Weilroder Gazette Juli/August 2017
Juli/August Ausgabe 2017 Weinroter Gazette #weilrod
Juli/August Ausgabe 2017 Weinroter Gazette
#weilrod
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Schäl- und Verbissschäden im Wald lassen<br />
sich nie ganz vermeiden, aber reduzieren<br />
Jäger, Jagdgenossen, Förster und Politiker beraten nicht nur am „grünen Tisch", sondern auch im „grünen Wald"<br />
Emmershausen. Schälschäden<br />
im Wald und Flurschäden<br />
auf den Äckern sind<br />
nicht nur ein Ärgernis für die<br />
Besitzer, sie sind auch mit enormen<br />
Vermögensschäden<br />
verbunden. Bei Politikern,<br />
Jägern, Forst und Waldbesitzern<br />
ist das Thema seit Jahren<br />
prominent platziert. Lange<br />
war es jedoch so, dass man<br />
sich gegenseitig dafür verantwortlich<br />
machte. Die Finger<br />
waren dabei oft auf die Jäger<br />
gerichtet, da diese zu wenig<br />
Wild zur Strecke brächten,<br />
entweder weil sie aufgrund<br />
falscher Bejagungsmethoden<br />
nichts träfen oder sich „einen<br />
Zoo halten“ wollten. In<br />
Weilrod geht man seit einiger<br />
Zeit einen anderen Weg, benennt<br />
die Probleme zwar<br />
auch, sucht aber nicht nach<br />
Schuldigen, sondern nach<br />
Lösungen. Gemeinsam.<br />
Ein aus Jägern, Förstern, Politikern<br />
und Jagdgenossen<br />
gebildeter Arbeitskreis hat<br />
schon mehrfach getagt. Kürzlich<br />
fand das Arbeitstreffen<br />
aber nicht am „grünen Tisch“<br />
statt, sondern im „grünen<br />
Wald“. Die Jagdpächter Roland<br />
Fetz und Manfred Möbs<br />
hatten zu einer Exkursion,<br />
ausgehend vom Jagdhaus<br />
Emmershausen, eingeladen.<br />
Niederwald dient seit der Steinzeit als nachwachsendes Holzlager.<br />
Das Prinzip ist hier gut zu sehen <br />
Foto: as<br />
Mitglieder des Landwirtschaftsausschusses,<br />
der Jagdgenossenschaft,<br />
des Gemeindevorstandes,<br />
Vertreter des<br />
Forstamtes und der Unteren<br />
Naturschutzbehörde konnten<br />
sich bei der Exkursion<br />
davon überzeugen, was die<br />
Jäger zur Problemlösung beitragen<br />
können.<br />
Der Konsens war rasch gefunden:<br />
„Gut ist, dass wir<br />
miteinander und nicht mehr<br />
übereinander reden“, sagte<br />
Roland Fetz und betonte dabei<br />
den inzwischen fest etablierten<br />
fairen, partnerschaftlichen<br />
und vertrauensvollen<br />
Umgang miteinander. Nur<br />
wenn alle unter gegenseitiger<br />
Achtung und im Bemühen,<br />
den anderen zu verstehen,<br />
am selben Strang zögen,<br />
funktioniere das „Ökosystem<br />
Wald und Flur“. Zur<br />
Ehrlichkeit gehöre es dabei<br />
auch, zuzugeben, „dass wir<br />
bei aller Freude an der Jagd<br />
die Wildschäden nie auf Null<br />
bringen können“, so Fetz.<br />
Man sei dabei auf einem guten<br />
Weg. Auch Bürgermeister<br />
Axel Bangert sah, dass das gegenseitige<br />
Verständnis zwar<br />
wachse, es aber in diversen<br />
Bereichen noch Aufklärungsarbeit<br />
und vertrauensbildende<br />
Maßnahmen bedarf.<br />
Die Exkursion trage dazu<br />
bei. Ähnlich auch die Bilanz<br />
Manfred Möbs erläutert den<br />
Exkursionsteilnehmern den<br />
Sinn des Topinambur-Anbaus.<br />
<br />
Foto: as<br />
von Forstamtsleiter Bernd<br />
Müller. Beeindruckt zeigte<br />
sich auch Dr. Dieter Selzer,<br />
Leiter der Unteren Naturschutzbehörde.<br />
Er nannte<br />
die Bemühungen in und um<br />
Weilrod, jagdliche und forstliche<br />
Waldnutzung mit der<br />
Funktion des Waldes als Erholungsraum<br />
miteinander<br />
in Einklang zu bringen, richtungsweisend,<br />
hatte aus Sicht<br />
des Wildbiologen aber auch<br />
Änderungsvorschläge. Wild,<br />
das ungestört ist, kommt<br />
nicht auf „dumme Gedanken“,<br />
durch Schälen oder Verbiss<br />
Bäume zu schädigen. Ruhezonen<br />
seien ein probates<br />
Mittel dagegen. Das Wild ziehe<br />
sich hier zurück und fühle<br />
sich sicher. Fetz und Möbs<br />
haben auf 40 Hektar Revierfläche<br />
Ruhezonen angelegt<br />
und sie aus der jagdlichen<br />
11<br />
Nutzung herausgenommen,<br />
einzige Ausnahme: eine Bewegungsjagd<br />
im November.<br />
Andernorts gibt es Topinambur-Kulturen.<br />
Die Früchte<br />
sind als Ablenkfütterung<br />
gedacht. Das Wild greift<br />
auf diese im Wald vorrätige<br />
Nahrung im Frühjahr zu und<br />
plündert nicht die Äcker.<br />
In Kooperation mit Bauern<br />
wird weiter an der Reduzierung<br />
der Flurschäden gearbeitet.<br />
Durch das Aussäen<br />
von „Feinschmeckerfutter“,<br />
etwa Luzerne, in den Randzonen<br />
zwischen Wald und<br />
Feld sowie den Aufwuchs<br />
von zungenartig in die Felder<br />
reichenden Gehölzinseln<br />
entstehen Rückzugsräume,.<br />
Dazu, das Wild im Wald zu<br />
halten und vom Besucherdruck<br />
möglichst ungestört zu<br />
lassen, dienen auch Waldwiesen.<br />
Die größten in der Region<br />
dürften mit sechs Hektar<br />
die „Laubuswiesen“ sein.<br />
Nicht nur Rot- und Rehwild<br />
fühle sich hier wohl, auch<br />
Schwarzstorch und Wildkatze<br />
schätzten die Abgeschiedenheit<br />
der Wiesen.<br />
Bei Hasselbach besichtigten<br />
die Exkursionsteilnehmer<br />
einen alten, inzwischen aber<br />
„durchgegangenen“ Niederwald.<br />
Niederwald dient seit<br />
der Steinzeit den Menschen<br />
als nachwachsendes Holzlager.<br />
Im Abstand von zehn bis<br />
15 Jahren werden die Bäume<br />
„auf den Stock gesetzt“. Das<br />
Holz wurde entweder zum<br />
Heizen, mit Aufkommen<br />
der Industrialisierung aber<br />
auch zur Weiterverarbeitung<br />
zu Holzkohle genutzt, die<br />
Rinde mit ihren Gerbstoffen<br />
wurde zur Lederherstellung<br />
gebraucht. (as)