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Demenz-Ratgeber_Hannover

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Umbruch_Seite_1_bis_50.qxp_Layout 1 23.06.17 10:31 Seite 28<br />

REPORTAGE: „Farbenfroh“<br />

„Farbenfroh“ –<br />

Gemeinsam etwas Neues erleben<br />

Ein Montagnachmittag im Frühherbst.<br />

Noch hängen bunte Blätter an den<br />

Bäumen auf dem Andreas-Hermes-<br />

Platz. Auch die Sonne scheint noch<br />

recht kräftig in die Räume des Vereins<br />

„Workshop“. An großen Tischen, die zu<br />

einem langen Rechteck zusammen -<br />

gestellt sind, sitzen sechs Ehepaare.<br />

Auf den Tischen stehen Farbkästen und<br />

Wassergläser, es liegen bunte Zeit -<br />

schriften seiten, Pinsel, Papier und<br />

Klebestifte bereit – auf den ersten Blick<br />

ein ganz normaler Kreativkurs mit Menschen<br />

im jungen Seniorenalter zwischen<br />

etwa 60 und 70 Jahren. Birgit Frische,<br />

eine der beiden künstlerischen Leiterinnen,<br />

gibt das Thema des Nachmittags<br />

bekannt: „Wir wollen heute Collagen<br />

zum Thema Sommer und Herbst ausprobieren“,<br />

erklärt sie der Runde, „benutzt<br />

dazu gerne die Zeitschriftenausschnitte<br />

und malt dazu, was euch einfällt“.<br />

In der Gruppe duzen sich alle. Es<br />

herrscht eine ruhige und fröhliche<br />

Atmosphäre. Die Teilnehmerinnen und<br />

Teilnehmer greifen zu den Zeitschriften,<br />

suchen nach geeigneten Motiven,<br />

schneiden aus und testen erste Anordnungen<br />

auf dem Papier. Erst wenn man<br />

sich einzelnen Ehepaaren nähert, bemerkt<br />

man eine Besonderheit. Zum Beispiel<br />

bei Bodo und Eveline. Bodo ist<br />

schweigsam, sieht sich die Zeitungsausschnitte<br />

an und guckt immer wieder<br />

fragend zu seiner Frau. Die ermuntert<br />

ihn: „Ja, das sind schöne Erntebilder!<br />

Probier’ die doch mal aus.“ Bodo ist, wie<br />

alle anderen männlichen Kursteilnehmer<br />

dieser Gruppe, an <strong>Demenz</strong> erkrankt.<br />

Einige von ihnen können sich noch gut<br />

mit ihren Ehepartnerinnen unterhalten,<br />

bei anderen besteht die Kommunikation<br />

eher aus Gestik und Mimik und<br />

geschieht „viel mit Raten“, wie<br />

Eveline erklärt. Ihr Mann war früher<br />

Geologe und hat wissenschaftliche Gutachten<br />

erstellt, bevor die Krankheit vor<br />

rund fünf Jahren ausbrach. „Die Worte<br />

sind mittlerweile weg“, konstatiert<br />

Eveline, die ihren Mann alleine zu Hause<br />

betreut. Auch bei Marita und Bernd<br />

geht die Kommunikation eher von der<br />

Ehefrau aus. Aber Bernd kann es noch<br />

formulieren: „Ich habe gerade eine<br />

Blockade“, sagt er, und schaut etwas<br />

hilflos auf das Material vor ihm. Die<br />

Ehefrauen versuchen, sich an eine Regel<br />

zu halten, an die Diplompädagogin<br />

Alexandra Huth, die den Kurs für die<br />

Alzheimer Gesellschaft <strong>Hannover</strong> koordiniert<br />

und begleitet, zu Beginn erinnert<br />

hat: „Jeder darf seinem Partner helfen,<br />

aber nur, wenn er fragt!“<br />

Huth erläutert das Konzept: „Es gibt<br />

viele Angebote für Betroffene und viele<br />

Angebote für Angehörige, aber so gut<br />

wie nichts für beide gemeinsam.“<br />

<strong>Demenz</strong>kranke und ihre Partner erlebten<br />

die Krankheit häufig als ein „immer<br />

mehr Verlieren“, viele gerieten in eine<br />

soziale Isolation, auch durch Scham. Vor<br />

drei Jahren sei ihr dann die Idee zu<br />

„Farbenfroh“ gekommen. Birgit Frische<br />

und ihre Kollegin Gundula Manson, die<br />

den Kurs künstlerisch begleiten, machten<br />

dabei auch verblüffende Erfahrungen:<br />

„Die demenzkranken Teilnehmer<br />

sind oft kreativer als ihre gesunden<br />

Partner – die machen einfach ihr eigenes<br />

Ding!“, sagt Birgit Frische. „Dass wir<br />

ein Thema vorgeben, erleichtert eher<br />

den Angehörigen den Zugang zur<br />

Kunst“, ergänzt die Kursleiterin. Die<br />

wenigsten haben Vorerfahrungen im<br />

kreativen Bereich. Viele der aktuellen<br />

Kursteilnehmer sind Akademiker, es sind<br />

frühere Banker, Rechtsanwälte und<br />

Wissenschaftler am Tisch. „Uns ist am<br />

wichtigsten, dass die Paare hier gemeinsam<br />

etwas Neues erleben können“,<br />

betont Alexandra Huth, „unser Angebot<br />

Auf den ersten Blick ein ganz normaler<br />

Kreativkurs ...<br />

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