MTD_DDG_2018_01-02
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4 News & Fakten<br />
diabeteszeitung · 3. Jahrgang · Nr. 1/2 · 28. Februar <strong>2<strong>01</strong>8</strong><br />
Mindestmenge ohne Evidenz<br />
Richter kippen DMP-Hürde für diabetologische Schwerpunktpraxen<br />
WIESBADEN. Eine Voraussetzung für die Teilnahme<br />
als diabetologisch besonders qualifizierter Arzt am DMP<br />
Diabetes Typ 2 ist die persönliche Behandlung von mindestens<br />
250 Patienten pro Quartal. Diese Vorgabe ist aber rechtswidrig<br />
und unwirksam, sagt das Bundessozialgericht. In den Reihen<br />
der Diabetologen stößt dieses Urteil durchaus auf Kritik.<br />
Dass die Kassenärztliche Vereinigung<br />
(KV) Bayerns seiner<br />
Schwerpunktpraxis die Genehmigung,<br />
am Disease-Management-Programm<br />
(DMP) Diabetes<br />
Typ 2 teilzunehmen, entziehen<br />
wollte, weil die von KV und Krankenkassen<br />
vereinbarte Mindestbehandlungszahl<br />
von durchschnittlich<br />
250 GKV-Diabetes patienten in den<br />
Quartalen III/2<strong>01</strong>0 bis II/2<strong>01</strong>1 nicht<br />
erreicht wurde, nahm Dr. D. nicht<br />
hin. Zwar blieben Widerspruch, Klage<br />
und Berufung des hausärztlichen<br />
Internisten mit Anerkennung als<br />
Diabetologe <strong>DDG</strong> und Zusatzqualifikationen<br />
für Diabetologie und<br />
Echokardiographie zunächst erfolglos.<br />
Doch beim Bundessozialgericht<br />
fand er Zustimmung. (Aufgrund der<br />
aufschiebenden Wirkung von Widerspruch<br />
und Klage nahm er laut<br />
KV weiterhin am DMP teil.)<br />
Eingriff in das Grundrecht der<br />
beruflichen Betätigungsfreiheit<br />
Der Kläger brachte vor, dass er durch<br />
die Rücknahme der Genehmigungen<br />
faktisch von der Betreuung von Diabetespatienten<br />
ausgeschlossen werde.<br />
Die Mindestmengenregelung greife<br />
in die durch Artikel 12 Absatz 1<br />
Grundgesetz geschützte berufliche<br />
Betätigungsfreiheit ein. Ein solcher<br />
Eingriff bedürfe einer – hier jedoch<br />
fehlenden – gesetzlichen Grundlage.<br />
Der fürs DMP maßgebliche § 137f<br />
SGB V sehe Mindestmengen als Mittel<br />
der Qualitätssicherung nicht vor.<br />
Die Festlegung auf mindestens 250<br />
Versicherte sei außerdem sachwidrig,<br />
da bei der Behandlung die sprechende<br />
Medizin im Vordergrund stehe.<br />
Hier gebe es keine Evidenz, dass ein<br />
Mehr an Patientenversorgung auch<br />
zu einer besseren Qualität führe.<br />
Keine haltbare Grundlage<br />
für die Mindestmenge im DMP<br />
Die Regelung zur Mindestpatientenzahl<br />
ist rechtswidrig und damit<br />
nicht wirksam, befanden auch die<br />
obersten Sozialrichter in Kassel. Es<br />
existiere kein Bundesrecht, das Mindestmengen<br />
für DMP vorsehe.<br />
Das hindere die Partner der DMP-<br />
Verträge nicht generell daran, für<br />
den KV-Bezirk solche Regelungen<br />
zu treffen. Voraussetzung dafür sei<br />
»Urteilsgründe<br />
abwarten«<br />
DMP Diabetes Typ 2: Für Köln reichen rechnerisch 15 DSP-Ärzte<br />
Die Anlage „Sonderregelung zur Bedarfszulassung DSP“ zum DMP Diabetes Typ 2 von<br />
KV und Kassen in Nordrhein sieht gemäß den Bedarfsplanungsrichtlinien des G-BA eine<br />
Einwohner/DSP-Relation von 66 840:1 vor (das entspricht der mit 40 multiplizierten Einw./<br />
Hausarzt-Relation von 1671:1). „Bei einer Einwohnerzahl von 1 <strong>02</strong>4 373 ist demnach die Genehmigung<br />
von 15 diabetologischen Schwerpunktpraxen in Köln als versorgungsgerecht<br />
anzusehen. Weitere DSP-Ärzte für den Bereich Köln können nicht genehmigt werden.“<br />
BEHANDLUNG<br />
VON mindestens<br />
aber, „dass nach wissenschaftlichen<br />
Maßstäben ein Zusammenhang<br />
zwischen Behandlungszahlen und<br />
-qualität wenigstens wahrscheinlich<br />
ist“, wofür es hier aber keine konkreten<br />
Anhaltspunkte gebe, heißt es<br />
in einer BSG-Pressemitteilung. Der<br />
Gemeinsame Bundesausschuss habe<br />
sich zwar in der Begründung zu einer<br />
Empfehlung aus dem Jahr 2005 auf<br />
einen „Expertenkonsens“ bezogen.<br />
Gerichtlich prüfbare Studien oder<br />
Unterlagen habe aber auch er nicht.<br />
Wie die KV Bayerns mit dem Urteil<br />
umgehen wird, ließ sie auf Anfrage<br />
der diabetes zeitung im Januar offen.<br />
Erst müssten die schriftlichen Urteilsgründe<br />
vorliegen, teilte der Vorstand<br />
mit. Dann werde man sich mit<br />
den Krankenkassen über das weitere<br />
Vorgehen abstimmen. Vor dem Sozialgericht<br />
seien noch vier weitere<br />
Verfahren bezüglich der Thematik<br />
Mindestfallzahlregelung im DMP-<br />
Vertrag Diabetes Typ 2 anhängig.<br />
Unterversorgung durch<br />
geringes Engagement?<br />
Ist das BSG-Urteil hilfreich? Dr.<br />
Matthias Kaltheuner, niedergelassener<br />
Diabetologe in Leverkusen<br />
und Vorstandsmitglied der <strong>DDG</strong>,<br />
sieht die Entscheidung kritisch.<br />
Vertragsärzte in Schwerpunktpraxen,<br />
die innerhalb von drei Monaten<br />
250<br />
PATIENTEN pro Quartal<br />
Steigt mit der<br />
Menge die<br />
Qualität der<br />
Behandlung?<br />
Fotos: iStock/Aquir,<br />
iStock/Guzaliia<br />
Filimonova<br />
keine 250 Diabetespatienten behandelten,<br />
beteiligten sich unterdurchschnittlich<br />
an der Versorgung.<br />
Ein Nachteil für andere Diabetologen<br />
der Region werde daraus, wenn<br />
diesen dann wegen der Bedarfsplanung<br />
die DMP-Teilnahme verwehrt<br />
werde (siehe Kasten). Die KV habe<br />
die Kontrolle der Mindestmenge<br />
bisher lax gehandhabt, moniert Dr.<br />
Kaltheuer. Durch das BSG-Urteil<br />
könnte diese Form von Unterversorgung<br />
nun zementiert werden.<br />
Das Kriterium Diabetesberaterin<br />
wird strenger beachtet<br />
Ob das passiert? Auch in Nordrhein<br />
will man den Wortlaut des Urteils<br />
abwarten. Allerdings bestätigt die<br />
KV, dass die DMP-Diabetesverträge<br />
es zwar vorsehen, beim Wegfall der<br />
Voraussetzungen die Teilnahme eines<br />
Vertragsarztes zu beenden. „Aufgrund<br />
der fehlenden Evidenz wurde<br />
jedoch noch keine Genehmigung<br />
aufgrund fehlender Mindestpatientenzahlen<br />
entzogen, wohingegen das<br />
Vorhalten einer Diabetesberaterin<br />
in einer diabetologischen Schwerpunktpraxis<br />
streng überprüft wurde“<br />
und bei Nichterfüllen auch zum<br />
Entzug von Genehmigungen geführt<br />
hat, so ein KV-Sprecher.<br />
Bei einer regionalen Unterversorgung<br />
könnten zusätzliche DSP-Ärzte<br />
„im Einzelfall“ eine DMP-Genehmigung<br />
erhalten. Zudem sei eine<br />
Teilnahme als koordinierender Arzt<br />
möglich, die keiner Bedarfsüberprüfung<br />
unterliege.<br />
REI<br />
BSG-Urteil vom 29.11.2<strong>01</strong>7, Az.: B 6 KA 32/16 R<br />
Wundmanager soll koordinieren<br />
Netzwerk-Projekt aus Rheinland-Pfalz erhält knapp zwei Millionen Euro aus dem Innovationsfonds<br />
MAINZ. Ein vom Innovationsfonds<br />
gefördertes Projekt aus Rheinland-Pfalz<br />
zur Versorgung von chronischen Wunden<br />
soll auch Menschen mit Diabetes<br />
zugutekommen. Geplant ist bei erfolgreicher<br />
Testphase die Übernahme in<br />
die Regelversorgung.<br />
VersorgungsMangagement Wunde<br />
in Rheinland-Pfalz (VeMa-<br />
WuRLP) heißt das Projekt, welches<br />
über drei Jahre laufen soll und mit<br />
rund 1,9 Millionen Euro aus dem<br />
Innovationsfonds gefördert wird.<br />
Partner sind die mamedicon GmbH<br />
(Projektleitung), die Hochschule<br />
Ludwigshafen, die Gesellschaft für<br />
Wirtschaftlichkeit und Qualität bei<br />
Krankenkassen (GWQ ServicePlus<br />
AG) sowie die Landesvertretung der<br />
Techniker Krankenkasse (TK) in<br />
Rheinland-Pfalz. Ziel der Partner ist<br />
es, ein flächendeckendes ambulantes<br />
Versorgungsmanagement zur Begleitung<br />
von Menschen mit chronischen<br />
Wunden im Land zu etablieren.<br />
Krankenhausaufenthalte und<br />
Amputationsraten sollen sinken<br />
Im Fokus steht dabei die Etablierung<br />
von Wundmanagern (Fallmanager)<br />
zur Koordinierung von Einzelleistungen<br />
zur Unterstützung der ärztlichen<br />
Behandlung. Krankenhausaufenthalte<br />
aufgrund chronischer<br />
Wunden, die Rate der Amputationen<br />
sowie die Rückfallquote nach Abheilung<br />
der Wunden sollen sinken.<br />
Wie mamedicon-Geschäftsführer<br />
Uwe Imkamp erklärt, wird der Fallmanager<br />
auf Grundlage eines Assessments<br />
zur Bedarfsmessung und<br />
in enger Absprache mit dem Patienten<br />
und dessen Hausarzt die Koordination<br />
der Einzelmaßnahmen sowie<br />
Einschreibung<br />
beginnt im<br />
Oktober <strong>2<strong>01</strong>8</strong><br />
die Schulung von Patienten und Angehörigen<br />
übernehmen. Die Inhalte<br />
dieser Schulung sowie der Schulung<br />
des Fallmanagers selbst werden im<br />
Rahmen des Projekts mit Unterstützung<br />
der Initiative Chronische Wunde<br />
und der Deutschen Gesellschaft<br />
für bürgerorientiertes Versorgungsmanagement<br />
entwickelt.<br />
Der Fallmanager hält kontinuierlich<br />
Kontakt zu den Ärzten, die so über<br />
die Abläufe und Zwischenstände<br />
informiert sind und ggf. weitere Behandlungen<br />
einleiten können.<br />
„In Zusammenarbeit mit dem<br />
behandelnden Arzt sollen eine<br />
standardgerechte Reinigung und<br />
hygienische Aspekte der Wundbehandlung<br />
in den Fokus rücken“,<br />
schreibt die TK. Eingebunden werden,<br />
so die Idee, auch das Pflegeheim<br />
oder der Pflegedienst, das Krankenhaus<br />
oder die Reha-Klinik, Physiotherapeuten<br />
oder Podologen.<br />
Starten wird das Projekt im April<br />
<strong>2<strong>01</strong>8</strong>. Kooperierende Ärzte schreiben<br />
dann ab Oktober <strong>2<strong>01</strong>8</strong> interessierte<br />
Patienten in das Versorgungsmodell<br />
ein. Die Versorgungssituation wird<br />
zu Beginn, nach sechs und nach<br />
zwölf Monaten in der Interventionsgruppe<br />
und in einer Kontrollgruppe<br />
bewertet. Die Mediziner koordinieren<br />
ihre Arbeit im Rahmen eines<br />
noch zu entwickelnden regionalen<br />
Netzwerks.<br />
kol