UN GESCHLAGEN 24 / POLITIKA /
Missbraucht, bedroht und isoliert: Die Geschichte dreier geflohener Frauen, die sich in Österreich ein neues Leben aufbauen. In ständiger Angst, ihrem gewalttätigen Ex-Ehemann zu begegnen. Von Mamo Issa und Alexandra Stanić, Fotos: Christoph Liebentritt Munas * Gesicht ist blutüberlaufen. Ihre Nase ist geschwollen, ihr Auge ziert ein großer blauer Fleck. Dieses Mal ist ihr Mann Ahmad * einen Schritt zu weit gegangen. Als er den Stuhl packt und auf sie einschlägt, weiß sie: Es reicht, sie muss hier raus. Muna schafft es, die Wohnung zu verlassen, sie schreit um Hilfe. Zunächst hört sie keiner – oder möchte sie nicht hören. In ihrem Stock lebt nur eine weitere Person: ein irakischer Freund ihres Ehemannes. „Wenn du meine Frau und mich streiten hörst, ignorier das Geschreie einfach, wir klären das unter uns“, hatte ihr Ehemann ihn Monate zuvor gebeten. All die Zeit hat er sich daran gehalten, auch an diesem Abend, obwohl er zu Hause war. Muna flüchtet auf die Straße, ihr Körper schmerzt wegen der Schläge, sie kann kaum gehen und sieht schlecht – das Blut läuft ihr in die Augen. Schließlich eilt ihr eine Nachbarin zu Hilfe, verständigt die Polizei und die Rettung und lässt sie in ihrer Wohnung warten. An diesem Abend verlässt Muna Ahmad * und zieht ins Frauenhaus. Seit eineinhalb Jahren lebt die 34-Jährige in Österreich, ihr Mann ist seit zweieinhalb Jahren hier. Ursprünglich kommen sie aus Syrien. Im Rahmen der Familienzuführung holt ihr damaliger Ehemann sie 2015 nach Wien. Sie leben in einer kleinen Ein-Zimmer-Wohnung. Ahmad war schon in Syrien gewalttätig. Als der Krieg beginnt, wird es schlimmer. „In meiner Heimatstadt sind alle mit Waffen rumgelaufen, selbst Kinder“, erzählt Muna. „Einmal war Ahmad wieder wütend und hat in unserer Wohnung auf mich geschossen und mich ganz knapp verfehlt.“ Zwei Mal hatte sie Fehlgeburten, weil er ihr bei einem seiner Wutausbrüche in den Bauch getreten hatte. „Seine Familie und er haben mir die Schuld gegeben, dass wir keine Kinder kriegen konnten“, erzählt Muna schluchzend. „Sie haben gesagt, dass ich keine „ Ahmad war wütend und hat in unserer Wohnung auf mich geschossen. “ richtige Frau bin.“ Er verbrennt sie mit Zigaretten, sie zeigt mir die Narben, die sie davongetragen hat. Auf die Frage, warum sie ihm trotzdem nach Österreich gefolgt ist, antwortet sie: „Weil in meinem Land Krieg herrscht.“ Zudem habe Muna auf eine Veränderung gehofft, trotz der Misshandlungen liebte ein Teil von ihr Ahmad. „Er hat mir geschworen, dass wir ein neues Leben beginnen und er mich mit Blumen in Österreich erwartet“, erinnert sich die Kindergartenpädagogin. „Aber besser wurde nichts, nur noch viel grausamer.“ Dass solche Versprechen oft nicht der Wahrheit entsprechen, weiß auch Psychotherapeutin Homeyra Adjudan- Garakin, die auf Opferarbeit spezialisiert ist und als Beraterin in der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie arbeitet. „Gewalttätige Männer versprechen oft, dass alles besser wird, wenn sie erst in ein europäisches Land geflohen sind“, erklärt Adjudan-Garakin. „Das Gegenteil ist der Fall, es wird meist schlimmer. Außerdem sind Frauen schon auf der Flucht nach Europa der Gewalt ihrer Ehemänner ausgesetzt.“ Aber Gewalt gegen Frauen ist kein syrisches Problem. In Österreich hat jede fünfte Frau seit ihrem 15. Lebensjahr körperliche und/oder sexuelle Gewalt erfahren. Psychische Gewalt durch ihren (Ex-)Partner haben 38 Prozent der Frauen seit ihrem 15. Lebensjahr erlebt. Zahlen zu Gewalt gegen Frauen in Syrien sind nicht verlässlich. Eine Statistik, wie viele Frauen kürzlich nach Österreich gekommen sind und sich aufgrund von Gewalt in der Ehe scheiden haben lassen, gibt es nicht. „Frauen mit Fluchthintergrund sind erfahrungsgemäß besonders gewaltgefährdet. Gründe dafür sind zum Beispiel das Fehlen eines tragfähigen sozialen Netzwerks, geringe Sprachkenntnisse oder rechtliche Hürden“, heißt es auf Nachfrage im Frauenministerium. Der Aufbau einer eigenständigen Existenz sei in der Regel langwierig und / POLITIKA / 25