zeitraum gelagert<br />
werden und haben weite Transportwege<br />
hinter sich. Dafür eignen<br />
sich die alten Apfelsorten nicht«,<br />
fasst Marcel Dahlke die Gründe für<br />
das Verschwinden der historischen<br />
Apfelsorten zusammen und fügt<br />
hinzu: »Das Aussehen ist für viele<br />
Menschen von großer Wichtigkeit.<br />
Vor einiger Zeit besuchte ich mit<br />
dem zwölfjährigen Bruder meiner<br />
Lebensgefährtin eine Streuobstwiese,<br />
auf der sich alte Apfelbaumsorten<br />
befanden. Im Grunde kannte<br />
er nur die genormten Kaufhausäpfel.<br />
Also pflückte ich ihm einen<br />
Apfel, gab ihm diesen und wartete,<br />
was passieren würde. Seine Reaktion<br />
war vielsagend, denn er verzog<br />
das Gesicht und beklagte,<br />
dass der Apfel ja gar nicht glänzen<br />
würde – und er aß ihn nicht.«<br />
Vom Vorteil der alten<br />
Apfelsorten<br />
Die alten Apfelsorten mögen vielleicht<br />
optisch nicht jene Standards<br />
erfüllen, die unsere Supermarktäpfel<br />
kennzeichnen, doch sie gehören<br />
zu den artreichsten und gesündesten<br />
Äpfeln. Weltweit soll es<br />
über 30 000 verschiedene Apfelsorten<br />
geben, und allein in Deutschland<br />
liegt diese Zahl bei 2000.<br />
»Es ist schon erstaunlich, dass<br />
bei einer solchen Vielfalt fast<br />
immer nur dieselben Apfelsorten<br />
gekauft werden. Dabei haben die<br />
alten Sorten unschlagbare Vorteile«,<br />
erklärt der Landschaftsgärtner.<br />
»Manche neuen Apfelsorten werden<br />
von zunehmend mehr Menschen<br />
nicht vertragen. Ihnen wurden<br />
die sekundären Pflanzenstoffe,<br />
die Polyphenole, fast vollständig<br />
durch Zucht entfernt. Das hatte<br />
zwei Gründe: Zum einen machen<br />
diese Pflanzenstoffe den Apfel<br />
sauer, zum anderen sind sie dafür<br />
verantwortlich, dass sich das<br />
Fruchtfleisch schneller bräunt. Doch<br />
es wird eben vermutet, dass diese<br />
Polyphenole die Allergene im Apfel<br />
neutralisieren. Die alten Apfelsorten<br />
besitzen diese sekundären<br />
Pflanzenstoffe noch und sind daher<br />
für Allergiker geeignet.«<br />
Doch der Vorteil alter Apfelsorten<br />
liegt nicht nur in ihrer Verträglichkeit<br />
für Allergiker, sondern sie<br />
sind auch besonders reich an Vitaminen<br />
und Mineralien. »Es ist ja<br />
bekannt, dass die Schalen der<br />
Äpfel die meisten Vitamine enthalten<br />
– und nicht das Fruchtfleisch.<br />
Und die alten Apfelsorten haben<br />
eine weit härtere Schale als die<br />
Äpfel, die man im Supermarkt kaufen<br />
kann. Und sie sind auch reichhaltiger<br />
an Vitaminen und sekundären<br />
Pflanzenstoffen, was wiederum<br />
gut für das Herz ist«, erklärt<br />
Marcel Dahlke.<br />
Vom Rosenbaum zum<br />
Apfelbaum<br />
Äpfel gehören zur Familie der<br />
Rosengewächse – den Rosaceae.<br />
Nicht von ungefähr fokussiert das<br />
Rosenzentrum Westmünsterland<br />
seit nun zwei Jahren auf den Erhalt<br />
alter Apfelbaumsorten.<br />
»Wir sind natürlich zuallererst<br />
eine Rosenbaumschule«, erklärt<br />
Marcel Dahlke, der für die Zucht<br />
der alten Apfelbaumsorten verantwortlich<br />
ist. »Eine solche Spezialisierung<br />
auf alte Apfelbaumsorten<br />
ist sehr selten geworden. In gewisser<br />
Hinsicht sind wir Vorreiter und<br />
wollen einen Beitrag leisten, um die<br />
Vielzahl an alten Apfelsorten zu<br />
erhalten und sie an unsere Kunden<br />
weiterzugeben.«<br />
Die Liebe zu historischen Apfelsorten<br />
kommt nicht von ungefähr,<br />
sondern wurzelt in frühester Kindheit:<br />
»Es war mein Großvater, der<br />
in mir diese Leidenschaft weckte.<br />
Er hatte in seinem riesigen Garten<br />
zahlreiche Apfelbäume, und ich<br />
durfte ihm sowohl bei der Ernte<br />
der Äpfel als auch beim Rückschnitt<br />
helfen. Für mich war das immer<br />
ein herrliches Erlebnis, wenn ich in<br />
den Bäumen klettern durfte. Und<br />
ein toller Nebeneffekt war, dass es<br />
in diesen Bäumen dann auch etwas<br />
zu essen gab«, erinnert sich der<br />
junge Gärtner lachend.<br />
Diese Tradition alter Apfelsorten,<br />
die sich heute nur noch auf<br />
Streuobstwiesen befinden, gilt es<br />
zu bewahren.<br />
»Es geht uns nicht nur darum,<br />
einen gesunden und gut verträglichen,<br />
schmackhaften Apfel zu<br />
erhalten, sondern auch seinen Namen<br />
und seine Tradition. Ich kenne<br />
Großeltern, die mit leuchtenden<br />
Augen ihren Enkeln von den alten<br />
Apfelbäumen, die einst in den<br />
Gärten standen, erzählen und die<br />
sich wünschten, auch ihre Enkel<br />
könnten so einen herrlichen Apfel<br />
erleben. Und diese Möglichkeit<br />
bieten wir bei uns im Rosenzentrum<br />
Westmünsterland.«<br />
Die Liebe zu den alten Apfelsorten<br />
wurde noch größer durch<br />
die Zusammenarbeit mit Peter<br />
von Nahmen, einem bundesweit<br />
bekannten Hersteller von Apfelsäften.<br />
»Diese Kooperation hat mich<br />
enorm gepackt und führte zu<br />
dem Entschluss, ebenfalls in diesem<br />
Bereich etwas zu unternehmen.<br />
Ich habe mich auf die Suche nach<br />
jemandem gemacht, der mir diesbezüglich<br />
weiterhelfen könnte, und<br />
bin dann auch fündig geworden.<br />
Dieser Mann verfügt über eine<br />
Sammlung von rund 500 verschiedenen<br />
alten Apfelbaumsorten.<br />
Nach einigen Treffen habe ich damit<br />
begonnen, die Sorten zu<br />
sichten und zunächst von den<br />
attraktivsten Sorten Vermehrungsmaterial<br />
zu holen. Dazu schnitt<br />
ich im Januar und Februar Edelreiser,<br />
also die Jahrestriebe, ab und<br />
veredelte sie bei uns in Osterwick.<br />
Schmackhafte Apfelsäfte<br />
entstehen vor<br />
allem durch bestimmte<br />
alte Apfelsorten.<br />
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