MQ Winter 2017
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Das Artland-Magazin.<br />
Putziger Räuber<br />
mit Gesichtsmaske<br />
Wie der Waschbär bei uns<br />
heimisch wurde von Alexandra Lüders<br />
Ursprünglich lebte der Waschbär in Nordamerika,<br />
bevor er 1920 für die Pelztierzucht nach Deutschland<br />
importiert wurde. In die freie Wildbahn<br />
gelangte der 41 bis 71 Zentimeter große, hübsch<br />
gezeichnete Bär durch aktive Auswilderung oder<br />
Entweichen aus der Gefangenschaft. Seit 1934<br />
konnte sich diese invasive Art (nicht heimische<br />
Art) immer weiter ausbreiten, so dass sie heute in<br />
fast jedem zweiten Jagdrevier zu Hause ist. Dank<br />
seiner optimalen Anpassung lebt der nachtaktive<br />
Räuber sowohl in gewässerreichen Laub – und<br />
Mischwäldern mit hohem Eichenanteil als auch in<br />
den Städten und kleinen Orten, in denen er sich als<br />
Allesfresser von Obst, Nüssen, Amphibien, Insekten<br />
und Kleinsäugetieren ernährt. Es ist jedoch noch<br />
nicht nachgewiesen, dass er für den Rückgang<br />
von Vogelpopulationen verantwortlich ist. Die<br />
Europäische Sumpfschildkröte steht dagegen in<br />
der Region Brandenburg ganz oben auf seiner Speisekarte.<br />
In Siedlungsgebieten findet er Speisereste<br />
(Müll), Obst in den Gärten, wo er auch Schlaf- und<br />
Wurfplätze in Baumhöhlen und Gartenhäusern<br />
einrichtet. In der Stadt Kassel wohnen bis zu 43 %<br />
der Waschbären in Garagen, verlassenen Häusern<br />
und auf Dachböden. Hier wie in Berlin, in Orten<br />
Nordhessens und Südniedersachsens gehört der<br />
Waschbär zur örtlichen Fauna. Das kann zu lästigen<br />
Reparaturen und hohen finanziellen Schäden<br />
an Häusern führen. Langfristig werden statt der<br />
Vertreibung der Tiere nur vorbeugende Maßnahmen<br />
wie das Stutzen von Ästen usw. empfohlen.<br />
Außerdem vom Füttern der Waschbären abgeraten,<br />
im Land Berlin ist es untersagt. Denn die Tiere können<br />
Krankheiten übertragen und Menschen beißen.<br />
Waschbären würden über 20 Jahre alt werden,<br />
wenn nicht ein extremer <strong>Winter</strong>druck, die Jagd und<br />
Verkehrsunfälle ihren Bestand dezimieren würden.<br />
Allein in Niedersachsen sind in den Jahren 2015/<br />
2016 (Landesjagdbericht) 10 070 Waschbären mit<br />
der Flinte/Büchse oder mit der Falle erlegt worden,<br />
im Landkreis Osnabrück waren es 113, deutschlandweit<br />
128 100 Tiere. Die Fallenjagd wird jedoch aus<br />
Tierschutzsicht für äußerst bedenklich gehalten,<br />
weil die Waschbären zuerst mit den Pfoten in die<br />
Fallen gelangen und beim Fang große Qualen erleiden.<br />
Der deutsche Jagdverband (DJV) verweist in<br />
diesem Zusammenhang darauf, dass im Jahre 2009<br />
ein Viertel der Uhu – Nistplätze von Waschbären in<br />
Thüringen besetzt wurde. Als geschickter Kletterer<br />
sorge er auch für Brutverluste bei Graureihern und<br />
Höhlenbrütern, die hoch in Felswänden und Baumkronen<br />
nisteten, moniert der DJV die Dominanz<br />
des Waschbären in den Revieren. Erfahrene Jäger<br />
und Naturschützer des NABU Schleswig-Holstein<br />
halten es aber für nahezu ausgeschlossen, dass die<br />
Art wieder aus dem Bundesgebiet entfernt werden<br />
kann. Die heimliche Lebensweise des Waschbären<br />
und der Ausgleich der hohen Sterblichkeitsrate<br />
durch stark ansteigende Trächtigkeit verhinderten<br />
langfristig die komplette Ausrottung des kleinen<br />
Bären mit den geschickten Vorderpfoten. Er soll<br />
sogar die Lerngeschwindigkeit und die Gedächtnisleistung<br />
eines Rhesusaffen (Studien von Davis/<br />
Pohl) haben. Der Nachwuchs des Waschbären<br />
wird von der Fähe (Weibchen) bis zur Trennung im<br />
Herbst allein aufgezogen, bevor die <strong>Winter</strong>ruhe<br />
beginnt. In Nord- und Westniedersachsen sind die<br />
Waschbärvorkommen noch deutlich geringer als<br />
im Süden und Osten des Landes, breiten sich aber<br />
auch im Osnabrücker Land, Melle und Wittlage<br />
verstärkt aus. Selbst in Menslage und in Badbergen<br />
Lechterke sind die Räuber mit der Gesichtsmaske<br />
schon häufiger gesichtet worden.<br />
54 | mq Ausgabe <strong>Winter</strong> <strong>2017</strong>