07.12.2017 Aufrufe

der urlaub, Heft 2/2017

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

KOLUMNE<br />

FOTOS: STOCKSY.COM; PRIVAT<br />

Man kann dabei<br />

gemütlich spazieren<br />

gehen, ein Bierchen<br />

trinken, sich nett<br />

unterhalten – o<strong>der</strong> vor<br />

Verzweiflung<br />

wimmern. Bei aller<br />

Unberechenbarkeit:<br />

Wen es einmal gepackt<br />

hat, das Golffieber, den<br />

lässt es kaum noch<br />

los, weiß Nele-Marie<br />

Brüdgam<br />

NELE-MARIE<br />

BRÜDGAM<br />

Unsere Autorin machte 2011 ihre<br />

Platzreife und spielt seither<br />

mit schöner Unregelmäßigkeit<br />

– und mäßigem Erfolg.<br />

Plink, pfffffffffffff … Der Ball fliegt<br />

im hohen Bogen; okay, nicht<br />

sehr weit, aber doch elegant<br />

– und vor allem mit diesem einzig<br />

wahren Klang, den je<strong>der</strong> Golfer, jede<br />

Golferin so liebt. Nach einem langen<br />

Arbeitstag drehe ich eine Neun-Loch-<br />

Runde mit meiner liebsten Sportsfreundin,<br />

nur wenige Golfer sind um<br />

diese Zeit noch unterwegs. Hinter uns<br />

spielen drei Männer um die 20, weit<br />

vor uns zwei ältere Paare, und dort drüben<br />

sitzen zwei Freunde auf <strong>der</strong> Bank,<br />

die eine Bier- und Zigarettenpause vor<br />

dem nächsten Abschlag einlegen. Ich<br />

genieße die entspannte Atmosphäre,<br />

das Licht des Sonnenuntergangs über<br />

dem weiten, hügelig-geschwungenen<br />

Platz – und bilde mir ein, das Rauschen<br />

im Hintergrund komme nicht von <strong>der</strong><br />

nahen Autobahn, son<strong>der</strong>n vom Meer.<br />

„Hast du noch Sex o<strong>der</strong> spielst du<br />

schon Golf?“. Tatsächlich, bis heute gibt<br />

es Menschen, die diese Frage stellen.<br />

Mal lächle ich darüber hinweg, mal<br />

entgegne ich: „Fragst du das auch Golf<br />

spielende Kin<strong>der</strong> und Jugendliche?“.<br />

Denn davon gibt es eine Menge. Nicht<br />

nur mein Golfklub kooperiert mit einer<br />

Schule, regelmäßig stehen Jungs mit<br />

tief sitzenden Hosen und Mädchen mit<br />

Leggings o<strong>der</strong> Kopftuch auf dem Platz.<br />

Von Jahr zu Jahr steigt in Deutschland<br />

die Zahl <strong>der</strong> Golfklubmitglie<strong>der</strong><br />

(2016 waren es über 643 000) und Golfplätze<br />

(732). In Klubs wie meinem, am<br />

Rande von Hamburg, gibt es keinen<br />

Dresscode, man spielt in Jeans, trägt<br />

lange Bärte, zeigt seine Tätowierungen.<br />

Ab 55 Euro im Monat ist man dabei.<br />

Und wer wie ich gern mit einem<br />

schrottigen Fahrrad kommt, erntet we<strong>der</strong><br />

abfällige noch anerkennende Blicke,<br />

denn es gibt ja nichts Normaleres.<br />

Klar, auch die elitäre Golfszene gibt es<br />

nach wie vor: Karos an den Beinen, fettes<br />

Gefährt auf dem Parkplatz, fantasievolle<br />

Aufnahmegebühren und bloß<br />

keine Lässigkeit auf dem Rasen – je<strong>der</strong><br />

wie er mag, ist doch wun<strong>der</strong>bar.<br />

Meine erste Golferfahrung machte<br />

ich vor vielen Jahren in London. Damals<br />

gab es noch den Übungsplatz im<br />

Stadtteil King’s Cross, ein verstaubtes<br />

Stück Land, auf dem sich mittags<br />

Taxifahrer trafen und mit Zigaretten<br />

im Mundwinkel Bälle weghauten. Ein<br />

Freund führte mich dorthin – und<br />

schon war es um mich geschehen. Bis<br />

ich zu Hause meine Platzreife machte,<br />

dauerte es allerdings noch, die Zeitintensität<br />

des Sports hatte mich abgeschreckt.<br />

Das ist bis heute ein Problem:<br />

Wer so wenig begabt ist wie ich, sollte<br />

mindestens sechs Stunden pro Woche<br />

investieren, sonst wird das nichts. Bei<br />

mir ist es bis heute nichts geworden,<br />

ich krieche mit kläglichem Handicap<br />

39 über den Platz – und habe trotzdem<br />

meinen Spaß. Meistens.<br />

Golf erfor<strong>der</strong>t Beweglichkeit und<br />

Kraft, Präzision und Koordination,<br />

vor allem aber Konzentration und Gelassenheit.<br />

Der Spruch, Golf finde zu<br />

95 Prozent zwischen den Ohren statt,<br />

trifft’s ziemlich genau. Das Gute daran:<br />

Sobald ich auf dem Platz stehe,<br />

schrumpft die Bedeutung <strong>der</strong> restlichen<br />

Welt. Das Schwierige: Versuchen<br />

Sie mal, konzentriert und gelassen zugleich<br />

zu sein.<br />

„Boing-plopp“ (<strong>der</strong> Ball fliegt wenige<br />

Meter weit), „Schepper-Raschel“<br />

(Ball landet im Wald) o<strong>der</strong> einfach nur<br />

„Platsch!“ (Ball versinkt im Teich):<br />

Dies sind die Klänge, die jeden Golfer,<br />

jede Golferin in die Verzweiflung treiben<br />

können. Gestandene Männer und<br />

Frauen – auf dem Golfplatz kann man<br />

sie wimmernd und weinend erleben,<br />

tobend, fluchend, in ihren Schläger<br />

beißend. Vor ein paar Tagen noch ging<br />

alles so gut, so leicht – und auf einmal<br />

klappt nichts mehr. Je<strong>der</strong> erlebt das<br />

gelegentlich, nicht umsonst lautet <strong>der</strong><br />

lustigste Golferwitz: „Ich kann’s!“.<br />

Wie oft wollte ich schon aufgeben?<br />

Und werde es wohl doch nie tun. Weil<br />

Golf eben nicht nur bedeutet, den Ball<br />

ins Loch zu kriegen. Son<strong>der</strong>n auch, mit<br />

Freunden ein Spiel zu spielen, lange<br />

Spaziergänge in schöner Umgebung zu<br />

machen, Zeit für sich selbst und füreinan<strong>der</strong><br />

zu haben. Urlaub im Alltag.<br />

SOMMER <strong>2017</strong> <strong>der</strong> <strong>urlaub</strong> 11

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!