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HEINZ Magazin Dortmund 09-2016

HEINZ Magazin September 2016, Ausgabe für Dortmund

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C. TYLER CROTHERS<br />

Und mit dem konnte – kaum überraschend – auch die anwesende<br />

Lokalpresse wenig anfangen. „Melodien lärmend durch die Lautsprecher<br />

gejagt“, betitelte der Korrespondent der Rheinischen Post seinen<br />

Bericht – womit er den vortragenden Künstlern immerhin Melodiösität<br />

zugestand. Der sicher nicht Rockmusik-kundigere WAZ-Kollege<br />

dagegen folgerte glasklar, „mangelnde künstlerische Qualitäten“ seien<br />

bei „diesem Spektakel ganz einfach durch gewaltige Phonzahlen<br />

übertüncht“ worden.<br />

Gut, dass auch qualifiziertere Pressevertreter vor Ort waren. Wenngleich<br />

man diesen – zugegeben – ein gewisses Maß an Voreingenommenheit<br />

unterstellen könnte: Die „Bravo“ selbst versorgte die Nachwelt<br />

nämlich mit einem ausführlichen Bericht über das historische Ereignis<br />

(zumindest für AC/DC-Fans in Duisburg). In ihrer Ausgabe vom 30. September<br />

1976 ließ das Zentralorgan der deutschen Jugend das zwei Wochen<br />

zurückliegende Ereignis in der Rhein-Ruhr-Halle noch einmal auf<br />

vier Seiten Revue passieren. Fazit: „Der Auftakt zur Bravo-Disco-Tournee<br />

76/77 war ein Volltreffer!“ Wer hätte das gedacht …?!<br />

Detailliert wurde der gesamte Abend nachbereitet, der Auftritt sämtlicher<br />

Stars rekapituliert – und dazu gehörten neben AC/DC und Suzi<br />

Quatro noch zwei weitere Acts. Gleich nach dem Hardrock von Angus<br />

& Co. freute sich der weibliche Teil des Publikums dabei über den Auftritt<br />

von Shaun Cassidy, einem Justin Bieber seiner Zeit und laut WAZ<br />

ein „süßer Knabe mit sanfter Stimme“. Im schwarzen Samt-Overall sei<br />

er vor seine Fans getreten, berichtet die Bravo, dabei „nervös wie noch<br />

nie“. Die Begründung lieferte man im Zitat: „Zum ersten Mal bringe ich<br />

meine volle 30-Minuten-Show, und dann gleich vor so vielen Leuten.“<br />

Als zweiten Headliner der „Bravo Disco“ hatten die Veranstalter<br />

schließlich eine Band gebucht, die heute kaum mehr jemand kennt:<br />

Slik. Zuvor über Monate von der „Bravo“ mit Berichten und Star-Porträts<br />

gepusht, durften die Schotten ein Jahr am Erfolg schnuppern und<br />

landeten mit der Schnulze „Forever And Ever“ sogar einen Hit. Schon<br />

1977 aber war wieder Sense, die Band löste sich auf. Nur ein Musiker<br />

sollte später noch Erfolg haben: Midge Ure, Gitarrist und Sänger von<br />

Slik, eroberte mit Visage („Fade To Grey“), Ultravox und solo die Charts.<br />

Von Star-Porträts in der „Bravo“ waren AC/DC im September 1976<br />

noch weit entfernt. Immerhin hatte „Bravo“-Rezensent „Siggi“ das zuvor<br />

erschienene Album „High Voltage“ zur Platte der Ausgabe gekürt und<br />

AC/DC als „Sprengstoff aus der Rille“ gepriesen. Auch Wolfgang Minkus<br />

erinnert sich: „Man hatte damals auf jeden Fall schon von AC/DC<br />

gehört.“ Und anders als der Dinslakener zeigten sich große Teile des<br />

„Bravo Disco“-Publikums von der Show der Hardrocker auch spontan<br />

begeistert. Sogar der WAZ-Reporter berichtete: „Schon beim Auftritt<br />

der Rock-Gruppe ‚AC/DC‘ standen die Zuhörer auf den Stühlen. Es wurde<br />

mitgetanzt und mitgeschrien.“<br />

Worum aktuelle AC/DC-Fans jene 3.500 Hallenbesucher nicht zuletzt<br />

beneiden: Mit Bon Scott stand damals noch jener Sänger auf der Bühne,<br />

der für viele Fans bis heute der einzig wahre AC/DC-Frontmann<br />

ist. Als Verkörperung von Sex, Drugs & Rock’n’Roll schrieb und sang er<br />

Zeilen wie „Women to the left of me / and women to the right“ – und<br />

zeitgenössische Berichte von Scotts enormer Libido belegen den autobiografischen<br />

Charakter seiner Lyrik. Exzesse im Backstage-Bereich<br />

der Rhein-Ruhr-Halle wurden nicht kolportiert. Auf der Bühne ließ Bon<br />

Scott jedoch, genau wie Energiebündel Angus, die Sau raus. Den kleinen<br />

Gitarristen setzte sich der Frontmann auf seine nackten Schultern,<br />

präsentierte den Teenies im Ruhrgebiet Brusthaar und Tätowierungen,<br />

die 1976 nur Seeleute und Sträflinge hatten.<br />

Dreieinhalb Jahre nach der „Bravo Disco“ ist Bon Scott tot. Gestorben<br />

auf dem Rücksitz eines Autos, ein Opfer seiner Alkoholsucht. Bis dahin<br />

und danach stehen AC/DC noch viele Male in Deutschland auf der<br />

Bühne. Auch in Köln, Düsseldorf, dem Ruhrgebiet. Nie wieder jedoch<br />

in Duisburg. Und wohl auch nie wieder wird man AC/DC so günstig live<br />

erleben können wie am 16.9.1976 in der Hamborner Rhein-Ruhr-Halle.<br />

Eine Karte für die „Bravo Disco“ kostete 3 DM.<br />

Stefan Moutty<br />

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