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2014_Jahresbericht

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Kaffee trinkt? Warum sind im Grundbedarf<br />

Vereinsbeiträge enthalten? Dürfen Sozialhilfebeziehende<br />

ein Handy besitzen? Die Antwort<br />

auf diese Fragen lautet Ja. Heute erhält<br />

eine vierköpfige Familie 2110 Franken im<br />

Monat für den Grundbedarf, eine Einzelperson<br />

986 Franken. Eine Einzelperson hat also<br />

rund 1000 Franken monatlich, um Nahrungsmittel,<br />

Getränke, Kleider und Schuhe zu kaufen<br />

sowie für Telefon, Internet, Elektrizität,<br />

Mobilität, Körperpflege und Hobbys. Wer behauptet,<br />

das sei zu viel, sollte den Versuch<br />

wagen und ein paar Monate mit diesem Budget<br />

haushalten. Am Ende des Monats wird<br />

kaum etwas übrig bleiben, und zwar trotz<br />

massiver Einschränkungen.<br />

Machen wir doch das Gedankenspiel, Sozialhilfebeziehende<br />

würden nur noch 600 Franken<br />

im Monat erhalten, wie dies allenthalben<br />

gefordert wird. Mit 600 Franken im Monat<br />

kann eine Einzelperson zwar knapp überleben,<br />

sich gesund zu ernähren und am gesellschaftlichen<br />

Leben teilzunehmen, wird<br />

jedoch schlicht unmöglich. Sozialhilfebeziehende<br />

würden mehr und mehr isoliert, weil<br />

sie sich den Bus nicht mehr leisten können,<br />

um Freunde oder Bekannte zu besuchen,<br />

oder weil sie keinen Internetanschluss und<br />

kein Telefon mehr haben. Die Konsequenz<br />

daraus ist, dass sie immer weniger auf soziale<br />

Netze zurückgreifen können. Das wirkt<br />

sich nicht nur auf ihr Selbstwertgefühl aus,<br />

es vermindert auch die Chancen auf einen<br />

beruflichen Wiedereinstieg. Denn wer sich<br />

für eine Stelle bewirbt, muss mobil und erreichbar<br />

sein und braucht eine gepflegte<br />

Erscheinung. Eine kaputte Brille, braune<br />

Zähne oder zerschlissene Kleider hinterlassen<br />

keinen guten Eindruck. Die Bundesverfassung<br />

gewährleistet für alle eine menschenwürdige<br />

Existenz. Diesem Ziel ist auch die<br />

Sozialhilfe verpflichtet.<br />

Mit einer drastischen Senkung des Grundbedarfs<br />

würde demnach das Gegenteil von<br />

dem erreicht, was wir wollen: Eine möglichst<br />

schnelle Reintegration von Sozialhilfebezügerinnen<br />

und -bezügern in die Arbeitswelt.<br />

Zudem würde Armut sichtbarer werden. Aber<br />

möchten wir unseren Nachbarn tatsächlich<br />

ansehen, dass sie Sozialhilfe beziehen? Wollen<br />

wir die Kluft zwischen Arm und Reich in<br />

der Schweiz sichtbar machen, und können<br />

wir mit den Folgen leben? Betroffene würden<br />

stigmatisiert, es gäbe wieder mehr Leute, die<br />

auf der Strasse betteln, die Kleinkriminalität<br />

würde steigen. Weniger Sicherheit im öffentlichen<br />

Raum würde schliesslich zu einer Einbusse<br />

an Lebensqualität für alle führen. Wer<br />

den sozialen Frieden opfert, nimmt eine ge -<br />

rin gere Lebensqualität für alle in Kauf.<br />

Optimierung versus Revolutionierung<br />

Die aktuelle Diskussion hat den positiven<br />

Effekt, dass über eine kontroverse Auseinandersetzung<br />

der gesellschaftliche Konsens<br />

über die Sozialhilfe neu ausgehandelt wird.<br />

Die Sozialhilfe ist Schritt für Schritt entstanden,<br />

Schritt für Schritt soll sie auch weiterentwickelt<br />

werden. Bei den Diskussionen um<br />

Sozialhilfe dürfen aber nicht nur die Gemeindefinanzen<br />

im Fokus sein oder der vermeintlich<br />

«gesunde Menschenverstand». Vielmehr<br />

müssen der gesamte gesellschaftliche und<br />

wirtschaftliche Kontext sowie fachliche Argumente<br />

mit in die Waagschale geworfen werden.<br />

Wir müssen unser heutiges System nicht<br />

revolutionieren, wir müssen es optimieren.<br />

Und wir dürfen uns nicht scheuen, heikle<br />

The men anzugehen. Die SKOS hat den Ball<br />

aufgenommen. Schulter an Schulter mit der<br />

SODK führt sie die Diskussion an, mit dem<br />

Ziel, dass die Richtlinien wieder auf breite<br />

Akzeptanz stossen, sich die Reihen schliessen<br />

und die Schweiz weiterhin von einem<br />

starken Pfeiler namens Sozialhilfe profitieren<br />

kann. Dem sozialen Frieden zuliebe.<br />

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