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MTD_DDG_2018_01-02

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12 Kongress aktuell<br />

diabeteszeitung · 3. Jahrgang · Nr. 1/2 · 28. Februar <strong>2<strong>01</strong>8</strong><br />

Der Nachwuchs bloggt<br />

Berichte über die Diabetes Herbsttagung im <strong>DDG</strong> Blog<br />

MANNHEIM. Persönliche Highlights, interessante<br />

Vorträge und hitzige Diskussionen: Über all diese Themen<br />

berichteten die Reisestipendiaten im <strong>DDG</strong> Blog . Wir<br />

präsentieren die drei besten Beiträge.<br />

Kritischer Nachwuchs<br />

Am letzten Tag bei dem Symposium „Ernährungsupdate“<br />

im großen Mozart-Saal war für<br />

mich besonders der letzte Vortrag<br />

interessant. Es ging um „Hafertage“<br />

– einen Therapieansatz,<br />

von dem ich vorher noch nie<br />

etwas gehört hatte. Der Diabetesberater<br />

Mario Althaus<br />

erzählte von dem Therapieansatz<br />

der „Entlastungstage“,<br />

an welchen die Patienten aus-<br />

schließlich Kohlenhydrate in hypokalorischer<br />

Form zu sich nehmen.<br />

Mit seiner lockeren und offenen<br />

Art weckte er bei mir großes Interesse, auch<br />

wenn dieser Therapieansatz zunächst seltsam<br />

klingt (Anm. d. Red.: siehe Beitrag auf S. 8).<br />

Besonders beeindruckt hat mich, dass er bei<br />

seinen besonders schwer einstellbaren, insulinresistenten<br />

Patienten eine kontrovers<br />

diskutierte Therapieform anwendet, anstatt<br />

einfach noch mehr Insulin spritzen zu lassen.<br />

Er berichtete, dass er und seine Patienten<br />

sehr positive Erfahrungen mit dieser Therapie<br />

gemacht haben, ohne sich jedoch dabei als<br />

Erfinder oder als absoluten Verfechter dieser<br />

Therapieform darzustellen.<br />

Direkt nach diesem Vortrag fand unser Abschlusssymposium<br />

statt. Hier werden von uns<br />

Reisestipendiaten besonders interessante Themen<br />

vorgestellt. Da das „Ernährungsupdate“<br />

direkt vor unserer Abschlussrunde lag, hatte<br />

ich nicht erwartet, einen Beitrag zu den Hafertagen<br />

zu hören.<br />

Daher war ich erstaunt, dass auf die Frage<br />

nach Kritik genau dieser Vortrag sehr kritisch<br />

unter die Lupe genommen wurde. Es wurden<br />

Stimmen laut, dass der Vortragende „rein emi-<br />

nenzbasiert, nicht wissenschaftlich<br />

und absolut ohne Evidenz“ über<br />

sein Thema gesprochen habe.<br />

Schnell gab es jedoch auch<br />

eine Gegenrede, denn im<br />

Publikum des kontrovers<br />

diskutierten Vortrages hatten<br />

viele Reisestipendiaten<br />

mit unterschiedlichen Meinungen<br />

gesessen. Es wurde<br />

herausgestellt, dass der Vortragende<br />

seine Erfahrungen ausschließlich<br />

teilen und zur Diskussion stellen wollte.<br />

Empirische Darstellungen von erfahrenen<br />

Diabetesteam-Mitgliedern haben auf einem<br />

Kongress durchaus Gehör verdient, was im<br />

außerordentlich langen Applaus nach dem<br />

Vortrag deutlich wurde.<br />

Ich vertrete die Ansicht, dass Erfahrungsberichte<br />

zu neuen Erkenntnissen führen und die<br />

sich daraus ergebenden Fragen die Grundlage<br />

von klinisch-wissenschaftlicher Arbeit darstellen.<br />

Ohne diese Erfahrungsberichte würde<br />

eine große Menge klinischer Expertise und<br />

neuer Denkanstöße verloren gehen. Nicht<br />

jeder Vortrag auf einem wissenschaftlichen<br />

Kongress braucht Studien als Grundlage – so<br />

lange dies auch deutlich gemacht wird.<br />

Insgesamt zeigte sich die Diskussion beim<br />

Abschlusssymposium der Reisestipendiaten<br />

als fruchtbar, denn sie beweist, dass der Nachwuchs<br />

nicht nur alles aufsaugt, sondern aktiv<br />

hinterfragt und kritisiert.<br />

von Micha Kortemeier<br />

Fetale Prägung – Diabetes-Prävention<br />

beginnt schon im Mutterleib<br />

Immer mehr Forschungsbefunde legen<br />

die Bedeutung der fetalen Prägung für<br />

die Entstehung chronischer Erkrankungen<br />

wie Diabetes, Adipositas und kardiovaskuläre<br />

Erkrankungen dar. Frau Prof. Dr.<br />

Oberhoffer erläutert die Mechanismen<br />

und Folgen in ihrem Vortrag „Fetale Prägung“<br />

im <strong>DDG</strong>/DHL-Symposium Diabetes,<br />

Hypertonie und Schwangerschaft.<br />

Diese Prägung wird durch die sogenannte<br />

„developmental plasticity“ beschrieben.<br />

Der Fetus adaptiert auf den intrauterinen<br />

Zustand, welcher als Art Prädiktor<br />

für das Leben extrauterin dient. Dadurch<br />

lernt der fetale Organismus, sich auf das<br />

selbstständige Leben nach der Geburt<br />

vorzubereiten. Liegen bei<br />

der Mutter gen oder Risikofaktoren<br />

Vorerkrankunkommen<br />

kann, so weichen<br />

die intrauterinen Bedingungen<br />

von denen einer normalen Schwan-<br />

vor oder ist der maternale<br />

Organismus bestimmten<br />

Umweltfaktoren ausgesetzt,<br />

durch die es zu<br />

einer Plazentainsuffizienz<br />

geren ab. Es kommt zu einem Mismatch<br />

zwischen dem intrauterinen und dem<br />

zukünftigen extrauterinen Zustand und<br />

der Fetus entwickelt funktionelle Kompensationsmechanismen,<br />

die er extrauterin<br />

nicht benötigt.<br />

Umso stärker der Fetus intrauterin depriviert<br />

wird, d.h., umso gewichtiger<br />

die Unterversorgung im Mutterleib ist,<br />

umso größer ist der Mismatch und umso<br />

dysfunktionaler sind die Anpassungsvorgänge<br />

des Feten. Dadurch können<br />

postnatal beispielsweise eine gestörte<br />

Glukosetoleranz, Adipositas oder strukturelle<br />

Veränderungen wie eine Verdickung<br />

der Koronararterien entstehen.<br />

Sport und Bewegung können die Durchblutung<br />

der Plazenta verbessern und<br />

eine ausgeglichene metabolische Stoffwechsellage<br />

die adäquate Versorgung<br />

des Feten ermöglichen. Dadurch kann<br />

die Unterversorgung des Feten reduziert<br />

werden. Bei Vorliegen von maternalen<br />

Risikofaktoren oder Erkrankungen wie<br />

(Gestations-)Diabetes ist daher eine<br />

sportliche Betätigung und die Optimierung<br />

der Ernährung von Bedeutung, um<br />

lebenslange Komplikationen für den Feten<br />

zu minimieren.<br />

Der Bedeutung der fetalen Prägung<br />

trägt auch die WHO in ihrer<br />

Stellungnahme von 2<strong>01</strong>6<br />

Rechnung, indem sie<br />

dazu anhält, schon<br />

präkonzeptionell<br />

sowie während der<br />

Schwangerschaft<br />

auf Lifestyle und Er-<br />

nährung zu achten<br />

und dadurch einen<br />

Gestationsdiabetes zu<br />

vermeiden.<br />

Die Erkenntnis, dass schon im Mutterleib<br />

der Grundstein für Volkskrankheiten wie<br />

Diabetes, Adipositas und kardiovaskuläre<br />

Erkrankungen gelegt wird, bietet<br />

der Medizin neue Angriffspunkte, um<br />

Gesundheit nachhaltig zu beeinflussen.<br />

Diese Erkenntnis stellt zudem die Bedeutung<br />

der Präventionsarbeit in der<br />

Gynäkologie und Pädiatrie für die Gesundheitsstruktur<br />

der Gesellschaft und<br />

der interdisziplinären medizinischen<br />

Patientenbetreuung heraus.<br />

von Pia Maier<br />

Darf ich meinen Patienten dazu raten, (selbst gebaute)<br />

Closed-loop-Systeme zu benutzen?<br />

von Dr. Christine Berndt-Zipfel<br />

Dies fragte eine junge Ärztin, die sich selbst als „Looperin“<br />

bezeichnete, nachdem Prof. Heinemann über Closed-loop-<br />

Systeme berichtet hatte.<br />

Das Entsetzen im Saal war groß! Aufgrund der Haftung wurde<br />

der Dame vehement davon abgeraten, ihren Patienten zu<br />

dem Gebrauch eines selbst gebastelten closed loop zu raten.<br />

Aber genau diesen (Night scout-)Bastlern verdanken wir,<br />

dass die 670 G (erste „hybrid closed loop“-Pumpe) so schnell<br />

in den USA zugelassen wurde. Ich bestaunte den Mut der<br />

jungen Ärztin, sich selbst als „Looperin“ zu bezeichnen, und<br />

hoffe, dass sie in den nächsten Jahren keinen unverschuldeten<br />

Autounfall bauen wird.<br />

Irgendwie war ich auch traurig darüber, dass niemand<br />

meiner Patienten „Looper“ ist und ich noch keine Erfahrungen<br />

mit der Closed-loop-Technik sammeln konnte. Aber<br />

wahrscheinlich müssen wir uns ja auch nur noch zwei bis<br />

drei Jahre gedulden, bis wir selbst offiziell zugelassene C-L-<br />

Systeme in Deutschland haben.<br />

Ich habe CGM-Systeme vor zwölf Jahren im Rahmen<br />

meiner Promotionsarbeit kennengelernt. Ich erinnere<br />

mich noch genau an das unglaubliche<br />

Gefühl, dass in diesem Moment die Zukunft<br />

begonnen hat. Auch wenn das System<br />

damals sehr fehleranfällig, unzuverlässig<br />

und komplett unpraktisch war. Es war die<br />

Zukunft! Ich hätte nie gedacht, zwölf Jahre<br />

später über closed loop nachdenken zu<br />

müssen. Beruhigt hatte mich in der gleichen Vortragsreihe<br />

Prof. Liebl, welcher von vier Sensoren bei dem neu geplanten<br />

Medtronic Sensor System berichtet hatte. Wenn vier<br />

Sensoren sich gegenseitig kontrollieren und dadurch der<br />

closed loop gesteuert wird, ist das ja schon eine andere<br />

Grundlage als ein Messwert, der darüber entscheidet, ob die<br />

Pumpe mithilfe eines zusammengebastelten Systems<br />

Insulin in deinen Körper schickt. Wer weiß, über<br />

was ich in weiteren zwölf Jahren nachdenken<br />

muss. Vielleicht über smarte Insuline, die mit<br />

winzigen Sensoren im Blut schwimmen?<br />

Link zu den<br />

Blog-Beiträgen:<br />

blog.ddg.info<br />

Fotos: fotolia/M. Drebinger, zVg

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