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Stolpersteine_2017_lowRES

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Biografie von Simon Marx (1876-1938)<br />

von Mathias Böckle, Klasse 8s<br />

Firmenschild vom Vater des Simon Marx.<br />

Foto: <strong>Stolpersteine</strong> Wiesloch-Baiertal, 2013.<br />

Simon Marx wurde am 13. März 1876 in Baiertal<br />

geboren als Sohn von Bernhard Marx, der in Baiertal<br />

eine Mehlhandlung betrieb, und Elise geb. Haber.<br />

Simon hatte zwei Schwestern, Johanna Marx<br />

(* 29.01.1878 Baiertal † 24.02.1962 Cincinnati)<br />

und Betti Marx (* 13.05.1883 Baiertal † 1942<br />

Auschwitz). Das Wohnhaus war in der Hauptstraße<br />

39, heute Schatthäuser Str. 18, dort betrieben<br />

die beiden unverheirateten Schwestern die elterliche<br />

Mehlhandlung weiter und versorgten auch die alternde Mutter. Familie Marx war<br />

alteingesessen in Baiertal und die meisten Baiertaler Juden waren verwandt, da der Urgroßvater<br />

Marx einst fünf Häuser in derselben Straße für seine fünf Söhne bauen ließ.<br />

Da der Großvater Simon Marx hieß, wurde das Haus und auch die Familie „Schimmes“<br />

genannt und die Schwestern dementsprechend „Schimmes Johanna“ oder „Schimmes<br />

Betti“, oder auch „Schimmese“. Es wird erzählt, dass eine Hausfrau, falls sie kein Geld<br />

mehr hatte, zu „Schimmese“ ging, wo sie ihr Mehl ohne Bezahlung bekam und dann<br />

zahlte, wenn es später möglich war. Beide Schwestern wurden 1940 nach Gurs deportiert,<br />

wo sie auf ihre Schwägerin Rosa Marx aus Bruchsal trafen.<br />

Simon erlernte das Bäckerhandwerk und übernahm – mit finanzieller Unterstützung<br />

seines Vaters – 1906 in der Bismarckstraße 10 die Bäckerei von Bäckermeister Otto Emil<br />

Hanser. 1907 heiratete er Rosalie Mayer aus Leimersheim. Simon Marx und Rosalie<br />

Marx geb. Mayer, betrieben über 30 Jahre eine Brot- und Feinbäckerei in der Bismarckstraße<br />

10 in Bruchsal. Dort waren sie auch wohnhaft und zogen ihre beiden Töchter auf.<br />

Die Bäckerei wurde von Tochter Betty später als „lukratives Unternehmen“ bezeichnet<br />

und war von 31.10.1929 bis 23.9.1935 in der Handwerksrolle der Handwerkskammer<br />

Karlsruhe eingetragen. Im 1. Weltkrieg war Simon Marx, der nur 1,58 m groß war, ab<br />

1914 Soldat.<br />

Ab 1933 versuchten die Nationalsozialisten,<br />

Marx aus dem Beruf<br />

zu verdrängen. Am 09.07.1934<br />

wurde er wegen Vergehen gegen<br />

das Arbeitszeitgesetz vom Amtsgericht<br />

Bruchsal zu einer Strafe<br />

von 5 RM (!) verurteilt. Der Bäckereibetrieb<br />

wurde dann am<br />

21.09.1935 wegen angeblicher<br />

Handschriftlicher Lebenslauf aus der Häftlingsakte von Simon<br />

Marx, Sept. 1935. Foto: GLA Karlsruhe, 521 Nr. 8422<br />

Lehrlingsmisshandlung und Unreinlichkeit<br />

geschlossen (siehe<br />

Artikel aus dem „Führer“).<br />

Am 23.09.1935<br />

wurde Marx der Handel<br />

mit Lebensmitteln<br />

untersagt. Marx hatte<br />

zu diesem Zeitpunkt<br />

einen Gesellen und<br />

einen Lehrling in der<br />

Backstube beschäftigt.<br />

Simon Marx wurde direkt<br />

am 21.09.1935 in Haft genommen und am 25.09.1935 als „jüdischer Volksschädling“<br />

ins Konzentrationslager Kislau eingeliefert. Dort wurde er am 25.10.1935 vorläufig<br />

wieder entlassen. Nach einem weiteren Artikel im „Führer“ wurde sein Fall im März<br />

1936 in Karlsruhe verhandelt, Marx wurde mit vier Monaten Gefängnis und fünf Jahren<br />

Berufsverbot belegt.<br />

Den Töchtern Betty Marx und Trude Frank zufolge hat ihr Vater den Betrieb noch bis<br />

zum Sommer 1937 weitergeführt. Daraus schließt man während des Wiedergutmachungsprozesses<br />

in den 1960ern, dass Simon Marx Beschwerde gegen den Beschluss<br />

eingelegt haben müsste, was jedoch eher als unwahrscheinlich gilt. Eine andere Version<br />

gab 1962 sein ehemaliger Lehrling und Geselle Heinrich Schnepf, dort beschäftigt<br />

1920 bis 1934, zu Protokoll. Marx‘ Fall sei 1935 in Karlsruhe verhandelt und Marx freigesprochen<br />

worden. Außerdem,<br />

dass der Lehrling, der ihn wegen<br />

Ohrfeigen anzeigte, ein Halbjude<br />

war, der später auswanderte. Anschließend<br />

sei Marx dann einige<br />

Wochen zu Hause gewesen und<br />

wurde wieder abgeholt.<br />

Im Sommer 1937 wurde Simon<br />

Marx aus rassischen Gründen und<br />

unwahrer Denunzierung abermals<br />

verhaftet und ins Arbeitslager<br />

Kislau geschafft. In der Zeit vom<br />

24.06.1938 bis zu seiner Überstellung<br />

in das Konzentrationslager<br />

Dachau am 11.07.1938 war er<br />

in polizeilichem Gewahrsam im<br />

Gefängnis in Bruchsal. Drei Tage<br />

später, am 14. Juli 1938, wurde er<br />

angeblich auf dem SS-Schießplatz<br />

Prittelbach bei Dachau exekutiert.<br />

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Erkennungsdienstliche Aufnahmen von Simon Marx, 25.09.1935. Foto: GLA<br />

Karlsruhe, 521 Nr. 8422<br />

Artikel im „Führer“, 25.09.1935. Man beachte den gehässigen Ton<br />

dieser unbewiesenen Vorverurteilung. Foto: GLA KA, 521 Nr. 8422

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