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der urlaub, Heft 2/2017

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KOLUMNE<br />

Bikini, Badehose, fertig – Brasilianer sind total cool, wenn sie an<br />

den Strand gehen. Im Gegensatz zu den Deutschen, dachte unsere<br />

Kolumnistin Miriam Collée, als sie neulich einen Tag an <strong>der</strong><br />

Nordsee verbrachte. Doch dann traf sie eine Freundin wie<strong>der</strong> …<br />

STRANDFEELING AUF<br />

BRASILIANISCH<br />

FOTOS: GETTY IMAGES; PR<br />

Ich hatte mal eine brasilianische<br />

Mitbewohnerin, Flavia. Sie konnte<br />

seltsame Fragen stellen („Wie<br />

schneidet man Tomaten?“ o<strong>der</strong> „Hast<br />

du schon mal die Pofalte waxen lassen?“),<br />

aber man konnte auch viel von<br />

ihr lernen: wie man flucht wie ein Bierkutscher<br />

(„Caralho!“, „Puta!“, „Merda!“)<br />

o<strong>der</strong> wie man sich an <strong>der</strong> Copacabana<br />

verhält. Ich hatte mit meinem damaligen<br />

Freund einen Flug nach Rio gebucht,<br />

und kaum war die Flugbestätigung<br />

eingegangen, klärte sie uns auf:<br />

Männer, begann sie und schleu<strong>der</strong>te<br />

ihre dunkle Mähne über die Schulter,<br />

dürften nur zwei Dinge mit an den<br />

Strand nehmen: eine Badehose und den<br />

Autoschlüssel. Sonnencreme? Nada.<br />

Ist für Weicheier. Flipflops? Ein echter<br />

Mann geht barfuß. Wenigstens ein<br />

Handtuch? Nur, wenn du schwul bist.<br />

Ansonsten lässt du lufttrocknen o<strong>der</strong><br />

setzt dich aufs Handtuch eines hübschen<br />

Mädchens. Mein Freund nickte<br />

wissend. Und ich? „Du, Carinha“, sagte<br />

Flavia, „wirfst als Erstes dieses Zelt<br />

weg und kaufst dir einen anständigen<br />

Bikini, in dem man deine Pobacken<br />

sehen kann.“<br />

Doch <strong>der</strong> nagelneue Bikini, <strong>der</strong><br />

sich so brasilianisch in meine Pofalte<br />

fraß, kam lei<strong>der</strong> nie zum Einsatz. Denn<br />

kurz vor Rio kam es zum jähen Ende<br />

<strong>der</strong> Beziehung, und mein Exfreund<br />

verbrannte sich die Fußsohlen an <strong>der</strong><br />

Copa cabana allein.<br />

Vielleicht hätte dieser Urlaub alles<br />

verän<strong>der</strong>t. Vielleicht wäre aus mir eine<br />

goldbraune Gisele Bündchen geworden,<br />

mit nichts als einem schwarzen<br />

Tanga in <strong>der</strong> Ritze und einem Surfbrett<br />

unterm Arm. Genau daran musste ich<br />

denken, als wir letztes Wochenende<br />

in St. Peter-Ording waren. Ich zerrte<br />

schnaufend und schwitzend einen<br />

faltbaren Bollerwagen über den Sand,<br />

randvoll gefüllt mit Kühltasche, unserer<br />

neuen Outdoor-Pop-up-Strandmuschel<br />

„Zack II“, verschiedenen Sonnencremes<br />

(mit und ohne Sonnenallergie,<br />

Sunblocker und Bronze-Effekt),<br />

Frottee-Bademänteln, Schwimmflügeln,<br />

Flossen und Taucherbrillen,<br />

Keschern, großen Schaufeln, <strong>der</strong><br />

Picknickdecke „Ulvön“ mit wasserabweisen<strong>der</strong><br />

Unterseite, großen und<br />

kleinen Handtüchern, Wechselbadeanzügen<br />

und Pixibüchern. Mein Mann<br />

versuchte, den Drachen zu bändigen,<br />

den unsere Große zu früh von <strong>der</strong> Leine<br />

gelassen hatte, sowie ein aufblas bares<br />

Krokodil und ein bockendes vierjähriges<br />

Mädchen. Die Copacabana war<br />

weiter weg denn je. Gisele Bündchen<br />

auch. Weiter ging nicht mehr.<br />

Ich setzte mich auf den Bollerwagen<br />

und wartete mit zwei nölenden Kin<strong>der</strong>n<br />

(Mir-ist-heiß-ich-hab-Hunger-ichwill-<br />

ein-Eis-ich-muss-Pipi) auf meinen<br />

Mann, <strong>der</strong> zum Strandkorbvermieter<br />

joggte. Etwas mehr Coolness wäre<br />

schön gewesen, aber das sagt sich so<br />

leicht mit einem Gummikrokodil in<br />

<strong>der</strong> einen Hand und einem Kescher<br />

in <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en. Doch dann betrachtete<br />

ich die an<strong>der</strong>en Leute: Auf dem<br />

Parkplatz baute eine Familie ihr Basislager<br />

auf – Campingstühle, Vorzelt,<br />

Sonnen schirme, Klappliegen und mobiler<br />

Wäschestän<strong>der</strong> inklusive. Rechts<br />

am FKK-Strandabschnitt spielten ein<br />

paar Rentner in Plastikbadeschuhen,<br />

T-Shirt und Käppi Unten-ohne-Volleyball,<br />

und direkt vor mir kämpfte eine<br />

Frau mit den Stäben ihrer Strandmuschel.<br />

Um den Bauch hatte sie ein<br />

schreiendes Baby geschnallt, um sie<br />

herum zerlegten zwei Kleinkin<strong>der</strong> in<br />

UV-geschützten Gummianzügen und<br />

Sonnenhüten mit Safari- Nackenschutz<br />

den Inhalt zweier Tchibo-Bade taschen<br />

(last season), während ihr Mann verzweifelt<br />

versuchte, einen Sonnenschirm<br />

in den Sand zu rammen. Der Anblick<br />

war sehr beruhigend. Wir können eben<br />

nicht raus aus unserer Haut, wir Deutschen.<br />

Doch dann begann die Frau zu<br />

fluchen: „Caralho!“. „Merda!“. Flavia?<br />

Mensch, wir haben uns ja seit Ewigkeiten<br />

nicht gesehen!<br />

SOMMER <strong>2017</strong> <strong>der</strong> <strong>urlaub</strong> 59

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