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natur und mensch - Rheinaubund

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Vor dem Ausbau durch Tulla<br />

unterlag die Oberrheinaue<br />

einer ständigen Dynamik<br />

<strong>und</strong> Sukzession <strong>und</strong> bei<br />

entsprechenden Abflüssen<br />

erstreckten sich die Rhein-<br />

arme noch um 1820 auf<br />

einer Breite von bis zu 3 km.<br />

Die Oberrheinebene –<br />

eine durch den Menschen<br />

geprägte Kulturlandschaft<br />

Auch vor der Tullaschen Korrektion im 19.<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert <strong>und</strong> dem Rheinausbau im 20.<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert war die Oberrheinebene eine<br />

durch den Menschen geprägte Kulturlandschaft.<br />

Dennoch – die Aue unterlag einer<br />

ständigen Dynamik <strong>und</strong> Sukzession <strong>und</strong><br />

bei entsprechenden Abflüssen erstreckten<br />

sich die Rheinarme noch um 1820 auf einer<br />

Breite von bis zu 3 km. Ausgedehnte Kies-<br />

<strong>und</strong> Sandbänke sowie Weidenbestände<br />

präg ten das Landschaftsbild. Auf den r<strong>und</strong><br />

2000 Kiesinseln fanden sich Vogelarten wie<br />

Fluss regenpfeifer <strong>und</strong> Flussseeschwalbe<br />

<strong>und</strong> für viele heute selten gewordene oder<br />

ver schollene Insektenarten geeignete Lebens<br />

räume.<br />

Über viele Jahrh<strong>und</strong>erte wurde lokal immer<br />

wieder versucht, den Rhein in ein vorgegebenes<br />

Bett zu zwingen, zum Teil mit<br />

erheblichem Aufwand. Doch erst mit der<br />

„Rektifikation“ des Rheins nach Plänen des<br />

badischen Ingenieurs Johann Gottfried<br />

Tulla (1770–1828) <strong>und</strong> den Bauarbeiten<br />

in den Jahren 1842–1876 gelang dies. Die<br />

Idee Tullas war es, durch gezielte kleine<br />

Stichkanäle <strong>und</strong> Verengung des Flussbettes<br />

sowie Längsdämme, den Rhein sich selbst<br />

ein tieferes, kürzeres Bett graben zu lassen.<br />

Tullas hauptsächliche Ziele waren der Schutz<br />

der am Rhein gelegenen Ortschaften vor<br />

Hochwasser <strong>und</strong> die Trockenlegung weiter<br />

Auenbereiche zu Gunsten einer land- <strong>und</strong><br />

forstwirtschaftlichen Nutzung (Tulla 1825).<br />

Tullas Plan, den Rhein sich selber tiefer legen<br />

zu lassen, war aber erfolgreicher als gedacht<br />

<strong>und</strong> erwünscht. So lag der Rhein bei Istein<br />

bereits zu Beginn des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts bis zu<br />

sieben Meter tiefer als vor der Rektifikation.<br />

Die Tiefenerosion des Rheins hatte erhebliche<br />

Gr<strong>und</strong>wasserabsenkungen zur Folge. In<br />

den ehemaligen Überschwemmungsflächen<br />

entstand eine so genannte „Trockenaue“.<br />

Dort, wo sich früher der Wildstrom in der<br />

„Furkationsaue“ kilometerbreit verzweigte,<br />

fliesst er heute fast geradlinig durch trockene<br />

Kiefernwaldareale.<br />

Nach dem Ersten Weltkrieg hatte sich die<br />

politische Ausgangssituation am Oberrhein<br />

vollständig verändert. Mit dem Versailler<br />

Vertrag von 1919 bekam Frankreich das alleinige<br />

Recht zur Nutzung der Wasserkraft des<br />

südlichen Oberrheins zugesprochen. Frankreich<br />

begann die bereits 1902 auf Initiative<br />

des elsässischen Industriellen René Koechlin<br />

erarbeiteten Pläne für einen vollständig betonierten<br />

Kanal parallel zum „Tullaschen<br />

Rhein“ – den Grand Canal d’Alsace (auch<br />

Rheinseitenkanal genannt) – in die Realität<br />

umzusetzen.<br />

Mit der Fertigstellung des Kanals <strong>und</strong> seiner<br />

vier Wehranlagen mit Laufwasser-Kraftwerken<br />

in den 1950er Jahren wurde der<br />

ehemalige Tullarhein auf einer Fliessstrecke<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 4 / 2007<br />

von etwa 45 Kilometern zwischen Märkt<br />

(kurz unterhalb von Basel) <strong>und</strong> Breisach<br />

zur Restwasserstrecke. Während im Grand<br />

Canal d’Alsace mehr als 1400 m 3 /s zur Stromgewinnung<br />

<strong>und</strong> zur Sicherung der Schifffahrt<br />

abgeleitet werden, wird der „Rest“abfluss im<br />

Rhein im Mittel an 300 Tagen im Jahr auf<br />

20 bis 30 m 3 /s reguliert. Von der einstigen<br />

verzweigten Auenlandschaft am südlichen<br />

Oberrhein ist nichts mehr geblieben.<br />

Ursprünglich sollte der Rheinseitenkanal<br />

bis nach Strassburg durchgebaut werden.<br />

Dies stiess jedoch aus mehreren Grün den<br />

auf deutscher Seite auf Kritik. Zum einen<br />

wollte Deutschland sich den direkten Zugang<br />

zum schiffbaren Kanal sichern, zum<br />

anderen wollte man die starken Gr<strong>und</strong>wasserabsenkungen,<br />

wie sie süd lich Breisach<br />

eingetreten waren, nördlich Breisach verhindern.<br />

Die Einsprache Deutsch lands führte<br />

zu der im Staatsvertrag 1956 festgelegten<br />

Schlingenlösung zwischen Breisach <strong>und</strong><br />

Strassburg, nach der in jeder Stauhaltung<br />

Kraftwerk <strong>und</strong> Schleuse in einem kurzen<br />

Seitenkanal (Schlinge) <strong>und</strong> jeweils ein mobiles<br />

Stauwehr (zur Regulierung des Abflusses)<br />

im vorhandenen Rheinbett erstellt wurden.<br />

Hinzu kamen noch 7 Schwellenwehre<br />

sowie das Kulturwehr Kehl, um den Gr<strong>und</strong>wasserstand<br />

zu stützen <strong>und</strong> Wasser in die<br />

Altrheinarme gelangen zu lassen. Weiter<br />

stromabwärts wurde der Rhein selbst kanalisiert<br />

<strong>und</strong> die Kraftwerke Gambsheim<br />

(1974) <strong>und</strong> Iffezheim (1977) gebaut, die das<br />

gesamte Flussbett versperren.<br />

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