Grundschule aktuell 135
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Thema: Räume zum Leben und Lernen<br />
Anna Dittert<br />
hat nach dem Architekturstudium ein<br />
Lehramtsstudium abgeschlossen und<br />
ihre schriftliche Arbeit im Rahmen der<br />
ersten Staatsprüfung zum Thema<br />
»Zur pädagogischen Bedeutung von<br />
Raum, Raumgestaltung und Raumnutzung<br />
am Beispiel von Ganztagsschulen«<br />
verfasst. Sie arbeitet als Grundschullehrerin<br />
an einer Gladbecker<br />
<strong>Grundschule</strong>.<br />
dem die Kinder einen großen Teil ihrer<br />
Zeit verbringen, muss ganzheitlich als<br />
System pädagogischer, sozialer, gesellschaftlicher,<br />
räumlicher, ökonomischer<br />
und ökologischer Aspekte anerkannt<br />
werden. Allzu oft wird beim Schulhausbau<br />
die Minimallösung gewählt und es<br />
gelingt noch zu selten, die pädagogischen<br />
Leitideen und das Schulkonzept<br />
in ein entsprechendes Raumprogramm<br />
und eine qualitativ durchdachte Raumstruktur<br />
zu übersetzen.<br />
Impulse für mögliche Alternativen<br />
und Veränderungen<br />
Bei aller Kritik und allen Mängeln verdeutlichen<br />
zahlreiche Beispiele das<br />
wachsende Interesse der Gesellschaft<br />
und eine Sensibilisierung für das Thema.<br />
Anknüpfend daran gilt es, bei allen<br />
Beteiligten das Bewusstsein für die<br />
Bedeutung von Schulraum zu schärfen.<br />
Die Forderung nach einem demokratischen<br />
und partizipativen Schulbau wird<br />
laut. Dieser kann dazu beitragen, dass<br />
die Bedürfnisse der Kinder und die<br />
pädagogischen Leitideen Richtschnur<br />
zukünftiger Schulraumgestaltung werden.<br />
Dazu gilt es grundsätzlich, jeder<br />
Um- und Neubaumaßnahme ein schulspezifisches<br />
pädagogisches Konzept zu<br />
Grunde zu legen. Darüberhinaus vollzieht<br />
sich demokratischer Schulbau in<br />
Aushandlungsprozessen, bei denen<br />
alle beteiligten Personen gleichberechtigt<br />
ihre Argumente vertreten können.<br />
Daher ist Kommunikation zwischen<br />
Schule und Architektur so wichtig,<br />
beide Seiten müssen voneinander wissen,<br />
einander näher rücken und ohne<br />
Berührungsängste gemeinsam Schnittpunkte<br />
suchen. Demokratischer und<br />
partizipativer Schulbau als Bestandteil<br />
der Ausbildungen beider Professionen<br />
kann in diesem Sinne einen entscheidenden<br />
Beitrag zu einem Gelingen<br />
von Schulbau leisten. Ausgangs- und<br />
Orientierungspunkt muss der Schüler<br />
sein; Triebfeder sind die pädagogischen<br />
Leitideen, die einem ständigen Wandel<br />
unterliegen. Pädagogen, Eltern und<br />
Schüler sollten als unmittelbar Betroffene<br />
die Chance haben, Einfluss auf<br />
Entscheidungen im Planungsprozess zu<br />
nehmen. Es sollten Möglichkeiten geschaffen<br />
und genutzt werden, dass Architekten,<br />
Pädagogen und Schüler im<br />
Dialog durch ein kontinuierliches Hinterfragen<br />
gängiger Grundsätze, durch<br />
ein Diskutieren von gewohnten Zuordnungen<br />
neue Schulgebäude planen.<br />
Vorgegebene Richtlinien können eine<br />
gute Schule nicht verordnen. Es muss<br />
grundsätzlich möglich sein zu fragen,<br />
was Schule heute sein könnte, um situative<br />
und partizipative Antworten zu<br />
finden.<br />
Partizipativer Schulbau bezieht die<br />
Schüler und Pädagogen aktiv in den<br />
praktischen Gestaltungsprozess ein.<br />
Haben die eigentlichen Nutzer der Gebäude<br />
die Möglichkeit, sich an der Gestaltung<br />
ihres physischen Lebensraumes<br />
Schule zu beteiligen, eröffnen sich<br />
ungeahnte Chancen: »Das Gefühl eigene<br />
Spuren zu hinterlassen, einen Raum<br />
mitgestaltet zu haben, steigert das<br />
Gefühl der Identität mit dem Ort, die<br />
Ortsverbundenheit und damit auch das<br />
Wohlbefinden an dem Ort: Meine Arbeit,<br />
meine Klasse, meine Schule« (Gebert<br />
/ Opp 2010, S. 171). Neben dem positiven<br />
Effekt für die Identitätsbildung<br />
und Identifizierung mit der Schule ist<br />
die Beteiligung von Kindern an den<br />
Planungs- und Entscheidungsprozessen<br />
ein Lernanlass für eine der wichtigsten<br />
pädagogischen Aufgaben der<br />
Schule: die praktische Einführung in<br />
das System der Demokratie. Engagierte<br />
Architekten, gemeinnützige Initiativen<br />
und experimentierfreudige Schulleiter<br />
sind gefragt, damit erfolgreiche Partizipation<br />
im Kleinen wie auch im Großen<br />
stattfinden kann.<br />
Partizipativer und demokratischer<br />
Schulbau leistet zudem auch einen Beitrag<br />
zur Architekturvermittlung in<br />
Schulen. Kinder sollten frühzeitig erleben,<br />
dass Architektur »nicht einfach«<br />
da, sondern von Menschen geschaffen<br />
ist. Die Vermittlung von Raumerfahrung<br />
und von Kompetenzen im Umgang<br />
mit Architektur trägt zu einem<br />
respektvollen Umgang mit gebauter<br />
Umwelt bei und ist ein nicht zu unterschätzender<br />
Baustein der ästhetischen<br />
Erziehung.<br />
Für die Zukunft müssen Architektur<br />
und Pädagogik zusammenspielen, um<br />
die Synergieeffekte zu produzieren, die<br />
für die architektonische ebenso wie für<br />
die pädagogische Gestaltung des Lebens-<br />
und Lernraums Schule so wichtig<br />
sind.<br />
Literatur<br />
Buddensiek, W. (2010): Flexible Lernraumgestaltung<br />
– Am Beispiel von Ganztagsschulen.<br />
In: Opp, G. / Brosch, A. (Hrsg.) (2010),<br />
S. 147 – 164.<br />
Dreier, A. / Kucharz, D. / Ramseger, J. /<br />
Sörensen, B. (1999): <strong>Grundschule</strong>n planen,<br />
bauen, neu gestalten: Empfehlungen für<br />
kindgerechte Lernumwelten. Ein Projekt der<br />
Arbeitsstelle Bildungsforschung Primarstufe<br />
an der Hochschule der Künste Berlin.<br />
Frankfurt a. M.: Grundschulverband –<br />
Arbeitskreis <strong>Grundschule</strong> e. V.<br />
Gebert, B. / Opp, G. (2010): Das macht Schule<br />
– Schüler gestalten ihre Schule. In: Opp,<br />
G. / Brosch, A. (Hrsg.) (2010), S. 165 – 176<br />
Opp, G. / Brosch, A. (Hrsg.) (2010): Lebensraum<br />
Schule. Raumkonzepte planen,<br />
gestalten, entwickeln. Stuttgart: Fraunhofer<br />
IRB Verlag.<br />
Rogger, K.. (2007): Sinnliche Gestaltung im<br />
Schulbau. In: Watschinger, Josef; Kühebacher,<br />
Josef (Hrsg.) (2007a), S. 131 – 140.<br />
Singerhoff, L. (2001): Kinder brauchen<br />
Sinnlichkeit. Die Bedeutung und Förderung<br />
kindlicher Sinneswahrnehmung. Weinheim<br />
u. Basel: Beltz Verlag.<br />
Watschinger, J. (2007): Neues Lernen braucht<br />
neue Räume. In: Watschinger, J. / Kühebacher,<br />
J. (Hrsg.) (2007a), S. 31 – 34.<br />
Watschinger, J. / Kühebacher, J. (Hrsg.) (2007a):<br />
Schularchitektur und neue Lernkultur. Neues<br />
Lernen – neue Räume. Bern: hep Verlag.<br />
Zimmer, R. (2010): Handbuch der Sinneswahrnehmung.<br />
Grundlagen einer ganzheitlichen<br />
Bildung und Erziehung. 19. Auflage,<br />
Freiburg: Herder Verlag.<br />
20 GS <strong>aktuell</strong> <strong>135</strong> • September 2016