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sportFACHHANDEL 06_2017 Leseprobe

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<strong>06</strong>.<strong>2017</strong> Ausbildung<br />

Ausbildung | FACHHANDEL | 35<br />

NICHT NUR EINE GESELLSCHAFTLICHE HERAUSFORDERUNG<br />

Passungsprobleme im Ausbildungsmarkt<br />

Jährlich veröffentlicht das Bildungsministerium den Berufsbildungsbericht. Darin wird ungeschönt der Status Quo der Ausbildung dargelegt.<br />

Wir zeigen aktuelle Tendenzen und Probleme auf und was diese für den Sportfachhandel bedeuten.<br />

Mit der Veröffentlichung der jüngsten Zahlen<br />

zur Berufsausbildung gingen Überschriften in<br />

den Medien einher, die von einem Rekordtief bei<br />

der Zahl der Azubis sprachen. Natürlich ist das<br />

eine Vereinfachung. Denn beispielsweise der<br />

demografische Wandel führt ohnehin dazu, dass<br />

immer weniger junge Menschen auf den Ausbildungsmarkt<br />

drängen. Hinzu kommt eine immer<br />

höhere Quote von Abiturienten mit Zugangsbe<br />

rechtigung für Hochschulen. Jenes Rekordtief<br />

hat also zunächst gesellschaftliche Gründe, die<br />

noch nicht allzu viel über die Bereit schaft der<br />

Jugendlichen aussagen, eine betriebliche Lehre<br />

zu beginnen. Aber seit 2011 sinkt die Zahl der<br />

insgesamt abgeschlossenen Ausbildungsverträge<br />

kontinuierlich, während die Zahl der betrieblichen<br />

Ausbildungsstellen steigt.<br />

Dass sich die Zahl der unbesetzten Ausbildungsplätze<br />

seit 2010 auf über 43.000 mehr als verdoppelt<br />

hat, ist für die Wirtschaft besorgniserregend.<br />

Zwar kann man aus diesen Zahlen schließen,<br />

dass sich die Situation für Jugendliche, die einen<br />

Ausbildungsplatz suchen, gebessert hat. Gleichzeitig<br />

jedoch hat sich die Situation für Unternehmen,<br />

die Auszubildenden suchen, verschlechtert. So<br />

heißt es im aktuellen, vom Bundesministerium<br />

für Bildung und Forschung herausgegebenen<br />

Berufsbildungsbericht <strong>2017</strong>: „Auch 2016 war<br />

die aktuelle Ausbildungsmarktsituation durch<br />

zwei scheinbar widersprüchliche Entwicklungen<br />

gekennzeichnet. Auf der einen Seite haben<br />

Be triebe zunehmend Schwierigkeiten, ihre angebotenen<br />

Ausbildungsstellen zu besetzen. Auf<br />

der anderen Seite gibt es immer noch zu viele<br />

junge Menschen, denen der Einstieg in Ausbildung<br />

nicht unmittelbar gelingt.“ Demnach konnten 45 %<br />

der befragten Ausbildungsbetriebe im Jahr 2016<br />

die angebotenen Ausbildungsplätze ganz oder<br />

tei lweise nicht besetzen. Die Politik befürchtet:<br />

„Nicht auszuschließen ist, dass sich Betriebe, die<br />

wiederholt die Erfahrung machen, ihre angebotenen<br />

Ausbildungsstellen nicht besetzen zu können,<br />

dauerhaft aus der dualen Berufsausbildung<br />

zurückziehen.“ Betriebe mit bis zu neun<br />

Beschäftig ten, von denen ohnehin nur noch jeder<br />

zweite ausbildungsberechtigt ist, bilden seltener aus,<br />

zu letzt waren es deutschlandweit über alle Branchen<br />

hinweg knapp über 200.000.<br />

Bedenkt man, dass die Ausbildung in Industrie<br />

und Handel nach wie vor weit über die Hälfte<br />

aller Ausbildungsplätze ausmacht, wird schnell<br />

deutlich, dass hier auch die größten Probleme zu<br />

verorten sind. So stellt Katharina Weinert vom<br />

Handelsverband Deutschland (HDE) fest: „Es<br />

gibt immer weniger Bewerber“. Neben der bereits<br />

erwähnten demografischen Entwicklung verändert<br />

sich vor allem auch die schulische Vorbildung<br />

der Bewerber: Während der Anteil der auf den<br />

Ausbildungsmarkt drängenden Realschüler nahezu<br />

konstant bleibt, nimmt dieser bei den Hauptschülern<br />

deutlich ab, bei den Abiturienten hingegen zu. Für<br />

die im Handel angebotenen Berufe, die traditionell<br />

zumeist für Real- und Hauptschüler interessant sind,<br />

bedeutet das, dass der Druck durch die zumindest<br />

schulisch besser qualifizierten Abiturienten<br />

zunimmt. Allerdings haben besser ausgebildete<br />

junge Menschen natürlich auch andere Ansprüche<br />

an eine Ausbildungsstelle. Unter anderem dadurch<br />

kommt es auf dem Ausbildungsmarkt zu einer<br />

auf den ersten Blick seltsamen Konstellation: Es<br />

gibt gleichzeitig viele unbesetzte Lehrstellen und<br />

erfolglose Bewerber. Im Fachjargon wird dieses<br />

Phänomen als Passungsproblem bezeichnet.<br />

Doch woher rühren die Probleme des Sportfachhandels,<br />

geeignete Bewerber zu finden? Ben jamin<br />

Willems, vom Fachbereich Sport & Management am<br />

Düsseldorfer IST-Studien institut thematisiert einige<br />

grund legende Schwierig keiten: „Generell kann für<br />

die gesamte Sportbranche festgehalten werden,<br />

dass sich der Prozess des Berufseinstiges seit<br />

Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes grundlegend<br />

verändert. Die Personalverantwortlichen müssen<br />

umdenken, denn ein Recruiting über Praktika ist<br />

kostenintensiver geworden, weswegen nach neuen<br />

Modell ge sucht wird, kostengünstig Berufseinsteiger<br />

kennen zu lernen und in der Folge natürlich auch<br />

an sich zu binden. Obwohl viele junge Menschen im<br />

Sport beruflich Fuß fassen wollen, schrecken eher<br />

niedrigere Einstiegsgehälter und Arbeitszeiten ab.<br />

Wer in einer Freizeit- und Dienstleistungsbranche<br />

wie dem Sportbusiness arbeiten will, muss natürlich<br />

verstehen, dass selbst gearbeitet wird, wenn<br />

andere ’Spaß haben’ – oder bezogen auf den<br />

Sportfachhandel, wenn Kunden Zeit zum Shoppen<br />

haben und nicht gerade selbst ihrem Nine-to-Five-<br />

Job nachgehen.“<br />

Gerd Bittl-Fröhlich, Inhaber des Online-<br />

Trainingsportals sportsella kann dem nur<br />

zustimmen, sieht aber auch Probleme, die sich der<br />

Handel selbst zuzuschreiben hat: „Grundsätzlich<br />

ist der Einzelhandel kein unattraktiver Arbeitgeber.<br />

Aber natürlich hat der Sportfachhandel bei der<br />

Mitarbeitersuche auch mit Problemen zu kämpfen.<br />

In manchen, gerade wirtschaftlich starken<br />

Regionen ist sicherlich der Lohn für manchen<br />

Bewerber im Vergleich zu Industrieunternehmen<br />

zu gering. Zudem ist der Beruf des Verkäufers<br />

oder Einzelhandelsfachwirts eben kein Bürojob,<br />

bei dem man den Stift um 17 Uhr fallen lassen<br />

kann und das Wochenende generell freie Zeit<br />

bedeutet. Entsprechend unattraktiv werden die<br />

Arbeitszeiten wahrgenommen. Und ein weiteres<br />

generelles Problem: Das Interesse der Jugendlichen<br />

an den Ausbildungsbetrieben insgesamt<br />

schwindet. Sich mit seinem Beruf und seinem<br />

Arbeitgeber zu identifizieren, ist heute nicht mehr<br />

selbstverständlich. Hinzu kommen hausgemachte<br />

Probleme. Oft werden Mitarbeiter vom Handel<br />

nur noch als Kostenstellen betrachtet. Wenn ein<br />

einzelner Mitarbeiter für eine immer größere<br />

Fläche und immer mehr Sortimentsbereiche<br />

zuständig sein soll, dann wird aus dem Spaß am<br />

Verkaufen notwendig irgendwann Stress! Viele<br />

Azubis werden bereits nach kurzer Zeit komplett<br />

in den Verkauf eingespannt, da kommt oft die<br />

eigentliche Ausbildung zu kurz. Zudem ist es ein<br />

nach wie vor weit verbreiteter Irrglaube, dass gerade<br />

Berufseinsteiger bereits perfekte Verkäufer und<br />

Mitarbeiter sind.“<br />

INFORMATIONEN UND ANGEBOTE FÜR<br />

AUSBILDUNGSBETRIEBE<br />

www.bildungsketten.de Initiative zur Unterstützung<br />

junger Menschen auf dem Weg ins<br />

Berufsleben<br />

vera.ses-bonn.de Initiative zur Verhinderung von<br />

Ausbildungsabbrüchen<br />

www.jobstarter.de Beratung und Förderung<br />

kleiner und mittlerer Unternehmen bei Akquise und<br />

Ausbildung von Azubis<br />

www.arbeitsagentur.de Portal der Bundesagentur<br />

für Arbeit mit vielfältigen Angeboten und<br />

Informationen zu Fördermöglichkeiten<br />

www.aufstiegs-bafög.de Nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz<br />

können Teilnehmer von<br />

Maßnahmen der beruflichen Aufstiegsfortbildung<br />

finanziell gefördert werden<br />

www.foerderdatenbank.de Überblick über<br />

Förderprogramme für Existenzgründer<br />

www.ueberaus.de Angebote der Fachstelle<br />

Übergänge in Ausbildung und Beruf<br />

www.bibb.de Seiten des Bundesinstituts für<br />

Berufsbildung

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