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06-07/2017

Fritz + Fränzi

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Erziehung & Schule<br />

Eine Norm im Zivilrecht<br />

bestimmt, dass Eltern<br />

die Meinung des Kindes<br />

berücksichtigen müssen.<br />

>>> Kinder vor, so bestimmt die<br />

gleiche Norm, dass die Eltern die<br />

Meinung des Kindes zu berücksichtigen<br />

haben. Da es sich im Bereich<br />

des Glaubens und der Religion um<br />

höchstpersönliche Rechte handelt,<br />

haben die Eltern die gefestigten Entscheidungen<br />

ihrer urteilsfähigen<br />

Kinder zu respektieren.<br />

Hat Edita also nachvollziehbare<br />

Gründe, weshalb sie das Kopftuch<br />

nicht mehr tragen will, und kann sie<br />

die Konsequenzen des Nichttragens<br />

absehen, so sollten die Eltern diesen<br />

Entscheid respektieren. Allerdings<br />

spielen hier nicht nur religiöse, sondern<br />

noch viele weitere Motivationen<br />

hinein. Ein Entscheid gegen den<br />

ausdrücklichen Wunsch der Eltern<br />

kann sich daher in der Realität als<br />

sehr schwierig erweisen.<br />

Wie steht es mit Lunas Wunsch<br />

nach Taufe und Erstkommunion?<br />

Mit der Taufe würde Luna Verpflichtungen<br />

begründen, die die Eltern<br />

mittragen müssten. Daher werden<br />

an Lunas Urteilsfähigkeit höhere<br />

Voraussetzungen gestellt. Wird ihre<br />

Urteilsfähigkeit verneint, ist die<br />

Zustimmung der Eltern notwendig.<br />

Mit Blick auf die zutiefst persönliche<br />

Frage nach Bestehen eines Glaubens<br />

oder dem Bedürfnis, eine Religion<br />

auszuüben, sollten Eltern ihr Entscheidungsrecht<br />

gegenüber dem<br />

geäusserten Willen des Kindes zu ­<br />

rückhaltend ausüben. Es sollte<br />

zumindest ein im Alltag lebbarer<br />

Kompromiss gefunden werden. Eine<br />

Religionsausübung beziehungsweise<br />

Nichtausübung ohne einen gewissen<br />

Grundkonsens in der Familie dürfte<br />

zu grossen Reibungen und damit zu<br />

ernsthaften Schwierigkeiten führen.<br />

Wenn die Schule ins Spiel kommt …<br />

Das Leben religiöser Riten und Traditionen<br />

in der Familie ist grundsätzlich<br />

vor Eingriffen des Staates<br />

geschützt, soweit die gesunde Entwicklung<br />

des Kindes dadurch nicht<br />

gefährdet wird. Eine andere Ausgangslage<br />

herrscht, wenn etwa Granit<br />

während des Ramadans den<br />

Sportunterricht nicht besucht oder<br />

der Lehrerin zur Begrüssung den<br />

Handschlag verweigert; wenn Edita<br />

nicht ins Schulschwimmen gehen<br />

oder das Kopftuch in der Schule tragen<br />

will.<br />

Die Schule steht dabei in einem<br />

Spannungsfeld: Einerseits ist sie verpflichtet,<br />

die in der Bundesverfassung<br />

garantierte Glaubens- und<br />

Gewissensfreiheit zu respektieren<br />

(siehe Box rechts unten), anderseits<br />

hat sie einen Bildungsauftrag. Bildungsziele<br />

enthalten nicht nur den<br />

Erwerb von Fachkenntnissen in<br />

Deutsch und Mathematik, sondern<br />

sie umfassen auch das Vermitteln<br />

von demokratischen Grundsätzen<br />

und gesellschaftlichen Werten. In<br />

manchen Volksschulgesetzen basieren<br />

diese Werte auf christlichen<br />

Grundsätzen. In den meisten Kantonen<br />

herrscht eine staatliche Neutralität<br />

vor, der eine offene Haltung<br />

für verschiedene Weltanschauungen<br />

und Glaubensbekenntnisse zugrunde<br />

liegt. Nur wenige Kantone wie<br />

etwa Genf oder Neuenburg kennen<br />

laizistisch orientierte Traditionen,<br />

die auf eine strenge Trennung von<br />

Kirche und Staat achten.<br />

Stossen nun Schulregeln oder Bildungsinhalte<br />

mit religiös motivierten<br />

Verhaltensweisen von Schülern<br />

zusammen, versucht die Schule,<br />

zusammen mit den Eltern und den<br />

betroffenen Kindern einen Konsens<br />

zu finden. Unumstritten ist etwa die<br />

Praxis, bei wichtigen religiösen Festen<br />

Dispensen für einzelne Tage zu<br />

erteilen. Ebenfalls soll während des<br />

Ramadans im Sportunterricht auf<br />

fastende Jugendliche Rücksicht<br />

genommen werden.<br />

Dennoch hatte das Schweizer<br />

Bundesgericht gewisse Fragen zu<br />

entscheiden: Im Jahr 2008 hat es<br />

zum Beispiel erwogen, dass die Integration<br />

einer Schülerin in den<br />

Unterricht einer Dispensation vom<br />

Schwimm unterricht vorgeht. Weiter<br />

entschied es im Dezember 2015,<br />

dass ein Kopftuchverbot für eine<br />

Schülerin ein weitreichender Eingriff<br />

in ihre Religionsfreiheit wäre<br />

und kein öffentliches Interesse dies<br />

Das gilt in der Schweiz<br />

Die Glaubens- und<br />

Gewissensfreiheit umfasst<br />

sowohl die (innere) Freiheit,<br />

zu glauben, nicht zu glauben<br />

oder seine religiösen<br />

Anschauungen zu ändern,<br />

als auch die (äussere)<br />

Freiheit, entsprechende<br />

Überzeugungen innerhalb<br />

gewisser Schranken zu<br />

äussern, zu praktizieren<br />

und zu verbreiten oder sie<br />

nicht zu teilen.<br />

46 Juni/Juli <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi

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