unternehmen Juli 2017
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[machen] Ausgabe 58 | <strong>Juli</strong> <strong>2017</strong> <strong>unternehmen</strong> [!]<br />
kann ich kaum so viel Geld verlangen, dass es<br />
die Kosten decken würde“, erklärt Harr. Das<br />
ginge höchstens in Metropolen wie München<br />
oder London. „Nach dem Krieg gab es hier etwa<br />
40 Schuhmacher“, erzählt er. Heute sind es<br />
in Ravensburg noch vier, im Landkreis 17 –<br />
von insgesamt 3.979 Handwerksbetrieben.<br />
Das bekommt Harr zu spüren. Nicht nur, dass<br />
es schwierig ist Personal zu finden, auch das<br />
Know-How zur Wartung älterer Spezial-Maschinen<br />
geht langsam verloren.<br />
Um zukunftsfähig zu sein, achtete die Unternehmerfamilie<br />
früh auf Internationalität.<br />
Theaterschuhe werden über eine zweisprachigen<br />
Homepage und einen zweisprachigen<br />
Katalog vertrieben: „Heute ist es existenziell,<br />
dass wir international so bekannt sind.“<br />
UNGEHEURES GLÜCKSGEFÜHL<br />
Ein Vorteil für Harr: Bühnenproduktionen<br />
werden oft ins Ausland verkauft. Die Verantwortlichen<br />
dort greifen gerne auf ihn zurück.<br />
So kann es sein, dass Bestellungen aus Australien<br />
eintrudeln. Konkurrenz gibt es sowohl in<br />
Deutschland als auch im Ausland. In England,<br />
Italien, Polen, Ungarn oder Holland. Harr be-<br />
Utensilien für Maßanfertigungen:<br />
Qualitativ hochwertiges<br />
Leder und mehr als 1000<br />
Leisten, die individuell auf<br />
den Fuß angepasst werden.<br />
kommt viele Aufträge über Empfehlungen<br />
oder Mundpropaganda. Doch das hat auch eine<br />
Kehrseite: „Es spricht sich nichts so schnell<br />
herum, wie wenn jemand unzufrieden ist.“<br />
Ein mühsam aufgebauter guter Ruf kann so<br />
schnell ruiniert werden. Darum geht jeder<br />
Schuh erst durch seine Hände, dann durch die<br />
seiner Frau Sabine, bevor er das Haus verlässt.<br />
Das sind 60 bis 70 Paar pro Woche.<br />
Einer der beiden Söhne des Chefs, Christoph<br />
Harr, absolviert ein Duales Studium Fachrichtung<br />
„BWL – Handel Plus“. Die Praxisphasen<br />
absolviert er im elterlichen Betrieb. Sollte er<br />
sich für eine Weiterführung entscheiden, wäre<br />
er bereits die fünfte Generation.<br />
Trotz aller Schwierigkeiten liebt Harr seinen<br />
Beruf. Das spürt man an seiner Begeisterung:<br />
„Es ist einfach schön, einen Schuh wachsen zu<br />
sehen. Wenn man an etwas arbeitet und es gelingt,<br />
ist das ein ungeheures Glücksgefühl. Es<br />
erfüllt uns alle mit Stolz, wenn wir ein Stück<br />
auf der Bühne sehen oder den Fernseher einschalten<br />
und unsere Schuhe dabei sind.“<br />
Auf Termintreue legt er großen Wert. „Wir haben<br />
noch nie einen Auftrag so spät ausgeliefert,<br />
dass ein Kunde einen Nachteil gehabt<br />
hätte“, sagt Harr. „ Wir haben deswegen auch<br />
schon komplette Nächte oder Wochenenden<br />
durchgearbeitet. Irgendwie geht‘s immer.“<br />
Nur einmal, da war Harr skeptisch. Es ging um<br />
Schuhe für das Hamburger Musical „Aladdin“.<br />
Mehr als einhundert Paare. Extrem aufwendig<br />
und schwierig – mit unzähligen Schnörkeln<br />
und Verzierungen oder nach oben gezogenen<br />
Schuhspitzen. „Nach einer Woche hatte es das<br />
Team raus. Plötzlich lief es.“ Das Gute an diesem<br />
Stress: „Die Glücksgefühle danach waren<br />
gigantisch“. [!] <br />
JULIA RIZZOLO<br />
Handwerker in<br />
der vierten Generation<br />
1902 wurde das Unternehmen von Alexander<br />
Harrs Pflege-Urgroßvater Xaver<br />
Scheu gegründet. 1966 zog der Betrieb<br />
aus der Innenstadt in die Schubertstraße,<br />
nahe der Ravensburger AG. Mitte<br />
der 80er Jahre nahm die Spezialisierung<br />
auf historische Bühnen- und Theaterschuhe<br />
ihren Anfang: Durch eine<br />
Kooperation mit dem Ravensburger<br />
Rutenfest, entstand bei Harrs Vater die<br />
Idee, anderen Heimatfesten die Dienste<br />
auch anzubieten. Seit 1995 führt Alexander<br />
Harr den Betrieb und seine 10 bis<br />
14 Mitarbeiter in vierter Generation. RIZ<br />
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