E_1930_Zeitung_Nr.062
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No 62 - <strong>1930</strong> AUTOMOBIL-REVUE 21<br />
Ein berufsmässiger Todeskandidat<br />
Dick Grace,<br />
Es ist allgemein bekannt, dass die Filmstars<br />
nicht selber die gefährlichen Kunststücke<br />
ausführen, die das vor der Leinwand<br />
sitzende Publikum in so angenehm gruselige<br />
Stimmung bringen, sondern dass in solchen<br />
aufregenden Szenen an ihrer Stelle der sogenannte<br />
«Stuntman» in Aktion tritt, der dafür<br />
weit weniger bekommt als die Interpreten<br />
der Glanzrollen. Bei jedem derartigen waghalsigen<br />
Kunststück hat der Mann, der es<br />
macht, nicht allein die wenig erfreuliche<br />
Aussicht, sein Leben einzubüssen, sondern<br />
auch die vielleicht noch schlimmere Chance,<br />
ein Krüppel fürs ganze Leben zu werden.<br />
Deshalb lässt sich jede Filmgesellschaft vom<br />
«Stuntman», bevor er an die Arbeit geht,<br />
ein Schriftstück unterzeichnen, in dem er die<br />
Gesellschaft gegen jede Schadenersatzpflicht<br />
sich selbst als auch seinen eventuellen Erben<br />
gegenüber sichert, so dass es im Belieben<br />
der Gesellschaft steht, einen verunglückten<br />
«Stuntman» oder seine Hinterbliebenen über<br />
das vereinbarte Honorar hinaus zu entschädigen<br />
oder nicht. ,<br />
Wie gefährlich der Beruf des «Stuntman»<br />
ist, wie viel Konkurrenten er -hat und wie<br />
schlecht infolge dieses grossen Angebotes<br />
die Bezahlung ist, das erzählt Dick Grace,<br />
einer von Amerikas «Flying Aces», der tollkühnste<br />
unter den waghalsigen Männern, die<br />
dem Film heute zur Verfügung stehen, in<br />
seinem kürzlich erschienenen Buche «Squadron<br />
of Death» (Constable, London). Grace<br />
kam in sehr jugendlichen Jahren als Flieger<br />
mit der amerikanischen Armee nach Frankreich<br />
und Italien, hatte aber erst eine kurze<br />
Dienstzeit hinter sich,, als der Krieg aus war,<br />
und verfiel nun auf die Idee, als «Stuntmann»<br />
zum Film zu gehen. Als solcher hat er wiederholt<br />
dem Tode ins Auge geblickt. Manchmal<br />
entging er dem Verderben mit knapper<br />
Mühe im allerletzten Moment. So musste er<br />
einmal vom vierten Stock eines brennenden<br />
Hauses springen. Das Feuer war so realistisch<br />
nachgemacht, dass die Feuerwehrleute<br />
in der glühenden Hitze bloss mit Gefahr<br />
für ihr eigenes Leben das Sprungtuch<br />
nahe genug an die Mauer heranschaffen<br />
konnten. Würde ihnen dies nicht gelungen<br />
sein, so wäre Dick Grace bei lebendigem<br />
Leib verbrannt. Ein anderes-Mal hatte er die<br />
Rolle einer Balletteuse in dem Augenblick<br />
weiter zu spielen, in dem deren Kleidung zu<br />
brennen anfing. In einem hauchdünnen Kleid-<br />
Die Frau, nach der man<br />
sich sehnt...<br />
Plötzlich bemerkst du sie. Du hast gerade<br />
über deine Sorgen nachgedacht. Da steht<br />
sie vor dir, oder hinter dir, oder neben dir,<br />
wo gerade Platz ist. Sie ist sehr "schön. Je<br />
länger du sie ansiehst, um so schöner ist sie.<br />
Aber sie sieht dich nicht an. Wenn du Faust<br />
wärest, würde sie dir sicher antworten: «Bin<br />
weder Fräulein, weder schön.» Dabei hat sie<br />
etwas geschminkte Lippen. Du rätst ihren<br />
Beruf. Du rätst zwischen Schreibmaschine<br />
oder Telephonfräulein. Schliesslich siehst du<br />
ihre Hände, wunderbare, zarte, schmale<br />
Finger mit einem grossen Ring, und entscheidest<br />
dich für Schreibmaschine.<br />
Unmerklich, wie wenn du etwas suchen<br />
•würdest, gehst du ein paar Schritte zurück<br />
und siehst, was sie für Beine hat. Und stellst<br />
fest, dass sie mustergültig sind. In den Tramwagen<br />
steigen viele Leute ein, und du kommst<br />
ihr näher. Du fühlst, dass ihre Haare duften,<br />
und dass sie auch im Profil sterbensschön<br />
ist. Jrgendein dicker Mann sieht sie an, als<br />
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chen und mit Seidenstrümpfen an den Beinen<br />
musste er aus dem Fenster springen, nachdem<br />
man ihn mit Benzin begossen und dieses<br />
entzündet hatte. Während des Sturzes aus<br />
dem Fenster wurde er beinahe lebend geröstet,<br />
und es ist ein Wunder, dass er den<br />
Brandwunden, die er davontrug, nicht erlag.<br />
Nach der doppelten Feuertaufe kam die<br />
Wassertaufe. Grace sollte sich von einem<br />
Imitationsunterseeboot aus durch ein Torpedolancierrohr<br />
hinausblasen lassen. Um dem<br />
Luftdruck besser Widerstand leisten zu<br />
können, hatte er seine Nase mit einer Klammer,<br />
wie man sie zum Trocknen der Wäsche<br />
verwendet, zusammengeklemmt und seine<br />
Ohren mit Gummipfropfen verstopft. Der<br />
Regisseur glaubte, dass man eine Puppe in<br />
das Rohr gesteckt habe und als er endlich<br />
erfuhr, dass dort ein Lebewesen hineingezwängt<br />
worden sei und als aus unerklärlichen<br />
Gründen das «Projektil» sich nicht<br />
fortbewegte, untersuchte man die Sache und<br />
merkte zum allgemeinen Entsetzen, dass der<br />
Luftdruck fürchterlich hoch war. Mit einer<br />
Azetylenflamme brannte man rasch die Wand<br />
durch, um die Luft entweichen zu lassen,<br />
und nachdem die Scharnieren des hinteren<br />
Deckels weggeschlagen waren, konnte Grace<br />
aus seiner schrecklichen Situation befrei^<br />
werden. Er wirkte auch in dem bekannten<br />
Film «Wings» mit. Er hatte da Dick-Arlen<br />
beim Absturz der Flugmaschine zu vertreten.<br />
Diese Aktion wurde mathematisch genau<br />
ausgerechnet und die Stelle, wo der «Krach»<br />
erfolgen sollte, präzise bestimmt, da dicht<br />
davor die Photographen standen. «Das «Niemandsland»<br />
mit seinen Stacheldrähten, den<br />
Pfählen und Granattrichtern war wahrheitsgetreu<br />
nachgestaltet. Um es 'Grace etwas<br />
bequemer zu machen, waren auf dem Platz,<br />
wo er zu Boden gelangte, die Pfähle «aus<br />
weichem Holz» geschnitzt und der Stacheldraht<br />
durch Taue ersetzt. Der Film erforderte<br />
vierundzwanzig Hangars mit Flugzeugen.<br />
Mehrere Apparate wurden absichtlich<br />
vernichtet. Bei seinem letzten «Stunt» brach<br />
Grace sich sein Genick, aber er lebt noch<br />
immer und bereitet sich jetzt auf ein Bravourstück<br />
vor, bei dem eine Flugmaschine<br />
an ein Hausdach stösst und in Trümmer geht.<br />
Man darf Grace glauben, wenn er erklärt,<br />
dass ihn nichts mehr in Aufregung zu versetzen<br />
vermag.<br />
ob er sie fressen wollte. Du misst diesen<br />
Mann empört, obwohl es dir klar wird,<br />
dass du sie selbst sicher ebenso angesehen<br />
hast. Der dicke Mann wird durch den Blick<br />
etwas irritiert, und du freust dich über die<br />
Feststellung, dass er denken könnte, du gehörst<br />
zu ihr und sprichst bloss nicht: Was<br />
du vorher ahntest, wird dir jetzt Gewissheit:<br />
du liebst sie. Sie ist dir gegenwärtiger als<br />
alles, was du bisher erlebtest.<br />
Du baust in Gedanken das Wochenendhaus,<br />
in dem du mit ihr zusammen wohnen möchtest.<br />
Du siehst sie bereits im Schwimmanzug.<br />
Du siehst dich an einem Sommerabend ihr<br />
aus einem Buch vorlesen, während sie<br />
schweigend, den Kopf etwas geneigt, zuhört<br />
— indem ihr die eine Locke etwas ins Gesicht<br />
fällt und das linke Auge beschattet,<br />
genau so wie jetzt, — du siehst dich das<br />
Buch zumachen, erstens weil du fühlst, dass<br />
du genug gelesen hast für heute, zweitens<br />
weil es dunkel wird und du dir die Augen<br />
verderben könntest, siehst dich ihre zarten<br />
Hände fassen und mit ihr nach dem ersten<br />
Stern am Himmel schauen, während ganz<br />
nah und friedlich die buntscheckigen Kühe<br />
grasen —<br />
Bis sie dann plötzlich aussteigt, immer<br />
noch ohne dich angesehen zu haben und du<br />
einen Augenblick lang überlegst, ob du auch<br />
aussteigen sollst, dann aber schmerzlich feststellen<br />
musst, dass man in der Stadt ein<br />
Stück Maschine wird und gar nichts mehr<br />
für seine Ideen opfert und ganz fest und ehrlich<br />
überzeugt bist, dass das eben die Frau<br />
deines Lebens war. Bis du dann die kleine<br />
.schwarze Frau einsteigen fühlst, die dich sofort<br />
bemerkt und nach dir sieht und dir zum<br />
Bewusstsein bringt, dass der Mensch neben<br />
der grossen blonden Frau auch hoch die<br />
kleine schwarze braucht, bei der er nicht<br />
mehr an Wochenendhaus und Nachthirhrriel,<br />
sondern an manches andere denkt.<br />
Du denkst jedenfalls und hast der andern<br />
Frau in derselben Sekunde schon wieder die<br />
Treue gebrochen, so sehr, dass du ihr kaum<br />
noch aus dem davonfahrenden Tramwagen<br />
nachsiehst, ob sie sich vielleicht doch noch<br />
nach dir umblickt, du siehst die andere Frau<br />
an, deren Haare auch duften und die dir noch<br />
besser gefällt, und du erkennst und kannst es<br />
dir nicht verschweigen, dass du doch ein<br />
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