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Credit Suisse bulletin, 2002/01

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Zweimal eintauchen: Seit einem Jahr können Cybernauten sich in die virtuelle Stadt Cy hinabgleiten<br />

lassen und mit andern InCydern wohnen, plaudern und feiern (oben). Ab dem 15. Mai ist<br />

Cyberhelvetia auch für real existierende Besucher der Expo.<strong>02</strong> offen (rechts). Der Pavillon hat<br />

die äussere Form einer Badeanstalt – drinnen schwimmen jedoch Träume und Gedanken.<br />

Leute auf Luftmatratzen, auf<br />

dem Kopf tragen sie Sonnenbrillen,<br />

und um den Pool kann<br />

man auf Sesseln relaxen. Doch<br />

der Pool ist aus Glas, durchzogen<br />

mit farbigen Lichtstrahlen,<br />

die Sonnenbrillen sind kleine<br />

Bildschirme, die den Badenden<br />

in eine andere Welt entführen,<br />

und die Luftmatratzen sind<br />

vollbepackt mit Elektronik und<br />

werden von den Leuten am<br />

Poolrand ferngesteuert.»<br />

Ein Umzug ohne Strapazen<br />

Die Arteplage von Biel ist<br />

nicht der einzige Standort von<br />

Cyberhelvetia. Die virtuelle<br />

Schweiz lagert schon seit über<br />

einem Jahr in einem gesicherten<br />

Server-Raum der Credit<br />

Suisse. Und natürlich auf den<br />

Bildschirmen der über 10 000<br />

Bürger, InCyder genannt,<br />

welche in die Internet-Stadt<br />

Cy mittlerweile eingezogen<br />

sind. Seit gut einem Monat ist<br />

auch «periodista» ein InCyder,<br />

das virtuelle Abbild des Verfassers.<br />

Aus der neuen Welt<br />

hat er durchaus Gutes zu<br />

berichten. Anders als im realen<br />

Leben gibt es bei einem Einzug<br />

in Cy weder Papierkrieg<br />

noch Möbelschleppen. Die<br />

Probleme sind eher intellektueller<br />

und metaphysischer Art.<br />

Es beginnt beim Namen. Soll<br />

es die Lieblingsstadt sein?<br />

Das Lieblingsmenü? Oder ein<br />

schräges Internet-Kürzel? Die<br />

Wahl fällt auf das nicht besonders<br />

originelle «periodista»,<br />

die spanische Version von<br />

Journalist, weil das ja auch<br />

dem selbst erteilten Auftrag<br />

entspricht: Durch die neue<br />

Welt zu schweben und herauszufinden,<br />

warum sich Wesen<br />

in einer Stadt aus Software<br />

niederlassen und wie sie miteinander<br />

leben und streiten.<br />

Bis zur vollständigen Einbürgerung<br />

fehlen jedoch noch<br />

lebenswichtige Klicks, die<br />

jeweils die ganze Entscheidungskraft<br />

erfordern. Zum Beispiel<br />

aus einem Katalog<br />

von rund 100 Modellen einen<br />

Avatar auswählen und mit<br />

einem persönlichen Motto versehen<br />

– dieses Elektromonsterchen<br />

bildet fortan die<br />

äussere Hülle des InCyders.<br />

Dann die Behausung. Periodista<br />

wurde von einer unsichtbaren<br />

Hand automatisch in<br />

einem Haus mit 35 Nachbarn<br />

einquartiert. Doch periodista<br />

möchte seinen Wohnort selbst<br />

bestimmen. Also scrollt er<br />

sich durch die Cyglos, bunte<br />

Landschaften aus rechteckigen<br />

Rastern, deformierten Kreisen,<br />

schiefen Kartenhäusern,<br />

schrägen Stützen. Mal verdichten<br />

sich die Strukturen<br />

und vermitteln ein Bild einer<br />

bizarren Stadt, um sich alsbald<br />

wieder aufzulösen, sodass<br />

nur noch eine Fläche übrig<br />

bleibt. Wo periodista auch<br />

hinkommt, erblickt er Gebilde,<br />

die wie zusammengeschraubte,<br />

durchlöcherte Trichter<br />

aussehen – die Condos, eine<br />

immaterielle Variante der<br />

Mietskasernen.<br />

68 Credit Suisse Bulletin 1|<strong>02</strong>

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