Vierter Teil: Sozialismus und Formalismuskampagne
Vierter Teil: Sozialismus und Formalismuskampagne
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Kostüm schon bereithaltend. Im Hintergr<strong>und</strong> lauert eine Welt des Spuks, der Verführung<br />
in vielerlei Gestalt. In den figurenreichen Kompositionen greift Völker u. a. das Thema der<br />
Masken wieder auf, das ihn in den späten 1920er <strong>und</strong> frühen 30er Jahren beschäftigt<br />
hatte. Wirken die drapierten Masken auf den Stilleben in jener Zeit beängstigend starr,<br />
geradezu bösartig, hat die abgelegte Maske auf dem „Maskenstilleben mit Flasche“, das<br />
arglistig Feindliche schon verloren. In den Blättern des Karnevals kommt nun neben dem<br />
Diabolischen auch das unbefangen Heitere des Maskierens, der Maskerade, des<br />
Mummenschanzes zum Tragen (Abb. 140, 141). Völker beteiligt uns an seinem<br />
phantasievollen Schwelgen in Formen <strong>und</strong> Farben. Heiter ironisch hält er dem Publikum<br />
in „Die Suchenden“ den Spiegel vor, zeigt die Menschen in ihrem lebenslangen Suchen<br />
nach unerfüllbaren Träumen.<br />
Mit Lust <strong>und</strong> Freude fabulierte Karl Völker auf den Blättern des „Phantastischen Zyklus“.<br />
Die vieldeutigen Zeichnungen erzählen groteske Märchen <strong>und</strong> w<strong>und</strong>ersame Geschichten,<br />
lassen mit ihren Symbolen Raum für Deutungen. Die Hälfte der Arbeiten des Zyklus stellt<br />
ein Tier in den Mittelpunkt der erzählerischen Darstellung. „Der Hahn“ war schon in der<br />
Antike ein Symbol für Kampfeslust, er stand in der christlichen Ikonographie als Symbol<br />
der Wachsamkeit. Die Zeichnung könnte ihn aber ebenso als den Sieger des<br />
Hahnenkampfes bei seiner Jubelfeier zeigen. „Das rote Pferd“ kann als eine Reminiszenz<br />
an die roten Pferde von Franz Marc verstanden werden. „Die Pflanzenfee“ <strong>und</strong> „Das<br />
Mondmädchen“ erinnern unmittelbar an Märchen <strong>und</strong> Geschichten der Kinderzeit. Das<br />
Blatt „Der Kampf“ läßt an eine Theaterinszenierung mit farbenprächtigen Kostümen <strong>und</strong><br />
aufwändigem Bühnenbild denken. „Der Hirte“ bietet breite Möglichkeiten der<br />
Interpretation. Als Hüter <strong>und</strong> Wächter der Herde wurde er in der frühchristlichen <strong>und</strong><br />
mittelalterlichen Kunst durch das biblische Gleichnis vom Guten Hirten oft dargestellt. Die<br />
Arbeit kann aber auch als Sehnen nach der friedvollen Ruhe des Hirtendaseins gesehen<br />
werden.<br />
Die Blätter der beiden Zyklen sind der Höhepunkt des Spätwerkes von Karl Völker (Abb.<br />
142).<br />
Wolfgang Hütt berichtete über einen Besuch beim Künstler: „Wie ein von ihm gehütetes<br />
Geheimnis zeigte er mir .. Ergebnisse seiner Arbeit am Zeichentisch, mit denen er die<br />
Beschäftigung des Tages hinter sich ließ. Das waren Kreidegr<strong>und</strong>zeichnungen, die er<br />
abends beim Lampenlicht schuf. In mythologischer Verkleidung drang aus seinem<br />
Innersten Wahrheit hervor, die Karl Völker mit farbigen Kreiden den dazu mit weißen<br />
Kreidegründen überzogenen Kartons anvertraute, hierbei die Kreidestriche zu formalen<br />
<strong>und</strong> farbigen Rhythmen voll heimlicher Musikalität verband. Nach <strong>und</strong> nach hatten sich die<br />
Blätter zu Zyklen geschlossen, zu hintergründig-sinnbildlichen Abrechnungen mit der