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HEINZ Magazin Dortmund 09-2016

HEINZ Magazin September 2016, Ausgabe für Dortmund

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STUART A. STAPLES, FOTO: RICHARD DUMAS<br />

immer wieder den Soundtrack ein; die 2011er-Compilation „Claire Denis<br />

Film Scores 1996-20<strong>09</strong>“ bietet einen Querschnitt. Mit „The Waiting<br />

Room“ drehte die Band Anfang <strong>2016</strong> den Spieß dann um, spielte im<br />

Studio neue Songs ein und legte diese später verschiedenen Filmemachern<br />

vor, die dadurch ganz neue Inspirationen erhalten sollten. Die<br />

zündende Idee dazu hatte Stuart A. Staples, während er als Mitglied<br />

in der Jury des Clermont-Ferrand-Kurzfilmfestivals saß und sich eine<br />

Woche lang cineastisch berieseln ließ. Kurzerhand schloss er sich mit<br />

dem Festivaldirektor Calmin Borel kurz, nutzte dessen hervorragende<br />

Kontakte und schickte seine noch unveröffentlichten Stücke an ausgewählte<br />

Filmemacher heraus. Zielvorgabe: Bilder zum Ton, bitte. Was<br />

dabei herauskam, dürfte selbst den Altmeister überrascht haben: Das<br />

waren längst keine „kleinen Begleitfilme“, die da zum neuen Album beigesteuert<br />

wurden. Vielmehr konnten die Songs von „The Waiting Room“<br />

auf eine komplett neue Ebene gehievt werden. Da wäre etwa der Song<br />

„How He Entered“, textlich ohnehin großartig traurig inszeniert („This<br />

is how he entered // How he came in // Falling from the back of a transit<br />

van“), der von Richard Dumas und Amaury Voslion bebildert wurde.<br />

Der Protagonist des Films schlurft samt Eselsmaske durch den Tag, bastelt<br />

an einem Modellboot, lässt dieses später zu Wasser und dann den<br />

Tag samt Zigarette ausklingen. Kurze Eindrücke, eingängige Bilder, ein<br />

stimmiges Zueinanderfinden von Musik und Video.<br />

Solche Harmonie stand bei den Tindersticks übrigens nicht immer<br />

ganz oben auf der Agenda: Im Jahr 2003 kam es zur zwischenzeitlichen<br />

Auflösung der Band – Kreativität und Ideen schienen aufgebraucht. Als<br />

sich Fans und Kritiker fünf Jahre später über die Rückkehr samt dem Album<br />

„The Hungry Saw“ freuen durften, fiel auch ein gehöriges Stück<br />

Last von Stuart A. Staples und dem sich bis heute immer wieder neu<br />

formierenden Anhang ab: Längst pfeift man auf Erwartungsdruck, hat<br />

sich von alten Stücken emanzipiert und lässt auch schon mal – ganz altersmilde<br />

– Groove- und Funk-Elemente in die Songs einfließen. Dies<br />

gilt allerdings nicht für das, so möchte man meinen, zentrale Stück auf<br />

„The Waiting Room“, „Hey Lucinda“, ein Duett mit der US-amerikanischmexikanischen<br />

Sängerin Lhasa de Sela: „Hey Lucinda, come out drinking<br />

with me tonight // The summer’s almost gone // Hey Lucinda, time is<br />

running out.” Die Aufnahmen liegen schon ein paar Jahre zurück; Lhasa<br />

de Sela erkrankte später an Krebs und verstarb 2010. Da saß Staples nun<br />

mit dem fertigen Song und der Trauer über den Verlust, ließ „Lucinda“<br />

links liegen und arrangierte erst vier Jahre später die Musik komplett<br />

neu, um sich dem Stück wieder zu nähern und es glücklicherweise auf<br />

die <strong>2016</strong>er-Platte zu packen. Ein zuckersüßes Glockenspiel plingt und<br />

klingt nun rund um die belegte Gesangsstimme Staples‘ und die Abschiedsworte<br />

de Selas. Und auch wenn das Werk für sich steht, lohnt ein<br />

Blick auf den dazugehörigen Kurzfilm: Darin schweift die Kamera behäbig<br />

von links nach rechts, fängt grell leuchtende Spielhallen („Fun Palace“),<br />

typisch-amerikanische Vorstadt-Idylle und verlassene Hot-Dog-<br />

Buden ein. Den Filmemachern Joe King und Rosie Pedlow gelingt es<br />

darin, Bewegung und Stillstand in knapp fünf Minuten zu vereinen und<br />

somit das Konzentrat des Tindersticks-Schaffens einzufangen: der Wendepunkt<br />

zwischen Glück und Melancholie.<br />

Am 18. September holt die<br />

Ruhrtriennale nun also „The<br />

Waiting Room Project“ ins Revier,<br />

um die imposante Essener<br />

Lichtburg in ein „Wartezimmer“<br />

voll sehnsüchtiger Songs<br />

und beeindruckender Bewegtbilder<br />

zu wandeln. Die Tindersticks<br />

performen live, liefern<br />

den Soundtrack zur Leinwand,<br />

haben aber auch weitere Songs<br />

aus ihrem Repertoire angekündigt.<br />

Der Herbst darf getrost heranwehen.<br />

Robert Targan<br />

RICHARD DUMAS<br />

❚ TINDERSTICKS Lichtburg, Kettwigerstr. 36,<br />

Essen; Termin: 18.9., 20 Uhr; Preise: 20-40 €/<br />

10-20 € erm.; www.ruhrtriennale.de<br />

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<strong>09</strong>.<strong>2016</strong> | <strong>HEINZ</strong> | 21

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