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planet toys 4/17

Fachmagazin für den Spielwarenfachhandel

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INTERVIEW<br />

<strong>planet</strong> <strong>toys</strong><br />

mäß sind. Ein Müller brauchte von Ulm<br />

bis nach Flensburg etwa 25 Jahren;<br />

Amazon von Bad Herzfeld nach Hongkong<br />

weniger als eine Sekunde. Die<br />

Kernfrage bleibt doch, wie Strukturen<br />

aussehen könnten, welche Marktstellung<br />

der stationäre Fachhandel zukünftig<br />

noch hat und wie er die sicherstellen<br />

kann.<br />

pt: Wie müssten sie denn aussehen?<br />

Uwe Baumann: Zunächst muss der<br />

Spielwarenfachhandel für die Industrie<br />

ein verlässlicherer Partner werden. In<br />

unserem Eigeninteresse muss Chancengleichheit,<br />

ich formuliere es mal ein<br />

bisschen schärfer, „Waffengleichheit“<br />

mit den Großvertriebsformen hergestellt<br />

werden. Angesichts der wirtschaftlichen<br />

Bedeutung unserer Branche<br />

können wir von der Politik nicht viel<br />

erwarten.<br />

pt: Also hilf Dir selbst, dann wird Dir<br />

geholfen?<br />

Uwe Baumann: Setzen Sie sich doch<br />

einmal auf den Stuhl eines Key Accounters.<br />

Der kann vor seiner internationalen<br />

Konzernzentrale noch so viel<br />

argumentieren, dass der Fachhandel<br />

in Deutschland sehr wichtig ist, aber<br />

irgendwann kommt der Controller und<br />

macht ihm einen Strich durch die Rechnung,<br />

weil er sieht, was Amazon bewegt<br />

und wir Einzelhändler. Sicher ist<br />

es wichtiger denn je, die richtigen Lieferanten<br />

zu finden, aber unter diesen<br />

Strukturen werden wir weiter Marktanteile<br />

verlieren.<br />

pt: Und wie kriegen wir Waffengleichheit<br />

hin?<br />

Wieland Sulzer: Mich stört der Begriff<br />

Waffengleichheit. Wir müssen<br />

in die Lage versetzt werden oder uns<br />

selbst in die Lage versetzen, dass wir<br />

gleiche Leistungen erbringen können.<br />

Der Konsument ist derjenige, der entscheidet,<br />

was, wo, bei wem und wann<br />

er kauft. Der Kunde erwartet, dass die<br />

Ware morgen da ist. Jetzt geht Amazon<br />

Fresh an den Start. Innerhalb von drei<br />

Stunden kommt die Lieferung. Selbst<br />

der beste Spielwarenhändler kann<br />

nicht annähernd so eine Leistung erbringen,<br />

weshalb ich glaube, dass wir<br />

zusammen mit den Verbundgruppen<br />

vergleichbare Leistungen erbringen<br />

müssen. Ansonsten haben wir verloren.<br />

Rainer Wiedmann: Diese Diskussion<br />

kenne ich seit 20 Jahren. Schon damals<br />

hat man uns den Weltuntergang vorhergesagt,<br />

aber wir sind noch da. Richtig ist,<br />

dass wir was tun müssen, aber die Frage<br />

ist, wie weit das möglich ist und warum<br />

Amazon stationäre Läden aufmacht.<br />

pt: Vielleicht aus Marketingaspekten?<br />

Rainer Wiedmann: Vielleicht, aber puristischer<br />

Online-Handel und puristischer<br />

stationärer Handel nähern sich<br />

von entgegengesetzten Seiten an. Das<br />

heißt nicht, dass wir das tun, um Pakete<br />

zu verschicken, sondern um den Kunden<br />

da abzuholen, wo er ist. Wir würden<br />

uns einen Bärendienst erweisen, wenn<br />

wir glauben würden, mit Amazon konkurrieren<br />

zu können.<br />

Max Zitzmann: Sinn und Zweck von<br />

heute ist es ja, einen kleinen Stein ins<br />

Rollen zu bringen, der da heißt: Liebe<br />

Verbände, denkt mal zusammen über<br />

euch nach. Und zu Amazon noch eins.<br />

Der macht weitere Geschäfte auf, auch<br />

wenn die 50 Mio. Dollar kosten, aber<br />

das interessiert ihn nicht. Für uns ist<br />

es eine Herausforderung, in diesem<br />

Sturm zu bestehen. Wir können allerdings<br />

aktiv werden. Wo schickt denn die<br />

Bevölkerung in Zukunft ihre Lehrlinge<br />

hin, ins Internet?<br />

pt: Öffentlichkeitsarbeit allein wird<br />

nicht reichen, vermuten wir, Herr Zitzmann.<br />

Max Zitzmann: Die Verbände sind nicht<br />

alle so toll aufgestellt, wie es sich gerade<br />

angehört hat. Sie sind alle unter<br />

Druck geraten. Gleichzeitig leisten wir<br />

uns mehrere Verbände. Wir sollten fragen,<br />

wer was besonders gut kann und<br />

das dann gemeinsam nutzen. Vielleicht<br />

ist das ein Anfang. Denkbar wäre eine<br />

stärkere Kooperation der Kooperationen<br />

als Antwort auf die Herausforderung.<br />

Das, was wir haben, reicht auf<br />

keinen Fall. Wir müssen uns ändern,<br />

und zwar in allen Bereichen.<br />

pt: Aber wie kriegen wir mehr Shareconomy,<br />

mehr Effizienz, mehr Leistungsfähigkeit<br />

in der Praxis hin?<br />

Wieland Sulzer: Die Geschwindigkeit<br />

der Veränderung nimmt weiter zu,<br />

aber eins verändert sich mit Sicherheit<br />

nicht, dass derjenige, der mit dem<br />

größten Auftrag lockt, den besten Preis<br />

erhält. In Hildesheim erlebe ich Situationen,<br />

bei denen ich mich am liebsten<br />

jeden Tag hinter den Zug werfen könnte,<br />

weil es einfach irrwitzig ist, wie wir<br />

Händler einzeln handeln. Das Ergebnis<br />

ist irgendwann, dass wir mehr ZR-Lieferanten<br />

als Mitglieder haben, weil der<br />

eine Händler sagt, er könne keine blauen,<br />

der andere, er könne keine gelben<br />

Bälle verkaufen. Jeder Genosse hat die<br />

Möglichkeit – und das wird ausgiebig<br />

genutzt, sein Sortiment individuell zusammenzustellen,<br />

aber bei Licht betrachtet<br />

und der EAN als Kriterium haben<br />

wir eine Deckungsgleichheit beim<br />

Sortiment von 50 Prozent. Es könnten<br />

sogar 70 Prozent sein.<br />

Rainer Wiedmann: Der einzige Verband,<br />

der in den letzten Jahren in diese<br />

Richtung geht, ist doch die VEDES. Wir<br />

haben mit der Übernahme von Hoffmann<br />

Spielwaren einen Meilenstein<br />

gesetzt. Die Kooperation mit der EK<br />

kommt hinzu und das ist eine Kooperation<br />

der Kooperationen. Die VEDES<br />

ist der einzige Verband, der sich nie<br />

irgendwelchen Gesprächen verschlossen<br />

hat.<br />

Wieland Sulzer: Ich glaube allerdings,<br />

das ist zu wenig.<br />

Rainer Wiedmann: Aber was macht<br />

denn idee + spiel?<br />

Wieland Sulzer: Wir schlafen, aber in<br />

jeder Kooperation besteht Handlungsbedarf,<br />

sich zu ändern. Ich unterstelle<br />

mal, dass auch bei der VEDES zwischen<br />

5 und 7 Prozent der Händler jedes Jahr<br />

ausscheiden. Der allererste Schritt<br />

wäre, das Bewusstsein der Händler<br />

vor Ort zu wecken und sie Step-by-step<br />

überzeugen, dass es so wie bisher nicht

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