Vierter Teil: Sozialismus und Formalismuskampagne
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Museum Berlin, stellte der Künstler Anfang 1955 drei Radierungen aus. 1366 Auf der über<br />
200 Arbeiten umfassenden Frühjahrsausstellung der Akademie der Künste 1955 beteiligte<br />
sich Völker mit seinem „Stilleben mit blauer Maske“ 1367 <strong>und</strong> dem „Karussell“ (Abb. 125).<br />
Hier geriet der Künstler wieder in die Kritik. Cay Brockdorff 1368 berichtete in „Das Blatt“,<br />
der Zeitung des Verbandes Bildender Künstler Deutschlands, über die Werkschau. Er<br />
zitierte zunächst Bertolt Brecht: „Als ich in die Ausstellung kam, habe ich einen Schreck<br />
bekommen – es fehlt das Menschliche. Man hat das Gefühl, daß die meisten Bilder, die<br />
da hingen, nicht Liebe <strong>und</strong> nicht Haß waren.“ 1369 Als ersten griff Brockdorff Karl Völker <strong>und</strong><br />
danach Willi Sitte, Hans Gr<strong>und</strong>ig <strong>und</strong> Heinrich Ehmsen an. Seine durchaus genaue,<br />
pointierte Beschreibung des Völkerschen Karussellbildes steht dabei im Kontrast zu<br />
seinen thematischen Erwartungshaltungen. Das Gemälde wird dabei nicht in den Kontext<br />
des Entstehungszeitraumes ab 1931 gestellt. So heißt es über die Ausstellung: „Das Alte<br />
<strong>und</strong> Überw<strong>und</strong>ene demonstriert sich in dem Bemühen, die künstlerische Aussage vom<br />
Formal-Neuen <strong>und</strong> Originellen ausgehend zu erlangen. Es führte eine große Anzahl der<br />
von der Akademie zur Ausstellung aufgeforderten Kollegen auf den Weg des<br />
Experimentierens um des Experimentierens willen. Am deutlichsten zeigt sich das in den<br />
beiden Arbeiten Karl Völkers. Dieser füllt ein reizvolles Rummelmotiv mit maskenhaft-<br />
starren Puppen <strong>und</strong> abstrahierten Holztieren an. Im Rotieren des sich drehenden<br />
Karussells führen seine mechanischen Gebilde einen schemenhaften <strong>und</strong><br />
gespenstergleichen Tanz auf. Die transparente Mischtechnik, das Verwenden giftiger<br />
Grüntöne, die bedrohliche Dunkelheit der Holzfiguren, alles das verleiht dem Aufzug<br />
etwas Spukhaftes <strong>und</strong> krankhaft Unwirkliches. Statt eines lebendigen Volksfestes froher<br />
Menschen schuf der Maler ein geisterhaftes Puppenballett scheinverlebendigter<br />
Dinglichkeiten. Daseinsangst, Irrationalität vom Bewußtsein unkontrolliert, stellen die<br />
objektiven Auswirkungen des Bildes dar. Ein Gleiches finden wir in seinem Stilleben. Statt<br />
eines Ausschnittes aus dem Leben gab Völker tote Natur, in der eine Maske des<br />
Schrecklichen aus dunklen Augenhöhlen starrt. Ein rotes Tuch quillt wie ein Blutstrom<br />
1366<br />
Im Ausstellungskatalog lediglich ‚Köpfe’ als Titel.<br />
1367<br />
Im WV unter dem Titel ‚Maskenstilleben mit Flasche’. Auf S. 2 in ‚Das Blatt’, 1955, H.7<br />
abgebildet.<br />
1368<br />
Cay von Brockdorff (1915-unbekannt): Bildhauer, Kunstkritiker; Studium Vereinigte<br />
Staatsschulen für freie <strong>und</strong> angewandte Kunst Berlin, ab 1933 antifaschistische Tätigkeit,<br />
Kriegsdienst, 1942 Verhaftung an der Ostfront, Strafbataillon, 1943 Hinrichtung seiner Frau, 1947-<br />
1949 Referent für Bildende Kunst <strong>und</strong> Museen in der Deutschen Verwaltung für Volksbildung, 1950<br />
Lehrer an der Hochschule in Weißensee für Kunst <strong>und</strong> Kunstgeschichte, Promotion, 1953-54<br />
Chefredakteur der ‚Bildenden Kunst’, 1955-56 Generaldirektor Staatliche Kunstsammlungen<br />
Dresden, 1957 Direktor Märkisches Museum, Freischaffend. Vgl. KUNSTDOKUMENTATION 1996,<br />
S. 859.<br />
1369<br />
Das Blatt, 1955, H. 7, S. 1.