sportFACHHANDEL 01_2018 Leseprobe
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40 | MIXED | Kartellrecht 1.2<strong>01</strong>8<br />
Auch Verbandssitzungen<br />
können ein kartellrechtliches<br />
Minenfeld sein.<br />
DIE FAKTEN<br />
Der Austausch<br />
von „strategischen<br />
Informationen“<br />
ist<br />
kartellrechtlich<br />
problematisch<br />
Gerade auf<br />
Messen und<br />
Verbandssitzungen<br />
ist<br />
Vorsicht geboten<br />
Dies gilt<br />
insbesondere für<br />
Preise, Einkaufsmengen<br />
und<br />
Forderungen<br />
Selbst die<br />
schweigende<br />
Entgegennahme<br />
von sensiblen<br />
Informationen<br />
kann einen<br />
Kartellrechtsverstoß<br />
begründen<br />
Lieferanten austauschen, ohne<br />
dabei eine künftige Vorgehensweise<br />
zu vereinbaren. Nach Praxis<br />
des Bundeskartellamts kann durch<br />
den bloßen Informationsaustausch<br />
der sogenannte Geheimwettbewerb<br />
unterwandert werden. Aus Sicht<br />
der Kartellbehörde ist nämlich zu<br />
befürchten, dass der Austausch<br />
sensibler Informationen dazu<br />
führt, dass Wettbewerber die erhaltenen<br />
strategischen Informationen<br />
nutzen und ihr Marktverhalten<br />
entsprechend anpassen.<br />
Wichtig ist zu wissen, dass bereits die schweigende<br />
Entgegennahme von wettbewerblich<br />
sensiblen Informationen einen Kartellrechtsverstoß<br />
begründen kann. Auch wer selbst gar<br />
keinen Redeanteil hat und nur schweigend einem<br />
Gespräch eines Konkurrenten folgt, kann nach der<br />
Rechtsprechung dafür bestraft werden. Wird man<br />
in ein Gespräch verwickelt, das in eine kritische<br />
Richtung geht und erhält man dadurch ungewollt<br />
sensible Informationen, muss man sich offen davon<br />
distanzieren und die Information zurückweisen.<br />
Die Rechtsprechung ist in dieser Hinsicht sehr hart,<br />
aber dies ist der einzige Weg, wie man einen<br />
eigenen Kartellrechtsverstoß verhindern kann.<br />
Die vorstehenden Ausführungen gelten nicht<br />
nur für Messen, sondern für Zusammentreffen<br />
mit Wettbewerbern bei allen erdenklichen Gelegenheiten.<br />
Erfahrungsgemäß sind Verbandssitzungen<br />
aus kartellrechtlicher Sicht ein weiteres Minenfeld.<br />
Dabei ist neben den offiziellen Themen, die auf der<br />
Agenda stehen, auch bei Randgesprächen wie etwa<br />
beim Mittagessen oder beim gemütlichen Zusammensein<br />
nach der Veranstaltung besondere Vorsicht<br />
geboten. Die Erfahrung in der Praxis zeigt, dass viele<br />
wettbewerbswidrige Verhaltensweisen jenseits des<br />
offiziellen Programms erfolgen. Außerdem kann im<br />
Rahmen der offiziellen Verbandsarbeit die<br />
Erhebung von Statistiken und Marktanalysen<br />
kartellrechtlich kritisch sein. Grundsätzlich dürfen<br />
Verbände unternehmensspezifische Daten von<br />
Mitgliedern erheben, sollten die gesammelten<br />
Daten aber nur in aggregierter Form an die<br />
Mitgliedsunternehmen zurückspielen, so dass diese<br />
ein Benchmarking betreiben können, aber keine<br />
Rückschlüsse auf konkrete Wettbewerber ziehen<br />
können. Auch hier gilt, dass der Informationsaustausch<br />
den Geheimwettbewerb nicht unterwandern<br />
darf und keine Wettbewerbsbeschränkung bewirken<br />
darf. Benchmarking ist also nicht per se verboten,<br />
der Informationsaustausch darf aber nicht direkt<br />
zwischen den Mitgliedsunternehmen erfolgen und<br />
aus Verbandsstatistiken dürfen grundsätzlich keine<br />
Rückschlüsse auf das Marktverhalten einzelner<br />
Mitgliedsunternehmen ableitbar sein.<br />
Kartellrechtsverstöße können also schnell auch<br />
aus Unwissenheit oder unbeabsichtigt begangen<br />
werden. Der größte Fehler, der in der Praxis im<br />
Zusammenhang mit Kartellrechtsverstößen immer<br />
wieder vorkommt, ist darauf zu vertrauen, dass<br />
trotz wettbewerbswidriger Kontakte schon alles gut<br />
gehen wird. In der Regel kommen kartellrechtswidrige<br />
Absprachen früher oder später nämlich<br />
ans Licht. Dies liegt an der sogenannten Kronzeugen-regelung<br />
des Bundeskartellamts. Danach<br />
bekommt das Unternehmen, welches als erstes den<br />
Verstoß freiwillig beim Bundeskartellamt anzeigt,<br />
überhaupt kein Bußgeld. Auch den Mitarbeitern<br />
dieses Unternehmens wird, wenn sie helfen den<br />
Sachverhalt aufzudecken, das Bußgeld vollständig<br />
erlassen. Wer daher selbst keinen Kronzeugenantrag<br />
stellt, muss jederzeit damit rechnen, von<br />
einem Wettbewerber angezeigt zu werden und<br />
dann ein hohes Bußgeld zu kassieren. Ein spieltheoretisches<br />
Anreizprinzip also: Da man selbst nie<br />
weiß, ob nicht ein anderes Unternehmen die Zuwiderhandlung<br />
beim Bundeskartellamt in Zukunft<br />
anzeigen wird und einen belastet, muss man selbst<br />
als erster den Verstoß melden und dadurch seine<br />
eigene Haut retten. Von der Kronzeugenregelung<br />
wird in der Praxis häufig Gebrauch gemacht. Sie<br />
hat sich als effektives Werkzeug zur Aufdeckung<br />
von Kartellen nicht nur in Deutschland, sondern<br />
auch in vielen anderen Ländern etabliert.<br />
Bei schwerwiegenden Kartellrechtsverstößen<br />
werden gegen Unternehmen regelmäßig Bußgelder<br />
in Millionenhöhe verhängt. Die Bußgelder gegen<br />
Unternehmensmitarbeiter betragen mitunter bis zu<br />
einem Jahresnettogehalt. Haben Kartellabsprachen<br />
Auswirkungen in verschiedenen Staaten, kann die<br />
Europäische Kommission anstelle des Bundeskartellamts<br />
als Wettbewerbshüterin zuständig sein.<br />
Im Übrigen darf man nicht glauben, dass die<br />
Kartellverfolgung sich auf große Konzerne<br />
beschränkt. Die Tätigkeit des Bundeskartellamts<br />
wird nämlich durch die Landeskartellbehörden<br />
flankiert, die vereinfacht gesagt für Wettbewerbsbeschränkungen,<br />
die sich auf ein Bundesland<br />
beschränken, zuständig sind. Die Landeskartellbehörde<br />
Nordrhein-Westfalen hat beispielsweise<br />
vor einiger Zeit gegen drei kleinere Schornsteinfegerbetriebe<br />
Bußgelder verhängt.<br />
Angesichts der drastischen Folgen, die<br />
Kartellrechtsverstöße für Unternehmen und<br />
Unternehmensmitarbeiter haben können, sollte<br />
jeder, der Kontakte mit Wettbewerbern hat, die<br />
Grenzen des rechtlichen Erlaubten gut kennen.<br />
Wenn es in der Vergangenheit zu bedenklichen<br />
Kontakten gekommen ist, sollte man den Sachverhalt<br />
unbedingt anwaltlich prüfen lassen und einen<br />
Kronzeugenantrag in Betracht ziehen. Daneben<br />
sollte auch die Verbandsarbeit regelmäßig auf<br />
kartellrechtliche Zulässigkeit geprüft werden.