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Altes Landgut<br />

DAHAM IM HORR<br />

„Altes Landgut“ klingt wie die kaiserliche<br />

Sommerresidenz mit Jagdschloss und<br />

Gestüt. Pferde gibt es hier höchstens unter<br />

der Motorhaube. Dafür verlor Adam seine<br />

Fußballunschuld nebenan im Horr­Stadion.<br />

Jeder Wiener Autofahrer kennt das Alte Landgut<br />

aus dem Radio durch die Meldung „Stau am<br />

Verteilerkreis“ – pünktlich zur Rush-Hour ereilt<br />

der Verkehrsinfarkt diese Gegend. Hoch über<br />

dieser funktionalen Verkehrsfläche thront die<br />

Heimstätte des FK Austria Wien, die Generali<br />

Arena. Bis 2010 hieß der Platz „Franz Horr Stadion“<br />

und wird im Volksmund immer noch als „das<br />

Horr“ bezeichnet. Trotz Namensänderung fühlen<br />

sich Fans hier immer „daham“.<br />

PFEFFER UND OGRIS<br />

Meine fußballerische Taufe fand auf der berüchtigten<br />

„West“ (Westtribüne) statt: im zarten Alter<br />

von 14 Jahren, ohne Begleitung der Eltern, nur<br />

mit Schulfreunden, besuchte ich das erste Mal<br />

ein Fußballspiel der Austria. Und das auch gleich<br />

im lautesten Sektor: Da saßen die Anhänger der<br />

Austria nicht auf gemütlichen Plastiksesseln,<br />

sondern klammerten sich an Metalllehnen, die<br />

auf den kalten Beton geschraubt waren.<br />

Beim Spiel selbst wurde angefeuert, mitgefiebert<br />

und kritisiert. Die Kicker- und Schiedsrichterkritik<br />

war direkt, unerbittlich, nicht jugendfrei.<br />

Es war ein Privileg Legenden wie Toni „Rambo“<br />

Pfeffer und Andi Ogris in Action zu sehen. Weitere<br />

Besuche verfestigten das Bild: treue Fans,<br />

die bei Regen und Wind zu ihrer Mannschaft<br />

stehen, egal ob an der Tabellenspitze oder mit<br />

roter Laterne am Tabellenende. Die „West“<br />

war für mich auch eine Art Milieustudie: echte<br />

Wiener in ihrem natürlichen Biotop ungestört<br />

beobachten.<br />

So sehen echte Austrianer aus - Adam in Gedanken an Ogris und Pfeffer.<br />

MEHR ALS KRÄHE<br />

In den 90ern hatte die Austria kein Leiberl – die<br />

Stars der Bundesliga waren andere. Sturm Graz<br />

spielte zum Beispiel in der Champions Leauge,<br />

die Austria irgendwo im Nirgendwo. Und<br />

auch die Umgebung am Alten Landgut, das<br />

übrigens nach einer 1900 abgerissenen Gastwirtschaft<br />

benannt ist, war eher karg. Nichts als<br />

vielbefahrene Straße und ein paar verschreckt<br />

dreinschauende Krähen. Mit dem U1-Ausbau<br />

holt sich Favoriten den Titel „die längste U-Bahn<br />

Linie der Stadt“ zurück. Und die Gegend um den<br />

Verteilerkreis entwickelt sich rasant weiter. Wo<br />

früher nur grüne Wiese war, bildet heute eine<br />

Fachhochschule die Bildungselite aus, im Freibad<br />

nebenan braten die Poser in der Sonne, und ab<br />

Sommer 2018 feiert die Austria ihre Siege im<br />

neu errichteten Stadion.<br />

Adam Bezeczky, 33, biber Marketing<br />

40 / RAMBAZAMBA /

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