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FINE 03/2011 La Mission Haut Brion

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Traum eines Ensembles: 1983 erwarb Château<br />

Haut-Brion das Nachbargut La Mission<br />

Haut-Brion. So entstand eine unvergleichliche<br />

Einheit für großen Wein.<br />

diese Klassifikation unverändert. Eine für das Jahr<br />

1962 geplante Über arbeitung scheiterte, weil vorab<br />

Einzelheiten des Revirements in der großen<br />

Regionalzeitung Sud Ouest öffentlich gemacht<br />

wurden, was zu einem riesigen Aufschrei führte.<br />

Damit waren alle Reformpläne zunächst verflogen.<br />

Gut zehn Jahre danach kam es dann doch noch<br />

zu einer Änderung, einer einzigen, als Château<br />

Mouton-Rothschild von der zweiten Kategorie<br />

in die erste aufstieg. »Damals kursierten Gerüchte,<br />

dass es im Gegenzug auch einen Absteiger aus<br />

der Eliteklasse geben sollte, wozu es am Ende aber<br />

doch nicht gekommen ist. Alle Premiers mussten<br />

aber ausführliche Dossiers abgeben!«<br />

Wir kommen auf die Klassifikation in der<br />

Graves-Region zu sprechen, die 1953 erstellt<br />

und sechs Jahre später überarbeitet wurde. Zu<br />

den Besonderheiten zählt, dass in keiner anderen<br />

Region sowohl Weiß- als auch Rotweine klassifiziert<br />

wurden und dass es obendrein nur eine einstufige<br />

Klassifikation ohne Hierarchie gibt. Im<br />

Vergleich zu Pauillac und Saint-Emilion erschien<br />

den Mitgliedern der Vereinigung der klassifizierten<br />

Güter die Bezeichnung »Grand Cru Classé de<br />

Graves« zu beliebig, und sie vollzogen mit dem<br />

Segen des Instituts für nationalen Herkunftsbezeichnungen<br />

(I.N.A.O) im Jahr 1987 die Umbenennung<br />

der Appellation in »Pessac-Léognan« –<br />

die einzige klassifizierte Herkunftsbezeichnung<br />

im Bordelais, die aus zwei Ortsnamen besteht. Das<br />

Begehren anderer Graves-Weingüter, die seinerzeit<br />

frei gewordene Klassifikation »Grand Cru<br />

Classé de Graves« für ihre Betriebe nutzen zu<br />

wollen, scheiterte am Veto von Haut-Brion & Co.<br />

Ganz unwillkürlich kommt irgendwann die<br />

Diskussion auf die Entwicklung der Markt preise<br />

für die berühmtesten Bordeauxweine, die seit dem<br />

Jahrgang 2005 horrend gestiegen sind und spätestens<br />

mit dem Jahrgang 2009 schwindelerregende<br />

Höhen erreicht haben: Gegenüber dem<br />

Vorjahr kostete der 2009er Haut-Brion glatt<br />

das Vier fache! Wehmütig denkt man an selige<br />

Zeiten zurück, als man den 1982er von Haut-<br />

Brion für umgerechnet fünfundzwanzig Euro kaufen<br />

konnte. Delmas erklärt die Preisentwicklung<br />

mit der Erschließung neuer Märkte: »Vor zwanzig<br />

Jahren gingen neunzig Prozent unserer Jahresproduktion<br />

in die so genannten G-7-Staaten,<br />

heute sind fünfzig Länder dazugekommen, die es<br />

früher als Kunden nicht gab. Allein fünfundzwanzig<br />

Prozent gehen heute nach China, Singapur<br />

und Hongkong – Tendenz steigend! Hinzu kommen<br />

noch etliche Partien, die zunächst nach Großbritannien<br />

verkauft, aber am Ende auch Richtung<br />

Fernost verschifft werden.«<br />

Wie fast überall im Médoc und in den Graves<br />

ist der Cabernet Sauvignon auch bei Haut-Brion<br />

die wichtigste Rebsorte. Fünfundvierzig Prozent<br />

der insgesamt achtundvierzig Hektar umfassenden<br />

Rotweinfläche sind damit bepflanzt, vierzig<br />

Prozent mit Merlot und fünfzehn Prozent mit<br />

Cabernet Franc. Die alkoholische Gärung erfolgt<br />

in Edelstahltanks, der zwanzig Monate dauernde<br />

Ausbau in jährlich komplett neuen Barriques.<br />

Unverzichtbares Merkmal eines großen Rotweins<br />

ist die Fähigkeit zur Flaschenreife, in deren Verlauf<br />

sich die Aromatik und die geschmackliche<br />

Komplexität verfeinern.<br />

Eine Jahrhundertverkostung mit achtzig<br />

Jahrgängen bewies 2002 in Zürich, dass Château<br />

Haut-Brion gerade in dieser Hinsicht zu<br />

den beständigsten Schlössern des Bordelais zählt.<br />

Den zweitägigen Probemarathon moderierte<br />

Serena Sutcliffe, englische Weinautorin und<br />

Chefin der Weinabteilung von Sotheby’s, gemeinsam<br />

mit Jean-Bernard Delmas. Dieser bot interessante<br />

Einblicke in seine Arbeit auf Château<br />

Haut- Brion, zeigte sich bei dem einen oder anderen<br />

Sutcliffe- Kommentar aber auch leicht pikiert,<br />

als es um so manchen schwachen Wein aus den<br />

sechziger und siebziger Jahren ging: »Vous êtes<br />

bien sévère, Madame!« Die Einführung des Edelstahltanks<br />

bezeichnete Delmas als »Riesenfortschritt<br />

für die Vinifikation in Bordeaux«, und der<br />

Concentrateur ermögliche nun auch in feuchten<br />

1855 bezog sich keineswegs nur auf das Médoc,«<br />

erläutert Delmas, »vielmehr erging anlässlich der<br />

Weltausstellung in Paris der Auftrag an die Handelskammer<br />

von Bordeaux, die besten Wein güter<br />

der gesamten Gironde in einer Liste zu erfassen,<br />

wobei allerdings eine gewisse Mindestgröße der<br />

Châteaux Voraussetzung war.« Bekanntermaßen<br />

gab die Handelskammer den undankbaren Auftrag<br />

an die bis zum heutigen Tag sehr mächtige<br />

Vereinigung der Weinhandels makler (Courtiers)<br />

weiter, die diese knifflige Aufgabe auf recht simple<br />

Weise erledigte: Sie ermittelte die Verkaufs preise<br />

der letzten zehn Jahre, woraus sich eine fünf stufige<br />

Klassifikationsliste ergab, in der Château Haut-<br />

Brion als eines von vier Güteren in der ersten<br />

Kategorie figurierte. Neben den Rotweinen des<br />

Médoc waren damals offenbar die edelsüßen<br />

Weißweine der Sauternesregion sehr geschätzt,<br />

deren Güter in ein zwei stufiges Klassement von<br />

Premiers und Deuxièmes Grands Crus Classés<br />

eingeteilt wurden, mit Château d’Yquem als<br />

Primus inter Pares. Es fiel auf, dass die Handelskammer<br />

von Libourne geflissentlich ignoriert<br />

wurde und kein einziges Weingut von der rechten<br />

Seite der Garonne damals Berücksichtigung fand.<br />

Die meisten dortigen Güter wären ohnehin aufgrund<br />

ihrer geringen Größe nicht in Frage gekommen.<br />

Es ist Delmas allerdings ein Rätsel, wieso<br />

das ebenfalls im Graves-Gebiet gelegene Château<br />

Carbonnieux 1855 keine Berücksichtigung fand,<br />

obschon dieses große Weingut damals schon<br />

sehr bedeutend war. Über hundert Jahre blieb<br />

18 19<br />

F I N E 3 / 2011 F I N E B o r d e a u x

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