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akzent – DAS GRÖSSTE LIFESTYLE- & VERANSTALTUNGSMAGAZIN VOM BODENSEE BIS OBERSCHWABEN

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Am Donnerstag, 2. Juni, verbringt sie von 16 bis<br />

20 Uhr einen Spieleabend bei einem befreundeten<br />

Ehepaar. Zwischen 22.30 und 23.15 Uhr<br />

hört sie – wahrscheinlich sie – in ihrer Wohnung<br />

über ihr Notebook Musik. Das zeigt später der<br />

Notebook-Verlauf. Am Morgen des 3. Juni um<br />

4 Uhr telefoniert sie über ihr Handy mit ihrem<br />

Freund. Danach verliert sich ihre Spur völlig. Als<br />

der Freund tagelang nichts von ihr hört, setzt er<br />

sich mit den Eltern in Verbindung. Diese fahren<br />

zur Wohnung ihrer Tochter nach Überlingen.<br />

Weil sie von außen nichts Ungewöhnliches<br />

bemerken, gehen sie erst nicht hinein, obwohl<br />

sie einen Schlüssel haben. Sie wollen die Privatsphäre<br />

ihrer Tochter respektieren. Als es weiterhin<br />

kein Lebenszeichen von der jungen Frau gibt,<br />

gehen sie am 8. Juni kurz in die Wohnung und<br />

melden sie schließlich am 11. Juni als vermisst.<br />

Doch zu diesem Zeitpunkt ist die junge Frau<br />

schon tot. Sie wurde am Donnerstag, 9. Juni<br />

um 16.30 Uhr bereits als unbekannte weibliche<br />

Wasserleiche am Überlinger Seeufer gefunden.<br />

An einem, weder von Landseite noch von der<br />

Seeseite einsehbaren und schwer zugänglichen<br />

Privatgrundstück. Der Todeszeitpunkt kann<br />

nicht exakt festgestellt werden, aber aufgrund<br />

des Algenbewuchses liegt er wohl Tage zurück.<br />

Wer war bei Isabelle?<br />

Claudia Kellenberger und Karl-Heinz Hulin,<br />

Mutter und Stiefvater der jungen Frau, die in<br />

Herdwangen-Schönach leben, werden am 12.<br />

Juni spätabends über Isabelles Tod benachrichtigt.<br />

Die Beamten sprechen von Unfall oder Tötungsdelikt.<br />

13 Stunden später stehen die Eltern<br />

in Isabelles Wohnung zwecks DNA-Abgleich. Ein<br />

Kriminalkommissar spricht nun von Selbstmord.<br />

Die Eltern aber glauben nie an einen Suizid. Sie,<br />

die jüngere Schwester der Toten, der Freund,<br />

Freunde und Bekannte beschreiben Isabelle als<br />

lebensbejahende junge Frau mit vielen Plänen,<br />

als gesellig, offen und hilfsbereit. Isabelle Kellenberger<br />

war Rettungsschwimmerin, arbeitete<br />

als Bademeisterin im Strandbad Nussdorf. In<br />

den Tagen ihres Verschwindens herrschte aber<br />

kein Badewetter. „Isabelle hat ihre Aufsicht dort<br />

vorbildlich gemacht. Ich war stolz auf sie, besonders<br />

auf ihre Aussage: ‚Unter meiner Aufsicht,<br />

ertrinkt hier niemand‘“, berichtet ihr Stiefvater.<br />

Nichts deute auf einen Suizid hin und es gebe<br />

auch einfach zu viele Ungereimtheiten. Zu viele<br />

Fragezeichen. Zufälle. Für die Eltern steht fest,<br />

dass Isabelle in ihrer letzten Stunde nicht alleine<br />

war. Sie sind sich sicher, dass jemand bei ihr war.<br />

Aber wer? War es ein Freund, ein Bekannter? Sie<br />

wurde sehr wahrscheinlich an ihrer Erdgeschosswohnung<br />

(mit Terrasse), die rund fünf Kilometer<br />

vom Auffindort entfernt liegt, von jemandem<br />

abgeholt. Vertraute sie ihm und ging freiwillig<br />

mit? Oder wurde sie bedroht? Isabelle hatte kein<br />

Auto. Und ihr Fahrrad stand abfahrbereit an der<br />

Wohnung. Fuhr sie mit der Person auf den See<br />

hinaus? Wurde sie dann umgebracht oder war es<br />

ein tragischer Unfall und derjenige hat jetzt nicht<br />

den Schneid dazu, sich zu melden?<br />

Wer ging an<br />

Isabelles Handy?<br />

Alles zermürbende Spekulationen.<br />

„Das Leben unserer<br />

Tochter Isabelle wurde ausgelöscht<br />

und wir fragen uns,<br />

warum“, schreiben die Eltern<br />

im Rahmen der Todesanzeige.<br />

Auf eigene Faust tragen<br />

sie viele Fakten zusammen,<br />

die für sie auf eine ungeklärte<br />

Todesursache hindeuten.<br />

Der offensichtlich überstürzte<br />

Aufbruch ihrer Tochter aus<br />

ihrer Wohnung werfe viele Fragen auf. Und wo<br />

sind die persönlichen Gegenstände von Isabelle?<br />

Ihre olivgrüne Adidas Collegetasche fehlt, ihr<br />

Geldbeutel samt Ausweis. Ihr Schlüsselbund.<br />

Ihre Kleidung. Wahrscheinlich trug die junge<br />

Frau schwarze Jeans und auf jeden Fall braune<br />

Turnschuhe der Marke Kangaroo, Größe 37<br />

mit Klettverschluss. Und vor allem das Handy,<br />

ein älteres schwarzes Samsung Galaxy Mini,<br />

in einem Lederetui, das eine besonders rätselhafte<br />

Rolle spielt: Am vermutlichen Todestag<br />

steht ihre jüngere Schwester vor Isabelles Wohnung.<br />

Weil sie nicht aufmacht, schickt sie eine<br />

WhatsApp-Nachricht um 12.59 Uhr an Isabells<br />

Handy, die aber nur einen einzigen grauen Haken<br />

bekommt. Also nicht zugesandt wird. Dabei<br />

habe Isabelle ihr Handy nie ausgeschaltet. Und<br />

später – also auch nach Isabelles Tod, ist das<br />

Handy dann wieder aktiv. Am Sonntag, 5. Juni,<br />

Isabelle ist zu diesem Zeitpunkt wohl seit zwei<br />

Tagen tot, ruft eine Bekannte an, und es melden<br />

sich auf Isabells Handy zwei ältere Personen, ein<br />

Mann und eine Frau, Maschinengeräusch im<br />

Hintergrund, man versteht fast nichts und legt<br />

dann halt auf. Ebenso ergeht es einem weiteren<br />

Bekannten von Isabelle. Andere Bekannte, die<br />

sie anrufen wollten und nicht erreichten, erhalten<br />

Benachrichtigungs-SMS, das Handy von<br />

Isabelle sei ab sofort wieder erreichbar. Das<br />

geht bis zum Donnerstag 23. Juni, also 20 Tage<br />

nach ihrem vermutlichen Tod. Wie lange hält<br />

so ein Akku eines älteren Handys? Die Polizei<br />

vermutet Überlagerungen im Netz, die es tatsächlich<br />

geben kann. Aber gleich zweimal und<br />

dann ausgerechnet jetzt? Auch in der Wohnung<br />

ist manches merkwürdig. Die Vorhänge sind zu,<br />

ihr Kettchen, das sie immer trug, liegt auf dem<br />

Tisch – alles sieht nach einem ungeplanten Aufbruch<br />

aus.<br />

Isabelle war glücklich mit ihrem Leben<br />

Die Tatsache, dass die Leiche nur in BH und<br />

Slip aufgefunden wurde, bei Wassertemperaturen<br />

von 17 Grad – und absolut keinem Badewetter,<br />

ist ebenfalls äußerst merkwürdig für<br />

die Eltern. Freunde berichten, dass sie in der<br />

Nähe mal baden gegangen ist, an einem dieser<br />

Insiderplätze, aber nie allein, weil sie das zu gefährlich<br />

fand. Hat sie also jemand entkleidet?<br />

Wo ist ihre Kleidung abgeblieben? Nirgends<br />

Alles klar,<br />

Herr Kommissar?<br />

Die besten Krimis schreibt<br />

ganz sicher das Leben.<br />

Deshalb haben wir uns auf<br />

die Suche nach spannenden<br />

und außergewöhnlichen<br />

Kriminalfällen<br />

rund um den Bodensee<br />

gemacht, die wir in den<br />

nächsten <strong>akzent</strong>-Ausgaben<br />

– einen ganzen Krimi-<br />

Winter lang – vorstellen<br />

werden.<br />

wurde etwas angeschwemmt<br />

oder gefunden. Und, so fragt<br />

der Stiefvater: „Wer läuft fast<br />

fünf Kilometer durch Überlingen,<br />

knallt sich Alkohol und<br />

Drogen in die Birne (ohne<br />

Geld!), zieht sich aus, wirft<br />

erst die Klamotten und dann<br />

sich selbst in den See? Ohne<br />

Grund?“ Isabell war glücklich<br />

mit ihrem Leben und mit ihrem<br />

Freund. Da sind sich alle<br />

sicher. Die Eltern wenden sich<br />

schließlich an die Öffentlichkeit.<br />

Über die regionalen<br />

Tageszeitungen, über Radio und die Fernsehsendung<br />

„Fahndung Deutschland“ suchen sie<br />

nach Zeugen, die am oder um den 3. Juni etwas<br />

beobachtet haben. Ohne Ergebnisse.<br />

Mit Kokain hat Isabelle<br />

nie etwas zu tun gehabt<br />

AKZENTE<br />

Bei der Obduktion kann keine eindeutige Todesursache<br />

ermittelt werden. Außer inneren<br />

Blutungen an Kopf und am Hals weist Isabelles<br />

Körper keine sichtbaren und auch keine äußeren<br />

Verletzungen auf. Und diese Verletzungen<br />

könnten auch postmortal entstanden sein. Die<br />

Leiche hat etwa eine Woche im Wasser gelegen<br />

und hätte dabei leicht an einen Stein oder Baum<br />

schlagen können. Strangulationsmerkmale werden<br />

auch keine gefunden. Außerdem wird ein<br />

mit 1,1 Promille deutlich erhöhter Blutalkoholpegel<br />

sowie Spuren von Kokain im Blut festgestellt.<br />

Dabei wurde wohl auf dem Spieleabend<br />

nur wenig Sekt und Bier getrunken. Und mit<br />

Kokain habe Isabelle laut ihren Eltern nie etwas<br />

zu tun gehabt, hätte auch gar kein Geld dafür<br />

gehabt. In der Wohnung werden weder Alkohol<br />

noch Spuren von Kokain gefunden.<br />

Wer kann Licht ins Dunkel bringen?<br />

Die Ermittlungen gehen weiter. An Suizid glaubt<br />

niemand mehr. Die Akte Isabelle ist nach wie vor<br />

offen, der mysteriöse Fall wird von der Staatsanwaltschaft<br />

behandelt. Was ist passiert? War<br />

es ein Unfall während einer feucht-fröhlichen<br />

privaten Party, wenn das auch gar nicht ihr Stil<br />

gewesen wäre? Wer war dann bei ihr? Wieso<br />

meldet die Person sich nicht und bringt Licht<br />

ins quälende Dunkel? Oder war es doch ein Gewaltverbrechen?<br />

Noch immer werden Zeugen<br />

gesucht, die am oder um den 3. Juni herum etwas<br />

beobachtet haben – an Land oder auch auf<br />

einem Boot auf dem Bodensee – oder irgendetwas<br />

wissen, was zur Aufklärung von Isabelle<br />

Kellenbergs Tod beitragen könnte, oder auch<br />

die vermissten Gegenstände gefunden oder bei<br />

jemandem gesehen haben.<br />

Zeugen werden gebeten, mit der<br />

Kriminalpolizei in Friedrichshafen,<br />

+49 (0)7541 70 10, Kontakt aufzunehmen.<br />

TEXT: SUSI DONNER<br />

DAS MAGAZIN VOM BODENSEE BIS OBERSCHWABEN<br />

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