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GNADE IST EIN<br />
UNMITTELBARES<br />
EINGREIFEN GOTTES<br />
Dass ein König jemandem Gnade erwies,<br />
bedeutete immer, dass er ganz persönlich<br />
eingriff in sein Leben, ihm unmittelbar etwas<br />
schenkte oder ihm über alle bestehenden<br />
Behörden und Gesetze hinweg Schuld und<br />
Strafe erliess (der »Gnadenweg« in der<br />
Rechtsprechung).<br />
Das Neue Testament versteht unter der<br />
Gnade Gottes immer sein unmittelbares<br />
Eingreifen, Helfen und Geben. In der<br />
Gnade stehen heisst: in unmittelbarer<br />
Beziehung zu Gott stehen. Johannes sagt:<br />
»Das Gesetz ist durch Mose gegeben; die<br />
Gnade und Wahrheit ist durch Christus<br />
geworden« (Joh. 1,17).<br />
Durch das Gesetz hat der Mensch auch ein<br />
Verhältnis zu Gott, aber nur ein mittelbares.<br />
Was auf dem mittelbaren Wege (durch so<br />
viele Zwischenpersonen und Behörden)<br />
vom Kaiser an den Bürger kommt, ist in<br />
seiner Wirkung unendlich abgeschwächt<br />
und verdünnt im Vergleich zu dem, was<br />
vom Monarchen persönlich kommt. Unter<br />
dem Gesetz sickert es nur spärlich von oben<br />
nach unten, - aber wo Gnade ist, ist eine<br />
göttliche Fülle.<br />
GNADE IST FÜLLE, SIE<br />
BEFLÜGELT ZU GÖTTLICHEM<br />
TUN<br />
unwiderstehlicher Siegesgewalt schwierige<br />
Aufgaben löst.<br />
Das meinen wir doch auch, wenn wir von<br />
einem Künstler sagen: »Er ist gottbegnadet.«<br />
Das bedeutet: ihm ist ein göttlicher<br />
Überfluss gegeben; und das, was andere<br />
mit allen Kraftanstrengungen nicht<br />
bewältigen können, geht bei ihm zwanglos.<br />
Wem Gnade gegeben ist (unmittelbares<br />
Stehen vor Gott), der darf sich nicht mehr<br />
unters Gesetz stellen (in die ganz mittelbare<br />
Beziehung zu Gott); damit wäre die Fülle,<br />
die von oben kommt, verscherzt, und der<br />
Mensch wäre aus der Gemeinschaft Gottes<br />
gefallen (Gal. 2,21; 5,4).<br />
GNADE IST VERGEBUNG,<br />
ABER AUCH EIN<br />
SICHGEBEN GOTTES<br />
Oft hat Gnade auch die Bedeutung von<br />
Begnadigung, von Erlass der Schuld,<br />
Befreiung aus dem Kerker der Gottesferne.<br />
Gnade bedeutet aber niemals blosses<br />
Vergeben, sondern immer auch ein<br />
„Sichgeben“ Gottes.<br />
Bezeichnend ist auch, dass die Gaben des<br />
Geistes Gnadengaben (chárisma) heissen.<br />
Die Grundbedeutung des Wortes (»Gnade<br />
ist, was erfreut«) bleibt im Neuen Testament<br />
überall bestehen - auch in dem Sinn, dass<br />
ein Mensch, dem Gnade gegeben ist,<br />
erfreuend, ermutigend auf seine<br />
Mitmenschen wirkt.<br />
Paulus spricht wiederholt von dem<br />
Reichtum, den die Gnade bringt (Eph. 1,7;<br />
1. Tim. 1,14); wo Gnade ist, kann man also<br />
aus dem Vollen schöpfen. Ein anderes Mal<br />
spricht er vom Lichtglanz der Gnade (Eph.<br />
1,6): Sie gibt dem Menschen etwas<br />
Strahlendes; sie beflügelt ihn, dass er mit<br />
göttlicher Leichtigkeit und<br />
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