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FINE 03/2011 La Mission Haut Brion
FINE 03/2011 La Mission Haut Brion
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E U R O P E A N F I N E W I N E M A G A Z I N E<br />
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C H Â T E A U H A U T - B R I O N
Treue<br />
Dienste,<br />
hohe Ziele<br />
Auf Château Haut-Brion<br />
ist die Verwalterfamilie<br />
Delmas seit fast hundert<br />
Jahren Garant für Qualität<br />
Text: Armin Diel<br />
Fotos: Johannes Grau<br />
Château Haut-Brion zählt zu den ältesten Weingütern<br />
des Bordelais, obendrein ist es das einzige<br />
doppelt klassifizierte Château. Es wurde geprägt<br />
von drei Besitzerfamilien, den de Pontacs, den<br />
Larrieus und schließlich den Dillons. Letztere<br />
haben nicht nur Haut-Brion seit 1935 zu neuer<br />
Blüte gebracht, sondern durch den Kauf des<br />
Nachbar gutes La Mission Haut-Brion im Jahr 1983<br />
ein einzigartiges Ensemble geschaffen. Garant für<br />
die Qualität der Weine ist seit beinahe hundert<br />
Jahren die Verwalterfamilie Delmas, deren dritte<br />
Generation nun am Ruder ist.<br />
Sehnsuchtsort für Weinkenner: Einladend öffnet sich das große Tor zum Château Haut-Brion.<br />
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Löwen für Extravaganz: Gelassen und unbestechlich wie die steinerne<br />
Raubkatze im Hof des Châteaus wachten Vater Jean-Bernard Delmas<br />
und Sohn Jean-Philippe über den einzigartigen Stil von Haut-Brion.<br />
Heute führt allein Jean-Philippe als Gutsverwalter einfühlsam Regie.<br />
Die lange Geschichte von Château Haut- Brion<br />
begann im Jahr 1533, als Jean de Pontac das<br />
Herrschaftshaus von dem Basken Jean Duhalde<br />
kaufte und 1549 mit dem Bau des heutigen Schlosses<br />
begann. Jean de Pontac war insgesamt drei Mal<br />
verheiratet und hatte aus seinen beiden ersten<br />
Ehen fünfzehn Kinder. Das letzte Mal heiratete<br />
er im Alter von sechsundsiebzig Jahren und<br />
verstarb 1589 in dem für damalige Verhältnisse<br />
geradezu biblischen Alter von einhundertundein<br />
Jahren! In seinen letzten Tagen hatte er den<br />
Schwestern des Karmeliterordens fünf Hektar<br />
Wein berge geschenkt, wofür die Damen jeden<br />
Tag nach Haut-Brion gekommen sein sollen, um<br />
für seinen Aufstieg ins Paradies zu beten. Nach der<br />
Revolution kamen diese Weinberge in den Besitz<br />
der Familie Chantecaille, woraus später Château<br />
Les Carmes Haut-Brion hervorgegangen ist.<br />
Etwa hundert Jahre nach der Gutsgründung<br />
wurde Arnaud III. de Pontac 1649 Besitzer von<br />
Haut-Brion. Mit seinem Aufstieg zum ersten Präsidenten<br />
am Gerichtshof von Bordeaux erreichte<br />
das gesellschaftliche Ansehen der Pontacs seinen<br />
Höhepunkt. Von ihm wurden Konservierungsmaßnahmen<br />
entwickelt, etwa im Zusammenhang<br />
mit dem Auffüllen der Fässer und dem Abstechen,<br />
wodurch seine Weine besser reifen konnten.<br />
Nach mehreren Eigentümerwechseln kam<br />
Haut-Brion 1801 für kurze Zeit in den Besitz<br />
des bekannten Staatsmanns Charles-Maurice de<br />
Talleyrand-Périgord. Der spätere Außen minister<br />
Napoleons I. verkaufte das Gut aber schon drei<br />
Jahre später an einen Bankier, der es dann an einen<br />
Weinhändler weitergab. Als der aus der Bretagne<br />
stammende Bankier Joseph-Eugène Larrieu den<br />
Großteil von Haut-Brion im Jahr 1836 ersteigerte,<br />
begann eine wichtige Epoche, die später<br />
den Ausschlag dafür gab, dass das Château in die<br />
erste Kategorie der Spitzenweingüter der Gironde<br />
aufgenommen wurde. Als Larrieus Enkel Eugène<br />
1896 kinderlos starb, versuchten mehrere Neffen<br />
erfolglos, Haut-Brion aus der vor allem von der<br />
Reblausseuche verurachten Krise herauszuführen.<br />
Alles wendete sich erst 1935 zum Besseren, als<br />
der amerikanische Bankier Clarence Dillon das<br />
Gut kaufte, in dessen Familie sich Haut-Brion bis<br />
zum heutigen Tag befindet. Dillons Sohn Douglas<br />
war amerikanischer Botschafter in Paris und später<br />
Finanzminister unter Präsident John F. Kennedy.<br />
Als er Paris im Februar 1957 verließ, blieb seine<br />
Tochter Joan in Frankreich zurück und heiratete<br />
zehn Jahre später Prinz Charles von Luxemburg;<br />
ihr Sohn Robert übernahm 2008 den Vorsitz<br />
der Geschäftsführung von seiner Mutter. Ein<br />
bedeutender Schritt war im Jahr 1983 der Kauf des<br />
Nachbarweinguts La Mission Haut-Brion, das –<br />
obwohl gemeinsam mit Haut-Brion geführt – bis<br />
heute seine eigene Stilistik bewahrt.<br />
Bereits beim Kauf von Haut-Brion konnten<br />
sich die Dillons auf die treuen Dienste der Familie<br />
Delmas verlassen: Georges Delmas war dort seit<br />
1923 als Gutsverwalter tätig. Ihm folgte 1961 sein<br />
Sohn Jean-Bernard, der Ende des Jahres 2003<br />
seinen Abschied nahm, nicht ohne zuvor seinen<br />
Sohn Jean-Philippe sehr sorgfältig in die Nachfolge<br />
einzuarbeiten.<br />
Weil Besuche auf Château Haut-Brion wegen<br />
umfangreicher Umbaumaßnahmen nicht möglich<br />
sind, treffe ich Jean-Philippe Delmas im vergangenen<br />
Juni auf Château La Mission Haut-Brion<br />
zum Interview. Wir durchschreiten den wunderschön<br />
restaurierten Innenhof der alten Abtei und<br />
setzen uns in einen mit schweren Möbeln ausstaffierten<br />
Salon. Delmas berichtet von seinem<br />
Oenologiestudium an der Universität in Bordeaux<br />
und seinen Lehr- und Wanderjahren,<br />
die ihn unter anderem zu Moët & Chandon in<br />
Epernay und Far Niente im Napa Valley führten.<br />
Zum guten Schluss folgte noch ein Praktikum in<br />
der Provence. »Ich wollte alle möglichen Weintypen<br />
kennen lernen,« sagt der smarte Anfangvierziger<br />
und ergänzt leicht schmunzelnd, dass es<br />
vielleicht am schwierigsten sei, einen sehr guten<br />
Roséwein zu machen. Ich will wissen, wie sich die<br />
immerhin neun Jahre währende Zusammen arbeit<br />
mit seinem durchaus für sein ausgeprägtes Ego<br />
bekannten Vater darstellte? »Am Anfang war es<br />
völlig unproblematisch, da ich drei Monate mit<br />
der Verkaufsmannschaft von Châteaux & Estates<br />
in Amerika unterwegs war, um Kunden zu besuchen.<br />
Später musste ich allerdings gut zuhören,<br />
weil mein Vater nie viel aufgeschrieben hat. Langweilig<br />
ist es jedenfalls nie gewesen!«<br />
Das ist es für den unermüdlichen Vater Delmas<br />
übrigens bis zum heutigen Tag nicht. Nach<br />
seinem Ausscheiden bei Haut-Brion war er einige<br />
Zeit Berater von Château Haut-Bailly in Léo gnan,<br />
seit 2006 ist der mittlerweile Sechsundsiebzigjährige<br />
nun Verwalter von Château Montrose in<br />
Saint-Estèphe, also just dort, wo Jean-Bernard<br />
Delmas’ Tante einst im Keller gearbeitet hatte.<br />
Und wie sieht es mit den Aussichten für eine vierte<br />
Delmas-Generation auf Haut-Brion aus? »Nichts<br />
ist unmöglich,« sagt Jean-Philippe Delmas, »aber<br />
die Beantwortung dieser delikaten Frage wird<br />
in jedem Fall noch geraume Zeit in Anspruch<br />
nehmen, da meine Söhne Maxime und Adrien<br />
erst sechs und vier Jahre alt sind!«<br />
Wir wechseln das Thema. Ich will wissen, wieso<br />
Château Haut-Brion bei der Klassifikation von<br />
1855 als einziges Rotweingut außerhalb des Médoc<br />
Berücksichtigung fand? »Die Klassifikation von<br />
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Traum eines Ensembles: 1983 erwarb Château<br />
Haut-Brion das Nachbargut La Mission<br />
Haut-Brion. So entstand eine unvergleichliche<br />
Einheit für großen Wein.<br />
diese Klassifikation unverändert. Eine für das Jahr<br />
1962 geplante Über arbeitung scheiterte, weil vorab<br />
Einzelheiten des Revirements in der großen<br />
Regionalzeitung Sud Ouest öffentlich gemacht<br />
wurden, was zu einem riesigen Aufschrei führte.<br />
Damit waren alle Reformpläne zunächst verflogen.<br />
Gut zehn Jahre danach kam es dann doch noch<br />
zu einer Änderung, einer einzigen, als Château<br />
Mouton-Rothschild von der zweiten Kategorie<br />
in die erste aufstieg. »Damals kursierten Gerüchte,<br />
dass es im Gegenzug auch einen Absteiger aus<br />
der Eliteklasse geben sollte, wozu es am Ende aber<br />
doch nicht gekommen ist. Alle Premiers mussten<br />
aber ausführliche Dossiers abgeben!«<br />
Wir kommen auf die Klassifikation in der<br />
Graves-Region zu sprechen, die 1953 erstellt<br />
und sechs Jahre später überarbeitet wurde. Zu<br />
den Besonderheiten zählt, dass in keiner anderen<br />
Region sowohl Weiß- als auch Rotweine klassifiziert<br />
wurden und dass es obendrein nur eine einstufige<br />
Klassifikation ohne Hierarchie gibt. Im<br />
Vergleich zu Pauillac und Saint-Emilion erschien<br />
den Mitgliedern der Vereinigung der klassifizierten<br />
Güter die Bezeichnung »Grand Cru Classé de<br />
Graves« zu beliebig, und sie vollzogen mit dem<br />
Segen des Instituts für nationalen Herkunftsbezeichnungen<br />
(I.N.A.O) im Jahr 1987 die Umbenennung<br />
der Appellation in »Pessac-Léognan« –<br />
die einzige klassifizierte Herkunftsbezeichnung<br />
im Bordelais, die aus zwei Ortsnamen besteht. Das<br />
Begehren anderer Graves-Weingüter, die seinerzeit<br />
frei gewordene Klassifikation »Grand Cru<br />
Classé de Graves« für ihre Betriebe nutzen zu<br />
wollen, scheiterte am Veto von Haut-Brion & Co.<br />
Ganz unwillkürlich kommt irgendwann die<br />
Diskussion auf die Entwicklung der Markt preise<br />
für die berühmtesten Bordeauxweine, die seit dem<br />
Jahrgang 2005 horrend gestiegen sind und spätestens<br />
mit dem Jahrgang 2009 schwindelerregende<br />
Höhen erreicht haben: Gegenüber dem<br />
Vorjahr kostete der 2009er Haut-Brion glatt<br />
das Vier fache! Wehmütig denkt man an selige<br />
Zeiten zurück, als man den 1982er von Haut-<br />
Brion für umgerechnet fünfundzwanzig Euro kaufen<br />
konnte. Delmas erklärt die Preisentwicklung<br />
mit der Erschließung neuer Märkte: »Vor zwanzig<br />
Jahren gingen neunzig Prozent unserer Jahresproduktion<br />
in die so genannten G-7-Staaten,<br />
heute sind fünfzig Länder dazugekommen, die es<br />
früher als Kunden nicht gab. Allein fünfundzwanzig<br />
Prozent gehen heute nach China, Singapur<br />
und Hongkong – Tendenz steigend! Hinzu kommen<br />
noch etliche Partien, die zunächst nach Großbritannien<br />
verkauft, aber am Ende auch Richtung<br />
Fernost verschifft werden.«<br />
Wie fast überall im Médoc und in den Graves<br />
ist der Cabernet Sauvignon auch bei Haut-Brion<br />
die wichtigste Rebsorte. Fünfundvierzig Prozent<br />
der insgesamt achtundvierzig Hektar umfassenden<br />
Rotweinfläche sind damit bepflanzt, vierzig<br />
Prozent mit Merlot und fünfzehn Prozent mit<br />
Cabernet Franc. Die alkoholische Gärung erfolgt<br />
in Edelstahltanks, der zwanzig Monate dauernde<br />
Ausbau in jährlich komplett neuen Barriques.<br />
Unverzichtbares Merkmal eines großen Rotweins<br />
ist die Fähigkeit zur Flaschenreife, in deren Verlauf<br />
sich die Aromatik und die geschmackliche<br />
Komplexität verfeinern.<br />
Eine Jahrhundertverkostung mit achtzig<br />
Jahrgängen bewies 2002 in Zürich, dass Château<br />
Haut-Brion gerade in dieser Hinsicht zu<br />
den beständigsten Schlössern des Bordelais zählt.<br />
Den zweitägigen Probemarathon moderierte<br />
Serena Sutcliffe, englische Weinautorin und<br />
Chefin der Weinabteilung von Sotheby’s, gemeinsam<br />
mit Jean-Bernard Delmas. Dieser bot interessante<br />
Einblicke in seine Arbeit auf Château<br />
Haut- Brion, zeigte sich bei dem einen oder anderen<br />
Sutcliffe- Kommentar aber auch leicht pikiert,<br />
als es um so manchen schwachen Wein aus den<br />
sechziger und siebziger Jahren ging: »Vous êtes<br />
bien sévère, Madame!« Die Einführung des Edelstahltanks<br />
bezeichnete Delmas als »Riesenfortschritt<br />
für die Vinifikation in Bordeaux«, und der<br />
Concentrateur ermögliche nun auch in feuchten<br />
1855 bezog sich keineswegs nur auf das Médoc,«<br />
erläutert Delmas, »vielmehr erging anlässlich der<br />
Weltausstellung in Paris der Auftrag an die Handelskammer<br />
von Bordeaux, die besten Wein güter<br />
der gesamten Gironde in einer Liste zu erfassen,<br />
wobei allerdings eine gewisse Mindestgröße der<br />
Châteaux Voraussetzung war.« Bekanntermaßen<br />
gab die Handelskammer den undankbaren Auftrag<br />
an die bis zum heutigen Tag sehr mächtige<br />
Vereinigung der Weinhandels makler (Courtiers)<br />
weiter, die diese knifflige Aufgabe auf recht simple<br />
Weise erledigte: Sie ermittelte die Verkaufs preise<br />
der letzten zehn Jahre, woraus sich eine fünf stufige<br />
Klassifikationsliste ergab, in der Château Haut-<br />
Brion als eines von vier Güteren in der ersten<br />
Kategorie figurierte. Neben den Rotweinen des<br />
Médoc waren damals offenbar die edelsüßen<br />
Weißweine der Sauternesregion sehr geschätzt,<br />
deren Güter in ein zwei stufiges Klassement von<br />
Premiers und Deuxièmes Grands Crus Classés<br />
eingeteilt wurden, mit Château d’Yquem als<br />
Primus inter Pares. Es fiel auf, dass die Handelskammer<br />
von Libourne geflissentlich ignoriert<br />
wurde und kein einziges Weingut von der rechten<br />
Seite der Garonne damals Berücksichtigung fand.<br />
Die meisten dortigen Güter wären ohnehin aufgrund<br />
ihrer geringen Größe nicht in Frage gekommen.<br />
Es ist Delmas allerdings ein Rätsel, wieso<br />
das ebenfalls im Graves-Gebiet gelegene Château<br />
Carbonnieux 1855 keine Berücksichtigung fand,<br />
obschon dieses große Weingut damals schon<br />
sehr bedeutend war. Über hundert Jahre blieb<br />
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Versprechen auf Entrückung:<br />
Jede Flasche Château Haut-Brion,<br />
Blanc wie Rouge, trägt den Weinfreund<br />
aus dem Alltag.<br />
Jahren die Herstellung besserer Weine. Hin gegen<br />
betrachte er die wieder zunehmende Verwendung<br />
von Holzgärbottichen als großen Rückschritt.<br />
Château Haut-Brion war 1961 eines der ersten<br />
großen Weingüter in Bordeaux, das auf Stahltanks<br />
umgestellt hatte. Jean-Philippe Delmas will die<br />
Äußerungen seines Vaters nicht weiter kommentieren,<br />
allerdings legt er Wert auf die Feststellung,<br />
dass es auf Château Haut-Brion nie eine Konzentrierungsanlage<br />
gegeben habe.<br />
Bei der Züricher Degustation tauchten übrigens<br />
drei Jahrgänge eines interessanten Weins auf,<br />
den man nicht so häufig zu verkosten bekommt:<br />
Domaine de Passion Haut-Brion. Hierbei handelt<br />
es sich um eine 1,3 Hektar große Parzelle, die<br />
zwischen 1954 und 1978 im Wege der Naturalpacht<br />
von Haut-Brion bewirtschaftet wurde.<br />
Den Verpächtern René Allary und Jean Bardinon<br />
stand jeweils ein Drittel des Ertrages zu, der Rest<br />
verblieb beim Weingut. In Zürich über zeugte<br />
mich der zartsüßliche 1966er der Domaine de<br />
Passion Haut-Brion etwas mehr als das Pendant<br />
von Château Haut-Brion, ebenso der 1959er, der<br />
vollmundig, geradezu burgundisch erstrahlte,<br />
während die Flasche von Château Haut- Brion<br />
eher enttäuschte.<br />
Als Anfang der achtziger Jahre neue gesetzliche<br />
Regelungen den Ausbau fremder Weine in<br />
den Mauern eines Weinguts untersagten, verpachtete<br />
Michel Allary den Weinberg seines Großvaters<br />
an Haut-Brion, und der Wein wurde damit<br />
Bestandteil des Grand Vin. Als Ersatz verlangte<br />
Allary dafür pro Jahr die Überlassung von zwölfhundert<br />
Flaschen des Premier Grand Cru Classé,<br />
was ihm zunächst auch gewährt wurde, später<br />
aber zum Streit führte. Ein Gericht entschied am<br />
Ende, dass Allary nur das Äquivalent eines einfachen<br />
Graves verlangen könne und er sogar noch<br />
Geld zurückzahlen müsse. Das Pachtverhältnis<br />
endete im Jahr 2004, der nun in Alleinregie hergestellte<br />
Wein firmiert seitdem als Domaine Allary<br />
Haut-Brion.<br />
Interessanterweise wird in der guts internen<br />
Statistik von Château Haut-Brion als einzigem<br />
Jahrgang des zwanzigsten Jahrhunderts lediglich<br />
dem 1989er das höchste Prädikat »ganz<br />
außergewöhnlich« zuteil, welches später allerdings<br />
auch die Jahrgänge 2000 und 2005 erhielten.<br />
Es dürfte keine allzu waghalsige Prognose<br />
sein, dass demnächst auch die beiden Ausnahmejahrgänge<br />
2009 und 2010 in der Hall of Fame<br />
von Château Haut-Brion auftauchen werden.<br />
Andere berühmte Jahrgänge wie 1900, 1929,<br />
1945, 1947, 1949, 1959, 1961, 1982 und 1990, die<br />
in der internationalen Weinkritik mit Superlativen<br />
bedacht wurden, gelten hingegen nur als<br />
»außer gewöhnlich«. Zu dieser selbstkritischen<br />
Betrachtung des Hauses passt, dass exzellente<br />
Jahrgänge wie 1953, 1966, 1985, 1995, 1998 und<br />
aus jüngerer Zeit der grandiose 2006er nur in<br />
der dritten Kategorie mit »sehr gut« wegkommen<br />
und äußerst mäßige Millésimes wie 1956, 1957,<br />
1958, 1963, 1965, 1968, 1969 und 1972 schonungslos<br />
als »klein« beschrieben werden. Solch vernichtende<br />
Urteile gibt es auf Haut-Brion seit<br />
beinahe vierzig Jahren nicht mehr, was zweifellos<br />
mit der globalen Erderwärmung zusammenhängt<br />
und den damit einhergehenden günstigeren<br />
Witterungsbedingungen. ><br />
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