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Peter Doig - Weltkunst

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sie zeigen aber auf, dass wir darüber nicht gültig befinden<br />

können. Vor allem, weil sich solches Erleben einer<br />

direkten Versprachlichung entzieht. <strong>Doig</strong>s Bilder tun dies,<br />

in-dem sie die Herstellbarkeit solcher Erscheinungen<br />

bloss legen. So zeigt das Grossformat Man Dressed as Bat<br />

von 2007 ein Fledermaus-Wesen mit spindeldürren Beinen<br />

und riesigen Flügeln, die in vielen Schichten und mit<br />

stets wechselnden Rändern übereinander gemalt sind.<br />

Die Figur scheint auf einer kleinen Anhöhe vor einem<br />

verwaschen blauen Hintergrund zu stehen. Frühere<br />

Varianten liegen darunter und schimmern durch. Man<br />

scheint als Betrachter einer Abfolge von Bewegungen<br />

oder auch dem Aufscheinen vieler Nachbilder zu folgen.<br />

<strong>Doig</strong> tut von der Grösse des Formats über die Vagheit der<br />

Darstellung bis zur Transparenz der Farbe alles malerisch<br />

Mögliche, um die Figur als einmalige Erscheinung<br />

vor uns treten zu lassen. Gleichzeitig ist sie dem Film<br />

„Carnival Roots“ entnommen und wurde von <strong>Doig</strong> bereits<br />

auf das Plakat gesetzt, das er zur Präsentation von<br />

<strong>Peter</strong> Chelkowskis Dokumentarfilm über den Karneval<br />

auf Trinidad, in seinem Filmclub gemalt hat.<br />

<strong>Doig</strong> selbst bringt die Konstruktion des auratischen<br />

Moments mit Erinnerung in Verbindung. Diese ist für<br />

ihn ein konstitutives Element seiner Landschaften. Das<br />

mag zum einen mit seiner Biografie verbunden sein. Sein<br />

Vater arbeitete bei einer Reederei und wechselte oft die<br />

Stelle. Die Familie zog ständig um. <strong>Peter</strong> <strong>Doig</strong> besuchte<br />

neun Schulen, in keinem Haus lebte er während Kindheit<br />

und Jugend länger als drei Jahre. 1959 in Edinburgh<br />

geboren, zog die Familie gleich danach nach Kanada,<br />

1962 weiter nach Trinidad, vier Jahre später wieder nach<br />

Kanada, wo sie an verschiedenen Orten lebte. Die Landschaften<br />

sind allesamt Erinnerungsbilder. Die ersten hat<br />

er gemalt, als er bereits zehn Jahre in London gelebt<br />

hatte. Sie stellten für ihn eine Möglichkeit dar, sich eine<br />

Gegenwelt zum umgebenden Trubel der Grossstadt und<br />

ihrer Kunstszene zu schaffen, eröffneten aber auch ein<br />

Feld, auf dem er darüber nachdenken konnte, wie er<br />

sich einem Ort nähern und ihn präzise erfassen könnte,<br />

6<br />

Etwas zu erinnern heisst bei <strong>Doig</strong>, die Menschen,<br />

Dinge und Situationen, in denen sie sich befinden,<br />

zu verändern.«<br />

ohne ihn festzulegen. Die real abwesende Landschaft<br />

wurde zu einer Signatur des Abwesenden in der Malerei.<br />

<strong>Doig</strong> gebrauchte dafür auch den Begriff der „Halluzination“<br />

und liess die Bewusstseinsveränderung durch Drogen<br />

anklingen, die teilweise mit seinen Reisen durch die<br />

kanadische Landschaft verbunden war. 14<br />

Idee der Erinnerung<br />

Diese biografische Erfahrung erhält jedoch eine grundsätzliche<br />

Dimension, auf die <strong>Doig</strong> selbst hinweist: „Die<br />

Leute haben irrtümlich geglaubt, dass es in meinen Bildern<br />

nur um meine eigenen<br />

Erinnerungen geht. Selbstverständlich<br />

können wir<br />

letzten nicht entkommen.<br />

Aber ich interessiere mich<br />

mehr für die Idee der Erinnerung.“<br />

15 Diese Idee der Erinnerung greift en passant<br />

Marcel Prousts Vorstellung auf, wie er sie am berühmten<br />

Beispiel des Madeleine-Gebäcks entwickelt hat, dessen<br />

Duft die Welt der Kindheit mit ihren Gerüchen und Farben<br />

wieder aufscheinen lässt. Aber während der Schriftsteller<br />

der frühen Moderne diese Erinnerung noch wie eine<br />

Blase mit einer vollständigen Welt zu füllen vermag, ist<br />

<strong>Doig</strong> nicht nur der Zugang zum Entschwundenen, seine<br />

Evokation, sondern auch dessen Darstellung selbst brüchig<br />

geworden. <strong>Doig</strong>s Ästhetik des Beiläufigen verbindet<br />

ihn mit Proust. Er hat für die Zeit in London nach seiner<br />

Rückkehr aus Kanada 1989 davon gesprochen, es gehe<br />

ihm um eine Aufwertung des Heimeligen, des Häuslichen<br />

und Sentimentalen: „Ich war gerade aus Kanada zurückgekommen<br />

und erneut auf der Suche nach einem Thema.<br />

Ich begann diese recht ‚heimeligen’ Gemälde zu malen,<br />

Bilder mit ganz einfachen Sujets.“ 16 Und er hat dabei<br />

weder an die Härte von Kitsch und Konsum gedacht wie<br />

die Pop Art Künstler, noch an die Coolness der Young<br />

British Artists vom Goldsmith College. Bereits als er 1979<br />

erstmals von Kanada nach London kam, um die Metropole<br />

der Musik zu erleben, die er liebte, und an der St. Martins<br />

School of Art studierte, war er mit seinen zunächst<br />

grellen und überladenen Stadtszenarien isoliert. Dies<br />

galt auch für die Hinwendung zu einem stillen, eher verpönten<br />

Sujet wie der Landschaft in einer sentimentalischen,<br />

der Erinnerung zugewandten Malerei, mit der er<br />

nach einem dreijährigen Zwischenaufenthalt in Kanada

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