E_1930_Zeitung_Nr.082
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18 AUTOMOBIL-REVUE <strong>1930</strong> - NO 82<br />
«Gangsters» durch und für solche Banditen<br />
begangen. Mit schauerlich wenigen Ausnahmen<br />
suchen sich die «Racketeers» friedliche<br />
Bürger aus, die sie zuerst bedrohen, dann<br />
terrorisieren und schliesslich durch «Mayhem»,<br />
Mord oder beides, völlig erledigen.<br />
«Mayhem» ist der technische Ausdruck für<br />
Verstümmelung, die dem Opfer jede Verteidigung<br />
oder seine weitere gewerbliche Betätigung<br />
unmöglich macht. Als die Versuche,<br />
zahnärztliche Laboratorien unter die «Rakket»-Gewalt<br />
zu bringen, ihren Höhepunkt erreicht<br />
hatten, war ein Plan ausgearbeitet<br />
worden, demzufolge mittels besonderer<br />
Schleuderer gewisse Knochen in den Händen<br />
der Laboratoriumsarbeiter zerquetscht werden<br />
konnten. Dieser schöne Plan wurde jedoch<br />
verhindert, und einer der «Handzermalmer»<br />
gelangte, reichlich mit Polizeikugeln<br />
gespickt, ins Hospital. Oefters sind bereits<br />
gleichzeitig mit den Mordaffären im ungesetzmässigen<br />
Alkoholhandel Bomben-, Verstümmelungs-<br />
und andere Attentate ans Licht<br />
gekommen. Gewalt erweckt stets weitere<br />
Gewalt, und nicht selten bestehen direkte<br />
Verbindungen zwischen den grossen Alkoholschmugglern<br />
und dem «Mokker», dem Finanzmann<br />
der Banditen. Wer jedoch glaubt, dass<br />
diese «Rackets» sich lediglich aus dem Trinkverbot<br />
entwickelt hätten, und an dem noch<br />
in nebelhafter Ferne liegenden glückhaften<br />
Tage der Regulierung der Trinkfrage gleichfalls<br />
unter gesetzmässige Kontrolle gebracht<br />
werden könnten, ist durchaus im Irrtum. Unbestreitbar<br />
hat der Getränkeschmuggel die<br />
Bestechung im Polizeiwesen ungemein vergrössert,<br />
bis es in Chicago so weit gekommen<br />
ist, dass der Bedrohte sich fürchtete, polizeiliche<br />
Meldung zu erstatten, da er nicht<br />
nur auf geringen Schutz rechnen kann, sondern<br />
vermuten muss, dass er sich womöglich<br />
an einen Verbündeten des von ihm Angeklagten<br />
wendet. Die «Geheimen Sechs», eine<br />
Chicagoer Handelsvereinigung, ebenso wie<br />
die «Lohngebervereinigung» haben daher, um<br />
dem Einschüchterungs-System entgegenzuarbeiten,<br />
ein eigenes Korps von Geheimagenten<br />
angestellt. Bombardements gehören übrigens<br />
in Chicago so sehr zu den alltäglichen<br />
Dingen wie Feuersbrünste, so dass ein in<br />
finanziellen Schwierigkeiten sich befindlicher<br />
unehrlicher Geschäftsmann die Wahl hat,<br />
sein Geschäftslokal entweder anzustecken<br />
oder in die Luft fliegen zu lassen, da er<br />
eine Versicherung für beide etwaige Fälle<br />
besitzt.<br />
Es wurde vielfach angenommen, dass die<br />
Ermordung Lingles viel zur Wiederherstellung<br />
der Ordnung in Chicago beitragen<br />
würde, aber obgleich sich zur Zeit sieben<br />
<strong>Zeitung</strong>en verschworen haben, unablässig an<br />
diesem Ziele zu arbeiten, und Tausende dem<br />
Begräbnis beiwohnten, kann man höchstens<br />
von einem kleinen Anfang sprechen. Der<br />
Mord an sich mag aufgeklärt werden, aber<br />
wer da meint, dass die Ueberführung und<br />
Verurteilung des Mörders — so eigenartig<br />
ein solcher Fall wäre, falls der Schuldige<br />
der Bande angehört — tatsächlich die herrschende<br />
Lage verbessern würde, der irrt sich<br />
gewaltig. Die Wiederherstellung der Ordnung<br />
in Amerika, kann sich nur aus dem<br />
Inneren des amerikanischen Volkes heraus<br />
vollziehen.<br />
Happy-End!<br />
Handtäschchen-Besitzerin gefunden<br />
Fast musste man den letzten verzweifelten<br />
Mut aufgeben, dass sich für das arme<br />
verwaiste Handtäschchen, das an dieser<br />
Stelle vor vier Wochen Anlass gab zu Betrachtungen<br />
über die Frau im allgemeinen<br />
und die Besitzerin der spielerischen Herrlichkeiten<br />
im besonderen, die Eigentümerin<br />
noch melden würde. Die Tasche versank<br />
von Tag zu Tag in ein immer düstereres<br />
Brüten; sie träumte irgendwo in einer<br />
Schublade des Zürcher A. G. S.-Sekretariates<br />
von zarten Händen und hauchenden<br />
Düften, die sie einst umschmeichelten; sie<br />
war ein einziger kleiner ungehörter Schrei<br />
nach den sorgenden Armen, die sie behutsam<br />
zwischen den wiegenden Körper und<br />
die Seide des Oberarmes pressten. Doch<br />
auf dem Klausen oben, wo die kleine Tragödie<br />
sich ereignet hatte und die Tasche,<br />
einsam auf einem Steine liegend, vorgefunden<br />
wurde, herrschte längst wieder<br />
olympische Ruhe, und die Sonne sank<br />
schon früher, das erste Laub wurde gelb<br />
und der Vorherbst hängte seine Schleier<br />
•über die Berge, da — da geschah es, dass<br />
uns ein kleines, ein dünnes Briefchen erreichte,<br />
worin sich als wunderbare Ueberraschung<br />
die Besitzerin des Handtäschchens<br />
verkündete. Hier ist zu lesen, was<br />
sie dem Verfasser mitzuteilen hatte:<br />
Bern, den 23. September <strong>1930</strong>.<br />
Sehr geehrter Herr Journalist!<br />
Sie werden sicher schon angenommen<br />
haben, dass Ihre Bemühungen umsonst gewesen<br />
sind, und doch ist dies nicht der<br />
Fall! Es bereitet mir sogar Freude, Ihnen<br />
nachträglich danken zu können, und ich<br />
darf Ihnen auch gestehen, dass ich so richtig<br />
von Herzen gelacht habe, als ich Ihren<br />
Sprung in die Niagara-Fälle.<br />
Mister Bobby Leach ist der einzige Mensch,<br />
der die Niagarafätte lebendigen Leibes durchquert<br />
hat. Er tat es vor etwa 20 Jahren. Zu<br />
diesem Zweck setzte er sich in eine Stahlröhre,<br />
der Strömung und dem Schicksal<br />
gleichennassen ausgeliefert. Es war eine<br />
aufsehenerregende Fahrt. Und ein gutes,<br />
finde nahm sie auch. Aber heute spricht"<br />
kein Mensch mehr von Bobbys Wagnis, so<br />
dass Bobby ein begründetes Recht hat, das<br />
Leben langweilig zu finden. Um aber wieder<br />
ein berühmter Mann zu werden, muss<br />
er ein neues Heldenstück vollbringen. Bobby<br />
lässt sich das nicht zweimal sagen. Er<br />
weiss auch, dass wir in punkto Tollheiten<br />
verwöhnt worden sind. Deshalb bedarf es<br />
diesmal eines ganz besonderen Tricks.<br />
Bobby hat es wieder auf die Niagarafälle<br />
abgesehen. Aber diesmal stellen sich dum-<br />
Artikel las. Wie zutreffend alle Ihre Vermutungen<br />
sind!<br />
Noch einmal auf die Einzelheiten des<br />
Verlustes einzugehen, hat ja keinen Zweck,<br />
jedenfalls kann ich aus Ihrem Feuilleton<br />
klar erkennen, dass es sich um meine verlorene<br />
Tasche handelt. Ich liatte sie erst<br />
vermisst, als ich unten beim Hotel auf dem<br />
Urnerboden anlangte. Zurückzugehen war<br />
ja natürlich attssichtslos; ich glaubte die<br />
Tasche längst gefunden, und damit also<br />
für mich verloren.<br />
Da sie keine grossen Werte enthielt, unternahm<br />
ich auch keine weiteren Schritte,<br />
sie wieder zu finden. Um so mehr freut es<br />
mich nun. dass die Tasche in die Hände<br />
eines ehrlichen Finders geraten ist, der<br />
sich noch die grosse Mühe nahm und alles<br />
tat, um die Besitzerin wieder ausfindig zu<br />
machen. Die Tasche ist mir jetzt um so<br />
wertvoller geworden, und wenn ich wieder<br />
in ihrem Besitze bin, werde ich wohl noch<br />
öfters an Ihren lustigen und schmeichelhaften<br />
Artikel erinnert werden.<br />
Ich werde mir erlauben, die Tasche in<br />
nächster Zeit auf der angegebenen Stelle<br />
durch meinen Mann abholen zu lassen.<br />
Ich versichere Sie nochnwls meines besten<br />
und aufrichtigsten Dankes.<br />
Ihre Mme<br />
Bern.<br />
Nun also die beiden Verlorenen glücklich<br />
wieder gefunden sind und der Journalist<br />
das tiefbefriedigende Gefühl hat, mit Hilfe<br />
seines ach so schwachen Wortes geeint zu<br />
haben, was zusammengehört, mag der Vorhang<br />
vor der kleinen Tragödie fallen, die<br />
wie man sieht — sich in eitel Wonne aufgelöst<br />
hat.<br />
bo.<br />
Bunte Chronik aus aller Welt<br />
dem Niagara hinfliegen und im rechten Augenblick<br />
in die Stromschnellen springen. Natürlich<br />
da, wo sie am fürchterlichsten sind.<br />
Ungelöst ist einstweilen noch das Rätsel,<br />
ob Bobby hernach an das kanadische oder<br />
an das amerikanische Ufer schwimmen soll.<br />
Bobby weiss nicht, von welcher Behörde<br />
verhaftet zu werden angenehmer ist. Erkundigungen,<br />
welche Strafe er hüben und<br />
welche er drüben zu erwarten hat, werden<br />
eingeholt. Darnach richtet sich dann seine<br />
Entscheidung.<br />
Rummelplatz Im Herrschaftspark.<br />
Auf dem Gebiet der kleinen Stadt Tring<br />
in Hertfordshire hat der englische Zweig der<br />
Rothschilds einen wundervollen Besitz. Alljährlich'<br />
wird der Jahrmarkt des Nestes auf<br />
den « Grounds » des Rothschildschen Parkes<br />
abgehalten. Auf den grossen Wiesen wer-<br />
merweise ein paar Schwierigkeiten in den den Tanzzelte aufgeschlagen. Schaubuden<br />
Weg. Weder die amerikanische noch die haben Umgebungen und Hintergründe wie<br />
kanadische Regierung erlaubt es ihm, zu nirgendwo. Der Park mit verschlungenen<br />
diesem Unfug die Ufer zu betreten. Folglich<br />
denkt sich Bobby eine aparte Sache aus. delnden zur Verfügung. Eine besondere An-<br />
und verschwiegenen Pfaden steht Lustwan-<br />
Er wird in einen Aeroplan steigen, dich über ziehung für die Kinder sind die vielen Tiere,<br />
Glossierte Filmhelden<br />
Buster Keaton und Tom Mix.<br />
Truthähne, Pfauen und zahmes WlkL Mit<br />
Stolz zeigen die Einwohner dem Fremden<br />
einen Garten im Elisabethanischen Stil mit<br />
eigenartig geschnittenen Pflanzen in der<br />
Form von Stühlen, Tischen, Tieren und Vasen.<br />
Jedes Jahr einmal zum Jahrmarkt darf<br />
jeder sich in diesem wundervollen Park tummeln<br />
als Gast des Lord Rothschild.<br />
Unnötiges Gepäck.<br />
Zu den üblichen, wohlbekannten Hinweisen<br />
der Einladungskarten, wie : « Gesellschaftsanzug<br />
» und dergl., hat sich jetzt in Frankreich<br />
eine neue Formel gesellt, in welcher<br />
sich der « Geist der Zeit > in höchst charakteristischer<br />
Weise widerspiegelt. Wenn die<br />
französische Jugend bei einer Einladung oder<br />
Verabredung ausdrücken will, dass man ganz<br />
unter sich zu sein wünscht, unbeschwert und<br />
anhängselfrei, ohne Eltern und andere unmoderne<br />
Anstandswauwaus, so wird die Parole<br />
ausgegeben : « Bagage inutile Iaisser<br />
sur Ie quai! » Auch in Holland hat, wie ein<br />
dortiger Schuldirektor erzählt, dieser Brauch<br />
Eingang gefunden. « Geen Bagage ! » (Kein<br />
Gepäck !) heisst es auch dort.<br />
Die grösste Kirche.<br />
Demnächst wird in Liverpool mit den Ausschachtungsarbeiten<br />
zu der grössten Kirche<br />
der Welt begonnen werden. Die Kirche wird<br />
Platz für 10,000 Personen bieten. Von der<br />
Kanzel aus werden 12 grosse Lautsprecher<br />
die Uebertragung der Predigten besorgen.<br />
Die Gesamtkosten sind auf 3,5 Millionen Pfd.<br />
Sterling veranschlagt.<br />
Venedig will die Tauben ausrotten.<br />
Der Magistrat von Venedig hat den Beschluss<br />
gefasst, die Taubenschwärme des<br />
Markusplatzes abschiessen zu lassen oder<br />
anderweitig zu vernichten. Die Wiederhersteüungsarbeiten<br />
am Dach des Dogenpalastes<br />
und an einer Reihe von Kirchtürmen haben<br />
allein im letzten Jahr die Stadtverwaltung<br />
eine Million Lire gekostet.<br />
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